«Zukunftssicherheit stärken heisst, die Handlungsfähigkeit aufrecht zu erhalten und sowohl als Individuum wie auch als Team eine gewisse Resilienz zu haben in der turbulenten, komplexen Welt, in der wir arbeiten.»

Posted by Brigitte Selden

Andrea Rutishauser
Marketingfrau, Trainerin und Systemischer Coach

Interview: Brigitte Selden | Fotos: Andrea Rutishauser

Andrea Rutishauser ist Geschäftsführerin des Weiterbildungsinstituts BWI. Wir haben mit ihr über die Kernthemen der Weiterbildung gesprochen und wie man die Zukunftssicherheit von Organisationen stärken kann.

Sie sind seit Februar 2020 Geschäftsführerin bei der Weiterbildungsinstitution BWI, vormals das 1929 gegründete Betriebswissenschaftliche Institut der ETH. Können Sie uns Ihr Institut und die Schwerpunkte kurz vorstellen?

Unser Beratungs- und Weiterbildungsinstitut (BWI) bietet wie bisher gewohnt Weiterbildung für Berufsleute an. Es ist uns nach wie vor wichtig, unsere KundInnen vom Wissen zum Können zu führen, d.h. wir legen grossen Wert darauf, auch wirklich praktische Inhalte zu vermitteln und an den Themen der TeilnehmerInnen direkt zu arbeiten und so einen hohen Transfer des Gelernten in den Berufsalltag zu erreichen. Diesen Ansatz des praktischen Nutzens verfolgen wir auch in der Beratung.
Hier geht es uns darum, die Situation der Organisation ganzheitlich zu erfassen und basierend auf der jeweiligen Situation konkrete, vielleicht auch nur inkrementelle Schritte einer Weiterentwicklung zu ermöglichen. Praktisch bedeutet das, dass in manchen Fällen etwa ein Schritt hin zu einem agileren Denkansatz (Mindset) nützlicher ist, als ganze Organisationsteile mit Gewalt auf agile Vorgehensweisen umzustellen. Brauchbarkeit der Intervention im jeweiligen Umfeld ausgehend von den Stärken der Organisation sind unsere Devise.

Unter Ihrer Leitung richtet sich das BWI neu aus. Welche neuen Inhalte haben Sie in Ihr Programm aufgenommen und warum?

Nach wie vor stehen wir für Kernthemen in der Weiterbildung in Führung und Projektmanagement. Wir haben uns neu nach vier Themenkreisen strukturiert: Sich selbst führen, Teams führen, Projekte führen und Organisationen führen. Ansätze wie die eigene Resilienz zu stärken, Hochleistungsteams aufzubauen und zu führen oder auch laterale/kollegiale Führung sowie das Führen rein virtueller Teams sind Themen, die uns im Augenblick stark beschäftigen und die auch angesichts der aktuellen Belastungssituationen in der Welt stark an Bedeutung gewinnen.

In welcher Form vermitteln Sie Ihr Angebot, und an wen richtet sich das Programm des BWI?

Augenblicklich gibt es unsere Weiterbildungen als Präsenzschulung oder als Online-Seminar. Öffentliche Seminare führen wir derzeit wieder vermehrt als Präsenzunterricht durch, Seminare, die wir massgeschneidert für Unternehmen anbieten, laufen derzeit fast ausschliesslich rein virtuell. Künftig werden wir zunehmend auf Blended Formate setzen, in denen die physische Präsenz der Teilnehmenden nicht mehr so ausgeprägt stattfinden wird wie bisher. Derzeit richten sich die Weiterbildungsangebote an Organisationen, die ihre Mitarbeitenden in öffentliche Seminare schicken oder eben auch massgeschneiderte Inhouse-Schulungen buchen können. Selbstzahlende TeilnehmerInnen streben wir vor allem für die Seminare im Bereich Persönlichkeitsentwicklung (sich selbst führen) an. In der Beratung sind es Organisationen aller Arten, die wir ansprechen.

Mit welchen besonderen Herausforderungen sehen sich Unternehmen und Organisationen heute durch Covid-19 konfrontiert?

Vor allem natürlich hat ein rasantes Umdenken bezüglich des online Arbeitens stattgefunden. Die meisten Organisationen haben sich umgestellt und lassen ihre Mitarbeitenden vor allem «remote» arbeiten. Dies führt bereits und wird noch mehr zu anderen Arbeitsabläufen führen. Vermehrt unter Druck kommt natürlich auch das Thema «Kontrolle». Virtuell Arbeiten bedeutet, den Menschen Vertrauen in die Qualität ihrer Arbeit entgegenzubringen und auch Wege zu finden, in Verbindung zu bleiben mit den eigenen Mitarbeitenden, um Ziele gemeinsam erreichen zu können.

Das BWI will insbesondere die Zukunftssicherheit von Organisationen stärken. Wie sehen die Angebote in den Bereichen Weiterbildung und Beratung konkret aus?

Zukunftssicherheit stärken heisst, die Handlungsfähigkeit aufrecht zu erhalten und sowohl als Individuum wie auch als Team oder Organisation eine gewisse Resilienz zu haben in der turbulenten, komplexen Welt, in der wir leben und arbeiten. Daher die Gliederung unserer Weiterbildungsangebote in die vier erwähnten Bereiche, aus denen Kurse flexibel miteinander kombiniert werden können. Durch die Kombination Beratung und Weiterbildung können wir Organisationen ganzheitlich unterstützen, d.h. wenn wir beraten, sehen wir, welches Wissen noch gefestigt werden muss und wenn wir weiterbilden, erkennen wir, welche Herausforderungen im Unternehmen bestehen und können gezielte beratende Begleitung anbieten.

Zusammen mit der Universität St. Gallen bieten Sie künftig eine neue Weiterbildung für Führungskräfte an. Wen wollen Sie damit konkret ansprechen und welche neuen Inhalte können die Teilnehmer erwarten?

Wir bieten ab Frühling 2021 ein gemeinsames CAS in Projektmanagement an. Dieses CAS bildet angehende und amtierende Projektmanager gezielt aus in den Herangehensweisen (klassisch, hybrid und agil) des Projektmanagements sowie in deren Methoden und Instrumenten. Neu ist vielleicht, dass viel Wert auf das Mindset gelegt wird, mit dem man an Themen herangeht. So bringen wir etwa Aspekte aus dem Mentaltraining und Resilienzansätze mit hinein. Das CAS bringt neben diesem Zertifikat der renommierten Universität St. Gallen gleichzeitig auch eine Zertifizierung nach IPMA Level D sowie als Scrum Master. Impulsreferate erfolgreicher Projektleiter aus der unmittelbaren Praxis runden die Weiterbildung ab.


Über Andrea Rutishauser Über 30 Jahre Führungserfahrung in Marketing und Kommunikation von multinationalen Konzernen sowie in der Geschäftsführung von KMU zeichnen Andrea Rutishauser aus. Seit 2011 arbeitet die Mutter von Zwillingen als selbständige Beraterin und systemischer Coach, mit den Schwerpunkten Teamentwicklung, Mediation und Konfliktmanagement.

Ein Plädoyer für Nachhaltigkeit

Posted by Ambra Spiller

Maria Porro ist mit 41 Jahren sowohl Präsidentin des Salone del Mobile als auch junge Unternehmerin. Wir haben mit ihr über den Seiltanz zwischen Tradition und Moderne, das Joinglieren von zwei Vollzeitjobs sowie den Zauber des ersten Messetages gesprochen.

Maria Porro trägt zwei Hüte: Sie ist Unternehmerin von Porro S.p.A. und seit 2021 Präsidentin der weltweit wohl bedeutendsten Designmesse, dem Salone del Mobile in Mailand. Porro ist eine Marke, die seit einem Jahrhundert in der italienischen Designbranche fest verankert ist. Seit seiner Gründung 1925 wurde das Unternehmen von Generation zu Generation weitergegeben. Maria Porro führt heute als Marketing- und Kommunikationsdirektorin das Unternehmen in vierter Generation mit einer mutigen Vision für Design und Nachhaltigkeit in die Zukunft.

WOMEN IN BUSINESS: Frau Porro, was ist Ihre früheste Erinnerung an die Möbelmesse?
Maria Porro: Ich war praktisch jedes Jahr seit meiner Geburt dabei. Meine ganze Familie, mein Grossvater, mein Vater und seine Cousins, arbeiteten so hart für den wichtigsten Moment des Jahres. Alle Kinder wurden zur Möbelmesse stets mitgenommen. Ich erinnere mich daran, dass meine Mutter mir dafür ein besonders hübsches Kleid angezogen hat, ich war ganz verzaubert von all den Farben und den Formen ringsum. Es war eine Zauberwelt für mich. Heute machen wir es mit unseren drei Kindern genauso – es ist eine gute Gelegenheit, sie am Familienerbe teilhaben zu lassen und sie zur Schönheit zu erziehen.

2020 sind Sie zur ersten Präsidentin des italienischen Möbelverbands Assarredo gewählt worden, ein Jahr später auch zur Präsidentin des Salone del Mobile. Damit sind Sie die erste Frau an der Spitze und zudem recht jung für diese Position. Stehen Sie für einen Umbruch?
Ich fühle mich geehrt, diese beiden hoch angesehenen Institutionen zu leiten, zumal meine Familie seit vier Generationen in diesem Sektor tätig ist. In der Vergangenheit gab es in der Design- und Möbelbranche eine gläserne Decke, aber das ändert sich gerade. Frauen wie Zaha Hadid, Lina Bo Bardi oder Gae Aulenti haben bedeutende Beiträge geleistet, und viele einflussreiche Frauen haben den Salone del Mobile mitgeprägt. Auch wenn Italien bei der Gleichstellung der Geschlechter noch Fortschritte machen muss, ist die wachsende Präsenz der Frauen in der Branche ein positives Zeichen. Meine Führungsrolle ist Teil dieser Bewegung hin zu einer ausgewogeneren Zukunft.

Was machen Sie als Frau anders gegenüber Ihren Vorgängern?
Als Frau bringe ich eine einzigartige Perspektive ein…

Das gesamte Interview lesen Sie in der aktuellen Ausgabe. Bestellen Sie diese in unserem Shop.

Ein Spiegel des Fortschritts

Posted by Ambra Spiller

Die Krönung der Woman oft the Year 2024 findet dieses Jahr am 3. Dezember im Sonnenberg in Zürich statt. Letztes Jahr wurde Andrea Rytz, CEO der Schulthess Klinik, zur Woman of the Year gewählt. Auch wenn sie noch bis Anfang Dezember in ihrem Amt bleibt, erachteten wir den Zeitpunkt als günstig, bei Andrea Rytz nachzufragen, wie sie ihre Amtszeit erlebt und welche Zwischenbilanz sie zieht. Im Interview erläutert sie uns zudem ihre ganzheitliche Sicht auf Frauenförderung.

WOMEN IN BUSINESS: Ihre Amtszeit neigt sich dem Ende zu. Gab es besondere Highlights?
Andrea Rytz: Die Highlights sind vor allem im professionellen Kontext zu finden. Als Woman of the Year konnte ich unsere Arbeit im Spital einem breiteren und interessanten Publikum vorstellen. Für die Schulthess Klinik ergab sich daraus eine wertvolle Hebelwirkung. Wir konnten unsere Wahrnehmung steigern, unser Netzwerk erweitern und unser Profil schärfen. Persönlich war es ein Erlebnis, jeweils als Woman of the Year vorgestellt zu werden. Der Mehrwert kam auf dieser Ebene von den Kontakten und offenen Türen in der erweiterten WOMEN IN BUSINESS-Community, die übrigens nicht ausschliesslich aus Frauen besteht, was ich schätze.

Wie steht es aus Ihrer Sicht um die Vertretung der Frauen – speziell im Gesundheitswesen und auch in der Wirtschaft generell?
Ich spreche in erster Linie von meiner Branche, aber ich denke, analog lässt sich das auch anderswo feststellen. Es gibt ganz klar Bereiche, wo wir noch Luft nach oben haben. Der durchschnittliche Verwaltungsrat eines Spitals besteht mehrheitlich aus Männern, ebenso die obersten operativen Führungsgremien. Einerseits ist dies eine Generationenfrage. Die jüngere Charge ist ausgeglichener und so, wie die Jungen in diese Positionen vorrücken, wird sich die Lage entschärfen.
Es gibt aber auch heute noch Hindernisse. Ein grosses Thema bleibt zum Beispiel der Karriereknick, der durch die Familiengründung ausgelöst wird und mehrheitlich Frauen betrifft – nota bene meistens aus freien Stücken. Hier können gezielte Massnahmen helfen, die den Wiedereinstieg beschleunigen und die Akzeptanz der Teilzeitarbeit erhöhen.

An welche Massnahmen denken Sie?
Im Spitalwesen – und wohl auch in anderen Branchen – stimmen die «harten» regulatorischen Rahmenbedingungen weitgehend. Was bleibt, sind die etwas subtileren oder versteckten Hürden, die in einer Unternehmenskultur oder auch in der breiteren Gesellschaft schlummern. Um diesen zu begegnen, braucht es nicht unbedingt Frauenförderung, sondern Menschenförderung. Das Geschlecht einer Person soll und darf eigentlich überhaupt keine Rolle spielen. Vielmehr muss das System, die Kultur und letztlich der einzelne Betrieb so arbeiten, dass sich alle wohlfühlen. So werden auch die Voraussetzungen für den Erfolg geschaffen.

Gelingt es, ein entsprechendes Umfeld zu gestalten, wird sich auch das Geschlechterverhältnis einpendeln und das ganz ohne direkte Intervention. Das braucht eine gewisse Flexibilität, aber es lohnt sich allemal.

Das gesamte Interview lesen Sie in der aktuellen Ausgabe. Bestellen Sie diese in unserem Shop.

Gewinnen Sie…

Posted by Ambra Spiller

… eine von zwei luxuriösen Pflegen von Cellcosmet: CellLift Serum im Wert von je CHF 522

Cellcosmet, der Schweizer Experte für zelluläre Kosmetik, bietet ein wertvolles Elixier an, das in jede Pflegeroutine aufgenommen werden kann und sofortigen Glanz verleiht. Das CellLift Serum ist eine außergewöhnlich komplexe Formel mit Hyaluronsäuren und Cellcosmet exklusiven CytopepTM-Zellular-Extrakten (Peptiden und Strukturproteinen der Haut – Kollagen, Fibronektin, Aktin und Keratin).
Entwickelt von dem Wissenschaftlerteam der Marke und formuliert aus sorgfältig ausgewählten Inhaltsstoffen zellulären und pflanzlichen Ursprungs, polstert und glättet das CellLift Serum die Haut optisch auf und verleiht ihr eine sofortige Ausstrahlung.
Die glücklichen Gewinnerinnen erhalten unser Zell-Serum, das Nonplusultra der zellulären Wissenschaft, auf höchstem Niveau, eine echte technologische Meisterleistung.

Nehmen Sie teil und erleben Sie die fortschrittlichste Zellkosmetik, die Ihre Haut verdient!

Für weitere Informationen besuchen Sie: www.eu.cellcosmet.com

Einsendeschluss ist der 30.09.2024. Teilnahme nur innerhalb der Schweiz. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.

Verlosung Cellcosmet - August 2024

Die Brückenbauerin

Posted by Ambra Spiller

Im Januar 2022 übernahm Kristina Hammer das Amt der Präsidentin der Salzburger Festspiele, nachdem sie sich gegen 32 Mitbewerber durchsetzen konnte und vom Kuratorium einstimmig zur neuen Präsidentin gewählt wurde. In der 103-jährigen Geschichte der Salzburger Festspiele ist sie die erste Nichtösterreicherin auf diesem Posten.

Ausschlaggebend für die Wahl der Überraschungskandidatin Kristina Hammer waren ihre hohe Expertise – sie gehörte zum Vorstand der Freunde des Opernhauses Zürich – ihre internationale Vernetzung sowie ihr langjähriger Bezug zu Salzburg. Zudem kann die Wirtschaftsjuristin einen beeindrucken- den Leistungsausweis als Topmanagerin vorweisen bis hin zur Gründung ihrer eigenen Markenberatungsfirma HammerSolutions im Jahr 2010. Die zweifache Mutter ist mit einem Österreicher verheiratet, besitzt die Deutsche und Schweizer Staatsbürgerschaft und wird als leidenschaftlich, empathisch und bodenständig beschrieben. Sie selber bezeichnet sich als interessiert an Menschen, sensibilisiert für kulturelle Unterschiede, diszipliniert und leistungsorientiert. Im Interview erzählt Kristina Hammer von ihren letzten zwei Jahren im Amt der Präsidentin der Salzburger Festspiele und wie es ihr gelingt, kulturelle Brücken zu bauen.

WOMEN IN BUSINESS: Frau Hammer, Sie sind seit 2022 Präsidentin der Salzburger Festspiele und schauen auf zwei Festspiel-Sommer zurück. Wie lautet das Fazit der letzten beiden Jahre?

Kristina Hammer: Im Hinblick auf unsere grossen Erfolge hätte ich mir keinen besseren Start erträumen können. Nach einem bereits sehr guten ersten Jahr konnten wir im letzten Sommer mit insgesamt 241 000 Zuschauern und weiteren 40 000 Besucherinnen bei den Siemens Festspielnächten sowie einer Auslastung von 98,5 Prozent einen aussergewöhnlichen Zuspruch verzeichnen. Heuer freuen wir uns bereits über ein zweistelliges Vorverkaufsplus.

Was waren bisher Ihre grössten Herausforderungen?
Der Beginn meiner Amtszeit fiel in die Pandemiezeit und im Januar 2022 gab es in Salzburg einen Peak der Infektionszahlen, der zu einer signifikanten Anzahl an Krankheitsfällen innerhalb der Belegschaft geführt hat. Dazu kam der Ausbruch des entsetzlichen Krieges in der Ukraine, gefolgt von erheblichen Steigerungen der Personal-, Material- und Energiekosten. Mit diesen Herausforderungen galt es umzugehen, und wir haben sie im Rückblick als Team bisher gut gemeistert.

Was haben Sie in ihrer Amtszeit im Hinblick auf die wirtschaftliche Sicherung der Festspiele erwirken können?
Es hat mich gefreut, dass es in einer Zeit multipler Krisen in vielen Gesprächen gelungen ist, das Vertrauen der bestehenden sowie neuer Partner zu gewinnen. Unseren Sponsoren geht es dabei nicht nur darum, Kunst und Kultur zu ermöglichen und sich damit eine prestigeträchtige Bühne zu verschaffen. Für uns sind das echte Partner, die mit uns gemeinsam daran arbeiten, das Umfeld, in dem sie zur Ermöglichung dieser Kunst beitragen, zukunftsweisend und nachhaltig zu gestalten. Das zeigen beispielhaft Partner wie Audi, die bei uns mit einer reinen Elektroflotte vertreten sind. BWT, die uns dabei geholfen haben, ein plastikflaschenfreies Festival zu werden und Siemens mit den kostenfreien Siemens Festspielnächten auf dem Kapitelplatz. Ebenso Rolex mit der Nachwuchsförderung, dem Herbert von Karajan Young Conductors Award. Und die Kühne Stiftung mit der Förderung des internationalen gesanglichen Nachwuchses, dem Young Singers Project.

Welches Projekt liegt Ihnen besonders am Herzen?
Mit der bisher grössten Zuwendung eines privaten Mäzens, des visionären Unternehmers Dr. Hans-Peter Wild aus Zug, in der Geschichte der Salzburger Festspiele in Höhe von zwölf Millionen Euro werden wir ein Festspielzentrum bauen und damit einen neuen und lebendigen ganzjährigen Begegnungsraum mitten im historischen Herzen unserer Stadt schaffen.

Welche Idee liegt dem Festspielzentrum zugrunde?
Wir sehen mit dem Festspielzentrum die Chance, für alle Bewohner und Besucherinnen dieser Stadt das ganze Jahr über einen offenen und einladenden Ort mitten im historischen Festspielbezirk zu bieten, wo sich Alltag und Kunstraum auf ganz natürliche Weise verbinden und an dem wir unsere Programme und Werte künftig auch jenen vermitteln können, die mit den Festspielen bisher noch nicht in Berührung gekommen sind.

Das gesamte Interview lesen Sie in der aktuellen Ausgabe. Bestellen Sie diese in unserem Shop.

Caroline Röhrl: Im internationalen Steuerrecht zuhause

Posted by Ambra Spiller

Als Expertin für internationales Steuerrecht setzt sich Caroline Röhrl schon seit rund acht Jahren für die Kunden von EY Schweiz ein.

Wie viel Entfaltungsspielraum eröffnet sich, wenn man sich beruflich mit internationalem Steuerrecht beschäftigt? Als Senior Managerin bei EY Schweiz kann Caroline Röhrl dies gut beurteilen: «Wenn unsere multinationalen Kunden eine Umstrukturierung planen und hier in der Schweiz etwas Neues aufbauen möchten, denken wir gemeinsam die verschiedensten Optionen durch und klären, welche steuerlichen Implikationen diese mit sich bringen. Dabei ist auch unsere Kreativität gefragt.»

Um zum optimalen Ergebnis zu kommen, tauscht sich die Expertin im Bereich International Tax and Transaction Services direkt mit den Schweizer Steuerbehörden aus und arbeitet eng mit Kolleginnen und Kollegen aus anderen Fachbereichen zusammen – auch über Ländergrenzen hinweg. Durch ihr Team und die Partner bei EY fühlt sich Caroline dabei sehr unterstützt. So ist es kein Wunder, dass sie nach rund acht Jahren auch ihre weitere Zukunft hier sieht und dabei «EY als mein berufliches Zuhause» empfindet.

Von der Schweiz aus, multinationale Kunden beraten, wäre auch etwas für dich? Dann entdecke hier deine Möglichkeiten: https://www.ey.com/en_ch/careers

Entrepreneurship ist das Grösste

Posted by Ambra Spiller

Jessica Farda entdeckte in den Ferien am Strand ihre Faszination für Algen. Was anfänglich als klebriges Material an ihrer Jeans haftete, nahm bald in der WG-Küche durch Experimentieren Form an. Und zwar die einer Bio-Plastikfolie. Der Grundstein für ihr heutiges Tech-Start-up Noriware war gelegt.

Drei Jahre ist es her seit der Algenschwemme am Strand in den Ferien. Jessica Farda war damals 22 Jahre alt und hatte sich soeben dazu entschlossen, vom Betriebswirtschafts-Studium zu den Fachrichtungen Internationale Beziehungen, Politik und Wirtschaft zu wechseln. Von Chemie hatte sie genauso wenig eine Ahnung wie vom Gründen eines Start-ups. Eigentlich habe sie nicht einmal gewusst, was ein Start-up ist, gibt sie unumwunden zu, und habe auch nicht im Sinn gehabt, ein Business aus den Algen zu machen. Der Grund, mit den Algen zu experimentieren, entsprang einem grundsätzlichen Interesse an schnellwachsenden, erneuerbaren Rohstoffen, an Kreislaufwirtschaft und dem Wunsch, dem Klimawandel entgegenzuwirken. Dazu kam die pure Lust am Ausprobieren und Machen. «Einfach machen» ist ein Grundsatz, den man Jessica Farda nicht erklären muss. Die Jungunternehmerin sprüht vor Energie und erzählt schnell und begeistert, wie es zur Gründung des Tech-Start-ups Noriware gekommen ist.

WOMEN IN BUSINESS: Braucht die Welt noch mehr Plastik oder wäre es nicht sinnvoller, Alternativen dafür zu finden?
Jessica Farda: Plastik macht Sinn, er verhindert beispielsweise Foodwaste. Wir brauchen Plastik für den Schutz von kurzlebigen Produkten. Langlebige Produkte wie Kleider brauchen keine Plastikverpackung. Es gibt einen riesigen Trend zu Papier und Karton. Hier liegt das Problem bei der Waldrodung. Algen haben den Vorteil, dass sie unglaublich schnell wachsen – gewisse Arten bis zu einem Meter am Tag. Dafür brauchen sie kein frisches Wasser, keinen Dünger und kein Ackerland. Algenfarmen sind unproblematisch und stehen nicht in Konkurrenz zur Landwirtschaft.

Zwischen der Idee, die Algen zu nutzen bis zur fertigen Folie liegt ein langer Weg. Wie sahen die ersten Schritte aus? Zuerst begann ich viel über Algen zu lesen. Sie sind der ideale Bio-Rohstoff. Deshalb habe ich nach einer Applikation gesucht, die Algen beinhaltet und in meinem Interessensbereich liegt. Im Zuge meiner Recherchen bin ich auf ein Paper gestossen, in dem beschrieben stand, wie man Polysaccharine, das sind natürliche Polymere, aus den Zellwänden der Algen extrahieren und damit Verpackungsmaterialien herstellen kann.

Wie haben Sie diese Theorie ohne Labor und Chemie-Kenntnisse umgesetzt?
Nach dem Lesen von unzähligen, wissenschaftlichen Abhandlungen über Chemie und Materialwissenschaften habe ich mir alle nötigen Materialien wie Algenextrakt und Weichmacher nach Hause bestellt und damit in der Küche experimentiert.

Hatten Sie keine Zweifel, ob das der richtige Weg ist?
Eigentlich nicht. Ich dachte, ich kann das sicher. Zu versagen war mir egal. Ich hatte auch keine Angst, irgendwelche Firmen anzuschreiben, oder irgendwo hinzustehen und zu sagen, ich habe diese Idee, was hält ihr davon, kann mir bitte jemand helfen dabei? Beispielsweise habe ich die Autoren der Papers auf LinkedIn angeschrieben und mit ihnen Calls vereinbart. So gelang es mir, einen eigenen Research Proposal zu schreiben.

Würden Sie sich als besonders smart bezeichnen?
Nein gar nicht. Ich sehe, von welchen Leuten ich umgeben bin. Die sind smart! Was ich gut kann, ist einfach machen. Es war kein komplexer Research Proposal, den ich da geschrieben habe. Man muss nicht total smart sein und Hochstehendes leisten, man muss sich einfach trauen, es zu machen und dann abzuschicken.

Wie ist es weitergegangen?
Viele Forschungsinstitute, die ich angeschrieben hatte, wiesen mich ab, weil ich keine Chemikerin oder Materialwissenschaftlerin war. Im Herbst 2021 habe ich meinen Research Proposal an das Materials Departement der ETH geschickt. Sie zeigten Interesse und offerierten mir eine ETH- Kooperation für die Grundlagenforschung. Die nächste Kooperation fand mit der Fachhochschule Nordwestschweiz statt, wo ich meinen Co-Founder Stefan Grieder kennenlernte. Er ist Ingenieur, beziehungsweise Maschinenbauer mit Vertiefung in Kunststofftechnik.

Wie erfolgte die Gründung des Start-ups und dessen Finanzierung?
Für die Gründung des Start-ups habe ich mich beim Start-up- Programm der HSG beworben, das mit 4000 Franken dotiert ist. Das beinhaltet Kurse in Funding, Legal Advice, jede Woche Workshops und man lernt zu pitchen. Einen kleinen Betrag erhielten wir als Startprojekt von Innosuisse, um mit dem Institut für Kunststofftechnik zu kollaborieren, gefolgt von höheren Forschungsgeldern vom Kanton Aargau. Im Mai 2023 schlossen wir die erste Finanzierungsrunde mit dem Investor Ertan Wittwer über eine Million Franken ab. Im Dezember darauf erhielten wir zusätzlich 1,4 Millionen Fördergelder von der schweizerischen Agentur für Innovationsförderung Innosuisse.

