Frauen verdienen nach wie vor durchschnittlich 20 Prozent weniger als Männer für gleiche Arbeit. Was dazukommt: Oft bezahlen sie sogar mehr für identische Dienstleistungen, etwa für einen Haarschnitt, ein Parfüm oder Hygieneartikel. Dies aber nicht immer ganz unfreiwillig.

Über das Phänomen «Gender Pricing» wird schon seit Jahrzehnten diskutiert und gestritten. Darf man identische Produkte und Dienstleistungen in zwei unterschiedliche Preiskategorien für Männer und Frauen unterteilen? Ist das nicht eine klare Diskriminierung des weiblichen Geschlechts, wo Frauen doch schon weniger verdienen als Männer? Und dies nachweislich für gleiche Arbeit. Grundsätzlich sind die beiden Themen eng miteinander verwandt, dürfen aber gleichwohl nicht vermischt werden.

Es geht um die «Pink Tax» (Rosa Steuer), wie die unterschiedliche Bepreisung von eigentlich identischen Männer- und Frauenprodukten sowie -dienstleistungen neben «Gender Pricing» auch noch – fast liebevoll – genannt wird. Eine deutsche Studie, in Auftrag gegeben von der Antidiskriminierungsstelle des Bundes, ist der Sache im vorletzten Jahr auf den Grund gegangen und hat identische Produkte und Dienstleistungen für beide Geschlechter akribisch untersucht. Das denkwürdige Resultat: Während bei den 381 untersuchten Dienstleistungen Frauen in jedem zweiten Fall draufzahlen, müssen die Männer nur gerade in 9 Prozent der untersuchten Beispiele tiefer in die Tasche greifen. Bei den handfesten Produkten sind die Unterschiede derweil seltener, aber gleichwohl vorhanden. Hier zahlen Frauen laut der deutschen Studie bei 2,3 Prozent der 1682 verglichenen Produkte mehr, Männer bei 1,4 Prozent.

Keine Studien in der Schweiz

Eine ähnliche Studie existiert in der Schweiz (noch) nicht, wie man auf Nachfrage bei Juristen, Konsumentenforen und Antidiskriminierungsstellen erfährt. Das Thema ist aber sehr wohl auch hierzulande bekannt. «Ja, dieses Phänomen gibt es auch in der Schweiz», heisst es etwa beim juristischen Infoportal Weblaw.ch. «Es fängt schon bei kleinen Dingen wie dem Coiffeurbesuch an. Frauen bezahlen für die gleiche Dienstleistung mehr, obwohl bei Männern in der Regel auch nur ‹die Spitzen› geschnitten werden», sagt die Mediensprecherin Moana van Aalst. Ein weiteres Beispiel wäre die Textilreinigung: So macht es einen Unterschied, ob man ein Herrenhemd oder eine Damenbluse reinigen lässt – obwohl der Unterschied kaum sichtbar ist. Ebenfalls betroffen sei der Erwerb von Hygieneartikeln wie Seifen, Bodylotions oder Shampoos, wo es auch erhebliche Preisunterschiede gebe. «Diese Artikel sind aus unserer Sicht für die Frauen unzulässigerweise teurer, weil sie eine Notwendigkeit darstellen.»

Auch beim Schweizerischen Konsumentenforum (KF) ist man sich des Phänomens «Pink Tax» durchaus bewusst. «Dass teils identische Produkte geschlechterspezifisch aufgeteilt und bepreist werden, gibt es schon seit vielen Jahren», sagt der KF-Sprecher Dominique Roten. Selbst sei er vor Jahren von seiner damaligen Freundin darauf aufmerksam gemacht worden, als diese Rasierklingen verglich. Einen wirklichen Überblick habe man beim Konsumentenforum indes nicht, wie Roten einräumt. «Bei den meisten Angeboten aus dem Detailhandel können wir die ‹Pink Tax› kaum schwarz auf weiss nachweisen, weil es unglaublich viele Produkte gibt, die auf dem Markt erscheinen, verschwinden, verändert wiederkommen und so weiter. Wir sind schlicht zu wenig Leute, um den Markt dahingehend beobachten zu können.» Man könne beim Konsumentenforum deshalb auch keine Tendenz erkennen, ob die genderspezifischen Preisunterschiede zugenommen hätten oder nicht.

Eigenverantwortung beim Kaufverhalten

Rechtlich ist in der ganzen Sache bis dato ohnehin nicht viel zu machen. In Deutschland etwa entgegnen Ökonomen den sich beklagenden Verbraucherschützern und Antidiskriminierungsstellen relativ nüchtern, dass es bei der ganzen Sache in erster Linie um Marketing gehe. «Um der Unterschiedlichkeit von Verbraucherbedürfnissen nachzukommen, muss ein Unternehmen verschiedene Arten von Produkten anbieten. In diesem Fall sind es geschlechterspezifische Produkte, und das macht vom Grundsatz Sinn», liess sich etwa der Marketingexperte Martin Fassnacht in deutschen Medien zitieren.

Gegen solche Aussagen lässt sich rechtlich kaum ankämpfen. Auch in der Schweiz geht es den Konsumentenschützern daher weniger um juristische Schritte als vielmehr um Aufklärungsarbeit. Das KF etwa hat beste Verbindungen zu politischen Instanzen und Frauenorganisationen und ist mit Vertreterinnen und Vertretern auch regelmässig in den Wandelhallen des Bundeshauses anzutreffen. «Es geht darum, Themen wie die ‹Pink Tax› ins politische Bewusstsein zu manövrieren und damit bekannter zu machen», sagt Dominique Roten.

Intensiv appellieren er und seine Mitstreiterinnen und Mitstreiter dabei auch an die Eigenverantwortlichkeit von Frauen. Es sei nicht wegzudiskutieren, dass weibliche Konsumentinnen oft ein anderes Einkaufsverhalten an den Tag legten als Männer und auch empfänglicher seien für Produkte, die frauenspezifisch gestaltet sind, Stichwort: «Bling-Bling». Man könne deshalb nicht nur von den «bösen Detailhändlern» sprechen, die den Frauen «teurere Produkte aufdrängen». Oft falle die Wahl auf mehr Extravaganz bei Frauen ganz bewusst. Gerade beim konkreten Beispiel der Rasierklingen hätten die Frauen mit ihrem Kaufverhalten deshalb die Macht, Dinge zu ändern. «Ich habe in meinem Bekanntenkreis mehrere Frauen, die ganz bewusst Männerrasierklingen kaufen, welche bezüglich Qualität identisch sind, dafür aber günstiger und erst noch platzsparender. Würde sich ein Grossteil der Frauen so verhalten, hätten wir ziemlich rasch Unisex-Rasierklingen.»

Beim Thema Versicherungen gibt es die «Pink Tax» übrigens nicht mehr. Während Frauen früher höhere Krankenkassenprämien zahlten, wurden diese Unterschiede laut Dominique Roten inzwischen verboten. Für Autoversicherungen bezahlen Frauen heute sogar weniger als Männer. Für die Juristen von Weblaw.ch ist der Grund dafür aber auch klar. «Frauen verursachen weniger Unfälle.» Aber auch hier würde sich wohl eine genauere Betrachtung einmal lohnen.

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