Claudia Silberschmidt
Innenarchitektin, Designerin und Powerfrau

Wir haben mit Claudia Silberschmidt über ihre Arbeit während des Lockdowns, Tipps für das Homeoffice und neue Einrichtungstrends gesprochen

Interview: Brigitte Selden | Fotos: Martin Guggisberg

Frau Silberschmidt, als Innenarchitektin verbringen Sie viel Zeit mit und beim Kunden. Wie sind Ihre Projekte in Zeiten von Corona weitergelaufen? Und wie sind Sie mit Ihren Kunden in Kontakt geblieben?

Es war eine spannende, aber auch herausfordernde Zeit für mich und mein Team. Wir mussten sofort die Meetings mit unseren Kunden umstellen und via Zoom kommunizieren. Das funktionierte sehr gut, solange es um Planung oder strukturelle Themen ging. Aber sobald wir über haptische Dinge, wie Materialien, Stoffe oder Stimmungen sprechen mussten, wurde es schwierig. Das Haptische lässt sich nicht einfach virtuell auf dem Screen vermitteln. Für diese Meetings haben wir uns in meinem Atelier mit maximal fünf Personen getroffen. So konnten wir der Bauherrschaft unsere Präsentationen zeigen und dabei trotzdem genügend Abstand halten. Der persönliche Kontakt mit meinen Kunden ist und bleibt das Wichtigste für mich. Dass ich meine Kunden spüren kann, macht unsere Projekte letztlich aus.

Hat sich während dieser Zeit auch die Zusammenarbeit mit Ihrem Team verändert?

Nach dem Lockdown mussten wir natürlich auch unsere Arbeitsweise umstellen, damit mein zehnköpfiges Team im Homeoffice arbeiten konnte. Vorher haben wir nur sehr vereinzelt von zuhause aus gearbeitet. Das war für uns eine neue, positive Erfahrung, aber auch nicht immer ganz einfach. Denn wenn wir zusammen im Atelier arbeiten, können wir schnell nebenbei Fragen klären oder etwas diskutieren. Das geht virtuell nicht ganz so unkompliziert. Aber das war für mich auch das Spannende an der neuen Situation, zusammen herauszufinden, was wie am besten funktioniert.

Wo arbeiten Sie denn am liebsten?

Tatsächlich ist es so, dass ich immer mit dem Laptop unterwegs bin und sehr ortsunabhängig arbeite. Den grössten Teil meiner Zeit verbringe ich mit meinen Kunden. Oder ich bin im Atelier, um mit meinem Team die laufenden Projekte weiterzuentwickeln, Materialien zu samplen und mit ihnen zu diskutieren und die weiteren Planungsschritte abzustecken. Auch die vielen Emails, die ich täglich erhalte, erledige ich meist irgendwo unterwegs. Deshalb habe ich auch kein eigentliches Homeoffice. Während der letzten Wochen hat aber auch unser Esstisch als Arbeitsort für die ganze Familie gedient. Diese Momente habe ich als sehr schön empfunden.

Zukunftsforscher gehen davon aus, dass wir auch nach der Corona-Krise vermehrt im Homeoffice arbeiten werden. Können Sie als Innenarchitektin unseren Leserinnen Empfehlungen geben, wie man mit der richtigen Einrichtung Zuhause ein gut aufeinander abgestimmtes Wohn- und Arbeitsumfeld schaffen kann?

Selbst in einer kleinen Wohnung kann man mit einer durchdachten räumlichen Aufteilung eine gute Balance zwischen Wohnen und Arbeiten schaffen. Wichtig ist, dass sich jeder seinen Platz beispielsweise im Ess- oder Wohnzimmer, in der Küche oder bestenfalls im Büro mit der richtigen Infrastruktur eingerichtet hat und sich zum Arbeiten gelegentlich zurückziehen kann. Aber wir sollten auch die Flexibilität nutzen, die uns die Technologien heute ermöglichen. Mit dem Laptop kann man schliesslich überall arbeiten, am Esstisch, auf der Parkbank oder auf dem Sofa. Diese Möglichkeiten sollten wir ausschöpfen und mit kleinen Massnahmen unterstützen. Beispielsweise mit dem richtigen Licht, das sehr wichtig ist für ein gesundes Arbeitsumfeld. So hat man mit einer kleinen Akkuleuchte immer dort, wo man gerade sitzt, das passende Licht dabei.

Wer zuhause arbeitet, läuft schnell mal Gefahr, die Arbeit so gar nicht mehr vom Privatleben zu trennen. Haben Sie persönliche Tipps, wie sich im Homeoffice die richtige Work-Life-Balance herstellen lässt?

Für mich persönlich spielt eine Work-Life-Balance keine grosse Rolle. Die Innenarchitektur und das Design sind, nebst meiner Familie, mein Lebensinhalt. Bei mir gehen Leben und Arbeit fliessend ineinander über und die Ideen gedeihen irgendwo, wo ich gerade bin. Aber ich habe während des Lockdowns bei meinen Mitarbeiterinnen miterlebt, wie sie sich im Homeoffice organisiert haben. Sie haben sich beispielsweise mit ihrem Partner immer zu fixen Terminen in der Küche zum Kochen getroffen. Oder sich zum Online-Yoga oder Pilates zurückgezogen und anschliessend zur abgemachten Uhrzeit wieder zum Apéro getroffen. Das ist sicher eine der wichtigsten Erfahrungen, die wir aus den vergangenen Wochen mitgenommen haben, dass es unbedingt Struktur und einen festen Rhythmus braucht. Dazu gehört aber auch, immer wieder bewusst eine Pause einzulegen und draussen spazieren zu gehen, um Energie zu tanken, damit es im Homeoffice nicht dann noch ausufert.