Seit der Idee am Strand haben Sie insgesamt 2,7 Millionen Franken Kapital gesammelt. Was haben Sie damit angefangen?
Wir haben in Lupfig AG auf 450 Quadratmetern ein Labor eingerichtet und sind daran, ein stetig wachsendes Team aufzubauen. Aktuell haben wir acht Mitarbeitende: sechs Entwickler und zwei Businessleute. Zudem ist unser erstes Produkt marktfähig: eine teilwasserlösliche Folie, die auf viele Arten einsetzbar ist. Sie ist auf die herkömmliche Produktionstechnologie skalierbar. Die Haupttechnologie werden wir im Jahr 2026 lancieren: Ein thermoplastisches Granulat aus Algen, das in verschiedene Produkte geschmolzen werden kann und somit beliebig skalierbar ist.

Wie empfanden Sie Ihre Verhandlungsposition als junge Unternehmerin?
Ich war sehr jung und hatte keine Arbeitserfahrung, keinen Abschluss, war immer noch im Studium. Ich habe alle Gespräche geführt, mit Professoren, Investoren, Kunden. Das war sehr schwierig. Zuerst waren alle beeindruckt von der Geschichte, doch wirklich ernst genommen hat man mich erst nach zweieinhalb Jahren. In der Forschung traf ich schnell auf Interesse, in der Wirtschaft ging es sehr lange, bis die Leute sahen, dass ich nicht nur rede, sondern auch umsetze. Was ich dabei gelernt habe: Man muss immer auf der Führungsebene rein und direkt die Entscheidungsträger für ein Produkt oder eine Idee begeistern.

Wie ist es Ihnen in der Zeit generell ergangen?
Ich habe mich auf unglaublich viel Stress und Arbeit eingelassen und viel geopfert. Neben der Gründung des Unternehmens musste ich mein Studium abschliessen. Ich kam extrem unter Zeitdruck, weil ich wusste, dass im Januar die nächste Finanzierungsrunde anstand und die wollte ich auf keinen Fall im Studentenstatus angehen. Es gelang mir, die Abschlussarbeit mit vielen Tränen und viel zu wenig Schlaf auf den letzten Drücker abzugeben. Nebenbei schrieben wir den Bericht für Innosuisse, ich ging auf Geschäftsreisen, drehte eine Netflix-Dokumentation, hatte Auftritte im Hallenstadion vor 1000 Leuten, an der Olma, Ted Talks und unsere Büroeröffnung mit 100 Leuten. Ich war am Limit.

Das ist viel. Was ist Ihr Antrieb?
Die Idee. Sie macht so viel Sinn. Ich liebe es, die Leute zu begeistern für unsere Ideen und Produkte. Entrepreneurship ist für mich das Grösste. Die Algen treiben mich ebenfalls an. Sie sind zur Obsession geworden. Ihre verschiedenen Formen und Farben. Sie wachsen so schnell und sind so hübsch. Immer wenn ich sie in den Ferien sehe, bin ich von neuem fasziniert davon, dass man mit einem so tollen Rohstoff so viele Probleme lösen kann!

Wie sieht es mit der Nachhaltigkeit der Partnerfirmen und Investoren aus?
Als Cleantech-Firma arbeiten wir nur mit nachhaltigen Partnern zusammen. Darin sind wir kompromisslos. Um nicht Teil von Greenwashing zu werden, verkaufen wir unser Granulat nur an Partner, die mit uns einen Entwicklungsschritt in eine grüne Zukunft machen wollen. Das gilt auch für unsere Investoren. Wir haben schon Investoren abgelehnt, die Firmen in ihrem Portfolio hatten, die nicht mit unseren Werten vereinbar sind.

Welches sind eure Werte?
Wir wollen herkömmlichen Plastik reduzieren und ein Bewusstsein für die Umwelt und Bio-Plastik schaffen, indem wir Innovationen fördern und die Produkte der Spitzenforschung aus der Materialwissenschaft auf den Markt bringen. Dazu gehören: offene Kommunikation, Transparenz und Ehrlichkeit.

Und wie sehen die Ziele von Noriware aus?
Ich hoffe, dass wir über die Verpackungsbranche hinaus einen Impact haben können. Wir wachsen sehr schnell und haben unzählige Ideen für unglaublich viele Möglichkeiten.

Sie wurden eben bei Forbes DACH 30 under 30 gelistet. Welches sind ihre weiteren, persönlichen Ziele?
Ich will die Industrie aufmischen, die unseren Planeten verschmutzt und einen globalen Impact haben, der quantifizierbar ist. Das ist mein Ziel. Mir ist es noch nie darum gegangen bei 30 under 30 dabei zu sein. Ich bin nicht die Person, die gefeiert werden will, sondern finde meine Erfüllung im Team und beim gemeinsamen Entwickeln unserer Produkte. ★


Jessica Farda ist 1998 im Kanton Aargau geboren und aufgewachsen.
Sie studierte zuerst an der Universität St. Gallen Betriebswirtschaft und wechselte dann zu Internationale Beziehungen, Politik und Wirtschaft. 2021 gründete sie zusammen mit dem Co-Founder Stefan Grieder das Start-up Noriware, das Bioplastik auf Algenbasis entwickelt und für die Herstellung von Produkten skalierbar macht.
2023 wird sie bei Forbes DACH 30 under 30 gelistet.

Mit Beharrlichkeit zum Erfolg

Posted by Ambra Spiller

Vor drei Jahren wurde Catrin Hinkel zum CEO von Microsoft Schweiz ernannt. Im Zeitalter der künstlichen Intelligenz steht der bekannte Softwarekonzern vor neuen Chancen und Herausforderungen. Wie die gebürtige Deutsche Microsoft Schweiz für die Zukunft positioniert und wie sie Diversität lebt, erzählt sie im Gespräch mit Women in Business.

Niemand kann Dir garantieren, dass Du ein Ziel in einer bestimmten Zeit erreichst. Aber du wirst garantiert nie ein Ziel erreichen, das du dir nie gesetzt hast». Dieses Zitat des kanadischen Politik- wissenschaftlers David McNal- ly könnte durchaus auch auf Catrin Hinkel, CEO von Microsoft Schweiz mit Sitz in Zürich-Kloten, zutreffen. Sie gehört zu den beharrlichen Menschen, und das hat sich bereits in jungen Jahren gezeigt. Bis zum 16. Lebensjahr nahm sie beispielsweise regelmässig an Schwimmwettkämpfen teil. «Ich betrachte sportliche Aktivitäten auch als Möglichkeit, eine Rückmeldung zu erhalten», sagt die zweifache Mutter Catrin Hinkel. Allerdings liege ihr Bestreben nicht lediglich darin, sich mit anderen zu messen – zumindest nicht in ihrer Funktion bei Microsoft Schweiz, zumal immer das Team und der gemeinsame Erfolg im Vordergrund stehe.

WOMEN IN BUSINESS: Catrin Hinkel, Sie beschreiben sich selbst als wettbewerbsorientiert.
Catrin Hinkel: Das trifft zu. Ich war früh fasziniert davon, auf welche Art und Weise man mithilfe der Technologie wichtige Themen des täglichen Lebens anpacken kann. Als CEO von Microsoft Schweiz setze ich mich zudem dafür ein, den Ruf der Schweiz als ideenreiches Land weiter zu stärken. Diese nimmt im Zusammenhang mit Innovation eine Vorreiterrolle ein und setzt auch Massstäbe, was die Integration der künstlichen Intelligenz betrifft.

Sie erkennen viel Potenzial im Markt. Microsoft Schweiz soll nicht nur vielfältiger und nachhaltiger werden, sondern auch die eigene Kundschaft besser verstehen können. Wie gelingt das?

Als ich vor drei Jahren meine neue Funktion übernommen habe, verfügte die Schweiz lediglich über zwei Datacenter. Inzwischen existieren deren vier, welche mit neuesten KI-Technologien ausgestattet sind. Inzwischen konnten wir mehr als 50 000 Kundinnen und Kunden für unsere Cloud-Dienste gewinnen. Sie sind darauf bedacht, dass ihre Daten das Land nicht verlas- sen. Auch die künstliche Intelligenz steht immer mehr im Fokus. Bereits über 200 Schweizer Unternehmen und Start-ups nehmen KI von Microsoft in Anspruch. Entsprechend ist es notwendiger geworden, in die Geschäftsprozesse und Wertschöpfungsketten unserer Kundschaft einzusteigen und die Industrieexpertise sukzessive aufzubauen. Personen, die sich in unterschiedlichen Spezialgebieten bewegen, können eine leichtere Brücke schlagen zwischen der Industrie und der Technologie.

Der Fortschritt steht im Zentrum als Grundlage für die digitale Transformation, die eine globale Veränderung mit sich bringt. Welche Entwicklung ist zu erwarten?

Einer der Gründe, weshalb ich bei Microsoft Schweiz eine Führungsposition übernommen habe, ist darauf zurückzuführen, dass sich das Unternehmen nicht nur mit Chancen sondern auch mit Risiken auseinandersetzt. Die Entwicklungen sollten jedoch stets mit Argusaugen beobachtet werden. Zum Beispiel haben wir vor zwei Jahren im Bereich der künstlichen Intelligenz unsere Verantwortungs-Prinzipien lanciert, die wir weiterentwickeln und mit unserer Kundschaft besprechen.

Ihr Unternehmen hat sich auch vorgenommen, bis 2030 CO2-neutral zu agieren und bis 2050 einen Ausgleich zu erzielen. Das ist ein ehrgeiziges Vorhaben.

Ich lege grossen Wert darauf. Kürzlich haben unsere Sustainability-Officer Workshops mit unserer Kundschaft durchgeführt. In der Schweiz arbeiten wir eng mit Start-up-Unternehmen, wie zum Beispiel Climeworks oder Neustark, zusammen, die sich mit dem Thema beschäftigen, und auch die Kooperation mit Jungunternehmen in der Region wurde intensiviert. Dasselbe gilt für die Datacenter, die wir implementiert und die Kapazität in den letzten Jahren mehr als verdoppelt haben. «Möglichst lokale Lösungen schaffen», lautet das Motto.

Finden Sie diese eher hinderlich?

Sie sollten durchlässig sein. Ich hole meine Informationen nicht nur von meinem Leadership-Team, sondern suche auch mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern das Gespräch. Zentral ist, aktuell zu bleiben und sich nicht in eine Isolation zu begeben.

Stellt sich grundsätzlich die Frage, ob der Mensch im Zeitalter der KI irgendwann ersetzbar ist?

Diese wird tatsächlich den beruflichen Alltag ein Stück weit auf den Kopf stellen und einzelne Branchen verändern. Neue Berufsbilder dürften künftig geschaffen werden. Aber trotzdem denke ich nicht, dass sich die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in ernsthafter Gefahr befinden. Neue Technologien rufen bei vielen Personen Skepsis und Unsicherheiten hervor. Deshalb gilt es zu betonen, dass die KI im Sinne des Menschen reguliert und kontrolliert werden muss. Für uns ist klar, dass das Individuum in der Verantwortung steht. Darum nennen wir unsere KI-Dienste auch Copilot.

Fakt ist jedoch, dass viel Energie notwendig ist, um Datacenter-E-Mail-Server, Videokonferenzen und Cloudlösungen zu betreiben, was sich auch auf die Umwelt auswirkt. Wie lässt sich eine Optimierung erreichen?

Der erste Schritt besteht darin zu erkennen, dass Kundinnen und Kunden ihre Datacenter nicht mehr selbst bewirtschaften, sondern die Dienstleistung von uns oder anderen einkaufen. Dies führt meist schon zu einer Energieeinsparung. Die Center sollen mit grüner Energie versorgt werden können, und als Wirtschaftsunternehmen müssen wir darum bemüht sein, das auch langfristig durchzusetzen.

Stichwort Verantwortung: Sie haben einmal gesagt, Ihre Führungsposition ziele darauf ab, dass ein Team gut funktioniere. Können Sie das näher erläutern?

Führungspositionen wandeln sich in unserer stetig komplexeren Welt, und einen umso wichtigeren Platz nimmt die Zusammenarbeit sowie die Diversität ein. Unterschiedliche Sichtweisen und Herkünfte sind notwendig, um komplexe Themen lösen zu können. Das kontinuierliche Lernen spielt ebenso eine Rolle. Es ist durchaus erlaubt, auch einmal etwas nicht zu verstehen oder ein Problem nicht sogleich zu erkennen. Diese Dynamik muss in einem Team ausgehalten werden. Unser Zeitalter erfordert eine rasche Anpassung im Hinblick auf rasante Entwicklungen. Wir pflegen zudem eine Kultur, in der flache Hierarchien gelebt werden.

Die Investmentbank Goldman Sachs hat ausgerechnet, dass die Fortschritte der Künstlichen Intelligenz dazu führen könnten, dass 300 Millionen Arbeitsplätze weltweit teilweise oder ganz automatisiert werden. Kann man damit rechnen, andere Beschäftigungsmöglichkeiten zu finden?

Man sieht beispielsweise bei Microsoft Copilot, einem KI- Assistenten für Programme wie Excel, Word oder Teams, ganz klar, dass der Hauptlenker immer noch derjenige ist, welcher die wesentlichen Entscheidungen trifft. Der Copilot kann lediglich eine unterstützende Funktion übernehmen. Im Bereich der Arbeitswelt kann dieser beispielsweise dazu dienen, Korrekturen umzusetzen.
Grosse Sprachmodelle (Large Language Models), die einen Text auf menschenähnliche Weise erzeugen, können den Zugang zu Informationen verbessern und die Arbeitsleistung steigern. Es ist von grosser Bedeutung, dass wir uns die Zeit nehmen, die Funktionsweisen dieser neuen Technologien zu verstehen und zu erklären. Der Zugang zu Plattformen und Informationen sowie die Bedienung von Maschinen soll erleichtert werden.

Wie viel Zeit sparen Sie durch KI-Unterstützung?

Die künstliche Intelligenz ist in der Lage, Inhalte in kürzester Zeit zusammenzufassen. Ich greife regelmässig auf die Co-pilot-Einstellungen zurück, und dazu gehören auch meine Meetings, die ich noch einmal vergegenwärtige, was stets auch eine Verbesserung im Zusammenhang mit Gesprächen mit sich bringt. Dank diesem digitalen Support kann sich der Mensch auf die konzeptionelle und strategische Arbeit im Hintergrund fokussieren.

Themenwechsel: Sie engagieren sich seit vielen Jahren für Inklusion am Arbeitsplatz und setzen sich in verschiedenen Gremien dafür ein, dass die Präsenz von Frauen in Führungspositionen erhöht werden soll. Wo besteht noch Verbesserungspotenzial?

Auf jeden Fall ist da noch Luft nach oben. Bei uns sind weibliche Führungskräfte zu 30 Prozent vertreten. Insofern sieht die Entwicklung erfreulich aus. Meine internationalen Erfahrungen ermöglichen mir, einen umfassenderen Blick auf das Arbeitsumfeld zu werfen. Das heisst, wie gehe ich auf die Mitarbeiterschaft ein und inwiefern verändern sich die Herausforderungen für die weiblichen Fachkräfte in bestimmten Lebenslagen. Deshalb bemühen wir uns, vielfältige Arbeitsmodelle zu schaffen mit dem Ziel, den unterschiedlichen Anforderungen und Bedürfnissen gerecht zu werden.

Wie können sich Frauen in Unternehmen besser positionieren?

Wenn jemand beispielswiese in einem Meeting ruhig wirkt, stehen zwei Möglichkeiten zur Verfügung: Entweder sage ich der Person, sie soll sich öfter zu Wort melden oder ich schaffe es, eine Sitzung so zu gestalten, dass sich sämtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einbringen können. Frauen dürften zugegebenermassen manchmal mutiger auftreten. Als Führungsperson kann ich im Rahmen eines Dialogs jedoch motivierende Worte sprechen, unabhängig davon, um welches Geschlecht es sich handelt.

Stellen Sie sich zuweilen auch einmal selbst in Frage?

Natürlich, Selbstzweifel sind normal. Wichtig ist es, diese zu analysieren und letzten Endes zu überwinden.

Sie sind Mutter zweier Söhne. Wie haben Sie den Spagat zwischen Beruf und Familienleben geschafft?

Prioritäten habe ich stets klar gesetzt: Die Familie hat Vorrang. Zwar nimmt meine Arbeit ebenfalls einen wichtigen Platz ein, aber wenn es zeitlich eng wird, muss man auch einmal Termine verschieben. Meine Entscheidung, in die Schweiz zu ziehen, hing auch damit zusammen, dass meine Kinder nun beide studieren und selbstständig sind. In meiner knapp bemessenen Freizeit lese ich gerne und tanke neue Kraft in der freien Natur. ★


Catrin Hinkel wurde 1969 geboren und ist deutsche Staatsbürgerin. Für ihre Tätigkeit als CEO von Microsoft Schweiz hat sie ihren Wohnsitz 2021 in die Schweiz verlegt. 1992 schloss sie ihr zweisprachiges Studium an der Universität Reutlingen (European Business School in Reutlingen und London) ab. Nach ihrem Abschluss trat sie in die global tätige Unternehmensberatung Accenture ein, wo sie in verschiedenen Funktionen tätig und zuletzt als Senior Managing Director für den Bereich Cloud First Strategy &Consulting in Europa verantwortlich war. Im Jahr 2007 trat sie der Geschäftsleitung von Accenture Deutschland bei. Catrin Hinkel verfügt über reichhaltige Berufserfahrung aus Kundenprojekten in unterschiedlichen Industrien. Sie ist zudem Mitglied und Sprecherin des Vorstandes von Generation CEO, einem gemeinnützigen Verein und etablierten Netzwerk für Top-Führungsfrauen im deutschsprachigen Raum.

Im Gespräch mit Christina Stahl

Posted by Ambra Spiller

Nach ihrem Master und diversen Auslandsemestern startete Christina Stahl eine klassische BWL- Karriere: Sie wurde Consultant, arbeitete auf Projekten in der Modeindustrie und im Automobilsektor. Heute ist sie selbstständige Unternehmerin. Ihr Business: Taschen. Ihre Mission: Mehr bieten als Taschen. Mit ihrem Label AMELI für Laptoptaschen hat sie eine Lücke geschlossen.

WOMEN IN BUSINESS: Christina Stahl, wie sind Sie zur Taschenproduzentin geworden?
Christina Stahl: Ich habe das Unternehmen mit meinem Mann 2020 in Zürich gegründet.

Wie kommt 2020 jemand auf die Idee, noch ein Taschenlabel zu gründen?
Ich war in der strategischen Unternehmensberatung tätig, sehr oft beruflich unterwegs und hatte permanent einen Struggle in Sachen Laptoptasche: Es gab einfach nicht die richtige für mich. Die einen waren zu klobig, andere zu unpraktisch eingeteilt und viele einfach nicht mein Stil. Und dann kam der Moment, da ich mir Zeit nehmen konnte, mich damit ernsthafter zu befassen: Ich hatte ein Stipendium erhalten und war freigestellt worden, um eine Doktorarbeit zu verfassen.

Über Laptoptaschen?
(Lacht) Nein, über Big-Data-Analytics. Mit Laptoptaschen habe ich mich parallel dazu befasst.

Warum haben Sie sich mitten im Berufsleben dazu entschieden, eine Doktorarbeit zu machen?
Weil ich es liebe, mich in etwas richtig zu vertiefen. In der Beratung lernt man ja sehr viel über Methoden, Strukturen, Herangehensweisen, aber kaum Fachwissen.

Stipendium, Freistellung – dafür mussten Sie sich wohl für eine gewisse Zeit gegenüber der Unternehmensberatung verpflichten.
Ja. Aber man kann sich auch rauskaufen. Das habe ich gemacht, weil die Laptop-Taschenidee sehr schnell viel Fahrt aufgenommen hat.

Sie wirken nicht wie jemand, dem es leichtfällt, etwas sausen zu lassen.
Das ist so. Aber nachdem mich jemand gefragt hatte, ob ich die Doktorarbeit nochmals aufnehmen würde, falls ich mit meinem «Corona-Hobby», meinem Label AMELI, scheitere und meine Antwort ganz klar nein war, fiel es mir nicht mehr schwer, die Dissertation aufzugeben. Kam dazu, dass mein Mann sich ebenfalls dafür committed hat. Auch er hatte sich zu der Zeit von seinem Arbeitgeber freistellen lassen, um ein paar Start-up-Ideen zu verfolgen. In AMELI sah er schliesslich viel Potenzial und sagte irgendwann, hey, komm, lass uns das ausprobieren, wir haben nichts zu verlieren und werden sicher viel lernen dabei. Wir haben uns dann beide voll darauf fokussiert und die Dinge entwickelten sich entsprechend schnell.

Was war die grösste Herausforderung?
Wir hatten damit gerechnet, dass es viel zu lernen gibt für uns. Und tatsächlich, wir haben wohl so ziemlich alle Fehler gemacht, die man machen kann. Das Allerschwierigste war, den richtigen Produzenten zu finden. Ich wusste aus meiner Beraterzeit, dass die Arbeitsweisen und -bedingungen im Modegeschäft schlimm sind, selbst bei Made in Italy: Da werden wohl Prototypen in einem kleinen italienischen Familienbetrieb gemacht. Was danach kommt, bleibt aber oft im Dunkeln. Wir haben schliesslich eine Produktionsstätte in Norditalien gefunden, wo die Frage gar nicht erst aufkam, ob wir die Produktion sehen dürfen: Das Büro des Patrons befindet sich nämlich mittendrin. Was für ein Glück.

Wie sind Sie auf den Namen AMELI gekommen?
Pinterest hat mir Mädchennamen vorgeschlagen für meine zukünftige Tochter – keine Ahnung warum. Ich fand den Namen schön. Er heisst die Tüchtige, die Fleissige. Und améliorer heisst auf Französisch verbessern. Der Name passt perfekt zu Laptoptaschen ohne Kompromisse, zu Laptop-Taschen, die das Leben engagierter, viel beschäftigter Frauen besser zu machen.

Inzwischen haben Sie die Kollektion erweitert, machen insbesondere auch Handtaschen. Warum?
Ich könnte es im Nachhinein Strategie nennen. Aber ehrlich gesagt, entwickelt sich das Sortiment nach dem, was ich gerade für eine Tasche in meinem Kleiderschrank brauche. Oder nach dem, was die Community zu uns zurückspielt. Wir hatten zum Beispiel viele Anwältinnen, die sagten, dass sie eine Tasche brauchen, in der diese richtig grossen Leitz-Ordner Platz finden. Haben wir gemacht.

Wer bestimmt bei AMELI das Design?
Ich. Und das ist oft ein langer Prozess und recht aufreibend, bis es am Ende so weit ist, dass alles stimmt. Weil wir nur über unseren Onlineshop verkaufen, haben wir zum Glück keinen Zeitdruck und können eine Tasche dann posten, wenn ich sage, okay, die würde ich mir kaufen.

Warum verkaufen Sie nur online?
Wir verkaufen online und bei uns im Showroom. Einmal, weil wir ein transparentes und faires Pricing haben. Andererseits wollen und können wir nicht via Retail verkaufen. Da müssten wir für jede Tasche, die für 1000 Franken verkauft wird, 600 Franken an den Händler abgeben und vom Rest Produktionskosten, Transport, Mitarbeitende und so weiter bezahlen. Damit kämen wir nie raus. Mit reinem Online-Verkauf schaffen wir es, unsere Taschen zu einem fairen Preis anzubieten. Mir ist das super wichtig.

Ende 2020 haben Sie die ersten Taschen lanciert. Sind Sie schon in den schwarzen Zahlen?
Das waren wir von Anfang an. Wir haben angefangen mit Vorbestellungen und Anzahlungen – damals noch in unserer Wohnung, die 70 Quadratmeter gross war. Wir haben alles selber gemacht, uns lange kein Salär ausbezahlt und waren sehr kostenbewusst. Mein Mann ist Schwabe und ein Sparfuchs. Das hat extrem viel geholfen, an allen Ecken zu sparen.

Wie läuft das Geschäft heute?
Wir haben inzwischen elf Mitarbeitende und eine Lernende und beliefern Kundinnen aus über 60 Ländern, aus Europa, Australien, Neuseeland, Südamerika und aus den USA. Die Schweiz und Deutschland sind unsere stärksten Märkte, auf Rang 3 sind die USA. Umsatzmässig sind wir im mittleren, siebenstelligen Bereich angekommen.

Von null auf einen siebenstelligen Umsatz in zwei Jahren – und das mit Taschen. Bewundernswert!
Wir sind darauf auch ziemlich stolz. Wenn ich daran denke, dass wir nur deshalb in dieses Business eingestiegen sind, weil ich die Tasche, die ich wollte und brauchte, nicht finden konnte, muss ich heute lachen. Ehrlich gesagt, würde ich mit dem, was ich heute weiss, nicht mehr in den Handtaschenmarkt einsteigen – es gibt schlicht zu viele Anbieter. Unser Glück war es, dass offensichtlich sehr viele Frauen auf AMELI gewartet haben, ohne es zu wissen.

Was hat es mit der Community auf sich, die Sie vorher erwähnt haben?
Auf Instagram haben wir rund 45 000 Followers. Und es war von Anfang an die Idee, dass wir nicht nur Taschen verkaufen wollen, sondern den Frauen darüber hinaus etwas bieten, womit sie für sich etwas anfangen können. Und wissen Sie was? Ich höre immer wieder, dass Frauen, die eine AMELI haben, sich gegenseitig grüssen oder ansprechen, ins Gespräch kommen. Wie schön ist das, dass eine Tasche mehr sein kann als ein Gegenstand?

Was ist die Vision für AMELI?
Um es plakativ zu sagen: Wir wollen so viele AMELI-Handtaschen am Zürcher Flughafen sehen wie Rimowa-Koffer. Daneben möchten wir auch unsere Werte verbreiten, ein Beispiel sein und wirklich einen Impact haben mit dem, was wir machen. Auch für Frauen ausserhalb unserer Community: Wir haben nun schon über 15 000 Euro an NGOs spenden können – als Start-up. Als Privatperson hätte ich dafür nie so viel aufbringen können. Zu sehen, dass ich einen Mehrwert leisten kann, der über «noch eine Handtaschenmarke» hinaus geht, gibt mir Kraft. Und das ist genau das, was ich will: Mehr bieten als perfekte Taschen. Und – sorry, das hört sich nun vielleicht total idealistisch an – ich glaube daran, dass der Erfolg kommt, wenn man etwas mit Leidenschaft und Herzblut macht und den Blick mehr auf das, was man erreichen kann, gerichtet hat als auf Zahlen.

