Auf der Basis von Forschungsergebnissen ein tragbares Jungunternehmen zu gründen oder ein marktfähiges Produkt zu entwickeln, ist nicht einfach. Innosuisse, die Förderagentur des Bundes unter CEO Annalise Eggimann, stellt Startups Coachingprogramme und KMU Mentoren sowie finanzielle Unterstützung für Innovationsprojekte zur Verfügung.

Klischees halten sich oft hartnäckig. Vor nicht allzu langer Zeit machte das Bild der Forscherin oder des Wissenschaftlers als Bewohner des Elfenbeinturms die Runde. Als leicht weltfremder Nerd, der sich lieber in akademischen Diskussionen ergiesst, als sich dem harten Wind der Realwirtschaft auszusetzen, lieber Studie um Studie veröffentlicht, anstatt selber anzupacken, der Patente anmeldet, aber seine Ideen nicht wirklich «zum Fliegen» bringt. Vielleicht ist ja auch der Gründermythos des Silicon Valley, von wo aus mit sozialen Netzwerken, künstlicher Intelligenz und Virtual Reality die globale Wirtschaft auf den Kopf gestellt wurde, mitverantwortlich dafür, dass sich die Wirtschaft von der Wissenschaft eine Frischzellenkur verspricht. Schliesslich finden sich unter ihnen die disruptiven Kräfte, die einem Unternehmen – oder gar der Wirtschaft eines Landes neuen Schwung verleihen.

Genau diesen Wissenstransfer zwischen Forschung und Unternehmertum will Innosuisse, die Förderagentur für Innovation des Bundes, unterstützen. «Wir fördern wissenschafts- und technologiebasierte Unternehmensideen», sagt Annalise Eggimann, Direktorin der Innosuisse. Sie ist für einen beachtlichen Geldtopf von jährlich 228,9 Millionen Franken an Steuergeldern verantwortlich. Damit werden innovative, forschungsbasierte Startups mit Coachings unterstützt und die Forschung mit der Wirtschaft kurzgeschlossen.

Innovationen marktfähig machen

Nicht die Aussicht auf raschen Gewinn oder das Verfolgen kurzfristiger gesellschaftlicher Trends steht im Fokus, sondern nachhaltiges Wachstum. Ziel ist es, Forscherinnen und Forschern zur Realisierung ihrer Produkte oder Dienstleistungen zu verhelfen und eine Brücke zwischen Forschung und Wirtschaft zu schlagen. Letztlich geht es auch um Anschubhilfen für die Innovation in der Wirtschaft. Denn der Löwenanteil des Budgets (70 bis 80 Prozent), so Eggimann, komme Forschungsinstitutionen, vor allem Hochschulen, zugute, die gemeinsam mit einem Umsetzungspartner, in den meisten Fällen ein KMU, ein Innovationsprojekt durchführen.

Ein Unternehmen zu gründen ist mit grossen Risiken verbunden. Für potenzielle Entrepreneurinnen ist es oft Neuland. Wie erstellt man einen Businessplan? Wer sind die potenziellen Kunden? Wie tritt man in den Markt? Hier setzt Innosuisse mit einer Reihe von Angeboten an; etwa mit Trainings und Coachings für Jungunternehmen und Startups. «Innerhalb des Programms «Bridge» können Forschende ihre Entdeckungen zur konkreten Anwendung zum Nutzen der Gesellschaft und der Wirtschaft weiterentwickeln», so Eggimann. «Bridge» wird von der Innosuisse in Zusammenarbeit mit dem Nationalfonds betrieben und positioniert sich an der Schnittstelle zwischen Grundlagenforschung und anwendungsorientierter Forschung. Für den Zeitraum 2017 bis 2020 verfügt das Programm über ein Budget von 70 Millionen Franken. «Proof of Concept» ist für junge Forschende bereits ab Stufe Bachelor gedacht; «Discovery» für erfahrene Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Über 40 Projekte werden insgesamt derzeit unterstützt.