Wir alle haben in den letzten Wochen sehr viel Zeit in den eigenen vier Wänden verbracht. Wird aufgrund dieser Erfahrung die Gestaltung des persönlichen Wohnraums als Rückzugs- und Erholungsort zukünftig wichtiger für uns sein?

Ich stelle tatsächlich eine Veränderung fest. Wenn wir uns so lange zuhause aufhalten, bekommen die eigenen vier Wände automatisch eine andere, wichtigere Bedeutung. Denn dann spüren wir unsere Umgebung ja viel mehr. Vor allem, wenn wir auch noch zuhause arbeiten. Ich glaube, dass der Rückhalt, den ein Zuhause gibt, nach der Erfahrung der letzten Wochen mehr Gewicht bekommen hat. Die Wohnung ist ein Ort, der uns Sicherheit, Ruhe und Ausgleich gibt. Ich denke, es wird generell eine grössere Lust aufkommen, auch selbst anzupacken und Veränderungen vorzunehmen, wie etwa eine Wand neu zu streichen und eine frische Atmosphäre in die Räume zu bringen. Das Bewusstsein, es sich zuhause schön zu machen, wird mehr Aufmerksamkeit gewinnen.

Welche Trends zeichnen sich jetzt Ihrer Meinung nach bei der Einrichtung, den Materialien, Farben und Accessoires ab?

Ein völlig neuer Trend wird nicht entstehen. Aber der Trend zur Natur wird sich intensivieren. Dadurch, dass wir gezwungen waren, über Wochen drinnen zu bleiben, fällt uns jetzt auf, wie wichtig die Natur für uns ist. Ich bin davon überzeugt, dass echte Materialien und Farben aus der Natur die Einrichtungsgestaltung bestimmen werden. Mir selbst liegt das auch sehr am Herzen, weil ich ein naturbezogener Mensch bin und es lieber bodenständig mag. Ich denke, das kommt jetzt generell noch mehr auf. Die Naturnähe zu spüren, ist gerade in einer Krisenzeit sehr wichtig. Und das gelingt uns zum Beispiel mit den Trendfarben Grün und den verschiedenen Erdtönen.

Welche Tipps haben Sie für unsere Leserinnen, wie sie ihr Heim verschönern und es sich gemütlich machen können?

Es sind die einfachen Dinge, mit denen wir in dieser Hinsicht schon sehr viel erreichen können. Zum Beispiel mit einer schönen Kerze, einem Duft oder einem frischen Blumenstrauss. Auch die richtige Beleuchtung ist für eine schöne, angenehme Atmosphäre zentral. Letztlich sind es sind die kleinen Dinge und Aufmerksamkeiten, die Freude machen und bewirken, dass wir uns wohlfühlen. Und die müssen überhaupt nicht teuer sein.

Zum Schluss noch eine letzte Frage: Welche positiven Erkenntnisse nehmen Sie mit aus den letzten Wochen, die hinter uns liegen?

Enorm positiv finde ich, dass durch die virtuellen Meetings die Reisezeiten weggefallen sind. Am richtigen Ort für die richtigen Sitzungen eingeführt, sind Video-Meetings fantastisch. Vor allem bei trockenen Sitzungen, wo etwas abgearbeitet und Entscheidungen getroffen werden müssen und alle genau wissen, um was es geht. Ich habe in den vergangenen Wochen die Erfahrung gemacht, dass diese Meetings viel kürzer und effizienter waren, weil alle konzentriert und gut vorbereitet waren. Ich musste immer wieder schmunzeln, wenn wir mit einer Sitzung, für die wir früher zwei Stunden brauchten, plötzlich nach einer Stunde fertig waren. Ich meine, das sollten wir weiter ausbauen. Ich kann mir auch gut vorstellen, dass wir in meinem Team punktuell mehr von zuhause aus arbeiten werden. Generell entstehen zurzeit eine grössere Flexibilität und Offenheit, Neues auszuprobieren. Das finde ich sehr positiv.


Über Claudia Silberschmidt
Nach Studienjahren in St. Gallen und New York sowie Berufsjahren in verschiedenen Architektur- und Designbüros gründete die gebürtige Appenzellerin Claudia Silberschmidt 1999 ihr eigenes Innenarchitekturbüro in Zürich, das Atelier Zürich. Zusammen mit ihrem Team entwickelt sie für ihre Auftraggeber Konzepte, die jedem Projekt eine eigenständige Identität geben. Atelier Zürich arbeitet sowohl für Unternehmen als auch für Privatpersonen. Ausgewählte Design-Objekte und selbst entworfene Produkte sowie verlesene Wohnaccessoires finden sich in Claudia Silberschmidts Concept Store Frohsinn im Zürcher Seefeld.
www.atelierzuerich.ch
www.frohsinn.ch

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