Und eines Tages verkaufen Sie Ihr Label an einen Konzern oder wie sehen Sie die Zukunft von AMELI? Ihr next big thing?
Ich möchte so lange wie es geht in Eigenregie bleiben. Einfach, weil ich dadurch so viel Flexibilität habe. Ich habe in meiner Pipeline Produkte, die ich noch rausbringen möchte. Und werde Kooperationen starten, mein Team weiter aufbauen und Stabilität schaffen. Ich bin aktuell operativ in allen Bereichen extrem eingespannt. Für «the next big thing» brauche ich wieder ein bisschen mehr Headspace. Deswegen werde ich nun hart daran arbeiten, meine Mitarbeitenden noch mehr zu befähigen. Ich habe ein tolles Team, das heisst, es geht in die richtige Richtung. ★

Gespräch führte Lisa Vögeli

Geld ist Ermöglicher und Druckmacher

Posted by Ambra Spiller

Aya Jaff ist Traderin, Unternehmerin, Autorin und Keynote- Speakerin. In ihrer ARD-Sendung «How to get rich» widmet sie sich dem Thema Finanzen. Als Markengesicht der Aufklärungs- und Sensibilisierungskampagne «Liebe ohne Gewalt» von Yves Saint Laurent Beauty schärft sie den Blick für Gewalt innerhalb von Beziehungen.

Ein eigenes Start-Up, Paneldiskussionen und die Arbeit in einer deutlich männerdominierten Branche: All dies kennzeichnete schon früh den Alltag von Aya Jaff. Der Weg dorthin erscheint kurz und beeindruckend zugleich. Mit 17 Jahren brachte sie sich während ihrer Schulzeit das Programmieren bei, gründete einen Programmierclub für ihre Freundinnen und entwickelte ein Börsenspiel für Jugendliche. Mit 20 Jahren studierte sie Informatik und gewann ein Stipendium für einen dreimonatigen Studienaufenthalt an der Draper-University im Silicon Valley. Danach gründete sie ein Start-up als Alternative zur klassischen Unternehmensberatung mit dem Ziel, bewusst junge Personengruppen für die Unternehmen gewinnen zu können. Mit 24 Jahren schrieb sie den Bestseller «Moneymakers – wie du die Börse für dich entdecken kannst». Heute bietet sie innerhalb ihrer ARD-Sendung tiefgehende Einblicke rund um Investment, Börse und Trading-Apps. Ein regelrechter Schnell- start der 28-Jährigen, die 1998 mit ihrer Familie aus dem Nordirak nach Deutschland flüchtete und die lernte, ihre Interessen und Ambitionen unbeirrt zu verfolgen. Aya Jaff zeigt sich, egal ob im Fernsehen, in ihrem Buch oder auf dem Podium, voller Authentizität, Mut, Unvoreingenommenheit und mit einer grossen Portion Neugier.

Schon als Teenager sollen Forbes und Fortune zu ihrer Lieblingslektüre gehört haben. Inwiefern hat Ihr persönlicher Hintergrund dazu beigetragen, dass Sie sich so jung für die Finanzwirtschaft interessierten?
Aya Jaff: Auch wenn es mir nie an etwas fehlte, bin ich in recht bescheidenen Verhältnissen aufgewachsen. Ich gewann schon früh einen Blick für mögliche, zusätzliche Einkommensquellen, die mein Taschengeld aufbessern könnten. Geld faszinierte mich, es ist ja auch überall in unserem Leben präsent. Meine Eltern haben mich zum Glück nie auf einen bestimmen Berufsweg getrimmt. Ganz im Gegenteil: Die Freiheit, die sie mir liessen, schätzte ich ungemein. Diese Freiheit gab mir die Chance, meine eigene Motivation und Ziele zu erkennen und Bereiche zu erkunden, die mich wirklich interessierten.

Das waren Tech und Finanzen – doch eher ungewöhnlich für einen Teenager. Was war ihre Motivation, sich so früh damit auseinanderzusetzen?
Wenn wir einmal betrachten, womit wir alle tagtäglich in Kontakt stehen, fliesst alles im Bereich Tech zusammen, welcher wiederum eng an die Börse gekoppelt ist. Ich wollte hinter die Fassade des gigantischen Netzwerkes von so mächtig Agierenden schauen, die Zusammenhänge, die Machtgefälle und auch Abhängigkeitsbeziehungen verstehen. Die Themen Aktien und Börse waren für mich zunächst ein Hobby, in welchem ich immer stärker meine Leidenschaft fand.

Das gesamte Interview lesen Sie in der aktuellen Ausgabe. Bestellen Sie diese in unserem Shop.

Warum Flexibilität bei der Arbeit auch eine andere Vorsorge braucht

Posted by Ambra Spiller

Hauptsitz Swiss Life Wealth Managers Zürich

Immer mehr Menschen arbeiten Teilzeit, denken dabei aber oft zu wenig über die Auswirkungen auf ihre Vorsorge nach. Lesen Sie, worauf Sie bei einer Teilzeitanstellung achten müssen und wie Sie auch im Alter Ihren Lebensstandard halten können.

Teilzeitarbeit erfreut sich in der Schweiz immer grösserer Beliebtheit. Zum Vergleich: Zu Beginn der 1990er-Jahre arbeitete lediglich ein Viertel der Erwerbstätigen Teilzeit – heute ist es mehr als ein Drittel.
Mit 73 Prozent Frauenanteil unter den Teilzeitbeschäftigten im Jahr 2022 bleibt dieses Arbeitsmodell jedoch überwiegend weiblich dominiert: Frauen arbeiten dreimal so häufig Teilzeit als Männer. Immerhin ist die Schweiz mit fast jedem fünften Vater, der Teilzeit arbeitet, zusammen mit den Niederlanden in Europa eine Vorreiterin.
Jedoch arbeiten im europäischen Durchschnitt gerade einmal 5,5 Prozent der erwerbstätigen Väter mit Kindern unter sechs Jahren im Teilzeitmodell. Flexibel zu arbeiten, ist aber nicht nur bei berufstätigen Eltern beliebt. Auch für ältere Menschen gewinnt die Teilzeitarbeit immer mehr an Bedeutung: etwa als gleitender Übergang vom Berufsleben zur Pensionierung und sogar darüber hinaus. So bleibt bereits heute bis zu einem Drittel der Schweizer Bevölkerung über das Referenzalter hinaus erwerbstätig. Diesen sich wandelnden Arbeitsformen müssen die Rentensysteme ebenfalls Rechnung tragen. Deshalb bringt auch die AHV-Reform, die am 01.01.2024 in Kraft getreten ist, mehr Flexibilität.
Die Konsequenzen der Teilzeitarbeit für die persönliche Altersvorsorge sind vielfältig und können erhebliche finanzielle Auswirkungen haben, die häufig ausser Acht gelassen werden: Tatsächlich haben die wenigsten gründlich über die Konsequenzen der Teilzeitarbeit für ihre Altersvorsorge nachgedacht.
Bei Teilzeitarbeit sind durch das reduzierte Einkommen und die damit verbundenen geringeren Einzahlungen vor allem die späteren Leistungen aus der ersten Säule, der AHV, und der zweiten Säule, der Pensionskasse, betroffen. Der Beschäftigungsgrad, das Lohnniveau und die Art der Pensionskasse spielen dabei eine entscheidende Rolle. Die Auswirkungen von Teilzeitarbeit sind vor allem bei der beruflichen Vorsorge vielfältig und können von einem erheblich reduzierten versicherten Einkommen in der Pensionskasse bis hin zum gänzlichen Wegfall der beruflichen Vorsorge reichen. Auch Lebensereignisse wie eine Scheidung wirken sich auf Menschen, die Teilzeit arbeiten, oft einschneidender aus.

Mögliche finanzielle Auswirkungen von Teilzeitarbeit und Familienzeit
Berechnung möglicher Szenarien für Vollzeitpensum, Kinderpause von fünf Jahren und Kinderpause mit anschliessendem Vollzeitpensum. Bruttoeinkommen 150 000 Franken, Eintritt in die Pensionskasse mit 28 Jahren.

Nicht nur bei jungen Erwerbstätigen kann Teilzeitarbeit die Vorsorgesituation erheblich beeinflussen. Menschen, die bereits im fortgeschrittenen Erwerbsleben stehen und ihr Arbeitspensum reduzieren möchten, sollten sich mit den Folgen für die Vorsorge und eine allfällige vorzeitige Pensionierung auseinandersetzen.

Optimierung Ihrer Vorsorge bei Teilzeitarbeit
Trotz der finanziellen Herausforderungen gibt es Möglichkeiten, die Vorsorge bei Teilzeitarbeit zu optimieren. Einer der wichtigsten Schritte ist die Kommunikation in der Partnerschaft: Wie sieht die ge- meinsame Zukunft aus? Wer übernimmt welche Aufgaben? Reduzieren etwa beide das Pensum? Eine weitere Möglichkeit ist, vor und nach der Kinderpause Vollzeit zu arbeiten. Dies kann helfen, mögliche Vorsorgelücken zu verringern. Es kann auch vorteilhafter sein, das Pensum zu reduzieren, statt eine komplette Auszeit zu nehmen, da dies eine gewisse finanzielle Unabhängigkeit gewährt und die Möglichkeit bietet, eine private Vorsorge in der Säule 3a aufzubauen.
In jedem Fall sind die private Vorsorge, wie eine Säule 3a sowie der zusätzliche Einkauf in die Pensionskasse wichtige Massnahmen, um die Vorsorge zu stärken. Zusätzlich kann ein flexibles Arbeitsmodell über das ordentliche Pensionsalter hinaus einen interessanten Beitrag zur eigenen Vorsorge leisten und helfen, frühere mögliche Lücken teilweise auszugleichen.
Egal ob Sie bereits im Teilzeitmodell arbeiten, dies als stufenweisen Austritt aus dem Berufsleben vorsehen oder nach der ordentlichen Pensionierung weiterarbeiten möchten: Jede Situation sollte individuell mit einer Expertin oder einem Experten für Vorsorge- und Anlagethemen besprochen und regelmässig, zum Beispiel bei Änderungen des Arbeitspensums oder der Lebensumstände, überprüft werden.
Ideal ist eine Beratung, bei welcher die persönliche Situation unter verschiedenen Aspekten wie Vorsorge, Steuern und Vermögensorganisation analysiert und ein auf die individuellen Bedürfnisse zu- geschnittener Plan erstellt wird.
Mit der richtigen Planung und fachkompetenten Beratung kann Teilzeitarbeit eine wertvolle Option für viele Erwerbstätige sein – zum Beispiel während der Elternzeit, als Vorstufe zur vorzeitigen Pensionierung oder als Arbeitsmodell im reiferen Alter. ★


Christine Kneubühler, Senior Financial Consultant Swiss Life Wealth Managers.

Christine Kneubühler, Finanzplanerin mit einem Masterabschluss in Wirtschaft und Recht, ist seit sieben Jahren in der Finanzbranche tätig und berät Kundinnen und Kunden in den Bereichen Vorsorge, Finanzplanung und Vermögensverwaltung. An Webinaren und Anlässen referiert sie zu Themen wie Frauenfinanzen, Vorsorge und Vermögensberatung.

Essentielle Tipps zur Stärkung der Vorsorge

  • Besprechen Sie Ihr Arbeitsmodell offen mit Ihrem Partner oder Ihrer Partnerin und legen Sie zusammen fest, wie Sie die gemeinsamen Ziele erreichen möchten.
  • Bauen Sie zusätzlich zur beruflichen und zur privaten Vorsorge weitere Rücklagen auf und legen Sie diese renditeorientiert an, etwa in Wertschriften.
  • Stärken Sie Ihre Vorsorge mit zusätzlichen Einkäufen in die Pensionskasse und/ oder einer renditeorientierten Säule 3a.
  • Prüfen Sie die Möglichkeit, nach dem ordentlichen Pensionsalter weiter Teilzeit zu arbeiten, um allfällige vorherige Lücken auszugleichen.
  • Überprüfen Sie Ihre individuelle Situation alle drei bis fünf Jahre oder dann, wenn sich Ihre Umstände substanziell verändern.

Lassen Sie sich von einer Expertin oder einem Experten beraten, um Ihre persönliche Situation in Bezug auf Vorsorge und Pensionierung optimal zu gestalten.

Wissenswertes und Beratung

Unsere Expertise – Ihre Sicherheit
Seit 1857 bewirtschaftet Swiss Life die Vorsorge- und Versicherungsgelder ihrer Kundinnen und Kunden und zählt zu den Top-3-Vermögensverwalterinnen für Pensionskassen und institutionelle Anlegende in der Schweiz. Von dieser über 165-jährigen Anlagekompetenz profitieren Sie dank Swiss Life Wealth Managers jetzt auch als Privatperson. Überzeugen Sie sich in einem kostenlosen Erstgespräch von unserer Vorsorge- und Finanzexpertise.

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Dieses Dokument enthält zukunftsgerichtete Aussagen, welche unsere Einschätzung und unsere Erwartungen zu einem bestimmten Zeitpunkt ausdrücken. Dabei können verschiedene Risiken, Unsicherheiten und andere Einflussfaktoren dazu führen, dass die tatsächlichen Entwicklungen und Resultate sich von unseren Erwartungen deutlich unterscheiden.

«Swiss Life Wealth Managers» ist die Bezeichnung für die
Wealth-Management-Aktivitäten der Swiss Life Wealth Management AG,
General-Guisan-Quai 40, 8002 Zürich.

Leidenschaft, Herz und Bauchgefühl

Posted by Ambra Spiller

Frédérique Hutter ist Galeristin, Kunstberaterin, Kunstvermittlerin, Kulturveranstalterin und Botschafterin der Sanni Foundation. Nach jahrzehnte-langem Mitwirken in der Galerieszene beschreitet sie seit 2018 mit ihrem Unternehmen Frédérique Hutter Art Concept unkonventionelle Wege.

Der Werdegang von Frédérique Hutter wirkt akribisch geplant und geradlinig: Die wichtigen Stationen durchlaufen, auf Du und Du mit allen grossen Namen, kombiniert mit harter Arbeit und dem unbedingten Willen, in dieser Szene eine Rolle zu spielen. Doch war da auch immer etwas Glück mit im Spiel, als Frédérique Hutter öfters zur richtigen Zeit am richtigen Ort war. Und statt einem Karriereplan zu folgen, hörte sie lieber auf ihr Bauchgefühl und machte mehrmals Entscheidungen über prestigeträchtige Anstellungen nach kurzer Zeit rückgängig, die sich für ihr Gefühl als falsch erwiesen. Das Zwischenmenschliche liegt ihr genauso am Herzen wie das Geschäftliche. So lässt sie sich gerne in familiäre Arbeitsverhältnisse einbinden und engagiert sich mit Herzblut, verliert aber auch die Geduld mit Persönlichkeiten, die ihr längerfristig keine Perspektive bieten.

Die gebürtige Zürcherin hatte ursprünglich eine kaufmännische Ausbildung in der Touristikbranche abgeschlossen und das Gymnasium auf dem zweiten Bildungsweg besucht. Die Welt der Kunst eröffnete sich ihr während eines Praktikums bei Christie’s in Genf. Das war ihr Eintrittsticket in die Kunstwelt, in der sich Frédérique Hutter überaus wohl fühlte. So beschloss sie, am Sotheby’s Institut in London Fine and Decorative Art and Design zu studieren, um sich theoretisches und praktisches Wissen anzueignen und später im Auktionshaus einzusteigen. Um die nötigen Mittel für dieses Vorhaben zusammenzubringen, legte sie ein Zwischenjahr ein und arbeitete bei verschiedenen Galerien.

Learning by doing statt Weiterbildung
Ihr erster Arbeitgeber war der Kunstsalon Wolfensberg, gefolgt von der Galerie Bischofberger, Galerie Eva Presenhuber (damals Hauser & Wirth II), Galerie Ars Futura, Galerie Gmurzynska, Haunch of Venison und Galerie Elisabeth Kaufmann. Bei so viel Galerietätigkeit verschob sich die Ausbildung in London Jahr für Jahr und beschränkte sich schlussendlich auf einen Sommerkurs. Eine Weiterbildung als Kulturmanagerin hatte sich erübrigt, wie Frédérique Hutter erklärt: «Das Handwerk hatte ich mir mit Learning by doing angeeignet. Ausserdem hatte ich keine Angst vor Herausforderungen. Es gab für mich keine andere Option, als sie anzunehmen und da durchzugehen. Irgendwie würde das schon klappen. Und so war es dann auch.» Ausserdem hatte sie bereits gelernt, dass sich harte Arbeit und Fleiss auszahlen würden. 

Die Dekade Katz Contemporary
Mitte 30 hatte sich Frédérique Hutter einen Namen in der Branche gemacht und verfügte über ein grosses Netzwerk. Das Auftreten eines Investors kam gerade zur richtigen Zeit. Es wurde eine AG gegründet, ein Budget und ideale Räumlichkeiten für eine Galerie gefunden und Frédérique Hutter zur Verfügung gestellt. 2008 eröffnete sie darin die Galerie Katz Contemporary, benannt nach dem Haus zur Katz, in dem sich die Galerie befand und die sie innert kurzer Zeit zu einer wichtigen Adresse in der Zürcher Galerie- und Kulturszene machte. Was gegen aussen mit Startfinanzen im Rücken mühelos wirkte, sah in der Realität ganz anders aus. Frédérique Hutter erinnert sich: «Ich hatte plötzlich eine grosse Hülle, die es zu füllen galt und wahnsinnig hohe Fixkosten. Das Problem von Galerien ist immer der Cash-Flow. In Zürich verschärft sich das zusätzlich mit den hohen Mieten und Personalkosten. Ich schaffte es jedoch stets, alle Rechnungen pünktlich zu bezahlen. Der Preis war allerdings hoch. Ich hatte ein verhältnismässig niedriges Einkommen und war ständig am Kosten einsparen.»

In den zehn Jahren als Direktorin der Galerie kuratierte Frédérique Hutter mehr als 50 Ausstellungen – jedes Jahr deren fünf – und organisierte zahlreiche Kunstprojekte und Events. Oft konzipierte sie Doppel-Ausstellungen mit etablierten und jungen Künstlern und baute so etliche Künstlerkarrieren auf. «Fünf Ausstellungen im Jahr sind viel. Kaum ist eine vorbei, kommt die nächste. Ich habe Tag und Nacht gearbeitet und keine Ferien gemacht», erinnert sich die Galeristin. Nach zehn Jahren lief der Mietvertrag ab und Frédérique Hutter ging über die Bücher. Damals Mitte 40, stellte sie sich die Frage, ob sie weitere zehn Jahre so weitermachen oder ihren eigenen Konzepten nachgehen wollte. Schlussendlich war der Moment gekommen, um ein neues Kapitel aufzuschlagen.

Ein neues Kapitel mit eigenem Konzept
Nachdem Frédérique Hutter mit der Galerie Katz Contemporary sauber abgeschlossen hatte, brauchte sie erst einmal Ruhe. Diese fand sie in Indien, wo sie bei einem Ayurveda-Aufenthalt Kerala und die Sanni Foundation für sich entdeckte. «Kerala ist ein Ort, der mich beruhigt und mir Sicherheit gibt. Wenn in der Schweiz alle Stricke reissen, dann gibt es immer diesen Ort, wo ich hingehen kann», beschreibt Frédérique Hutter ihre Beziehung zu Kerala. Mit diesem Gefühl der Sicherheit kehrte sie in die Schweiz zurück, wo sie ihr eigenes Unternehmen Frédérique Hutter Art Concept gründete, das auf ein erweitertes Dienstleistungsangebot, auf temporäre Ausstellungsprojekte ohne fixe Ausstellungsräume sowie auf erweiterte Projekte im In- und Ausland fokussiert. Zudem widmet sie sich weiterhin der Betreuung und Förderung ihrer jungen Talente wie Florian Bühler, Patrick Graf, Andrea Heller und Martina von Meyenburg, um nur einige zu nennen, die Hutter entdeckt hat. Dazu braucht sie nichts weiter als einen Büroraum und ein kleines Schaulager. «Endlich habe ich die finanzielle Freiheit, neue Projekte zu realisieren, die meine Leidenschaft wecken», freut sich Frédérique Hutter und fügt an: «Ausserdem möchte ich nur noch mit Künstlern und Leuten zusammenarbeiten, die mich inspirieren und die ich mag.»

Win-win mit unkonventionellen
Um ihre Künstler regelmässig ausstellen zu können, mietet sie sich sowohl in traditionelle Galerien als auch in Räumlichkeiten in unkonventionellen Liegenschaften ein. Das sind aktuell die Büroräumlichkeiten der Immobilienfirma Walde, die mit ihrer 80er-Jahre Backstein-Optik interessante Kontraste zu den bei- spielsweise grossflächigen Arbeiten von Elger Esser schafft. Solche Kooperations-Ausstellungen bieten ausserdem einen interessanten Mix an Kundschaft, da sowohl die Inhaber der Räumlichkeiten als auch die Künstler und deren Galerien ihre Leute zur Vernissage einladen. Frédérique Hutter bezeichnet sie als echte Win-win-Situationen: «Ich gebe meinen Namen her und bespiele die Wände der Firmen mit Kunst. Zusätzlich organisieren wir gemeinsam Vernissagen und Events. Somit haben die Firmen Kunstwerke an den Wänden und eine Gelegenheit, ihre Kunden zu einem speziellen Anlass einzuladen, und ich habe zu günstigen Konditionen einen externen Showroom, wo ich meinen Kunden die Werke zeigen kann.»Das Konzept ist eher ungewöhnlich in der traditionellen Galerieszene und sehr erfolgreich. Man wisse wohl nicht so recht, wie man sie einschätzen solle, lacht Frédérique Hutter und erläutert ihre Position in der Branche: «In der Galerieszene bin ich eine Aussenseiterin, obwohl ich die Szene in- und auswendig kenne. Man unterschätzt mich gerne. Aber ich habe den Ruf, dass ich gut verkaufen kann, und das öffnet viele Türen.»

Ein Mandat mit Förderprogramm
2022 erhielt Frédérique Hutter das Mandat als externe Beraterin der Baloise Collection mit über 2000 hochkarätigen Kunstwerken. Dies beinhaltet auch, jährlich zwei Ausstellungen mit Werken aus der Sammlung zu kuratieren. «Ich bin keine Kuratorin, da ich keine Kunstgeschichte studiert habe», meint Frédérique Hutter lapidar. Deshalb gründete sie eine Plattform für junge Kuratoren und Kuratorinnen, die das Konzipieren der Ausstellungen übernehmen konnten. Der Baloise gefiel die Idee. «Der Fördergedanke lässt sich von jungen Künstlern auch auf junge Kuratoren und Kuratorinnen übertragen. In diesem Bereich gab es bis heute nichts», gibt Frédérique Hutter zu bedenken und schafft erneut eine Win-win-Situation, was der Erfolg der vier Ausstellungen, die bis jetzt auf dieser Basis stattgefunden haben, bestätigt.
Das nächste interessante Projekt ergab sich per Zufall in den Räumlichkeiten des Recycling-Start-ups Mr. Green, wo sich Frédérique Hutter mit ihrer Freundin Valentina Frutig – eben- falls im Kunstbusiness tätig – verabredet hatte. In den galerie- artigen Büros von Mr. Green erkannte sie sogleich einen Aus- stellungsort für einige ihrer Künstler und Künstlerinnen, wie Martina von Meyenburg, die mit rezyklierten Dingen arbeitet und Patrick Graf, der Objekte aus Karton erschafft. Zusammen mit Bettina Meyer Bickel, ehemals Galerie Rotwand, beschlossen die drei Freundinnen, eine Ausstellung zu kuratieren mit Künstlern, die sich mit einer grossen Bandbreite von Wertstoffen in verschiedenen Medien auseinandersetzen. «Wir machen das nicht wegen des Geldes, sondern aus Freude und Leidenschaft», betont Frédérique Hutter. Das Dreierteam nennt sich Three Janes, in Anlehnung an all die starken Janes dieser Welt und die Glieder einer Kette – englisch chains –, die eine Fortsetzung mit weiteren Gliedern erlaubt.

Indien und die Sanni Foundation
Seit 2017 ist Frédérique Hutter aktive Botschafterin der Sanni Foundation, die sich für die Erziehung und Bildung von Kindern und Jugendlichen, die Bekämpfung extremer Armut, die Gesundheitsförderung sowie Förderung von Frauen in Indien einsetzt. Jährlich reist sie in den Wintermonaten für mehrere Wochen nach Indien und lebt mit 34 HIV-positiven Waisenkinder im St. Johns Health Village zusammen. «In Indien habe ich ein zweites Zuhause und einen Ausgleich zu einem Schweizer Alltag gefunden, der trotz aller Kreativität viel Bürokratie und Papierkram enthält. Hier habe ich die Möglichkeit, kreativ zu sein und Dinge zu produzieren.» So hat sie eine eigene Schmuck- und Kleiderkollektion entworfen, deren Verkäufe zu Gunsten der Sanni Foundation gehen. Dieses Jahr hat sie innerhalb von drei Wochen eine kleine Nähfabrik aufgebaut, in der Taschen genäht werden. Ausserdem gibt sie Kunstworkshops und Englischunterricht für «ihre» Kinder.
Für 2025 plant Frédérique Hutter eine Kunstreise für ihre Sammler zur Cochin Biennale, die an der Küste Keralas stattfindet. Die Hotels seien bereits gebucht, freut sie sich und beschreibt, was ihr neues Konzept für sie bedeutet:
«Solche Projekte sind meine zweite Leidenschaft, die ich mir leisten kann, seit ich nicht mehr im Wettbewerbs-Stress bin. Früher war ich immer dem Druck ausgesetzt, Geld zu verdienen. Jetzt schaffe ich mir Freiräume für meine Nischengeschichten und befinde mich im Flow.» ★


Frédérique Hutter, 1972 geboren, wächst in Bern auf. Nach dem Handelsdiplom und dem Gymna- sium im zweiten Bildungsweg, macht sie ein Praktikum bei Christie’s in Genf. Nach Stationen bei namhaften Galerien wie Kunstsalon Wolfensberg, Galerie Bischofberger, Galerie Eva Presenhuber (damals Hauser & Wirth II), Galerie Ars Futura, Galerie Gmurzynska, Haunch of Venison und Galerie Elisabeth Kaufmann gründet sie 2008 die Galerie Katz Contemporary, die sie zehn Jahre als Direktorin leitet. Seit 2018 widmet sie sich mit ihrer Firma Frédérique Hutter Art Concept eigenen Projekten. Frédérique Hutter ist seit 2017 aktive Botschafterin der Sanni Foundation.

Mich interessiert, wenn etwas in der Krise steckt

Posted by Ambra Spiller

Andrea Rytz, CEO der Schulthess Klinik, ist Woman of the Year 2023. Die Managerin über ihre Führungsprinzipien, ihre Karriere und viel Glück auf ihrem Weg.

WOMEN IN BUSINESS: Frau Rytz, gratuliere, Sie wurden mit grossem Abstand zur Woman of the Year 2023 gewählt.
Andrea Rytz: Das hat man mir gesagt, und ich war im ersten Moment fast ein bisschen peinlich berührt. Nun finde ich das einfach sehr, sehr cool.

