«Eure Extrameile beginnt um Mitternacht» – mit diesem Leitsatz tauchte Charlie Kant vor einigen Jahren ein in die Arbeitswelt der Consultants. Doch wie lang diese Extrameile denn tatsächlich ist, wollte sie selbst herausfinden und schrieb ein Buch darüber.

Die Extrameile gehen – der Ausdruck hat seinen Weg aus dem Englischen ins Deutsche längst gefunden. Besonders gern wird er in Unternehmensberatungen gebraucht, wo man die Mitarbeitenden dazu motivieren möchte, über die persönlichen Leistungsgrenzen hinauszuwachsen. «Als Kind wollte ich Meeresbiologin werden. Als ich gross war, wusste ich: Damit machst du kein Geld. Intrinsische Motivation hin oder her, das Leben ist kein Ponyhof. Und ich bin sicher: Irgendwann wird es sich auszahlen, dass ich diesen Job hier mache.» Das schrieb Charlie Kant nach ihrem ersten Monat in einer Unternehmensberatung in ihr Tagebuch. Die studierte Psychologin ist seit 2014 als Beraterin bei einer global agierenden Unternehmensberatung tätig. Mit 25 Jahren stieg sie als «New Joiner» in München ein, im Jahr 2015 ging sie nach London und lebt und arbeitet seitdem in England.

Die Extrameile zu gehen bestimmt ihren beruflichen Alltag – sowohl im wörtlichen als auch im übertragenen Sinne. Wielang diese Extrameile denn tatsächlich ist, wollte sie herausfinden und begab sich im Haifischbecken Unternehmensberatung auf die Suche. Resultat ihrer Untersuchungen ist das gleichnamige Buch, in dem sie mit viel Humor und einiger Selbstironie einen Blick hinter die Kulissen der geheimnisvollen Welt der Unternehmensberater bietet.

Kaum Zeit für Hobbys, geschweige denn für Familie, dafür Calls und Meetings zu Zeiten, in denen andere sich vom Alltag erholen: Das ist die Welt, in der sich Charlie Kant bewegt. Die Berater-Realität entpuppte sich für sie als eine skurrile «Bubble», in der sogar eine eigene Sprache, der Beratersprech, existiert und in der kuriose Gestalten die Karriereleiter erklimmen: Wie etwa der CEO, der ein Marshmallow unter einer Glasglocke aufbewahrt; die Kundin, die täglich versichert, dass sie es verdient habe, «eine Grösse 36 zu sein», oder ihr Kollege, der Vice President, der Charlie Kant beim gemeinsamen Dinner ein ganz besonderes Angebot macht. Und sie wäre keine echte Unternehmensberaterin, wenn sie nicht wie ein «High Performer» die «Challenges» annähme, die ihr auf der Überholspur des Lebens begegnen. Schliesslich will auch sie vom ungeschliffenen Rohdiamanten zum «Top Talent» werden, nach der sich alle Headhunter die Finger lecken.

Charlie Kant gewährt dem Leser einen Blick hinter die Kulissen der geheimnisvollen Welt der Unternehmensberater, indem sie die sonst mit kurioser Hochachtung betrachtete Branche kritisch seziert. Sie berichtet aus eigener Hand davon, wie der Einstieg in die Unternehmensberatung verläuft und dass «Mehr Schein als Sein» im Bewerbungsprozess definitiv hilft. Dass sich dabei auch so manche Geschlechterklischees voll entfalten, versteht sich fast von selbst. So etwa bleibt es nicht unkommentiert, wenn die Bewerberin auf flachen Sohlen statt auf hohen Hacken zum Gespräch erscheint.

Doch all diese Hürden hat Charlie Kant genommen und war nun mitten drin. Sie gibt Einblicke in den stressigen Alltag einer jungen Unternehmensberaterin, die anfangs droht, an einem Bore-Out zu erkranken. Und zuletzt fragt sie sich, wie man den «optimalen Exit» einleitet, um nicht im Hamsterrad umzufallen und dann im elitären «Entschleunigungsseminar» aufgefangen zu werden. Doch eines bewegt sie ganz besonders: Wieso merkt eigentlich niemand von den sonst so «Outside the box» denkenden KollegInnen, dass sie die «Cash Cows» des 21. Jahrhunderts sind und gnadenlos gemolken werden?

Verlag Schwarzkopf & Schwarzkopf.         ISBN 978-3-86265-698-1

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