Unternehmertum wagen

Dank dieser Unterstützung wagte etwa die junge Westschweizer Biologin Olga Dubey den Schritt von der Wissenschaft ins Businessleben: Sie ist Mitbegründerin des Startups «Agrosustain». Während ihres Doktorats hatte sie eine natürliche Substanz entdeckt, mit der sich krankheitserregende Pilze bekämpfen lassen, die Früchte und Gemüse befallen. Früher wäre die Wissenschaftlerin wohl weiter in einem Universitätslabor gesessen, bis sie vielleicht von einer der grossen Chemieunternehmen angeworben worden wäre, um als eine von Hunderten von Mitarbeitern einer vorgegebenen Berufskarriere zu folgen. Die Biologin schlug einen anderen Weg ein. Dank des staatlichen Förderbeitrags von Innosuisse und dem Schweizerischen Nationalfonds konnte sie weiterforschen, ein Patentgesuch einreichen und das Startup gründen. Im nächsten Jahr wird die junge Firma ihre Produkte den grossen Schweizer Agrar- und Nahrungsmittelkonzernen vorstellen.

Mit Nachhaltigkeit zum Erfolg

In den Genuss des Bridge-Programms kam auch die Designerin Catalina Jossen Cardozo mit ihrem Schuhlabel «By Maria!». Sie machte ihre Masterarbeit in Design an der Kunsthochschule Luzern und nahm dabei den Schuhmarkt unter die Lupe. In Kolumbien, ihrem Herkunftsland, hatte sie bereits mit den komplexen Bedingungen der Schuhfabrikation und -logistik Erfahrungen gesammelt. Mit ihrer Schuhmarke will sie nun eine optimierte Produktionskette unter nachhaltigen Prinzipien und mit Nutzung neuer Technologien erschaffen. Die Materialien werden nach ökologischen Kriterien ausgewählt, und kolumbianische Handwerker arbeiten unter fairen Bedingungen und mit Weiterbildungsmöglichkeiten. Am anderen Ende scannt der Kunde mit einer App seine Füsse ein, und Designer erstellen ihre Kollektionen mit einer Online-Software. Sie erhalten zehn Prozent des Verkaufspreises (gegenüber normalerweise nur einem Prozent). Auf einer Internetplattform laufen die Fäden zusammen. «Ich wollte beweisen, dass es möglich ist, ein wirtschaftlich erfolgreiches Produktionsmodell zu entwickeln, das fair und nachhaltig ist», so Catalina Jossen Cardozo.

Auch das Schweizer Legal Tech Startup Legartis kam in den Genuss der Anschubhilfe von Innosuisse. Es bietet eine auf künstlicher Intelligenz basierende Software für die Erfassung und den Abgleich von grossen Mengen juristischer Dokumente und Daten. Das sogenannte«Lifecycle Contract Intelligence Tool» ermöglicht etwa eine effizientere Arbeit von Anwälten und Unternehmensjuristen. Ein weiteres Beispiel ist das Startup AdNovum, das in Kooperation mit AMAG, AXA, Mobility und dem Strassenverkehrsamt Aargau das sogenannte «Car Dossier» mit der Blockchain-Technologie entwickelt. Es soll ähnlich einer Krankenakte den Lebensweg eines Autos elektronisch erfassen und bei Bedarf jederzeit abgerufen werden können. Eine elektronische Schnittstelle also zwischen Importeur, Zoll, Strassenverkehrsämtern und Garagen.

Über die Schweiz hinaus

Derzeit unterstützt Innosuisse 1235 Innovationsprojekte zwischen KMU und Forschungsinstitutionen; von den 211 solcher Gesuche, die allein im ersten Halbjahr 2018 eingereicht wurden, erhielten etwas mehr als 50 Prozent eine Finanzierung. Fast die Hälfte aller an Innovationsprojekten beteiligten Forschungspartner sind dabei Fachhochschulen. An die 4000 Teilnehmer besuchten im letzten Jahr Trainingsmodule des Start-up-Trainings. Angehende Unternehmer kommen auch in den Genuss eines Coachings und eines Start-up-Trainings; in sogenannten Internationalisierungscamps (in San Francisco, Boston, New York, Rio de Janeiro, São Paulo, London, Bangalore und Schanghai) können neue Märkte entdeckt werden.