Hätten Sie sich das vor 20 Jahren gedacht?
Nein, ich habe weder je an einen Award gedacht noch einen angestrebt. Mein Schwerpunkt war immer, dass ich mache, was ich gern mache. Dazu hatte ich das Glück, dass man mich auch hat machen lassen, was ich machen wollte. Dafür, dass es so herausgekommen ist, bin ich sehr stolz und dankbar.

Herausgekommen? Das klingt, als wäre es Ihnen in den Schoss gefallen.
Oh, nein, ich hatte immer Ehrgeiz und habe mir auch immer sportliche Ziele gesetzt, aber nicht, damit ich eines Tages Woman of the Year werde.

Sondern?
Ich bin beseelt davon zu optimieren – mich, den Alltag, Prozesse, ein Unternehmen. Die Auszeichnung Woman of the Year gilt mir als Person, aber sie gehört meinem ganzen Team. Allein wäre ich nie da, wo ich bin. Für Erfolg braucht es Support. Immer.

Das gesamte Interview lesen Sie in der aktuellen Ausgabe. Bestellen Sie diese in unserem Shop.

Unser Hirn ist unsere natürliche Ressource

Posted by Ambra Spiller

Die Mathematikerin Dalith Steiger-Gablinger ist eine gewichtige Stimme im Bereich der künstlichen Intelligenz und tritt regelmässig als Referentin zu Zukunftstechnologien auf. Mit dem Start-up SwissCognitive fördert sie den Einsatz kognitiver Systeme in Wirtschaft und Alltag.

In der künstlichen Intelligenz scheiden sich die Geister. Technikenthusiasten malen eine Zukunft aus, in der uns digitale Helfer mühsame Arbeit abnehmen, Schwarzseher warnen vor einer Dystopie, in der KI das Menschsein auslöscht. Sicher ist nur, dass KI mit Chatbots, Siri und Alexa schon mitten in unserm Alltag angelangt ist. Die Mathematikerin Dalith Steiger-Gablinger, Mutter zweier Töchter, setzt sich für Aufklärung ein und dafür, Ängste abzubauen – da- mit wir die digitale Zukunft aktiv mitgestalten, anstatt sie aufoktroyiert zu bekommen, wir die richtigen Standards setzen und die Schweiz wirtschaftlich nicht von asiatischen Ländern überholt wird.

WOMEN IN BUSINESS: Man teilt die Menschen ja oft in die mathematisch/naturwissenschaftlich und die sprachlich/ musisch Veranlagten auf. Als Mathematikerin gehören Sie offensichtlich eher zur ersten Gruppe.
Dalith Steiger: Ich würde mich nicht als besonders begabt für Mathematik bezeichnen. Im Wirtschaftsgymnasium hätte ich wegen meiner schlechten Mathematiknoten die Klasse wiederholen müssen, aber entschied mich dann für eine musische Matur, bei der Musik, Turnen und Zeichnen gleich viel zählten wie Mathematik. An der neuen Schule traf ich zum Glück auf einen Mathelehrer, der mir die Dinge so erklärte, dass ich sie verstand. Darauf habe ich mich nicht nur in die Fächer Physik und Mathematik verliebt, sondern ich kam auch zum Schluss, dass es sehr darauf ankommt, wer dir Mathematik wie vermittelt, damit du sie verstehst. Ich habe übrigens im Nebenfach Pädagogik studiert und jahrelang Schüler auf Gymiaufnahme- und Maturprüfungen vorbereitet. Im blossen Rechnen bin ich aber nicht stark. Was bei mir aber ausgeprägt ist, ist das analytische Denken. Mathematik ist ja nicht einfach Rechnen. Im Mathematikstudium geht es vor allem um Beweisführung und man lernt analytisch zu denken.

Innerhalb Ihres Studiums haben Sie sich dann auf Statistik und Computional Biology spezialisiert und am Krebsinstitut in Heidelberg in der Gentechnologie ihre Diplomarbeit geschrieben, darauf im Informatikbereich in Banken gearbeitet, bis sie Sie für die Künstliche Intelligenz einsetzten. Das hört sich nach einem ungewöhnlichen Weg an. Was ist bei all dem der rote Faden?
Mathematiker kann man sehr vielfältig einsetzen. Mathematik ist nichts anderes als logisch Denken. Das konnte ich in der In- formatikabteilung der UBS ebenso wie beim Softwareentwickler Avaloq. An beiden Orten bestand meine Arbeit darin, zwischen Business und Informatik zu übersetzen und umgekehrt. Als ich Mutter zweier Töchter wurde, und eine der beiden lange im Spital war, konnte ich meinen Job nicht mehr wie bisher weiterführen. Um flexibel zu bleiben, bin ich dann in die Agentur meines Mannes eingestiegen und habe zusätzlich die Geschäftsführung des Swiss IT Leadership Forum, einer Vereinigung von Führungskräften der Schweizer ICT-Wirtschaft übernommen. So bekam ich die ganze Informatikentwicklung auf dem Silbertablett serviert! Im direkten Austausch mit den Chief Informatik Officers (CIO) erfuhr ich, was in ihren Firmen in Bezug auf Informatik Iäuft, was ihre Bedürfnisse sind und wo der Schuh drückt. An einem Gartner IT-Symposium, an der sich die globale Crème de la Crème der Informatik traf, hatte ich dann mein persönliches Aha-Erlebnis: Ich ging an ei- nem elektronischen Billboard vorbei, das für «Digital Avatar» warb. Da fiel es mir wie Schuppen von den Augen: Im digitalen Mitarbeiter liegt unsere Zukunft. Das war 2014.

Sie sahen das Potential von intelligenten Systemen also schon lange bevor KI, Künstliche Intelligenz, Chatbots und ChatGPT in aller Munde war. Was versprachen Sie sich damals davon?
Aus meiner Zeit in der Informatik-Abteilung der UBS wusste ich, dass Firmen ihren Support und ihre Call Centers zunehmend in andere Länder – zunächst Australien, dann in Billiglohnländer wie Indien und Osteuropa – auslagerten. Ich dachte mir, wir müssen diese Services wieder zurückholen und selber ins Ausland verkaufen. Wir sind ja ohnehin eine Exportnation. Warum also nicht auch digitale Services ins Ausland exportieren? Ich kam zur Überzeugung, dass wir mit intelligenten Systemen, also Avataren, die erste Supportstufe für globale Unternehmen aus der Schweiz anbieten sollten.

Outgesourct wird ja aber, um Geld zu sparen. Die Schweiz ist teuer.
Das ist genau der Punkt. Automatisierte Systeme sparen Geld und Zeit. Wir haben in unserer Geschichte immer Fortschritt erzielt, wenn wir unser Hirn mit Technologie verbunden haben. Automatisierung war der Grundstein der industriellen Revolution. Die smarte Technologie ist nur eine Fortsetzung davon.

Sie wollten den Firmen vermutlich nicht nur dabei helfen, Geld zu sparen. Was ist denn Ihre tiefere Motivation, sich heute für KI starkzumachen?
Mir ging es um einen «wake-up call» für die Schweiz, darum, die Aufmerksamkeit der Entscheidungsträger auf das Potential von KI für ihr Business zu lenken. Damit auch unsere Kinder in einem prosperierenden Land leben und arbeiten können. In der Kombination von Hirn und technischen Möglichkeiten liegt die Zukunft. Wir haben hier in der Schweiz ja keine anderen natürliche Ressourcen als unser Hirn. Überdies braucht es Investitionslust für KI-Start-ups in der Schweiz. Heute liegt unser Fokus darauf Start-ups mit unserem globalen Netzwerk zu helfen Investoren und Kunden im globalen Markt zu finden.

Sie gründeten dann mit ihrem Partner Andy Fitze das Start-up SwissCognitive, einen Wissensmarktplatz, mit dem Sie diese Entwicklung vorantreiben wollen. Worin sehen Sie Ihre Aufgabe?
Unternehmungen das Potential von KI in ihrem Geschäft aufzuzeigen und sie in ihrer KI-Strategie zu unterstützen. Ein wesentlicher Bestandteil für unsere Analysten-Arbeit, besteht im Austausch mit diversen Firmen, Start-ups, Hochschulen und Experten. Dazu veranstalten wir zum Beispiel grosse Online KI-Konferenzen und Diskussionsrunden für Senior Managers im diskreten Rahmen, um den Wissensaustausch rund um Künstliche Intelligenz fördern. Unser Ziel ist es, Unternehmen und KI-Lösungsanbieter miteinander kurzzuschliessen. Mit anderen Worten, den Informatikern zu vermitteln, was Firmen brauchen, und den Firmen zu sagen, was technologisch bereits möglich ist. Wir verstehen uns als «Compiler», also Übersetzer.

In letzter Zeit wurde viel Kritik in Bezug auf KI laut. Der Chef der Google-Schwesterfirma DeepMind warnt vor dem Risiko der Vernichtung der Menschheit. Warren Buffet vergleicht KI mit der Atombombe. Selbst Tech-Millionär Elon Musk forderte jüngst eine sechsmonatige Pause bei der Entwicklung von KI. Man sollte die Auszeit nutzen, um Regulierungsansätze für Technologien zu finden. Hat Sie das überrascht?
Nein. Diese Leute sind ja sehr nah an der Entwicklung. Natürlich müssen wir diese Stimmen ernstnehmen. Ich fand die Idee mit dem Moratorium suboptimal. Insbesondere, da man diejenigen Leute, die Schlechtes mit KI im Schild führen, mit einem Moratorium bestimmt nicht davon abhalten kann. Mir persönlich sind Aufklärung und Verantwortungsbewusstsein wichtiger.

Was lässt Sie denn hoffen, dass wir mit KI auf dem richtigen Weg sind?
KI wird uns in vielen Lebensbereichen eine grosse Unterstützung sein. Nehmen wir den Gesundheits- und Medizinbereich. Da kann sie bei der Früherkennung von Krankheiten eine entscheidende Hilfe sein, etwa mittels der Analyse von Röntgenbildern und Computertomographien. Bei einer Mam- mographie lassen sich Veränderungen von Gewebe, eine Zyste oder ein Tumor vergrössert früher und schneller erkennen. Wir werden dank KI gesünder leben. Wir werden früher aus dem Spital entlassen, weil der Zustand des Patienten, seine Blutwerte, Sauerstoff, Puls zu Hause automatisiert kontrolliert und die Daten übermittelt werden können.

Anderseits wird der Alltag dadurch auch ein Stück weit entmenschlicht.
Nicht unbedingt. Wenn etwa in einem Alterspflegeheim die Administration über KI entlastet werden kann, können mehr Hände am Bett sein. Es wird Leute geben, die bereit sind, sich für die Pflege umzubilden. Nehmen Sie das Bauwesen, das immer wieder Arbeitskräftemangel beklagt. Hier könnte ein einziger Kranführer die Arbeit von fünf erledigen, und Kräne per Joystick auf mehreren Baustellen lenken. Das nimmt nicht Arbeitsplätze weg, sondern ermöglicht erst, dass grosse Bauprojekte noch durchgeführt werden können! Mit Technologien wird hier Arbeit nicht ersetzt, sondern ermöglicht.

Wenn ChatGPT Sätze auf dem Niveau eines Menschen formulieren, Bewerbungen schreiben, Aufsätze über Goethe verfassen, Drehbücher schreiben, E-Mails formulieren kann, was bleibt uns dann? Mittlerweile bangen selbst Journalistinnen und Juristen sowie Kreativschaffende, dass KI ihre Jobs besser, schneller und günstiger erledigen kann. Was können Sie ihnen entgegenhalten?
Es liegt in der Natur des technischen Fortschritts, dass gewisse Jobs verloren gehen. Das war auch damals so, als man keine Telefonistinnen mehr benötigte. Aber es wurden auch immer wieder neue Berufe geschaffen. Ausserdem wird es in menschenzentrierten Bereichen wie Betreuung, Medizin, Hospitality und Bildung immer Menschen brauchen. Ich sehe unter Zuhilfenahme von Technologie eine grosse Chance für Menschen, denen die Arbeitswelt wegen ihrer Behinderung bis anhin verwehrt war. Warum soll jemand überhaupt das Anrecht auf einen lebenslangen Job haben, nur weil er gesund geboren wurde, wohingegen Leute mit einer Behinderung nicht arbeiten oder nach einem Unfall nicht wiedereinsteigen können? Für einen Grafiker mit Parkinson gibt es dank KI heute Lösungen. Blinde und Menschen, denen ein Arm amputiert wurde, können dank KI und Robotik wieder einer Arbeit nachgehen.

Es wird immer wieder auf höhere Effizienz in bestimmten Tätigkeiten hingewiesen. Die Erfahrung hat aber gezeigt, dass wir in die freigewordene Zeit einfach immer noch mehr Arbeit reinstecken …
Das ist ein guter Punkt. Was passiert mit der Zeit, die wir gewinnen? Es liegt aber in der Verantwortung jedes Einzelnen, ob er in der Zeit, die er gewinnt, einer Passion nachgeht oder etwas Zwischenmenschliches tut oder einfach noch mehr arbeitet. Jedenfalls finde ich es besser, dass wenn gewisse Arbeiten von KI oder vom Roboter übernommen werden und mehr Zeit für die menschlichen Betreuungsaufgaben bleibt, als wenn überall nur Menschen arbeiten, die keine Zeit und keine Nerven für das Zwischenmenschliche haben.

Ein Thema, das besondere Ängste auslöst, ist die Offenlegung von Daten.
Das ist ein sehr relevanter Punkt. Beim Datenschutz muss es meiner Ansicht nach ein Umdenken geben. Wenn wir unsere Daten nicht teilen, kann die Forschung sich nicht weiterentwickeln. Meiner Meinung nach sollten Leute mit Krankheiten nicht von Versicherungen ausgeschlossen werden, sondern im Gegenteil, sogar eine Reduktion der Police erhalten, und diese auch noch von den Steuern abziehen können, weil ihre Daten der Forschung und Gesellschaft nützen. Denn dank ihrer Daten können andere vom medizinischen Wissen profitieren, werden dadurch vielleicht weniger oder gar nicht erst krank. Damit muss die Versicherung auch weniger Geld ausgeben. Heute passiert das Gegenteil: Wenn man eine spezielle Krankheit hat, muss man Angst haben, dass man gar nicht erst aufgenommen wird. Es braucht also eine vollkommen neue Art von Denken.

Welche Anwendungen von KI sind denn heute die geläufigsten, und welche brauchen Sie selber in Ihrem Alltag?
KI finde ich ja eigentlich einen ungünstigen Ausdruck. Wenn von «künstlich» die Rede ist – etwa bei künstlichem Gelenken oder künstlichen Pflanzen – geht man immer davon aus, dass sie möglichst naturgetreu sein sollen. Bei der KI geht es aber nicht darum, dass wir das Hirn kopieren. Vielmehr geht es darum, das menschliche Können zu verbessern, zu beschleunigen oder zu multiplizieren. Algorithmen sollen uns dort, wo wir schwach sind, stärken. Es geht um Qualitätssicherung und Sicherheit, um Erhöhung von Produktivität, auch darum, innovative Lösungsansätze zu finden. Wir werden immer mehr auf alles, was einen Daten-Fussabdruck hat, zugreifen können, und mit dem vorhandenen Wissen neues Wissen kreieren.

Wie verwenden Sie selbst KI?
Meine WhatsApp und E-Mails schreibe ich mit Siri. Will ich Ihnen auf die Schnelle bestimmte Sommerfotos auf meinem Smartphone zeigen, kann ich einfach den Begriff «Sonnenbrille» eingeben. Gehe ich auf Netflix, erkennt ein intelligenter Algorithmus mein Profil und macht mir Vorschläge. Im Banking kann ich einem Chatbot Aufträge erteilen.

Gibt es auch Dinge, vor denen Sie sich in Zusammenhang mit KI fürchten? Wie wissen Sie, ob Ihnen ein Mensch oder eine Maschine schreibt? Was macht das mit unserem Vertrauen ineinander?
Am meisten fürchte ich den Menschen, der die KI missbraucht. Zum anderen: Spielt es eine Rolle, ob ein Mensch oder ein Algorithmus dahintersteckt?

Bei einem Liebesbrief meinte ich eigentlich schon.
Für mich steht der Mensch am Anfang und am Ende der Kette. Wenn ich mich hinsetze und einen Brief schreiben will, kann ich ChatGPT sagen, was ich in welchem Stil ausdrücken will. Ich versuche also, meine Emotionen so zu beschreiben, dass am Ende ein Text herauskommt, der mir und meinen Emo- tionen entspricht. Da merkt man dann schon, dass sich ein Mensch damit auseinandergesetzt hat.

Kann KI schöpferisch sein?
Ja! Aber der initiale Input kommt von uns Menschen! Wir haben da draussen immer mehr zugängliche Daten und mit diesen Daten können wir Neues erschaffen. Und mit der KI erschafft eben nicht mehr nur der Mensch Neues, sondern es gibt nun intelligente Algorithmen, die die vorhandene Daten nutzen und daraus Neues kreieren. KI ist wie ein Mixer für ansteuerbare Informationen. Du tust ganz viele Sachen rein, und nachher kommt ein neu kreierter Smoothie heraus, den Du Dir so nie vorstellen konntest. Ich finde übrigens auch, dass Studenten lernen sollen, wie sie mit ChatGPT ihre Arbeiten schreiben können. Ein Professor sagte mir neulich, die Studenten würden das Schreiben verlernen. Ich entgegnete: Dafür müssen sie wieder lernen zu denken! Sie werden eine andere Denkstruktur lernen. Lernen, dedizierte und zielorientierte Fragen zu stellen und kritisch zu hinterfragen.

Wenn ein junger Mensch Sie fragen würde, was er noch lernen soll, wenn doch künftig KI vieles für ihn besorgt, was antworten Sie ihm?
Philosophie und Informatik. Ich finde, wir leben in einem Zeitalter, wo wir alte Glaubensvorstellungen brechen und uns bewusst neu besinnen müssen. Dazu braucht es Philosophinnen und Philosophen. Griechische Philosophen sind wegweisend bis heute. Wir müssen sie sehr ernst nehmen.

Haben Sie eine Zukunftsvision, wie wir in 20 Jahren leben?
Ehrlich gesagt habe ich darauf keine Antwort. Sogar die grossen Player der KI hätten nicht davon zu träumen gewagt, dass es derart bald so etwas wie ChatGPT gibt. Plötzlich war das Ding da. Es ist es ein Blitz eingeschlagen.

Wie würden Sie sich denn wünschen, wie KI unser Leben dereinst verändert?
Neben einem gesünderen Leben ist mein Wunsch, dass wir dank KI zum Beispiel nur noch eine 30-Stunden-Woche hätten. Dann hätten meine Kinder dereinst mehr Zeit für Familie, Freunde, Sport. Und Müttern und Vätern wäre es möglich, eine Führungsfunktion mit ihrer Rolle als Eltern zu kombinieren. Es liegt an jedem von uns, die Möglichkeiten auszuschöpfen, die uns KI geben wird. ★


DALITH STEIGER-GABLINGER
ist 1971 in Tel Aviv-Jaffa als Tochter einer Israelin und eines Schweizers geboren und wuchs in Küsnacht bei Zürich auf. Sie studierte Mathematik und Wirtschaftsinformatik an der Universität Zürich, legte den Schwerpunkt auf Statistik und Computational Biology und schrieb ihre Diplomarbeit am deutschen Krebsinstitut in Heidelberg auf dem Gebiet der Gentechnologie. Nach dem Studium arbeitete sie in der Informatikabteilung von UBS und beim Banken-Software-Entwickler Avaloq. Gemeinsam mit dem IT-Strategen Andy Fitze gründete sie 2016 das mehrfach preisgekrönte KI-Start-up SwissCognitive und 2019 die Stiftung CognitiveValley, eine gemeinnützige Organisation, deren Ziel es ist, die Schweiz als weltweit führendes Land für kognitive Technologien zu positionieren. Als Mentorin für Mädchen und junge Frauen in der Tech-Branche und Gastdozentin für KI und maschinelles Lernen an der Hochschule Luzern und Genf vermittelt sie einer neuen Generation das Rüstzeug für die Zukunft. Karriere und Familienleben brachte sie, wie sie betont, nur unter einen Hut, weil sie ein sehr starkes familiäres Netzwerk hatte und eine Granny-Nanny engagierte, die in die Betreuung ihrer Töchter zu Hause involviert war.

Mehr Informationen: https://swisscognitive.ch

Besser länger leben

Posted by Ambra Spiller

Sophie Chabloz kam nach Zürich, um Medizin zu studieren und entdeckte, dass das Studium der Lebensmittelwissenschaften ihre wahre Berufung ist. Sie wollte keine Symptome heilen, sondern verhindern, dass Menschen krank werden. Als Mitgründerin von AVEA entwickelt und produziert sie heute Ernährungssupplements für ein längeres und gesünderes Leben.

Sophie Chabloz ist in Fribourg aufgewachsen und zur Schule gegangen. Sie war eine gute Schülerin mit durchwegs guten Noten. Ihr Traum war es, Medizinerin zu werden. Den Menschen zu helfen, Krankheiten zu bekämpfen, vielleicht ein Mittel gegen Krebs zu finden.

Am Tag der offenen Tür an der Universität Zürich nahm sie an einer Vorlesung der Medizinischen Fakultät teil und wusste sofort, dass sie hier nicht am richtigen Platz war. Dass sie doch nicht Ärztin werden und Kranke heilen wollte. Vielmehr wollte sie lieber den Gesundheitszustand der Menschen verbessern, so dass sie gar nicht erst krank werden.

Noch am selben Tag begleitete sie eine Freundin an die ETH Zürich; dort in der Halle weckte ein Stand mit Postern über Ernährungswissenschaften ihr Interesse. Es ging um ange- reicherten Reis für Afrika, der Diarrhoe verhindern soll. In diesem Moment hatte Sophie Chabloz ihr zweites grosses Aha-Erlebnis. Weder hatte sie gewusst, dass man Ernährungswissenschaften studieren konnte, noch war ihr jemals in den Sinn gekommen, an der ETH zu studieren. Jetzt aber erkannte sie, dass Ernährung sowohl Prävention vor Krankheiten als auch der Schlüssel für ein gesundes Leben sein konnte. Sophie Chabloz wusste in dem Moment: Hier gehörte sie hin.

Jahre später testete Sophie Chabloz für ihre Masterarbeit in Lebensmittelwissenschaften, Ernährung und Gesundheit das Antiaging-Potenzial von Resveratrol, einem Antioxidans, das aus roten Trauben gewonnen wird. Die Forschungen im Bereich Langlebigkeit und Antiaging bescherten ihr ein drittes Aha-Erlebnis: In diesem Bereich wollte sie fortan tätig sein.

2021 gründete Sie die Firma AVEA, die evidenzbasierte Nahrungsergänzungsmittel zur Unterstützung von Langlebigkeit entwickelt und online vertreibt.

WOMEN IN BUSINESS: Wie sind Sie als junge Person auf die Idee gekommen, sich mit Langlebigkeit zu beschäftigen?

Sophie Chabloz: Durch meine Grosseltern, die mir sehr nahestanden. Meine Grossmutter litt an Diabetes II und war nierenkrank, sie starb mit 85 Jahren. Mein Grossvater leidet an Alzheimer, er ist 88 Jahre alt, was aussergewöhnlich alt ist für einen Alzheimer-Patienten. Er wusste viele Dinge und hat mich viel gelehrt. Er beherrschte fünf Sprachen. Heute weiss er nicht mehr, wer ich bin. Es ist hart mitanzusehen, wieviel er von sich verloren hat und dass er nur noch ein paar Worte reden kann.

Konnten Sie aufgrund ihres Wissens etwas für Ihre Grosseltern tun?
Ich habe viel recherchiert über die Wirksamkeit von Heilkräutern. Kreuzkümmel, Kurkuma, schwarzer Pfeffer und Omega-3-Säuren. Ich versuchte meine Grossmutter davon zu überzeugen, was gut für sie ist und was nicht. Aber die eigene Familie hört nicht zu, sie haben mich als Wissenschaftlerin nicht wirklich ernst genommen.

Was hat diese Situation in Ihnen ausgelöst?
Ich habe realisiert, dass es eine bessere Art geben musste, um alt zu werden. Es ist eine Tatsache, dass Diabetes II nicht einfach so passiert. Der Lebensstil ist ausschlaggebend. Man kann Diabetes mit einer drastischen Veränderung der Gewohnheiten rückgängig machen. Es wird allgemein viel hingenommen und als normal angesehen, das man verbessern kann. Es ist nicht normal, wenn man immer müde ist. Normal ist, dass man gut schläft und am Morgen Energie hat und Kaffee trinkt, weil man ihn mag. Und nicht, weil man ihn braucht.

Welche Rolle spielen die Gene für ein gutes Altern?
30 Prozent macht die Genetik aus. 70 bis 80 Prozent der Lifestyle. Idealerweise investiert man bereits mit 20 Jahren ins Alter. Wenn man jung ist, ist es einfach, eine gute körperliche Basis aufzubauen, die man dann im Alter besser halten kann. Zudem ist es einfacher, sich in jungen Jahren gute Gewohnheiten anzueignen, als mit 40 den Lebensstil komplett ändern zu müssen.

Was ist Ihre Definition von Gesundheit?
Gesundheit bedeutet nicht, nie krank zu sein. Ab und zu krank oder unwohl zu sein, ist normal. Es ist die Fähigkeit des Körpers nach einer Verletzung oder einer Infektion mithilfe seiner Resilienz und einem kräftigen Immunsystem schnell wieder gesund und in Balance zu kommen. Der Körper hat einen inneren Doktor und kann sich reparieren. Zellen sterben ab und erneuern sich immer wieder. Solange dieses System ausgeglichen ist, ist man bei guter Gesundheit, wenn es sich verschiebt und man nicht mehr so schnell regenerieren kann, ist man nicht mehr bei guter Gesundheit.

Und wie definieren Sie Langlebigkeit?
In der Schweiz sind die Menschen durchschnittlich bis 65 gesund bei einer Lebenserwartung von 85 Jahren. Das heisst 20 Jahre krank sein. Das Ziel ist, dass die Menschen so lange wie möglich so gesund und aktiv wie möglich leben. Wenn man länger gesund bleibt, kann man länger leben. Dies ist jedoch nicht das Hauptziel. Das Ziel ist, die Phase zu verkürzen, in der man krank ist.

Welches sind die wichtigsten positiven Faktoren für Langlebigkeit und gute Gesundheit?
Ich zähle mal auf:
1. Diät. Du bist, was du isst. Egal ob Alles-essend, vegetarisch oder vegan: Kein verarbeitetes Essen! Frische Zutaten, gute Qualität, selber gekocht. Viel Gemüse und Früchte, hochwertige Proteine und Kohlenhydrate aus gesunder Quelle. Wenig Zucker.
2. Bewegung. Cardio- und andere Trainingseinheiten sind gut, zusätzlich sollte man täglich öfters stehen und gehen. 3. Schlaf. Alles läuft auf einen guten Schlaf hinaus. Sieben bis acht Stunden sind ideal. Am besten in einem dunklen Raum ohne Unterbrechungen.
4. Stress-Reduktion. Stress zieht alles in Mitleidenschaft. Ein wenig Stress ist ok, aber chronischer Stress macht krank.
5. Gemeinschaft. Beziehungen mit Menschen, die einem gut- tun. Eine Gemeinschaft, in der man aufgehoben ist. Zu wissen, dass es jemanden gibt, auf den man sich verlassen kann.
6. Der Sinn im Leben. Das heisst, dass man am Morgen beim Aufwachen etwas hat, worauf man sich freut und wofür es sich lohnt, aufzustehen. Das kann der Job, ein Hobby oder ein Tier sein – einfach etwas, das dem Leben einen Sinn gibt.

Was kann man sonst noch tun?
Fasten. Zum Beispiel intermittierendes Fasten. Es aktiviert die Reparierfähigkeit des Körpers. Kalte Duschen sind gut für das ganze System. Sauna aktiviert gesundheitsfördernde Mechanismen im Körper. Genügend Sonnenlicht ist wichtig, auch wenn es bewölkt ist. Das heisst, sich tagsüber nicht immer in geschlossenen Räumen aufzuhalten. Sonnenlicht reguliert die Produktion von Melatonin, das nicht nur wichtig für den Schlaf, sondern auch ein sehr effektives Antioxidans ist. Und schlussendlich gehört die Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln zu den wenig aufwendigen Dingen, um die Gesundheit zu fördern.

Was ist mit Genuss, wie zum Beispiel Schokolade, ist sie nicht gut für die Seele?
Genuss ist ganz wichtig. Wenn Schokolade, dann eine wirklich gute Schokolade mit viel Kakaoanteil. Oder ich mag den Truffes-Cake von Sprüngli. Davon esse ich ganz langsam und geniesse. Es ersetzt kein Essen und kommt auch nicht oft vor. Es ist ein spezieller Event und ein persönliches Vergnügen. Genauso wie ein Glas Wein. Wenn der Lebensstil ansonsten gesund ist, haben auch diese Dinge darin Platz.

Wie setzen Sie die Essensregeln bei Ihrem Sohn durch?
Es ist schwierig, mit Kindern alles durchzusetzen. Die Hauptregel für zu Hause lautet: alles selber machen. Auch den Kuchen. Nichts Verarbeitetes mit viel Zucker wie Müeslimischungen, Cerealien oder Nutella. Wenn wir auswärts Hamburger essen wollen, essen wir sie in einem guten Restaurant. Am Zürifest haben wir Crèpes mit Nutella gegessen. Mein Sohn soll verstehen, dass dies Ausnahmen sind und nichts Alltägliches. Es ist erst ein Problem, wenn man diese Dinge immer zu Hause hat und jeden Tag konsumiert.

Wie sieht ein perfekter Tag in Ihrem Leben aus?
Ich lebe kein perfektes Leben. Ich versuche, die Dinge zu tun, die ich einfach tun kann. Intermittierendes Fasten mache ich jeden Tag ganz natürlich. Ich geniesse ein frühes Nachtessen und esse natürlich nicht, wenn ich schlafe. Dann trinke ich am Morgen nach dem Aufstehen ein Glas Wasser, meditiere, habe dann vielleicht ein frühes Meeting und danach ein spätes Frühstück. So ist es ganz einfach, 14 Stunden nichts zu essen. Das geht auch mit Kindern. Ich sitze mit meinem Sohn am Tisch, wenn er frühstückt und trinke ein Glas Wasser. Wir reden zusammen und er fragt nie, weshalb ich nicht esse. Wichtig ist der gemeinsame Moment. Am Wochenende, wenn wir alle länger schlafen, essen wir zusammen Frühstück.

Wie kommen Sie zu genügend Bewegung?
Das ist meine grösste Herausforderung! Ein paarmal in der Woche besuche ich Yogaklassen, mache online Yoga oder gehe joggen. Um mich jeden Tag zu bewegen, habe ich einen Schrittzähler, der mir am Ende des Tages sagt, wie viele Schritte ich gemacht habe. Wenn mein Sohn im Bett ist, gehe ich raus auf einen Spaziergang. Oder ich halte ein telefonisches Meeting im Gehen ab. Wenn das Wetter schön ist, fahre ich mit dem Velo zur Arbeit. So versuche ich die Bewegungen in meinen Tag einzubauen.

Wozu braucht jemand, der einen derart vorbildlichen Lebensstil pflegt, die Produkte von AVEA?
AVEA bietet Nahrungsergänzungsmittel an, die in den Zellen wirken. NAD+ ist ein Coenzym, das in den Zellen aller lebenden Organismen vorkommt. Es spielt eine entscheidende Rolle bei der Aufrechterhaltung der Gesundheit, der DNA und der Regulierung der Zellfunktionen. Wenn wir älter werden, sinkt der NAD+-Level drastisch. Dieser Entwicklung können wir entgegenwirken. Bereits innert zwei Wochen bis drei Monaten nach Einnahme von AVEA fühlt man sich energiegeladener. Dabei fährt die Energie nicht wie ein Kick ein, sondern etabliert sich nachhaltig. Man steht am Morgen energetischer auf und bleibt den ganzen Tag auf einem hohen Level.

Sie haben Kollagen-Produkte für schönere Haut im Sortiment. Ist das nicht eher Kosmetik?
Unsere Produkte zielen darauf ab, dass man nach einem gelebten Leben gut aussieht und nicht jünger, als man ist. Der Collagen Activator unterstützt den Kollagenaufbau, was das Hautbild und die Nägel verbessert und somit zu einem jüngeren Aussehen verhelfen kann. Er wirkt jedoch auch gegen Entzündungen im Körper und somit gegen Schmerzen. Aus- serdem wirkt sich eine gute Collagenproduktion positiv auf die Knochen und Muskeln aus.

Wann sollte man idealerweise mit der Einnahme von AVEA-Produkten beginnen?
Jedes Alter ist geeignet. Mit 20 braucht man nur einen guten Lifestyle. Mit 30 spürt man, dass man nicht mehr 20 ist. Zu diesem Zeitpunkt lohnt es sich, mit einigen Produkten vorbeugend anzufangen und nicht zu warten, bis man ein Problem hat. Das durchschnittliche Alter unserer Kunden ist 45.

Wirken die Produkte von AVEA auch ohne positiven Lifestyle?
Ja, auf jeden Fall. Ich bin glücklich, wenn die Leute AVEA nehmen und noch glücklicher, wenn sie ihren Lifestyle ändern. Am glücklichsten bin ich jedoch, wenn die Leute beides machen.

Was passiert, wenn man die Produkte von AVEA nicht mehr einnimmt?
Dann wird sich der Effekt früher oder später einstellen. Man muss die Supplements immer nehmen, damit sie optimal wirken.

AVEA ist eine Erfolgsgeschichte. Wie lautet das Erfolgsrezept dazu?
Wir lesen viele wissenschaftliche Studien und beraten uns mit internationalen Experten aus dem Bereich Longevity. Wir recherchieren über Dosierung, Wirkstoffe und Synergien für die beste Wirkung der Inhaltsstoffe und lassen die Rohstoffe in einem unabhängigen Schweizer Labor testen, damit sie unseren strengen Qualitätsanforderungen entsprechen. Wenn wir ein Produkt entwickelt haben, rekrutieren wir Leute, die die Produkte für drei Monate testen und befragen sie danach. So können wir Nachbesserungen vornehmen. Bis jetzt hatten wir immer einen positiven Outcome.

Was sind ihre neusten Entwicklungen?
Momentan beschäftigen wir uns mit der Reinigung der Zellen durch Autophagie. Und wir entwickeln einen Link zwischen dem Mikrobiom und dem Hirn. Mehr kann ich dazu allerdings noch nicht sagen. ★


Sophie Chabloz
Die 34-Jährige ist in Neuchâtel geboren und hat ihre Schulzeit in Freiburg verbracht. Für ihr Studium übersiedelte sie nach Zürich, wo sie 2015 das Studium in Food Science, Nutrition & Health an der ETH Zürich mit dem Master abschloss. Sie lebt mit ihrem Partner und ihrem dreijährigen Sohn in Baar.


Mehr zu AVEA
AVEA wurde im Juli 2021 mit Hilfe des Investors Tobias Reichmuth und dessen Firma Maximon gegründet. Maximon befähigt Unternehmer und Unternehmerinnen, wirkungsvolle, wissenschaftlich fundierte und skalierbare Firmen aufzubauen, die Lösungen für gesundes Altern und Verjüngung anbieten. Neben der Gründerin Sophie Chabloz, verantwortlich für die Produktentwicklung, wurden die Mitgründer Pascal Rode als COO und Teresa Budetta als CMO an Bord geholt. Die Zahl der Mitarbeitenden ist bis heute auf 22 angewachsen. Die Expansion in den asiatischen Raum ist im Prozess.

Als CEO muss man zuerst den Boden richtig schrubben können

Posted by Ambra Spiller

Ntsiki Biyela hat mehrere Glasdecken durchbrochen: In Südafrika, wo bis heute weisse Männer die Weinwirtschaft dominieren, ist sie die erste schwarze Önologin und eine erfolgreiche Winzerin. Ihr Weinlabel Aslina exportiert sie nach Europa und in die USA.

Südafrikas Winzerinnen sind auf dem Vormarsch. Eine von ihnen ist Ntsiki Biyela, die einen bemer- kenswerten Weg hinter sich hat. Eigentlich wollte sie Chemietechnik studieren. Doch ein Stipendium für ein Weinbaustudium an der Universität von Stellenbosch, das von der Fluggesellschaft South African Airways ausgeschrieben worden war, änderte alles. Ntsiki Biyela gewann es, zog von Mahlabathini, einem Dorf in der südafrikanischen Provinz KwaZuluNatal nach Stellenbosch, und schloss das Studium mit dem Bachelor of Science der Landwirtschaft in der Fachrichtung Weinbau und Önologie ab. Das war vor zwanzig Jahren. Heute gehört sie zu den führenden Köpfen von Südafrikas florierender Weinindustrie.

Für eine junge Frau, die von ihrer Grossmutter aufgezogen wurde – ihre Mutter arbeitete als Haushalthilfe in Durban –, und zunächst ebenfalls in einem Haushalt arbeitete, die noch dazu parallel zum Studium die Sprache Afrikaans lernen musste, keine Selbstverständlichkeit. Heute produziert die 45-Jährige ihren eigenen Wein: Aslina – drei weisse, zwei rote und ein Schaumwein – wurde mehrfach mit Goldmedaillen ausgezeichnet und wird nach Europa, in die USA und nach Japan exportiert – auch in die Schweiz. Bis zu ihrem Studium hatte sie noch nie einen Tropfen Wein getrunken.

WOMEN IN BUSINESS: Erinnern Sie sich, wie es für Sie war, als Sie Ihren ersten Wein probiert haben?
Ntsiki Biyela: Oh ja. An der Stellenbosch University kostete ich erstmals von dieser roten Flüssigkeit, von der alle sagten, sie sei etwas Wunderbares. Aber ich fand Wein, entgegen allen Beteuerungen, am Anfang schrecklich. Wenn jemand von Pflaumen- oder Beerenaroma spricht, stelle ich mir etwas Süsses vor. Doch was ich trank, war alles andere als süss. Ich konnte nicht einmal erklären, wonach mein erster Schluck Rotwein schmeckte. Es war keine romantische Angelegenheit. Der Geschmack am Wein kommt eben erst mit der Zeit.

Heute sind Sie die erste schwarze Winzerin Südafrikas und wurden mit ihrem Wein mehrfach ausgezeichnet. Was waren die grössten Herausforderungen auf Ihrem Weg?
Zunächst hatte ich wirklich Angst, nach Stellenbosch zu kommen. Es war eine grosse Veränderung zu der Umgebung, aus der ich kam. Eine ganz andere Kultur. Auch die Sprache, Afrikaans, war ein Hindernis für mich. Ich erinnere mich an meinen ersten Tag, als ich feststellte, dass ausschliesslich Männer im Raum waren. Das hatte mich zunächst erschreckt. Aber ich konnte mich leicht anpassen, denn zu Hause, wo ich aufgewachsen bin, hatte ich mich um die Kühe gekümmert, und auch da war ich hauptsächlich mit Jungs zusammen.

Dann waren es eher Hindernisse im Kopf, die sich in Realität schnell auflösten?
Ich denke, die Erziehung hat einen sehr grossen Einfluss darauf, wie wir uns in der Welt verhalten. Mir hat es geholfen, dass ich mich jeweils frage: Was ist das Schlimmste, das jetzt passieren kann? Und dass ich alles, was sich auf den ersten Blick als Hindernis darstellt, positiv betrachte. Ich frage mich: Wie kann ich es ändern, wie kann ich es für mich arbeiten lassen. Und wenn ich an einen neuen Ort komme, schaue ich, dass ich wirklich auf die Menschen zugehe. Ich sorge dafür, dass ich gesehen werde, verstecke mich nicht, egal, wie einschüchternd die Situation ist.

Sie sind die erste in Ihrer Familie, die studieren konnte, und arbeiten in der Luxusindustrie. Inwiefern sind – auch in der Weinbranche – immer noch Einflüsse des Apartheid-Regi- mes zu spüren?

Natürlich haben sich die Dinge stark geändert, und sie entwickeln sich weiter. Was aber übrigbleibt, ist der Rassismus und die ungleiche Verteilung von Reichtum. Wie ich gesagt habe, der Geschmack am Wein kommt mit der Zeit. Das bedeutet auch, dass der Weingenuss kein Privileg der Weissen mehr ist. Aber eben erst seit 20 Jahren! Es ist verrückt, wenn man das bedenkt.

Wein wird heute also von allen Bevölkerungsteilen gleichermassen genossen.
Ja, bei jenen Menschen, die nicht in Armut leben, ist der Weingenuss in der Bevölkerung gleich verteilt. Jeder, der es sich leisten kann, geniesst das luxuriöse Getränk. Für mich selbst bedeutet Wein die Nähe zur Natur. Die Natur gehört uns allen. Sie ist grossartig, und wenn man bereit ist, zu lernen, beginnt man, die Feinheiten zu verstehen, etwa die Charaktereigenschaften der verschiedenen Traubensorten.

Sie hatten früh Erfolg, gewannen Medaillen. Warum haben Sie sich vor sieben Jahren entschlossen, Ihr eigenes Unternehmen zu gründen, anstatt angestellt zu bleiben?
Schon während ich studierte, wusste ich, dass ich irgendwann mein eigenes Unternehmen gründen würde. Und als ich zu Beginn in einer Weinverkostung arbeitete habe, entwickelte ich sofort eigene Unternehmensideen und dachte mir: Warte mal, in Durban könnte ich doch meinen eigenen Verkostungsraum eröffnen? Später konnte ich im Rahmen eines Praktikumsprogramms, welches das US-Aussenministerium für afrikanische Frauen organisierte, teilnehmen. Da traf ich auf Frauen aus verschiedensten afrikanischen Regionen, und auf einen Redner, der sagte: «Wenn Du Dein eigenes Unternehmen gründen willst, musst Du zuerst verstehen, warum Du das tun willst.» Ich realisierte, dass für mich die Motivation darin bestand, dass ich flexibel bleiben wollte, flexibler, als man es im Angestelltenstatus ist, um in meinem Dorf helfen zu können. Ich wollte Veränderung nicht nur in mein eigenes Leben, sondern auch in das meiner Umgebung bringen.

Wie meinen Sie das?

Ich dachte mir, wenn ich in der Stadt mein Geschäft aufbaue und dieses ein gewisses Niveau erreicht, dann kann ich dies nutzen, um meine Leute im Dorf zu unterstützen. Im Gegensatz zu Frauen in vielen anderen afrikanischen Ländern konnte ich mein Unternehmen unter meinem Namen registrieren lassen und bei einer Bank einen Kredit bekommen.

Für Ihr eigenes Weingut hatten Sie dennoch nicht genügend Geld. Wie startet man denn als Winzerin ohne Weingut?
Ich begann in einem gemieteten Raum auf einem Weingut ausserhalb von Stellenbosch, kaufte Trauben von verschiedenen Weingütern und vinifizierte sie. So mache ich es noch heute. Chardonnay-Trauben beziehe ich zum Beispiel von einem Weingut aus Stellenbosch und aus Elgin. Den Stellenbosch-Wein lagere ich in Edelstahl und den Elgin-Wein in Fässern. Denn Stellenbosch ist wärmer, so dass der Chardonnay von Natur aus reichhaltig ist. Elgin ist eher säurebetont und mineralisch. Mit ein wenig Holz wird die Säure etwas gemildert. Heute produziere ich 100 000 Flaschen und exportiere.

Sie haben Ihren Wein nach Ihrer Grossmutter Aslina benannt. Was bedeutet sie Ihnen?
Sie war mein grosses Vorbild. Sie war jemand, die etwas sehr Kleines in etwas Grosses, Blühendes verwandeln konnte. Mein Grossvater ist früh gestorben, so war sie die Matriarchin im Haus. Als ich mit meinen Geschwistern bei ihr lebte, hatte sie sehr wenig Geld, aber sie unterstützte uns Kinder in allem, und sie verstand, dass man das Wenige, das man hat, durch den Anbau von Pflanzen ergänzen muss, damit jeder zu essen hat. Sie lehrte uns Disziplin auf liebevolle Art.

Während Ihrer Ausbildung kamen Sie mit anderen Winzern in Frankreich, Italien und den USA in Kontakt, reisten viel zu berühmten Weingütern.
Ja, ich wollte wirklich herausfinden, wie sich die Weinbaugebiete und Produktionsprozesse unterscheiden. In Kalifornien traf ich viele Winzerinnen, testete ihre Weine, diskutierte über die Schwierigkeiten beim Produktionsprozess. Mit Helen Keplinger aus dem Napa Valley ging ich eine wunderbare Kollaboration ein. Sie kam zu mir nach Südafrika, und wir mischten unsere Weine.

Worauf sind Sie heute besonders stolz?

Wir haben soeben einen eigenen Verkostungsraum geöffnet. Das ist ein Meilenstein für uns. Aber ich denke, mein grösster Erfolg ist, dass ich ein Team habe, das mit mir meine Vision teilt und sie vorantreibt.

Sie arbeiten mit Menschen, mit der Natur, Sie betreiben ein Business, das auch Administration umfasst. Welche Arbeit ist Ihnen die Liebste?
Ich bin nicht gerade ein Fan von Verwaltung. Wer tut das schon gerne? Ich liebe die Seite der Weinherstellung, aber genauso die Verkostungen. Ich finde es interessant zu sehen, wie verschieden die Menschen auf meine Weine reagieren. Ich kann an ihrer Körpersprache erkennen, wenn sie nicht meinen, was sie sagen.

Wirklich?

Ja. Als meine Grossmutter zum ersten Mal einen Wein von mir kostete, merkte ich ihr an, dass sie stolz auf ihre Enkelin war. Als sie einen Schluck nahm und sagte, dass er gut schmeckt, konnte ich aber ihrem Gesichtsausdruck ablesen, dass sie ihn nicht wirklich mochte. Sie fühlte sich wahrscheinlich wie ich mich, als ich zum ersten Mal Wein probierte.

Das Hospitality- und Weinbusiness erfreut sich heute grosser Beliebtheit bei jungen Menschen. Was würden Sie jenen empfehlen, die da einsteigen wollen?
Was ich für mich erkannt habe, ist, dass man wirklich leidenschaftlich sein muss für das, was man tut. Denn wenn man nicht mit Leidenschaft dabei ist, ist man auch nicht in der Lage, jemandem zu vermitteln, was man tut. Emotionen spielen nun einmal eine wichtige Rolle. Aber Leidenschaft allein genügt nicht. Man muss auch sicherstellen, dass man sich über die Branche genau informiert, in die man einsteigen will. Manche Branchen sehen von aussen schick und glamourös aus, aber es steckt verdammt viel Arbeit dahinter. Es ist wichtig zu wissen, dass man hart arbeiten muss, wenn man etwas erreichen will. Es braucht auch Geduld und Arbeitswillen. Heute wollen viele Junge gleich CEO sein. Aber zuerst muss man den Boden richtig schrubben können. ★


NTSIKI BIYELA
ist Gründerin und Direktorin von Aslina Wines. Nach der High School arbeitete sie ein Jahr als Haushaltgehilfin und begann 1999 mit dem Agrikultur-Studium an der Stellen- bosch University. Nach Studienabschluss heuerte sie 2004 bei Stellekaya, einem Boutique-Weingut in Familienbesitz, an. 2009 wurde sie zum Winemaker of the Year ernannt. 2017 kam sie unter die Top 20 der innovativsten Frauen im Bereich «Essen und Trinken» des Magazins Fortune. Ihre Weine wurden mehrfach mit Goldmedaillen ausgezeichnet, sie werden u.a. in die Schweiz, die Niederlande, die USA und die Bermudas sowie nach Deutschland, Schweden, Japan, Ghana und Kenia exportiert. Sie sitzt im Vorstand der Pinotage Youth Development Academy, einer Organisation, die junge Arbeitslose zwischen 18 und 25 Jahren für die Wein- und Tourismusindustrie ausbildet.

Volle Transparenz

Posted by Ambra Spiller

Hannah Helmkes Mission: Mittels Digitalisierung gegen den Klimawandel kämpfen. Das von ihr mitgegründete Climate-Tech-Start-up right° hat eine Metrik entwickelt, die die Klimawirkung von Staaten, Anleihen, Aktien und Firmen auf der Basis des Pariser Klimaabkommens berechnet – in Grad Celsius. Dafür hat sie unter anderem den Digital Female Leader Award erhalten. Ein Interview darüber, was sie antreibt.

WOMEN IN BUSINESS: Sie engagieren sich beruflich für den Kampf gegen die Klimaerwärmung. Wie tragen Sie persönlich dazu bei, dass Ihr CO2-Fussabdruck möglichst klein ist?

Hannah Helmke: Eigentlich tue ich das Übliche: Ich benutze grünen Strom, ernähre mich vegetarisch oder vegan. Wenn ich Dinge kaufe, achte ich darauf, dass sie nachhaltig produziert und von hoher Qualität sind. Und mein bevorzugtes Verkehrsmittel ist die Bahn.

Das ist geradezu vorbildlich. Sie benutzen kein Auto mehr?
Doch, aber ein Elektrisches von BMW. Entscheidend bei der Wahl war für mich, dass das Unternehmen zumindest Klimaziele hat, die nach unseren Berechnungen 1.5°C-konform sind.

Das Thema Klima ist ja emotional sehr geladen. Was halten Sie von Klimaaktivisten, die sich auf die Strassen kleistern?
Ich halte dieses Verhalten für eine schwierige und ganz entscheidende Phase im Leben eines Menschen. Es ist gut, wenn wir wütend sind. Man muss dann aber aus der Wut herauskommen und seine Energie in etwas kanalisieren, das einem auch etwas zurückgibt – etwas schaffen. Sonst geht die Kraft ja einfach nur aus und man verliert das Interesse daran, Dinge verbessern zu wollen.

Mit Ihrem Climate–Tech–Unternehmen tun Sie genau das: Sie stellen Firmen Klima-Metriken bereit. Was ist das Besondere an Ihrem Service?
Wenn wir über Klimawirkung sprechen, heisst es ganz häufig: «Deutschland stösst X Tonnen CO2 aus, Unternehmen Y stösst Z Tonnen CO2 aus». Doch damit kann im Grunde niemand etwas anfangen. Kaum jemand weiss, ob das viel oder wenig ist, oder wie viel Tonnen CO2 denn ausgestossen werden dürfen, damit wir unsere Klimaziele erreichen. Bei right° gehen wir einen Schritt weiter: Wir haben eine Software entwickelt, die zeigt, wie viel Grad an Erderwärmung man erwarten muss, wenn sich die ganze Welt so verhalten würde, wie das untersuchte Unternehmen. Wenn jeder diese Kenngrösse – also °C – ver- steht, dann kann man anfangen Strategien zu entwickeln, um die Auswirkungen aufs Klima zu reduzieren.

Sie sind ursprünglich Psychologin. Was hat Psychologie mit dem Klimawandel zu tun?
Ich habe Psychologie studiert, weil ich Sportpsychologin werden wollte. Mich haben immer Menschen fasziniert, die ihr Ding gefunden haben; die alles und noch ein bisschen mehr geben und dem Rest der Welt zeigen, dass es geht. Was auch immer das ist. Am eindeutigsten ist das im Sport, wobei Höchstleistung im Kopf entsteht. Höchstleistung brauchen wir auch, um die Klimatransition hinzubekommen. Diese Herausforderung ist ein echter Stresstest für jeden einzelnen von uns als Menschen, für unsere Gesellschaft, für die Politik und die Wirtschaft. Ich geniesse es sehr, nun aus der Rolle eines Entrepreneurs heraus mit Menschen zu arbeiten, die die Höchstleistung erbringen wollen, ein System nicht nur anzuprangern, sondern es auch echt zu ändern.

Was stand bei der Themenwahl mehr im Vordergrund: Das drängende Problem? Oder ganz rational die Tatsache, eine gute Marktnische für einen Service, ein interessantes Produkt am Markt gefunden zu haben?
Eine Mischung: Zunächst kann ich mich an die Unerträglichkeit des Gefühls erinnern, als ich angefangen habe, das Problem Klimawandel zu verstehen. Warum baut man ein System auf, das eine Spur von Zerstörung, Krankheit und Frustration hinter sich herzieht? Eine passive Teilnahme an diesem Sys- tem bedeutet, seine eigene Würde zu verletzen. Man macht das einfach nicht – man zerstört diesen Planeten nicht. Ich kann das eigentlich nicht in Worte fassen, wie abstrus diese Unsin- nigkeit für mich ist.

Vom Psychologiestudium zum Climate-Tech-Unternehmen ist ein weiter Schritt. Wie gelang er Ihnen?
Ich komme aus einer Unternehmerfamilie, ich habe also gelernt zu machen und anzupacken. Natürlich habe ich überlegt, Aussteigerin zu werden, aber das wäre kein Ventil für diese Energie, die da entstanden ist und es wäre sicherlich kein Weg, Antworten auf meine Fragen zu finden. Warum also nicht ein Unternehmen bauen, das einem Raum für die eigene Lebensgestaltung gibt – und mir jeden Tag das Gefühl der Selbstwirksamkeit gibt? Dieses Gefühl ist Gold wert – im wahrsten Sinne des Wortes.

Spielt auch Idealismus eine Rolle?
Ich kann es nicht leiden, wenn man mich in die Ecke der Idealisten steckt. Für mich sind Idealisten viel zu viel mit sich selbst beschäftigt. Ich war auch mal idealistisch – durch die Phase muss man es aber durchschaffen hin zur intrinsischen Motivation. Idealismus führt nicht zu Veränderung und genau deshalb zur Radikalisierung. Wir haben einfach nicht mehr den Luxus zu debattieren, ob das aktuelle System hilfreich ist für das Lösen des Klimaproblems oder welche alternativen Systeme dafür besser geeignet wären. Wir müssen mit dem arbeiten, was wir im Hier und Jetzt haben, denn die Hütte brennt. Unternehmerischer Erfolg ist über viele Wege ein Hebel für die Steuerung des Verhaltens der Menschen: Status, Kapital, Faszination und Identität. Ich bin davon überzeugt, dass er so eingesetzt werden kann, dass sich die Menschen mit Ehrgeiz auf das Lösen der Klimakrise fokussieren.