Coachings wurden über die Vorgängerorganisation der Innosuisse, des KTI, schon seit den 1990er-Jahren angeboten – zu einer Zeit also, als es praktisch noch keine privaten Beratungs- und Trainingsangebote für Startups gab. Seit Anfang 2018 ist Innosuisse als eigenständigere Agentur ausserhalb der Verwaltung organisiert. Das sorgt für mehr Flexibilität, und mit dem Ingenieur und Industriellen André Kudelski hat sie einen prominenten Verwaltungsratspräsidenten aus der Wirtschaft gewonnen. Der für die Förderentscheide verantwortliche Innovationsrat besteht aus 19 Unternehmerinnen und Unternehmern mit breitem Erfahrungsfundus.

Startup-Förderung im Trend

In den letzten Jahren haben sich auf privater Basis eine ganze Anzahl von Startup-Accelerator-Programmen, Inkubatoren und Hubs gebildet, die Unternehmensgründer fit für den Markt machen wollen, und Business Angels, die die ersten Phasen der Finanzierung übernehmen. Auch die Hochschulen sind aktiv, etwa die ETH Innovation + Entrepreneurship Lab, der EPFL Innovation Park und das Center for Entrepreneurship an der Hochschule St. Gallen. Auch Banken machen mit, etwa die Credit Suisse mit dem Innovation Circle; sie alle haben sich der gezielten Förderung von innovativen Jungunternehmern verschrieben. An Match-Making-Events der Non-Profit-Organisation Swiss Startup Invest begegnen sich Investoren und innovative Jungunternehmer. Dass die Innovationsförderung aber auch als staatliche Aufgabe wahrgenommen wird, liegt im nationalen Eigeninteresse. Von Innovation verspricht man sich Arbeitsplätze und internationale Wettbewerbsfähigkeit.

Ideale sind wichtig

Worin liegt nun der grosse Unterschied zwischen der Arbeit der Innosuisse und derjenigen der privaten Startup-Coachings? «Wir machen massgeschneiderte Coachings, die in der Regel länger dauern als die privater Programme. Ein Jungunternehmer wird bis zu drei Jahre begleitet; sie durchlaufen zusammen mit ihrem Coach den gesamten Aufbauprozess.» Letztlich geht es aber vor allen Dingen darum, den Unternehmergeist bei den Forschenden zu wecken, zu pflegen und für die Wirtschaft fruchtbar zu machen.

Dass es den Jungunternehmern aus der Forschung nicht nur um den finanziellen Erfolg geht, sondern um Ideale, bekommt Annalise Eggimann bei Zusammenkünften von Startup Unternehmern aus der Forschung immer wieder zu spüren. «Ihr Wille, etwas Gutes zu bewirken und einen Unterschied zu machen in der Gesellschaft», schwärmt sie, «dieser Enthusiasmus und diese Energie ist mit Händen zu greifen.»

Über Annalise Eggimann

Annalise Eggimann, 1960 in Eriswil bei Bern geboren, erlangte bereits als 27-Jährige das Anwaltspatent an der Universität Bern. 2003 absolvierte sie das Executive MBA an der Universität Zürich. Nach einigen Jahren als juristische Mitarbeiterin in Unternehmen arbeitete sie beim Schweizerischen Nationalfonds und beim Bundesamt für Kommunikation (BAKOM) in leitenden Positionen, bevor sie 2015 Geschäftsführerin der Kommission für Technologie und Innovation (KTI) wurde. Seit Anfang 2018 ist sie Direktorin der Nachfolgeorganisation der Schweizerischen Agentur für Innovationsförderung Innosuisse.

Sie ist verheiratet, ihre Freizeit verbringt sie mit Vorliebe mit Lesen, Wandern und Reisen.

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