Worauf gilt es generell zu achten, wenn man ein Start-up gründet?
Das Wichtigste ist Integrität, also sich selbst gegenüber immer treu und ehrlich zu bleiben. Jeder zerrt an einem und als Gründer rückt man auf den Radar von Menschen, die ihr Helfersyndrom oder ihren Machtanspruch an einem auslassen wollen. Vor allem als weibliche Gründerin. Man darf nicht zur Marionette werden für Menschen, die für ihren eigenen Selbstwert Anerkennung durch andere suchen. Ausserdem sollte man jeden Tag mehr Fragen stellen als Antworten geben. Eine Lern- und Entwicklungskultur für sich zu etablieren ist essenziell. Das geht gut durch einen Co-Gründer oder einen Co-Geschäftsführer, den man wertschätzt und dem man vertraut. Und nicht zuletzt sollte man mindestens einen Hund haben, weil man einfach einen wahren Freund für jede Lebenslage braucht. Für die meisten Menschen ist das, was man als Gründer erlebt, weit weg und das ist auch völlig in Ordnung. Die Konsequenz ist dann aber, dass man sich gegenseitig nicht dort abholen kann, wo man mit dem steht, was einen beschäftigt. Es klingt irrsinnig, ist aber wahr – Hunde können das, was mir im Umgang mit diesem Umstand sehr hilft.

Sie führen das Start-up zusammen mit Ihrem Partner, der auch Ihr Lebenspartner ist. Wie beeinflusst dies die Zusammenarbeit, und wie ergänzen Sie sich?
Ein gemeinsames Unternehmen beeinflusst eine Partnerschaft sehr. Eine gesunde Partnerschaft hat für mich viel damit zu tun, dass jeder Partner Raum hat, sich stets zu erweitern. Gemeinsam eine Firma zu führen, ist die ideale Bedingung dafür. Entsprechend hat die gemeinsame Führung eine sehr positive Wirkung auf unsere Partnerschaft. Sebastian hat einen Hintergrund als Rechtsanwalt in der Finanzwelt. Er kennt die eiserne Disziplin und die harte Leistungskultur aus der Grosskanzlei. Seine Fähigkeiten, eine unternehmerische Basis aufzubauen versteht sich sehr gut mit meinem Interesse, eine echte Lösung bereitzustellen. Aus diesen beiden Blickwinkeln schauen wir gemeinsam auf alle strategischen Entscheidungen. Die Komplementarität zwischen uns ist, glaube ich, das grösste Asset für die Firma.

Was sind denn Ihre persönlichen Stärken, die Sie für dieses Unternehmen mitbringen?
Ich glaube, ich kann gut mit Komplexität umgehen, sodass wir zu systematischen und ganzheitlichen Lösungen kommen. Ausserdem bin ich neugierig – ich lerne also schnell und viel alles Mögliche, was uns nach vorne bringt. Und es muss weit gehen, dass ich etwas persönlich nehme, was Sachlichkeit selbst in schwierige Situationen bringt.

Und was sind Ihre Schwächen?
Ich bin fürchterlich ungeduldig. Das kann sich auf unterschiedlichste Weise negativ auf Beziehungen auswirken. Ausserdem bin ich nicht so gut in Betriebswirtschaft, wie man das in meiner Rolle vielleicht sein sollte. Da braucht es dann wiederum etwas Geduld von meinem CFO-Kollegen.

Wie gehen Sie damit um, wenn Sie merken, dass Sie bei der Arbeit auch mal an ihre Grenzen stossen – sei es physisch oder intellektuell oder psychisch? Was tun Sie dann?
Wenn es die physische Grenze ist, weil der Körper zu lange in einem angespannten Zustand war, dann ziehe ich die Notbremse und finde irgendwie Schlaf. Wenn es die intellektuelle Grenze ist, dann muss ich eben jemanden fragen. Und wenn es psychisch ist, dann ziehe ich mich zurück, bin für mich und gebe mir bewusst Raum. Das kann beim Sport sein, wo ich einfach meinen Körper spüre; nachts in einer Bar bei Musik, die mich völlig einnimmt; mit mir selbst sprechend auf Spaziergängen mit meinen beiden Hunden oder bei einem der wenigen Menschen, in deren blosser Gesellschaft ich eine Per- spektive empfinde.

Als Unternehmerin erlebt man Ups und Downs. Was ist der bisher grösste Erfolg, auf den Sie besonders stolz sind?
Wir haben verschiedene Projekte erfolgreich abgeschlossen und eine tolle Resonanz in der Öffentlichkeit bekommen. Der grösste Erfolg aber ist wohl, dass Sebastian und ich trotz der wirklich gnadenlosen marktwirtschaftlichen Lage für junge Unternehmen immer noch die ganz deutliche Mehrheit an right° halten.

Was war das bis dahin Schwierigste?
Corona, der russische Angriffskrieg in der Ukraine, die Zinswende und die damit verbundenen anhaltenden Schwierigkeiten der Wirtschaft haben auch uns getroffen. Die multiple Krise erzeugte Unsicherheit und schob Projekte zur Ausarbeitung einer 1,5°C-konformen Klimastrategie auf der Prioritätenliste von vielen Unternehmen erst mal nach hinten. Wir haben uns deshalb einen Sparkurs verordnet und geschaut, wie wir unsere Ressourcen effizienter einsetzen. Dabei haben wir gemerkt, wie krisenunerfahren wir und unser Team sind. Wir fokussieren deshalb verstärkt darauf, unsere Entscheidungen und unsere Werte klar zu kommunizieren, damit für unsere Mitarbeiter die Erwartungen, die an sie gestellt werden, besser nachvollziehbar sind.

Wie laden Sie Ihre Batterien wieder auf?
Ich habe gelernt, im Moment zu leben, weil ich oft erlebt habe, dass im nächsten Moment einfach alles anders sein kann. Es gibt so unglaublich viele reiche Momente jeden Tag. Sie reichen locker, die Batterien auf mindestens Reservestatus zu halten.

Inwieweit gelingt es Ihnen, sich digital zu entkoppeln, wenn Sie Freizeit haben?
Ich habe kaum Freizeit, sodass ich wenig Gelegenheit habe, das zu üben. Entsprechend schlecht gelingt mir das leider.

Was würden Sie jungen Berufsfrauen raten, die sich jetzt gerade ins Berufsleben «stürzen»?
Dass sie alles erreichen können, solange sie in der richtigen Gesellschaft sind. Man muss höllisch aufpassen, wer um einen herum ist, denn man wird von jedem beeinflusst. Ob man will oder nicht. Manchmal ist man sich selbst die beste Gesellschaft – ertrage ich mich?

Wenn Sie sich nicht Climate Tech widmen würden, welche Thematik hätte Sie noch interessiert?
In irgendeiner Form etwas mit Tieren – Tierärztin, Polizeipferdetrainerin. Oder ich hätte eine Hundepension aufgemacht. Ich finde, Tieren gehört die Welt. Sie können nämlich mit ihr umgehen.

Was macht die private Hannah Helmke am liebsten?
Die private Hannah fotografiert sehr gerne, liebt es auf dem Rücken eines Pferdes zu sitzen, vom Tauchlehrer zu lernen, wie man sich mit den Meerestieren bewegt, einem Skilehrer eine Abfahrt hinterherzujagen und könnte Stunden in hochwertigen Inneneinrichtungshäusern verbringen.

Was tun Sie für Ihre persönliche Work-Life-Balance?
Ich habe dieses Wort bis heute nicht begriffen. Das ist aber auch egal. ★


ZUR PERSON
Hannah Helmke, 1988 in Rastatt in Baden-Württemberg geboren, gründete zusammen mit ihrem Partner Sebastian Müller das Softwareunternehmen right° und ist heute dessen Geschäftsführerin. Ihr Unternehmen hat eine Software entwickelt, die Firmen dabei unterstützt, die Klimastrategien an den Zielen des Pariser Klimaschutzabkommens auszurichten, also weniger als zwei Grad Erderwärmung anzustreben. Ihr Team besteht aus 20 Mitarbeitenden aus fünf Nationen, davon acht Frauen. Hannah Helmke studierte Psychologie und International Business, und war zunächst für einen IT-Dienstleister und die Deutsche Post DHL tätig, wo sie die Potenziale der Digitalisierung für die Erreichung von Nachhaltigkeitszielen erforschte.
2020 wurde sie mit dem Digital Female Leader Award in der Kategorie «Sustainability» ausgezeichnet, 2021 war sie Preisträgerin des AmCham Female Founders Award. Ihr Unternehmen wurde mit dem renommierten Next Economy Award ausgezeichnet. Sie lebt mit ihrem Partner und ihren beiden Hunden in Frankfurt am Main und Baden-Baden.

Übernehmen Sie Verantwortung

Posted by Ambra Spiller

Haben Sie öfter das Gefühl, dass alle etwas von Ihnen wollen und Sie wissen gar nicht, wie Sie all diesen Ansprüchen gerecht werden sollen? Oder beschleicht Sie manchmal ein diffuses Gefühl von Unzufriedenheit, obwohl Ihr Leben doch eigentlich perfekt scheint? Dann ist es Zeit, Innezuhalten und Ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen.

Selbstführung heisst hier die Zauberformel und ist nicht zu verwechseln mit Selbstmanagement, der effizienten Organisation von Aufgaben, Zeit und Ressourcen. Die Selbstführung geht viel tiefer und fokussiert sich auf die bewusste Steuerung und Entwicklung Ihrer eigenen Persönlichkeit, Werte und Ziele. Also die Verantwortung für Ihre Zufriedenheit zu übernehmen.

Selbstführung als Schlüssel zum Erfolg
In unserer schnelllebigen Welt stehen wir vor immer komplexeren Herausforderungen. Ob Führungskraft, Unternehmerin, Berufseinsteigerin oder Mutter, für uns alle ist es wichtig, bewusste Entscheidungen zu treffen, klare Ziele zu setzen und sich selbst zu führen. Warum? Die Fähigkeit zur Selbstführung hilft uns, einfacher durchs Leben zu navigieren und dabei mehr Leichtigkeit und Freude zu erfahren.

Allerdings ist die Kunst der Selbstführung kein einmaliger Prozess, sondern eine lebenslange Reise. Indem Sie die Kontrolle über Ihr Leben übernehmen und an Ihrer persönlichen Entwicklung arbeiten, können Sie nicht nur beruflichen Erfolg, sondern auch wahrhaftige Erfüllung finden.

Beginnen Sie mit den richtigen Fragen
Der erste und wichtigste Schritt ist die Selbstreflexion. Wir neigen dazu, uns stark auf das Äussere zu konzentrieren, doch wenn wir beginnen unsere Aufmerksamkeit nach innen zu richten – auf unsere Persönlichkeit und Fähigkeiten – können wir uns unseres Potenzials bewusstwerden.

Gönnen Sie sich etwas Ruhe und stellen Sie sich folgende Fragen:
Was sind meine wichtigsten Werte, die mich ausmachen und die ich vermitteln möchte?
Welche langfristigen und kurzfristigen Ziele und Ambitionen habe ich?
Wie definiere ich für mich Erfolg?
Welche Haltung, welche Einstellung möchte ich anderen gegenüber einnehmen?
Was ist mir in Beziehungen wichtig – sowohl im Privatleben wie auch im Beruf?

Je mehr Sie Ihr Denken und Handeln analysieren und hinterfragen, desto besser lernen Sie sich selbst kennen und desto authentischer werden Sie. Beginnen Sie noch heute Ihre Reise zur Selbstführung und sehen Sie, wie sich Ihre Welt verändert. Ihr Weg zum Erfolg beginnt in Ihnen selbst.

Mit unserem online Coaching-Programm Empower yourself! Dein Leben. Deine Verantwortung. unterstützen wir Sie gerne auf dieser Reise zu einem selbstbestimmten und erfüllteren Leben. Geben Sie im Feld Bemerkungen den Code WIB Promotion ein und Sie erhalten 25% Rabatt auf den Originalpreis.


CC Studio GmbH – Coaching & Consulting

Wir sind Caroline und Chantal Rampone. Coaching ist unsere Leidenschaft. Mehr Menschlichkeit und Lebensqualität in der Arbeitswelt zu fördern, ist unsere Mission. Wir unterstützen Sie dabei, mutig und neugierig neue Perspektiven zu entdecken und ihre Berufung zu finden. Dabei helfen wir Ihnen, Ihre Selbstwirksamkeit zu stärken und begleiten Sie in Ihrer persönlichen Entwicklung und Entfaltung für mehr Zufriedenheit im Alltag.

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Bisherige Gastkolumnen:

An der härtesten Regatta der Welt

Posted by Ambra Spiller

Justine Mettraux ist eine der besten Hochsee-Seglerinnen der Welt. Nächstes Jahr startet die 37-jährige Genferin bei der Nonstop-Regatta Vendée Globe. Allein.
Ein Gespräch über Herausforderungen und Risiken, die Vorteile von Mentaltraining und die Schönheit eines Delfinschwarms.

Effizient arbeiten, Risiken abschätzen, clevere taktische Entscheidungen fällen, sich auf schnell verändernde Situationen einstellen, dabei einen ruhigen Kopf bewahren und auch immer an die eigenen Grenzen gehen: Was wie ein Schnelllehrgang für Manager tönt, bewältigt Justine Mettraux regelmässig auf dem beengten Raum eines Segelschiffs. Und die- ser Situation stellt sie sich immer wieder unter erschwerten Bedingungen: im Wettkampf, auf hoher See, bei Wind und Wellengang. Die Tragweite der Fehlhandlungen, der sie ausgesetzt ist, fasst sie mit einem lapidaren Satz zusammen: «Falle ich ins Wasser, bin ich verloren.»

Jüngst segelte sie etwa im Rahmen des «14. Ocean Race» mit vier Männern an Bord in einer Rennjacht in 35 Tagen 20 500 Kilometer um das Kap Hoorn an der Südspitze Chiles. Das Rennen gilt als eine der härtesten Herausforderungen des Segelsports, und für Justine Mettraux war es die dritte Hoch- seeregatta – eine mythische dazu, von der sie sagt, sie hätte sich nie erträumt, dass sie jemals daran teilnehmen könnte, als sie mit dem Segeln begann. (Das US-Team, mit dem sie drei Etappen mitsegelte, gewann das Rennen.) Einem Journalisten gegenüber resümierte die Skipperin lachend, was es heisst, auf engstem Raum ohne Toilette und Dusche mit vier Männern unterwegs zu sein. «Ich gewöhnte mich schnell da- ran, dass ich keine Privatsphäre hatte.»
Nächstes Jahr steht ihr die Umsegelung der Welt an der Vendée Globe bevor. Physisch wird sie allein auf dem Schiff sein. Im Hintergrund aber steckt ein 10-köpfiges Team aus Technikern, IT- und Wetterspezialisten, mit dem sie zusammenarbeitet. Auch muss man gewieft im Umgang mit Sponsoren sein, denn der Kampf der Offshore-Segler um Budgets ist schwierig. Eine Wettkampfseglerin muss auch eine Unternehmerin sein. Eine selbstgenügsame dazu: Nimmt etwas Schaden, muss sie selbst reparieren, ohne von aussen Hilfe anzunehmen. Während des Segelns gibt es zwar keine Kommunikationsbeschränkungen, d.h. sie kann alle Probleme an Bord in Echtzeit mit ihrer Landcrew besprechen. Aber helfen muss sie sich am Ende selbst. Die Regatta sei, so Mettraux, die Erfüllung ihres Lebenstraums.

WOMEN IN BUSINESS: Sie sind kürzlich in einem Team mit vier Männern auf kleinstem Raum im Südpazifik gesegelt. Vergisst man da das ganze Gender-Thema?
Justine Mettraux: Ja, genauso ist es. Als plötzlich Frauen zugelassen und die Teams gemischt wurden, gab es Männer, die damit Mühe hatten. Doch heute fühlt sich das komplett normal an. Auf einem kleinen Schiff gibt es keine Intimsphäre, keine Toilette, keine Dusche. Du bist nur einen Meter voneinander entfernt, und ob Mann oder Frau, jeder hat dieselben Bedürfnisse. Man schaut einfach nicht hin!

Nächstes Jahr starten Sie zu Ihrer Weltumsegelung. Dabei kann ja alles Mögliche passieren, man ist den Wettergewalten ausgesetzt, das Schiff kann Schaden nehmen, man ist tage- und wochenlang allein. Wie bereitet man sich auf das Unvorhergesehene vor?
Man muss sich schwierige Situationen vorstellen können. Die grösste Herausforderung ist, dass Wettersysteme innerhalb von 24 Stunden mehrfach wechseln können, und zwar rasch. Man muss also schnell und flexibel reagieren können. Man muss dabei viel mentale Arbeit leisten, um schwierige Situationen bewältigen zu können.

Das gesamte Interview lesen Sie in der Ausgabe Oktober 2023. Bestellen Sie diese in unserem Shop.


Zur Person
Justine Mettraux wurde 1986 in Genf geboren. Dort, im «Centre d’entraînement à la régate» (CER), lernte sie das Segeln als Schülerin in ihrer Freizeit. Bereits im Alter von 16 Jahren nahm sie an der «Tour de France en voile» teil. Im Jahr 2011 fand sie im Informatikunternehmen TeamWork einen Sponsor, der es ihr ermöglichte, zu trainieren und an ihrem ersten Transatlantik-Rennen teilzunehmen. 2019 wurde Justine Mettraux bei den SUI Sailing Awards zur Schweizer Seglerin des Jahres gewählt. 2022/2023 segelte sie im legendären «Ocean Race» die beiden längsten Etappen des siegreichen 11th Hour Racing Team mit – mit dem amerikanischen Rennstall hat sie einen Teilzeitvertrag. 2022 erwarb Mettraux’ Sponsor das Segelboot Charal vom bekannten bretonischen Skipper Jérémie Beyou, um es Justine Mettraux anzuvertrauen. Mit dem Schiff, das nun auf TeamWork. net umgetauft wurde, wird sie nächstes Jahr an der Vendée Globe teilnehmen und die Welt im Alleingang umsegeln.

Wind und das Wasser spürt Justine Mettraux seit Kindesbeinen auf ihrer Haut. Dabei kamen ihre Eltern ursprünglich aus dem Freiburger Umland, der Vater war Bauernsohn. Als sie nach Genf in die Nähe des Sees zogen, wurde das Segelboot zum Mittel, um mehr im Freien zu sein. Ihr Vater wurde Amateursegelsportler, ihre Mutter Sporttaucherin, und mit ihren Eltern und ihren vier Geschwistern verbrachte sie jede freie Minute auf dem Segelschiff. Heute sind alle Geschwister Profisegler wie sie selbst. In Genf gibt es ein Regatta-Trainingszentrum, das von der Stadt unterstützt wird; jedes Kind kann für 150 Franken pro Jahr im Jahr viermal die Woche trainieren – und genau das tat Justine. In der Bretagne und in Hyères fand sie Geschmack am Hochsee-Segelsport, und mit 16 bestritt sie erste Rennen.

Bevor sich Mettraux mit Mitte zwanzig dazu entschied, sich ganz dem Segelsport zuzuwenden, machte sie das Primarlehrerdiplom an der Pädagogischen Hochschule in Lausanne und unterrichtete. Seit 2011 arbeitet die 37-Jährige mit ihrem Sponsor, TeamWork, einem IT-Unternehmen, zusammen. In den letzten Jahren hat sich die Welt des Segelsports sukzessive für die Frauen geöffnet. Heute ist Mettraux eine der ganz wenigen Schweizerinnen im Off-Shore-Segelsport. Als erste Schweizerin hat sie an den Hochsee-Segelrennen teilgenommen, wie der «Mini-Transat», der «Solitaire du Figaro» und der «Transat Jacques Vabre 9». 2019 wurde sie an den SUI Sailing Awards zur «Seglerin des Jahres» gekürt. Justine Mettraux setzt sich zudem für mehr Diversität im Segelsport ein und ist eine der Botschafterinnen des Magenta-Projekts, eines internationalen Sportnetzwerks von Profiseglern, das den Segelsport bei Mädchen fördert.

Erklärtes Ziel: Gendermedizin

Posted by Ambra Spiller

Mit dem neuen Lehrstuhl für Gendermedizin nimmt die Universität Zürich in der Schweiz
eine Pionierrolle ein. Massgeblich daran beteiligt: Prof. Dr. Beatrice Beck Schimmer, Direktorin Universitäre Medizin. Ein Gespräch über Geschlechtsunterschiede.

Im Jahr 1865 erteilte die Universität Zürich als erste Hochschule im deutschen Sprachraum Frauen die Zulassung zum Studium. Die Russin Nadeschda Prokofjewna Suslowa promovierte als erste Frau an der medizinischen Fakultät und meinte seinerzeit: «Ich bin die Erste, aber nicht die Letzte. Nach mir werden Tausende kommen.» Sieben Jahre später absolvierte schliesslich die erste Schweizerin, Marie Heim-Vögtlin, ihr medizinisches Staatsexamen, um später als Gynäkologin tätig zu sein.
Auch Beatrice Beck Schimmer liebäugelte bereits in jungen Jahren mit einem Medizinstudium, da sie sich für die Biologie des Menschen und für das Zusammenspiel der Organsysteme interessierte. Entschieden wie sie war, folgte sie ihrer inneren Stimme und schrieb sich an der Universität Bern ein. Nach erfolgreicher Beendigung ihres Studiums sei sie jedoch auch mit Vorurteilen gegenüber weiblichem Fachpersonal konfrontiert worden, sagt sie rückblickend: «Als ich als Notärztin einen Patienten behandelte, erkundigte sich dieser nach einem Arzt. Das habe ich aber weggesteckt.» Weitaus schwierigere Erfahrungen sammelte Beatrice Beck Schimmer als Assistenzärztin, in einer Zeit, als sie rund um die Uhr arbeitete und zunehmend der Wunsch nach einer gesunden Work-Life-Balance aufkam. Ihr Chef setzte eine Verbesserung der Situation in Aussicht, doch nichts geschah. «Das führte dazu, dass ich ein Angebot des Zürcher Univer- sitätsspitals annahm und einen Neuanfang als Anästhesistin wagte. Mein Vorgesetzter goutierte meine Kündigung keineswegs, sprang sogleich vom Stuhl auf und entgegnete: ‹Das ist das letzte Mal, dass ich eine Frau angestellt habe.› Einige Zeit später berücksichtigte er erneut Medizinerinnen, doch dieses Erlebnis setzte mir längere Zeit zu.»

Women in Business: Sie sind als Direktorin Universitäre Medizin an der Universität Zürich tätig. Wie erleben Sie heute die Stellung der Frau im Rahmen Ihrer Fakultät?
Beatrice Beck Schimmer: Seit 2005 schliessen mehr Frauen als Männer das Medizinstudium ab. Letztes Jahr lag der weibliche Anteil gar bei 61,1 Prozent. Im kommenden Herbst werden rund 430 Studierende erwartet. Die Universität Zürich ist gefordert, nicht nur Ärztinnen und Ärzte auszubilden, sondern auch mehr Professorinnen zu berufen. In den oberen Hierarchien sind die- se nach wie vor untervertreten. Ich persönlich befürworte, dass wir Frauen nicht für eine Männerwelt «zurechtgetrimmt» wer- den, sondern einen Kulturwandel herbeiführen.

Wie muss man sich einen solchen Entwicklungsprozess vorstellen?
Kurz nach meinem Stellenantritt habe ich das Projekt «Re-De- sign-Berufungen» ins Leben gerufen, unter anderem mit dem Ziel, den Anteil der Professorinnen zu erhöhen. In einem ersten Schritt sollte die Klinikstruktur des jeweiligen universitären Spitals diskutiert und angepasst werden. So können beispielswiese grosse Einheiten in drei oder vier fachspezifische Gruppen unterteilt werden, was dazu führt, dass nicht lediglich eine Person für rund 60 Medizinerinnen und Mediziner zuständig ist. Die Reduktion der Führungsspanne führt zu flacheren Hierarchien. Neu führt das Dreier- oder Vierer-Gremium die Klinik, wobei eine Person für eine bestimmte Dauer den Vorsitz übernimmt. In zwei Pilotprojekten im Bereich Anästhesiologie und Viszeral- sowie Transplantationschirurgie werden die Strukturanpassungen inklusive Definition neuer Führungsrollen umgesetzt.

Trauen sich Frauen Führungsaufgaben weniger zu?
Ich denke nicht. Institutionen müssen jedoch ein attraktives Umfeld schaffen, das auch Frauen motiviert und unterstützt, Führungsaufgaben wahrzunehmen. An der Medizinischen Fakultät steht das Direktorium in engem Austausch mit der vor zwei Jahren gegründeten Chancengleichheitskommission. Diese hat verschiedene Massnahmen zur Schaffung einer positiven Ambiance erarbeitet, indem unter anderem biologische und soziale Komponenten von Geschlecht in Lehre und Forschung einbezogen werden. Professorinnen dienen zudem als Vorbilder für die jüngere weibliche Generation. Ich selbst bin regelmässig als Mentorin tätig und begleite dabei eine Nachwuchskraft auf ihrem akademischen und beruflichen Weg. Derzeit sind drei Frauen in der Universitätsleitung vertreten. Dadurch widerspiegeln wir nicht nur die Geschlechterverhältnisse, sondern motivieren auch andere, unserem Beispiel zu folgen.

Wo besteht noch Verbesserungspotential in Bezug auf leitende Funktionen?
Die geschlechtsspezifischen Vorurteile müssen beseitigt werden ebenso wie Stereotypen. Das Ziel besteht darin, eine unterstützende und inklusive Arbeitsumgebung zu schaffen. Aussagen von Berufskollegen wie: «Ich möchte dir helfen» dürften in diesem Zusammenhang nicht förderlich sein, da sie nur starre Vorstellungen im Zusammenhang mit Frauen bedienen. Umso wichtiger ist eine offene und respektvolle Kommunikation. Es wäre ausserdem wünschenswert, wenn Männer in höheren Positionen mehr auf die weiblichen Anliegen eingehen würden. Hiermit spreche ich gewisse Machtspiele und intransparentes Verhalten an, das einer konstruktiven Zusammenarbeit oft im Wege steht.

Nebst dem Beruf kommen meist noch familiäre Verpflichtungen hinzu. Wie ist es Ihnen als zweifache Mutter gelungen, Vollzeit zu arbeiten?
Ein tragendes Netz von externen Mitgliedern und Familie sowie eine solide Partnerschaft stellen einen erheblichen Vorteil dar, was bei mir der Fall war. Auch bekam ich die Möglichkeit, in der Klink ein Teilzeitpensum auszuüben, um meine Forschungsarbeit vorantreiben zu können. Das hat mich wiederum motiviert, das Laufbahnförderprogramm «Filling the Gap» mit einer finanziellen Unterstützung von nahezu einer Million Franken pro Jahr auf die Beine zu stellen, mit dem Bestreben, insbesondere Frauen im Rahmen von geschützter Forschungszeit zu unterstützen. Inzwischen bieten die Hochschulen und universitären Spitäler viele unterstützende Instrumente an, die junge Medizinerinnen nützen sollten. Das kann von einer Beratung in der Abteilung Gleichstellung bis hin zur Bewerbung eines Laufbahnförderprogramms reichen. Auch ist es ratsam, private und berufliche Kontakte zu pflegen. Nicht selten trifft man dabei auf Gleichgesinnte. Und, sich Zeit für sich selbst zu nehmen.

Sie haben in den USA in einem Grundlagenlabor gearbeitet, bauten später eine Forschungsgruppe auf und waren als Forschungsrätin beim Schweizerischen Nationalfonds tätig, bis Sie schliesslich zur Direktorin Universitäre Medizin ernannt wurden. Sind Sie bewusst auf eine leitende Funktion zugesteuert?
Eigentlich nicht. Vielmehr hat man mich angefragt, ob ich mich für besagten Posten bewerben möchte. Allerdings handelte es sich um eine reifliche Überlegung. Es war eine schwierige Diskussion, die ich mit mir selbst und meiner Familie geführt habe, denn ich war eigentlich sehr zufrieden mit meiner Forschungstätigkeit und jener als Leitende Ärztin. Letztendlich packte ich die Herausforderung an, zumal ich gerne strategisch agiere. Übrigens habe ich mich bereits als Prodekanin für Chancengleichheit eingesetzt, und da spielt auch die Gendermedizin als Teil der Präzisionsmedizin eine wichtige Rolle.

Die Universität Zürich führt als erste Hochschule der Schweiz einen Lehrstuhl für Gendermedizin ein. Die Schweiz hinkt im internationalen Vergleich allerdings hinterher.
Die USA und Kanada beschäftigen sich schon längere Zeit mit geschlechtergerechten Forschungsprogrammen und sind deshalb bereits weit fortgeschritten. Auch Länder wie Österreich und Deutschland schreiten stetig voran. Umso wichtiger ist es, dass die Schweiz den Anschluss nicht verliert. Die personalisierte Medizin beschäftigt Universitäten und Universitäts- spitäler seit einigen Jahren mit dem damit verbundenen Ziel, Patientinnen und Patienten eine präzise Diagnostik, passende Therapien und dadurch eine verbesserte Lebensqualität anbieten zu können. Im kommenden Jahr werden wir den neuen Lehrstuhl für Gendermedizin einberufen, um Geschlechterunterschiede zu erforschen und in Lehre und Praxis einzubringen. Es handelt sich um eine Vision für den Medizinstandort Zürich bestehend aus einem grossen Netzwerk, zu welchem die vier universitären Spitäler Balgrist, das Kinderspital, das Universitätsspital sowie die Psychiatrische Universitätsklinik gehören. Allzu lange ist übersehen worden, dass sich Frauen von Männern unterscheiden und bei bestimmten Krankheiten andere Symptome aufweisen sowie eine andere Medikamentendosierung benötigen.

Frauen haben bei gleichen Diagnosen weniger gute Chancen, intensivmedizinisch betreut zu werden als Männer. Woran liegt das?
In der Schweiz werden geschlechtsspezifische Aspekte in klinischen Studien und der Grundlagenforschung bisher weitgehend vernachlässigt. Die wenigen vorhandenen Erkenntnis- se baut man kaum in die klinische Routine ein, obwohl eine wachsende Anzahl von Studien belegt, dass ein geschlechtsneutrales Universalkonzept in der Erforschung und Behandlung von Krankheiten nicht sinnvoll ist. Fazit: Eine fehlende Geschlechterperspektive in der Forschung führt zur Abkopplung von wissenschaftlichem Fortschritt. In der Klinik besteht insbesondere die Gefahr von verfehlten Diagnosen und Behandlungen. Und die Versorgung verteuert sich unnötig, wenn sie sich nicht spezifisch an ihre Zielgruppen wendet.

Wurden auch kritische Stimmen in Bezug auf den neuen Lehrstuhl laut?
Die noch wenigen Erkenntnisse im Bereich der Gendermedizin sind noch lange nicht in allen Fachbereichen vorhanden. Allerdings stehen nicht alle Medizinerinnen und Mediziner Veränderungen positiv gegenüber.

Gibt es weitere Hürden zu meistern?
Am Medizinstandort Zürich ist es wichtig, dass die gendermedizinischen Aspekte in die Versorgung einfliessen. Das Universitätsspital Zürich plant deshalb, ein interdisziplinäres Frauengesundheits-Center «Women’s Health Center» aufzubauen. Gerade im ambulanten Bereich des Universitätsspitals ist die räumliche Nähe der verschiedenen Fachdisziplinen gegeben, so dass diese miteinander agieren können. Ziel ist es, ein Kompetenzzentrum für die optimale Versorgung von Frauen mit überregionaler und internationaler Ausstrahlung zu etablieren. Renommierte Fachvertreterinnen und -vertreter erweitern ihre vorhandene disziplinäre Kompetenz durch die Genderaspekte zum Wohl der Patientinnen und Patienten.

Eine möglichst präzise Diagnostik soll im Zentrum stehen. Wie kann die Forschung vorangetrieben werden?
Der Ausbau der Präzisionsmedizin am Standort Zürich ist mein erklärtes Ziel. Zurzeit entsteht eine Biomedizin-Informatik-Plattform, die eine zeitgemässe Datensicherung, Datenmanagement sowie Datenaustausch zwischen Forschenden ermöglichen soll. Nur so wird es denkbar sein, mehrere hundert bis hin zu Millionen Parameter gleichzeitig abzurufen und zu analysieren. Dabei spielt das Geschlecht ebenso eine wichtige Rolle wie die Blutgruppe, das Gewicht und andere Gesundheitsdaten.

Können Sie ein Beispiel nennen?
Bisher laufen Forschungsprojekte, die Genderaspekte berücksichtigen unter fachspezifischen Schwerpunkten wie zum Beispiel die koronare Herzkrankheit, Autoimmunerkrankungen oder Covid-19. Klinische Studien sind bislang meist nicht auf entsprechende Differenzierungen ausgelegt. Geschlechterunterschiede in der Fallsterblichkeit nach Herzinfarkt, nach Bypass- operationen oder nach kardiovaskulären Eingriffen, die altersabhängig bei Frauen häufiger auftreten als bei Männern, wurden nur in retrospektiven Analysen gefunden. Aber auch zu Geschlechterunterschieden bei Nierenerkrankungen, beim plötzlichen Herztod, bei Depressionen und Osteoporose fehlen oft systematische Studien.

Weshalb hat man sich bislang nur auf den männlichen Prototyp fokussiert?
Der Mann kennt keinen hormonellen Zyklus wie die Frau. Bei weiblichen klinischen Studienteilnehmerinnen muss dieser mitberücksichtigt werden. Dadurch wird die Forschung auf- wändiger und teurer. Die Schweiz strebt Gleichstellung und Gleichberechtigung an – auch in der biomedizinischen Forschung und in der Medizin. Deshalb ist das Bewusstsein für die geschlechtsspezifische Information gerade bei der datengetriebenen Medizin essenziell. Sonst wird in der Präzisionsmedizin der männliche Prototyp weitergeführt.

Inwiefern erhalten Sie diesbezüglich Unterstützung von der Wirtschaft?
Sowohl Forschungsinstitutionen als auch Hochschulen greifen uns unter die Arme. Im Bereich Wirtschaft wäre es sinnvoll, mit Firmen zusammenarbeiten zu können, welche Produkte im Zusammenhang mit der Frauenmedizin vertreiben. In der Schweiz existieren bereits solche Unternehmen. In einem übergeordneten Sinn wäre es im Bereich der Diversität wichtig, mehr weibliche Entrepreneure zu haben.

Welche Rolle spielen künftig genetische Analysen und künstliche Intelligenz in Bezug auf die Gendermedizin?
Die bisherige Ignoranz gegenüber den Einflüssen des biologischen Geschlechts in Diagnose, Therapie und Prävention darf nicht wie bis anhin weiterschreiten. Wir müssen erreichen, dass in der Forschung das geschlechtsspezifische Medizinwissen gefördert wird, so dass die künstliche Intelligenz nicht einen Prototypen Mensch kennt, sondern biologische weibliche und männliche Unterschiede genügend mitberücksichtigt. ★


ZUR PERSON
Beatrice Beck Schimmer, 60, studierte Humanmedizin an der Universität Bern und habilitierte im Jahr 2003 an der Universität Zürich. Von 2005 bis 2018 arbeitete sie als leitende Ärztin am Universitätsspital Zürich und ab 2009 zusätzlich als ordentliche Professorin für Anästhesiologie
im Bereich Grundlagenforschung und klinische Forschung. Von 2012 bis 2018 war sie Mitglied des nationalen Forschungsrats des Schweizerischen Nationalfonds. Seit 2011 setzt sie sich aktiv für die weibliche Nachwuchsförderung ein. 2018 wurde Beatrice Beck Schimmer zur Direktorin Universitäre Medizin an der Universität Zürich berufen, und übt diese Funktion als erste Frau aus. Sie ist verheiratet und Mutter zweier Söhne.

«Bei EY bin ich umgeben von inspirierenden Menschen»

Posted by Ambra Spiller

Jenny Mathias ist seit 3 Jahren Partnerin im Audit bei EY in der Schweiz und frischgebackene Chief Talent Officer (CTO). Mit der Ernennung zur CTO darf sie nun ihren Traumjob leben.

Die gebürtige Amerikanerin Jenny Mathias hat über 16 Jahre Erfahrung im Bereich Audit und startete ihre Karriere bei EY in Chicago, bevor sie 2013 intern zu EY Schweiz transferierte. Seit ihrem Praktikumseintritt bei EY konnte sie viele spannende Mandate betreuen und mit Unternehmen aus verschiedenen Branchen und unterschiedlicher Grösse zusammenarbeiten. 2020 wurde sie zur Partnerin von EY ernannt. «Die Menschen zusammen mit den spannenden Klienten bei EY sind für meine Arbeit die Basis und motivieren und inspirieren mich», sagt Mathias und fügt hinzu: «Neben dem inspirierenden Umfeld waren die aussergewöhnlichen Karriereerfahrungen bei EY die Gründe, die mich dazu bewogen haben, mich auf die Stelle als CTO zu bewerben.»

Mathias startet in ihre neue Rolle mit einem reichgefüllten Rucksack. So hat sie in ihrer früheren Funktion als Talent Leaderin des Bereichs «Assurance» bereits Talentthemen vorangetrieben. Dabei war es ihr besonders wichtig, die unterschiedlichen EY-Büros in der Schweiz zu besuchen und mit den Mitarbeitenden direkt in Kontakt zu treten. Sie erklärt: «Ich bin der festen Überzeugung, dass es nur möglich ist, Talente zu gewinnen, zu entwickeln und zu fördern, wenn ich mir die Zeit nehme, unsere Mitarbeitenden zu verstehen und dazu muss ich sie kennenlernen.» Sie sieht dies als integralen Bestandteil einer erfolgreichen Talentstrategie und möchte dies auch in ihrer neuen Rolle als CTO weiterführen.

Ihr Ziel als neue CTO ist es, die Werte «Karriereerfahrung, Gesamtvergütung und Wohlbefinden» für die EY-Mitarbeitenden überzeugend und relevant vorzuleben, wobei die Flexibilität in Zukunft der wichtigste Eckpfeiler sein wird. Eine Karriere in einem professionellen Dienstleistungsunternehmen ist manchmal herausfordernd, da nicht jeder Tag planbar ist. Es können immer unvorhersehbare Themen bei den Kunden oder Mitarbeitenden auftauchen und Zeitdruck auslösen. Als Mutter von zwei kleinen Kindern, ist es für Mathias zentral, dass sie alle Dinge, die ihr wichtig sind, im Alltag integriert – dabei helfen ihr eine gute Organisation, ein sich gegenseitig unterstützendes Team sowie der Rückhalt ihres Ehemannes. Der Wunsch nach mehr Flexibilität sei aber kein «Frauenthema», auch wenn er lange Zeit insbesondere mit Müttern in Verbindung gebracht wurde. Heute stellen alle Personen zunehmend den Anspruch nach Flexibilität und dem möchte Mathias in ihrer Rolle als CTO Rechnung tragen und sich darauf fokussieren. Dadurch kann sie sowohl im beruflichen als auch im privaten Leben wachsen, sich weiterentwickeln und so beide Bereiche voranbringen. Energie schöpft Mathias bei ihrer Familie. Sie ist für Mathias Hauptinspirationsquelle und grösste Unterstützerin: «Meine Kinder erinnern mich ständig daran, dass ich immer ein Vorbild für sie bin. Diese Haltung versuche ich auch bewusst im Arbeitsleben zu bewahren», erläutert Mathias.

«Reisen zu verschiedenen Kulturen und der Teamsport Fussball haben mich geprägt. Ich bin deshalb gerne von Menschen umgeben, die unterschiedliche Hintergründe haben und in alle Richtungen denken können», erklärt Mathias und gibt einen Rat an Berufseinsteiger: «Sei neugierig, lasse dich auf Veränderungen ein und höre nie auf zu lernen. So kann eine aussergewöhnliche Karriereerfahrung bei EY gelingen – du hast es selbst in der Hand!»

Interessiert, mehr über Jobs bei EY zu erfahren? Dann besuche unsere Webseite: https://www.ey.com/en_ch/careers oder schreib uns: recruitment.switzerland@ey.com


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So finden Sie Ihre Berufung

Posted by Ambra Spiller
Die jüngsten Ereignisse auf dem Schweizer Finanzplatz haben viele Menschen erneut dazu veranlasst, sich und ihre berufliche Situation zu hinterfragen. Sie vielleicht auch?

Einschneidende Ereignisse zwingen uns manchmal dazu, den Status quo zu analysieren und uns zu fragen, was wir wirklich wollen. Veränderungen, so schmerzhaft sie auch sein können, sind immer auch eine Chance für einen Neuanfang.

In der letzten Ausgabe haben wir darüber geschrieben, wie wichtig es ist, den eigenen Kompass immer wieder neu auszurichten. Sich seinen privaten und beruflichen Zielen bewusst zu sein und das Leben Schritt für Schritt danach auszurichten. Oft ist es jedoch nicht so einfach zu wissen, wohin wir gehen sollen, was unsere Berufung sein könnte.

Aristoteles sagte einst: «Wo die Bedürfnisse der Welt mit deinen Talenten zusammentreffen, dort liegt deine Berufung.» Wir finden, dass diese Aussage es ziemlich gut trifft.

Im Karrierecoaching stellen wir uns die Fragen: Was kann ich? Was will ich? Und was braucht die Welt, respektive der Arbeitsmarkt? Diese Fragen sind oft nicht so einfach zu beantworten.

Was kann ich?
Ein Teil unserer Stärken ist uns oft gar nicht so bewusst. Wir fokussieren uns meist auf unsere berufliche Kompetenz, um herauszufinden, was wir gut können. Dabei setzen wir viele unserer individuellen Fähigkeiten eher im Privatleben ein.

Sie könnten zum Beispiel darauf achten, mit welchen Anliegen Freunde und Bekannte auf Sie zukommen. Überlegen Sie sich zudem, wann Sie besonders kreativ oder belastbar sind. Wofür werden Sie immer wieder gelobt? Was tun Sie gerne, was können Sie besonders gut, weil es Ihnen leicht fällt?

Was will ich?
Um diese Frage zu beantworten, ist es spannend, sich auszumalen, was Sie tun würden, wenn Geld keine Rolle spielen würde. Wenn für Ihren Lebensstandard gesorgt wäre, ohne dass Sie ein Einkommen erzielen müssen. Überlegen Sie sich auch, wann Sie sich glücklich fühlen und alles um sich herum vergessen.

Was braucht die Welt?
Bei der letzten Frage, nämlich was die Welt, respektive der Arbeitsmarkt braucht, geht es darum sich zu überlegen, in welchem Bereich oder in welcher Tätigkeit die eigenen Stärken und Wünsche am besten entfaltet werden können. Dabei lohnt es sich, ein bisschen Recherche zu betreiben und über den eigenen Horizont hinauszuschauen. Welche neuen Möglichkeiten gibt es, um Ihr Potenzial bestmöglich zu nutzen?

Seien Sie neugierig und grosszügig zu sich selbst, wenn Sie sich diese Fragen stellen. Trauen Sie sich, Ihre kühnsten Gedanken aufzugreifen und alles aufzuschreiben, was Ihnen einfällt. Freies Phantasieren und Träumen, kann uns Einblicke in verborgene Wünsche geben. Haben Sie keine Sorge, dass Sie abheben. Ihr Verstand wird Sie automatisch wieder auf den Boden der Realität zurückbringen.

Wenn Sie sich diese Fragen lieber in einer geschützten Umgebung stellen und professionell dabei begleitet werden möchten, dann sind unsere Angebote Neuorientierung und KarriereCoaching eine gute Wahl.


CC Studio GmbH – Coaching & Consulting

Wir sind Caroline und Chantal Rampone. Coaching ist unsere Leidenschaft. Mehr Menschlichkeit und Lebensqualität in der Arbeitswelt zu fördern, ist unsere Mission. Wir unterstützen Sie dabei, mutig und neugierig neue Perspektiven zu entdecken und Ihre Berufung zu finden. Dabei helfen wir Ihnen, Ihre Selbstwirksamkeit zu stärken und begleiten Sie in Ihrer persönlichen Entwicklung und Entfaltung für mehr Zufriedenheit im Alltag.

www.ccstudio.ch

Bisherige Gastkolumnen:

Langeweile macht kreativ

Posted by Ambra Spiller

Der Sommer neigt sich langsam dem Ende und damit bleibt oft nur die Erinnerung an das süsse Nichtstun während der letzten Ferien. Im Alltag erlauben wir uns solche Momente viel zu selten. Schade eigentlich, weil darin der Schlüssel zur Entfaltung unserer Kreativität liegt.

Sich zu langweilen wird in unserer Gesellschaft oft negativ betrachtet. Die meisten Menschen fürchten sich vor diesem Zustand oder haben ein schlechtes Gewissen, wenn Sie einmal nichts tun. Wir versuchen Langeweile zu vermeiden, indem wir unsere Zeit mit endlosen Ablenkungen und Aktivitäten füllen. Doch neuste Forschungen zeigen, dass Nichtstun eine erstaunliche Quelle für Kreativität und Innovation sein kann.

Der Default Mode als Quelle für Kreativität

Langeweile führt dazu, dass unser Gehirn in den «Default Mode» wechselt, in welchem wir abschalten und vor uns hinträumen. Ein Zustand, den wir oft mit Sinnlosigkeit und Zeitverschwendung verbinden. Doch die Wissenschaft zeigt, dass gerade in diesen Momenten, in denen unser Geist scheinbar ziellos umherwandert, tatsächlich etwas Grossartiges passiert. Wenn wir uns langweilen, haben wir die Gelegenheit uns von der Hektik des Alltags zu distanzieren und in unsere eigenen Gedankenwelten einzutauchen. In diesem Zustand beginnt unser Gehirn, verknüpfende und abstrakte Muster zu suchen, Informationen aus verschiedenen Bereichen zu kombinieren, die sonst scheinbar nicht zusammenpassen würden. Diese Verbindungen sind oft der Ausgangspunkt für kreative Durchbrüche.

Gönnen Sie Ihrem Gehirn eine Pause

Statt dem stetigen Verlangen nach externem Input – zum Beispiel in Form von sozialen Medien – nachzugeben, sollten wir uns bewusst mehr Raum zum mentalen Abschalten gönnen. Sehen Sie dies als wertvolle Gelegenheit zur Regeneration und zur Entfaltung Ihrer Kreativität. Das ist leichter gesagt als getan – diese drei Schritte können dabei helfen.

Bewusste Pausen: Planen Sie Phasen der Langweile in Ihren Alltag ein. Lassen Sie Ihren Geist wandern und beobachten Sie, wohin Ihre Gedanken Sie führen. Dies kann sogar während alltäglicher Tätigkeiten wie Wäsche zusammenlegen praktiziert werden.

Digitale Entgiftung: Reduzieren Sie die ständige Ablenkung durch digitale Medien. Gönnen Sie sich regelmässig Offline-Zeiten, in denen Sie bewusst auf Bildschirme verzichten und sich der Langweile hingeben.

Kreative Rituale: Schaffen Sie bewusste Momente der Entspannung. Ein Spaziergang in der Natur, Zeichnen, Musizieren, Stricken, Töpfern oder schreiben Sie über Ihre Gedanken, Ideen und Beobachtungen.

In einer Zeit, in der Innovation und Kreativität immer wichtiger werden, sollten wir die Kraft des «Default Mode» nicht unterschätzen. Indem wir die Langweile willkommen heissen, öffnen wir die Tür zu neuen Denkansätzen, Ideen und Lösungen. Lassen Sie beim nächsten Mal, wenn Sie in einer Warteschlange stehen, doch einfach mal das Telefon in der Tasche und beobachten Sie Ihre eigenen Gedanken.


 

CC Studio GmbH – Coaching & Consulting

Wir sind Caroline und Chantal Rampone. Coaching ist unsere Leidenschaft. Mehr Menschlichkeit und Lebensqualität in der Arbeitswelt zu fördern, ist unsere Mission. Wir unterstützen Sie dabei, mutig und neugierig neue Perspektiven zu entdecken und ihre Berufung zu finden. Dabei helfen wir Ihnen, Ihre Selbstwirksamkeit zu stärken und begleiten Sie in Ihrer persönlichen Entwicklung und Entfaltung für mehr Zufriedenheit im Alltag.

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Brückenbauerin zwischen Ost und West

Posted by Ambra Spiller

Natalie Amiri ist auf einer Mission: Die Iran- und Nahostexpertin, preisgekrönte Journalistin und Buchautorin nutzt alle Kanäle, um ein wahrheitsgetreues Bild über die Verhältnisse in Iran und Afghanistan zu vermitteln. Ihren Weg bahnte sich die Deutsch-Iranerin mit einer aussergewöhnlich grossen Portion Mut und Beharrlichkeit.

Auf ihrem Instagram-Account zitiert sie René Descartes, den französischen Philosophen, und seine Handlungsanweisungen, wie man zu «wahrem Wissen» gelangt, und zeigt Bilder von jungen iranischen Frauen ohne Kopftuch. Das steckt den Rahmen ab, in welchem sich Natalie Amiri bewegt: Als Journalistin und Islamwissenschaftlerin will sie ein differenziertes Bild von den Zuständen im Iran geben, als Deutsch-Iranerin auch die menschlichen Seiten sprechen lassen. Von 2015 bis 2020 berichtete sie aus dem ARD-Studio in Teheran, das sie auch leitete, und produzierte unter schwierigsten Bedingungen Reportagen, die weder die Stereotype bedienen, die im Westen über den Iran im Kopf herumgeistern, noch dem Bild entsprechen, das die Propagandamaschine der Regierung zeichnet. Dadurch brachte sie sich immer wieder in Schwierigkeiten: Sie wurde bedroht, verhaftet, ihr wurde der Presseausweis entzogen oder sie wurde gar an der Ausreise gehindert. Zurück in Deutschland, moderiert sie den «Weltspiegel» in der ARD und schreibt. Ihre Bücher, eine Mischung aus persönlichen Erlebnisberichten und politischer Analyse, sind Bestseller.

WOMEN IN BUSINESS: Sie mussten 2020 Ihren Posten in Teheran aufgrund der aktuellen Gefährdung Ihrer Sicherheit aufgeben und kehrten nach Deutschland zurück. Was geht in Ihnen heute vor, wenn Sie die blutigen Proteste aus der Ferne verfolgen?
Natalie Amiri: Es ist schrecklich. Ich brauche es, vor Ort zu sein, um meine Arbeit als gerechtfertigt zu sehen. Ich möchte mit den Menschen sprechen, mittendrin sein, selbst wenn dies bedeutet, mich Gefahren auszusetzen. Mir gaben aber viele Menschen in meinem Umfeld zu bedenken, dass ich mundtot gemacht worden wäre, wenn ich in den letzten Monaten vor Ort geblieben wäre. Heute schaltet das Regime jede Stimme aus. Von hier konnte ich sehr viel mehr seit den Protesten über das Unrechtsregime und seine brutalen Vorgehensweisen berichten, ohne dass ich daran gehindert worden wäre. Ich konnte lauter sein.

Hunderttausende von Menschen kommen als Flüchtlinge vom Osten nach Westen auf der Suche nach einem besseren Leben. Sie sind in München geboren und aufgewachsen, aber machten den umgekehrten Weg und lebten über fünf Jahre im Iran. Was war Ihre Antriebsfeder, im Iran zu arbeiten?
Ich bin getrieben davon, zu zeigen, wie es den Menschen ausserhalb unseres eurozentristischen Dunstkreises geht, und zudem, welche Folgen sie auch durch unsere Politik ertragen müssen. Eine junge Frau, die während der Proteste für mehrere Tage in einem Gefängnis gefoltert wurde, sagte mir: «Wenn Ihr wegseht, dann bringen sie uns alle um». Meine Arbeit hat in Ländern wie Iran, Afghanistan, Syrien eine Bedeutung. Im Iran dürfen die Menschen ihre Meinung nicht äussern, es gibt keine Pressefreiheit. Jede und jeder, der für sie ein Sprachrohr ist, dient ihrem Überleben.

Foto: Markus C. Hurek

…weiter zu lesen im Magazin WOMEN IN BUSINESS 02/2023.
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Die erfolgreichste Forscherin der Schweiz

Posted by Ambra Spiller

Sie ist der weibliche Teil des Power-Ehepaars Clozel, das in den letzten Jahren die Schweizer Pharmabranche mitgeprägt hat. Martine Clozel hat nach ersten Berufsjahren in der Forschung bei Roche die beiden Pharmaunternehmen Actelion und Idorsia mitgegründet. Ans Aufhören denkt die 67-Jährige noch lange nicht.

WOMEN IN BUSINESS: Frau Clozel, Sie sind in der Öffentlichkeit bekannt als Wissenschaftlerin und Unternehmerin, die zusammen mit ihrem Mann die Schweizer Pharmaunternehmen Actelion und Idorsia gegründet hat. Doch wie sah Ihr Leben davor aus?

Martine Clozel: In Nancy, im Nordosten Frankreichs, wo ich geboren wurde, habe ich nach dem Abschluss des Gymnasiums an der dortigen Universität ein Medizinstudium in Angriff genommen. Relativ schnell wurde mir aber klar, dass ich nicht einfach «nur» Ärztin sein wollte. Verstehen Sie mich nicht falsch, aber mir war es wichtig, auch die Mechanismen von Krankheiten zu verstehen. Deshalb begann ich mich für die Forschung zu interessieren und habe auch noch Biologie und Physik studiert, um die Forschung auf die Medizin anwenden zu können. Diese Erweiterung hat mein Berufsleben stark und nachhaltig beeinflusst. Ausserdem habe ich in jener Zeit auch meinen Mann, den Kardiologen Jean-Paul Clozel, kennengelernt.

Wie ging der Berufseinstieg vonstatten?
Nach dem Studium ging ich noch für ein Jahr an die Universität in San Francisco, um mich vor allem im Bereich der Forschung und des Schreibens von Studienprotokollen sowie von wissenschaftlichen Publikationen weiterzubilden. Zurück in Frankreich war ich dann eine Zeit lang Assistenzprofessorin in der Neonatologie. Ich begleitete unter anderem die Geburt von Fünflingen. Das war eine
Sensation, da dies die erste Geburt von Fünflingen in Frankreich war und alle fünf überlebten. Sogar das Wochenmagazin Paris Match berichtete darüber.

Welcher Weg führte Sie schliesslich in die Pharmabranche?
Zur gleichen Zeit gründete ich mit meinem Mann zusammen ein Forschungslabor. Wir wollten begreifen, wie Krankheiten entstehen und Behandlungen dagegen entwickeln. 1987 wechselten wir beide in die Pharmabranche zu Roche nach Basel, und ich war dort als Wissenschaftlerin in der Forschung tätig. Diese Arbeit gefiel mir auf Anhieb sehr gut, denn mit einer bahnbrechenden Entdeckung kann man potenziell tausenden von Menschen helfen, während man als Hausärztin grundsätzlich nur einen Patienten zur gleichen Zeit behandelt.

Zehn Jahre später wagten Sie mit Ihrem Mann zusammen den Schritt in die Selbstständigkeit. Was führte dazu, die Komfortzone und einen sicheren Arbeitsplatz aufzugeben und selbst ins Risiko zu gehen?
1997 entschieden wir uns zusammen mit zwei weiteren Mitarbeitern, Roche zu verlassen und in Allschwil die neue Firma Actelion zu gründen. Hintergrund dieser Entscheidung war der Umstand, dass Roche die Entwicklung eines Medikaments gegen Herzinsuffizienz, an dem mein Mann und ich arbeiteten, einstellen wollte. Wir haben beide allerdings fest an dieses Projekt geglaubt und wollten die Forschung fortsetzen. Für uns war das ein riskanter sowie ehrgeiziger Entscheid und ein sehr grosser Schritt, den wir aber nie bereut haben. Anfänglich waren wir Generalisten und machten alles selbst. Aber wir hatten eine gute Einstellung, glaubten an uns und waren voll motiviert. In den Jahren nach der Gründung von Actelion konnten wir das Medikament erfolgreich weiter bringen. Dieses entfaltete seine Wirkung zwar weniger gegen Herzinsuffizienz, sondern vielmehr gegen pulmonale arterielle Hypertonie und entwickelte sich zu einem grossen Erfolg für Actelion und für die Patienten.

Wie beurteilen Sie rückblickend diese Gründer- und Wachstumszeit?
Das Unternehmen entwickelte sich sehr gut und war ausserordentlich erfolgreich. Im Verlaufe der 20 Jahre konnten wir für fünf Medikamente eine Marktzulassung erhalten und unsere Produkte erfolgreich zu den Patienten bringen. Auch die Mitarbeiterzahl stieg stetig an. 2017 waren mehr als 2500 Mitarbeitende bei Actelion beschäftigt. Rund die Hälfte davon waren Frauen. In vielen Niederlassungen im Ausland war der Posten des General Managers mit Frauen besetzt. So zum Beispiel unter anderem in Frankreich, Österreich, Griechenland, Polen oder Mexiko.

Welche Rolle spielten damals Themen wie Lohngleichheit, Geschlechterfragen oder Frauenförderung? Gleichberechtigung, gleiche Löhne für gleiche Arbeit und ein ausgeglichenes Geschlechterverhältnis waren uns immer wichtig und sind es heute noch. Für unsere Bemühungen und Errungenschaften in der Frauenförderung wurde Actelion mit einem Preis ausgezeichnet. Das Preisgeld spendeten wir unserer Standortgemeinde Allschwil, damit sie Kinderkrippen einrichten konnte. Actelion betrieb selbst eine Krippe für 45 Kinder von Mitarbeitenden, was sich sehr lohnte, denn viele gute Mitarbeitende entschieden sich nicht zuletzt deshalb für uns.

Gleichwohl veräusserten Sie Actelion und gründeten Idorsia. Wie kam es dazu und wie ist die neue Firma ausgerichtet?
Im Jahr 2017 kaufte Johnson & Johnson die Actelion, was eigentlich nicht geplant war. Wir hätten weiter innerhalb der neuen Struktur forschen können, aber weil unsere Forschungsabteilung in dieser grossen Firma verloren gegangen wäre, einigten wir uns, die Forschungsabteilung von Actelion abzuspalten. Wie schon vor 20 Jahren gründeten wir eine neue Firma, Idorsia, die auch in Allschwil ihren Hauptsitz hat. Im Unterschied zu Actelion mussten wir mit Idorsia nicht bei null angefangen. Gestartet waren wir mit rund 650 Mitarbeitenden. Heute beschäftigt Idorsia mehr als 1300 Mitarbeitende, wovon etwa 45 Prozent Frauen sind. Unser Kern ist immer noch die Forschung und Entwicklung, aber mittlerweile haben wir schon zwei neue Medikamente auf den Markt gebracht: eines gegen zerebrale Gefässspasmen in Japan und eines gegen Schlafprobleme, das bereits in den USA und den ersten Ländern in Europa erhältlich ist und voraussichtlich auch bald in der Schweiz verfügbar sein wird.

Woher nehmen Sie Ihre Motivation, als Forscherin und als Unternehmerin zu funktionieren?
Die Innovationskraft unseres Wirkens und die Leidenschaft für die Forschung treiben mich tagtäglich an. Es gibt nichts Befriedigenderes, als zu forschen und die besten Medikamente zu entwickeln. Das ist auch für unsere Mitarbeitenden motivierend. Wir verstehen uns als eine familiäre Firma mit einer tollen Kultur. Alle setzen sich für Idorsia ein, was auch ein Grund für unseren Erfolg ist. Forschung ist kein einfaches Feld, vor allem wenn man etwas ganz Neues machen will. Da kann man nur im Team erfolgreich sein und auch die Vielfalt spielt eine wichtige Rolle. Bei uns arbeiten Menschen mit unterschiedlichen Herkünften, Hintergründen und Nationalitäten.

Sie haben für Ihre eigenen Unternehmen jeweils die Schweiz als Standort gewählt. Was gab den Ausschlag
dafür?

Die Schweiz ist ein guter Standort, um die besten Talente in der Pharmabranche zu bekommen. Insbesondere natürlich die Region Basel. Auch die Nähe zu den Grossunternehmen wie Roche und Novartis ist wichtig. Und doch ist da auch genug Raum für Startups und kleinere Firmen. Wir haben auch gerne Studenten, Praktikanten und Post Docs bei uns, um sie an die Forschung heranzuführen und ihnen zu zeigen, wie unsere Branche funktioniert. Ausserdem bieten wir interne und externe Weiterbildungsprogramme an.

Die Pharmabranche gilt als sehr international. Wie setzt sich die Belegschaft von Idorsia zusammen?
An unserem Hauptsitz in Allschwil brauchen wir Spezialisten aus aller Welt, weshalb unser Team besonders international zusammengesetzt ist. In den einzelnen Ländereinheiten gibt es hingegen mehr lokale Mitarbeitende, da sie den jeweiligen Markt gut kennen müssen. Weltweit kommen unsere Mitarbeitenden aus 43 Nationen. Wir möchten als Firma in dieser Beziehung ein Vorbild sein und für alle die gleich guten Arbeitsbedingungen anbieten. So fördern wir zum Beispiel die Lohngleichheit zwischen den Geschlechtern.

Im Jahr 2022 haben Sie den Prix Suisse der Initiative Schweiz gewonnen, der jährlich an eine Person vergeben wird, die «herausragende Leistungen für die Schweiz» erbracht hat. Welche Bedeutung hat diese Auszeichnung für Sie?
Ich wurde für meine Tätigkeit in der medizinischen Forschung und für die Entwicklung verschiedener neuer Medikamente geehrt, was mich sehr gefreut hat. Besonders berührt hat mich, dass ich als Frau, als Forscherin und als Unternehmerin ausgezeichnet wurde. Die Preisverleihung im Kursaal Bern habe ich als angenehm und einzigartigen Abend in Erinnerung. Auf die Auszeichnung bin ich sehr stolz, und ich hoffe, dass ich für andere Frauen ein gutes Beispiel sein kann. Im gleichen Jahr haben mein Mann Jean-Paul und ich auch noch die Ehrendoktorwürde der Philosophisch- Naturwissenschaftlichen Fakultät der Universität Basel verliehen bekommen. Auch diese Wertschätzung war eine grosse Ehre, vor allem, weil sie zum ersten Mal überhaupt einem Ehepaar zuteilwurde.

Wie hat sich in den letzten Jahrzehnten die Situation für Frauen im Berufsleben verändert? Und wie unterstützen und fördern Sie bei Idorsia diese Entwicklung?
Die Zeiten haben sich seit meinem Studium und meinen Anfängen im Berufsleben stark geändert. Heute ist es einfacher, als Frau eine Berufskarriere zu starten und diese mit einer Familie in Einklang zu bringen. Das vielfältige Krippenangebot und die Möglichkeit zur Teilzeitarbeit haben entscheidende Vorteile für Frauen, aber auch für die Gesellschaft gebracht. Meiner Meinung nach ist es wichtig, dass Frauen mit Kindern nach einer Elternzeit in den Job zurückkehren können. Bei Idorsia sind wir darum bestrebt, für Familien möglichst gute Bedingungen zu schaffen, in dem wir zum Beispiel flexible Arbeitszeitmodelle anbieten und Homeoffice ermöglichen. ★

MARTINE CLOZEL
Die 1955 in Nancy geborene und heutige französisch-schweizerische Doppelbürgerin Martine Clozel ist Ärztin, Forscherin, Wissenschaftlerin, Gründerin und Unternehmerin. Zusammen mit ihrem Mann Jean-Paul gründete sie 1997 in Allschwil (BL) das Unternehmen Actelion, das sich innert 20 Jahren zum grössten Biotech-Konzern in Europa entwickelte. 2017 wurde das Unternehmen Actelion für 30 Milliarden Dollar von der Johnson & Johnson gekauft. Einzig die Forschungsabteilung für die Entwicklung von Medikamenten behielten sie und gründeten eine neue Firma: Idorsia. Martine Clozel ist Mutter von drei erwachsenen Kindern und wohnt in der Region Basel.

IDORSIA PHARMACEUTICALS LTD
Idorsia ist ein unabhängiges biopharmazeutisches Unternehmen mit Sitz in Allschwil (BL), das auf die Entdeckung, Entwicklung und Kommerzialisierung innovativer Medikamente spezialisiert ist. Die Firma verfügt über ein breites, diversifiziertes und ausgewogenes Portfolio, das mehrere Therapiegebiete abdeckt. Das Portfolio umfasst gegenwärtig zwei vermarktete Produkte und mehr als zehn Wirkstoffe in der klinischen Entwicklung. Über 1300 Fachleute sind weltweit bei Idorsia beschäftigt. Das Unternehmen ist an der SIX Swiss Exchange kotiert.

Im Gespräch mit Kathrin Eckhardt

Posted by Ambra Spiller

Sieben Jahre ist es her, dass Kathrin Eckhardt nach Ghana reiste, ohne Plan. Daraus ist das Kathrin Eckhardt Studio entstanden, ihr eigenes Label mit ihren Designs, die lokale Handwerkerinnen und Produzenten für sie umsetzen. In Ghana lernte sie auch ihren Mann kennen, seit Dezember sind die beiden Eltern und leben in Zürich. Eine grosse Veränderung. Aber nicht die einzige. Doch der Reihe nach.

WOMEN IN BUSINESS: Kathrin, womit hat das Leben angefangen, das Sie führen?

Kathrin Eckardt: Mit meiner Maturaarbeit. Ich habe ein Modeheft über Zürich gemacht. Dafür habe ich mit vielen Leuten gesprochen, was letztlich dazu geführt hat, dass im Stilbund der NZZ am Sonntag einen Job bekommen habe, ohne danach gesucht zu haben oder eine journalistische Ausbildung zu haben. Da ist mir das erste Mal so richtig bewusst geworden, zu was ich fähig bin, wenn ich etwas aus Leidenschaft mache. Ich habe während dem Studium dort weiter gearbeitet, mit jedem Jahr mehr Verantwortung übernommen und am Ende Shootings von A bis Z gemanagt. 2009 wechselte ich in den Gesellschaftsbund und lernte schreiben. Als ich im Zug der Medienkrise keine Festanstellung bekam, habe ich mich selbstständig gemacht und unter anderem für grosse Werbekunden wie Nike, Ikea und Jelmoli gearbeitet.

Das hat Ihnen gefallen?

Anfangs sehr, irgendwann wurde es eintönig und mir hat die Kreativität gefehlt. Zudem ist die Werbebranche ein recht patriarchales System. Mich hat das angefangen zu stören. Auch mit dem hohen Materialverschleiss für ein einziges Bild hatte ich immer grössere Mühe.

Deshalb sind Sie nach Ghana?

Ich habe einen Mann kennengelernt, der ganz zu Beginn unserer Begegnung sagte, er gehe nach Ghana, er habe dort ein Projekt. Der Gedanke hat mich fasziniert, sofort hat meine Intuition gesagt, ich solle mitgehen. Also bin ich mit.

Heisst, Sie waren bereit für etwas ganz Neues und haben etwas sehr Anderes ausgewählt.
Ich war am Anfang auch total verloren. Dort ist alles anders als hier. Es gab nichts, woran ich mich hätte halten können.

Wie sind Sie damit umgegangen?

Da ich erst einmal in die Gesellschaft reinkommen musste, habe ich angefangen, oft in der Stadt unterwegs zu sein mit dem Taxi, auch um zu lernen, wie die Stadt organisiert ist. Und so habe ich die Handwerkskünste entdeckt, die so gut zu meiner Liebe und meinem Flair für Ästhetik passen. Anfangs habe ich Sachen eingekauft, in die Schweiz gebracht und geschaut, was wie läuft. Es lief ganz gut und ich habe dann damit begonnen, mein eigenes Label aufzubauen, mit meinen Designs.

Wer hat es umgesetzt?

Bevor ich meine eigene Stoffkollektion inklusive Kleider nach Zürich brachte, das war 2017, habe ich einmal nur Stoffe importiert, die waren aber nicht von mir. Die alleine haben sich kaum verkauft. Deshalb habe ich sie vernäht, zu einfachen Kimonos und Wickelröcken. Das lief gut und ich wusste, das hat Potenzial. Ich habe Kunsthandwerker gesucht für meine eigenen Designs, erst für Stoffe, dann auch für eigene Körbe. Je mehr ich in die Kultur hineingekommen bin, desto mehr Kunsthandwerker habe ich kennengelernt, desto mehr Produkte sind es geworden.

Die westafrikanische Kultur unterscheidet sich sehr von der europäischen. Hatten Sie da keine Probleme?

Es gab sehr viel zu lernen für mich. Die ghanaische Ästhetik war sehr anders als meine. Gerade Schnitte? Werden dort kaum getragen. Meine Farbkombis waren zu wenig farbig. Anfangs konn- ten die Handwerker meine Ästhetik nicht verstehen und es gab Widerstand. Ich habe lange gesucht, bis ich ein Team gefundenhatte, das offen war und meine Art, die Dinge zu machen, auch verstand. Ich habe meine Teams einige Male gewechselt bis dahin. Meine Ideen waren für viele Handwerker total abstrakt, da sie keine Berührungspunkte haben mit dem Schweizer Markt.

Wie ist Ihr Verhältnis zu Ihren Handwerkern?

Am Anfang, als ich die Missstände in Ghana sah, war ich beseelt davon, etwas zur Linderung beizutragen, etwas Sinnvolles und Nachhaltiges anzustossen für die Menschen dort. Das hat sich in den sieben Jahren geändert. Am Anfang hatte ich das Typische Westler-Syndrom, dachte, ich müsse die Situation der Menschen dort mit einer Möglichkeit zum Arbeiten verbessern. Kein guter Ansatz, um nachhaltig Geschäfte zu machen! Es gab viele Geschichten, die für mich schwierig und enttäuschend waren. Mein Learning: Ich habe meine Einstellung und mein Vorgehen verän- dert, habe mein Geschäft auf Augenhöhe mit den Handwerkern aufgebaut, und zwar so, dass es für alle Beteiligten stimmt. Da hat es angefangen zu funktionieren, ich zog die richtigen Leute an, solche, die auch ernsthaft zusammen weiterkommen wollten und gute Arbeit ablieferten. Heute sind wir ebenbürtige Partner.

Wie viele Leute arbeiten für Sie?

Es sind vier Teams und rund 18 verschiedene Handwerker, die für mich gearbeitet haben. Ich habe in meinem Studio zwischen 600 und 800 Körbe pro Jahr verkauft zudem Möbel wie Stühle und Bänke und Kleider, es war eine One-woman-Show, ich habe alles selber gemacht vom Design über das Marketing bis zur Logistik. Meine Produkte habe ich zum allergrössten Teil online und in meinem Studio verkauft. Auf Zwischenhandel habe ich verzichtet. Der kostet viel und braucht viel Zeit.

Sie sind im Dezember Mutter geworden, sprechen in der Vergangenheitsform. Haben Sie aufgehört mit Ihrem Business?

Ich habe Kathrin Eckhardt Studio vorerst auf Eis gelegt. Um meinem zweiten Business mehr Raum zu geben und dies weiter zu entwickeln und Zeit für meine Familie zu haben.
Und was wird das Neue?

Channeling und Energiearbeit, ich habe 2019 damit angefangen, rausgegangen damit bin ich 2021.

Was ist das?

Ich berate Menschen, währenddem ich in Verbindung bin mit der geistigen Welt, dem Verborgenen, den Energien um uns, die wir nicht sehen, sehr wohl aber spüren können. Für mich ist das an sich nichts Neues, ich kenne das schon lang. Was dem jetzt noch mehr Aufmerksamkeit gibt, ist, dass ich gerade in der Pandemie immer mehr Mühe damit hatte, dass ich nur Geld verdienen kann mit einem physischen Produkt und das in einer Welt, in der es viel zu viele Produkte gibt. Das ist das eine. Das andere ist, dass ich versuche, in meinem Leben dahin zu gehen, wo meine Inspiration ist. Derzeit ist das, mit meinem Fähigkeiten andere zu unterstützen.

Mit der geistigen Welt in Kontakt treten heisst also Channeling. Kann man das lernen?

Ich hatte die Fähigkeit einer hohen Intuition schon immer. Das war schon als Kind so. Das ist dann recht in den Hintergrund getreten für lange Zeit. In Ghana habe ich dazu wieder den Zugang gefunden. 2019 habe ich dann eine Channeling-Ausbildung gemacht.

Und was gelernt?

Meinen Kanal bewusst ein- und auszuschalten und eine klare Kommunikation mit der geistigen Welt zu haben. Es gibt verschiedene Techniken und Tools, die mir helfen, meine Fähigkeit zu verstehen und damit zu arbeiten.

Klingt ziemlich abgespaced.

Ich weiss. Damit raus zu gehen, hat Mut gekostet. Ich, die Designerin und Geschäftsfrau, biete plötzlich etwas an, wovor viele Leute grossen Respekt haben.

Warum gehen Sie damit überhaupt in die Öffentlichkeit?

Mir selbst hat das sehr viel gebracht und das möchte ich weitergeben.

Können Sie etwas konkreter werden?

Ich kann den Körper und Menschen energetisch lesen. Verstehe ihre Veranlagungen und Problematiken und wir können diesen in der Session auf den Grund gehen. Blockaden können gelöst und Traumas aus der Sicht der geistigen Welt angeschaut werden. Channeling bedeutet, dass die universelle Energie durch michfliesst und mir die Informationen gibt, die ich für die Session brauche, um die Person bestmöglich zu unterstützen. Ich habe nicht die Perspektive einer Psychologin oder eines Psychiaters, sondern die der geistigen Welt. Das ist nochmals eine ganz andere Sichtweise auf uns, eine sehr wertvolle und hilfreiche.

Helfen meine Geister Ihnen oder Ihre Geister mir?

Ihre Geister erzählen mir über Sie und sie helfen Ihnen.

Sie lachen!

Ja, das ist etwas sehr, sehr Schönes. Und ich lache auch, weil wenn man das so erzählt, klingt es so salopp und auch etwas verrückt, ist es aber nicht. Wir alle werden geboren mit unseren Geistführern, die sich um uns kümmern und eng mit uns verbunden sind. Allein schon mit ihnen in Kontakt zu kommen, ist für viele Menschen sehr berührend und bereichernd, weil sie wissen, dass sie nicht allein sind.

Wie reagiert denn Ihr Umfeld auf Ihren neuen Beruf?

Sie kennen mich alle als jemand, der mit beiden Füssen auf dem Boden steht und nicht nur in der spirituellen Welt unterwegs ist. Für viele war es nicht überraschend, dass ich das nun anbiete. Die einen sind sehr offen, andere abwartend.

Sehen Sie denn jetzt meine Geister?

Dafür müsste ich mich erst mit Ihnen verbinden. Und ich müsste mich eintunen.

Eintunen?

Ja, ich habe gelernt, mich ein- und auszutunen. Sonst hätte ich immer diese Infos, wäre immer davon umgeben. Mir ist es sehr wichtig, sehr klar zu trennen. Ich sehe mich als Verbindung zwi- schen ihnen und dieser Realität.

Gibt es so etwas wie eine generell gültige Aussage zu den Geistführern, die um jeden Menschen herum sind?

Ja, sie sind pures Wohlwollen und voller Liebe für uns. ★

Wenn Kunst sich mit Entspannung verbindet

Posted by WOMEN IN BUSINESS

Ann Demeester will als neue Direktorin des Zürcher Kunsthaus das Haus öffnen, der Kunst vermehrt auch gesellschaftliche Fragen stellen und neue Besucherschichten anlocken. Mit ihren Visionen weckt die Belgierin hohe Erwartungen.

Eine Frau wird in die oberste Führungsetage eines der wichtigsten Schweizer Kunstmuseen geholt und ist fest entschlossen, das Haus zu öffnen, kritische Fragen zu stellen, neue Besucher zu holen. Sie will neue Wege gehen, wie mit Kunst mit teilweise fragwürdiger Provenienzgeschichte – Stichwort Sammlung Bührle, Nazi-Fluchtkunst – umgegangen wird. Sie will den Kanon neu präsentieren. Sie will auch Leute mit Migrationshintergrund und Expats ins Haus locken oder Leute, die mit Kunst nichts zu tun haben.

Der frische Wind, der durch die erlauchten Hallen des Chipperfieldbaus (und auch des alten Kunsthauses) wehen soll, ist bereits zu spüren, wo immer die belgische Literaturwissenschafterin und Museumsfrau mit den langen braunen Haaren anzutreffen ist; in zahlreichen Presseinterviews, in denen ihr frischer Blick zu spüren ist (und für die sie auch einmal ein Modeshooting vor ausgesuchter Kunst absolviert) oder an Podiumsgesprächen.

Am traditionellen Neujahrsmeeting des Tages-Anzeigers in Zürich überraschte sie die Prominenz aus Politik, Wirtschaft und Kultur mit ihrem ungewohnten Zugriff auf Kunst, Witz und Charme. Eines ihrer Lieblingsthemen scheint zu sein, welch positiven Effekt Kunst und Kreativität in überraschenden Settings haben können. Sie erzählte davon, wie in den USA bei Medizinstudierenden und bei der Polizei Kunstbetrachtung in die Schulung integriert wird. Für Demeester geht die Funktion von Kunst weit über ihre Rolle als Selbst – bestätigung für ein elitäres, bildungsbürgerliches Publikum hinaus. Sie attestiert Kunst geradezu heilende Eigenschaften. Auch in den Arbeitsalltag im Kunsthaus bringt sie frischen Wind. Mit ihrer nahbaren Art motiviert sie ihre Mitarbeiter neu; sie organisiert Teamsitzungen, bringt Teilnehmer aus verschiedensten Abteilungen zusammen und bricht Kästchendenken auf.

Demeester ist eine Changemakerin, die etwas riskieren will. Im Herzen des kulturellen Zürichs denkt eine Belgierin über nichts weniger nach, als wie das Kunsthaus eine neue Rolle in der Gesellschaft einnehmen kann.

WOMEN IN BUSINESS: Sie sind Belgierin, sind im Juli von Holland in die Schweiz gezogen. Wie arbeitet man sich in eine neue Mentalität und Kultur ein?
Ann Demeester: Mit profundem Desk Research und mit vielen Gesprächen. Anders als ein Expat, der mit einem Welcome-Paket empfangen wird, muss sich das bei mir als organischer Prozess entwickeln. Mir war wichtig, viel Historisches zu lesen, wobei sich viel auf die Schweiz während des Zweiten Weltkriegs konzentriert hat, auch wegen der Diskussion um die Impressionisten-Sammlung von Emil Bührle, die wir als Leihgabe im Haus haben. Ich las vom «Handbuch der neuen Schweiz» über ein Kinderbuch über Schweizer Geschichte bis zu Fachbüchern wie «Kunst, Krieg und Kapital» und «Das kontaminierte Museum». Während man als Einheimische über viel unbewusstes Wissen verfügt, muss ich mir vieles erst aneignen. Für mich ist jeder Tag eine Lernkurve.

Wie fremd kommt Ihnen denn Ihr neuer Arbeits- und Wohnort vor?
Das Ausländerdasein bin ich gewohnt. Ich war ja als Belgierin schon in Holland Ausländerin. Ich weiss, wie es ist, sich auf eine vollkommen andere Kultur einzulassen. Ich sage immer, Belgien ist ein Patchwork aus verschiedenen Kulturen, wo man wie in einer WG zusammenlebt. Man teilt sich vielleicht Küche und Badezimmer, aber nicht mehr. Das ist vielleicht ähnlich wie in der Schweiz. Das hilft mir, mich hier einzuleben.

Sie sind weder in einem kunstaffinen Haus aufgewachsen, noch haben Sie Kunstgeschichte studiert. Wie wird man trotzdem Direktorin eines Kunstmuseums?
Ich hatte keinen Plan. Mein Weg entwickelte sich organisch, indem ich immer meine Interessen verfolgte, und ich das Glück hatte, dass sich Chancen ergaben. Meine Eltern waren zwar nicht kunstaffin, aber ich bin in einem Bildungssystem aufgewachsen, das mir viel Kultur bot. Ich wusste lange nicht, was ich machen wollte, aber ich war ein Bücherwurm und interessierte mich für das Reich der Fiktion, die parallele Realität der Imagination. Die habe ich dann in der Literatur und im Theater gefunden, aber auch in der Kunst und im Tanz.

Was interessiert Sie daran?
Mich faszinieren Parallelwelten. Darin machen Künstler Vorschläge, wie man die tägliche Realität anders sehen kann. Ich schloss dann ein weiteres Studium in Cultural Studies an und arbeitete ein paar Jahre als Literaturjournalistin, schrieb aber zunehmend auch über Kunst. Eines Tages rief mich dann Jan Hoet, der Direktor des SMAK-Museums an und fragte, ob ich seine Assistentin werden wollte. So rutschte ich in die Museumswelt hinein und begann, zu kuratieren.

Museumsarbeit setzt sich aus vielen verschiedenen Disziplinen zusammen. Welche gefällt Ihnen am besten?
Was ich am meisten liebe, ist die Vermittlung der Kunst. Das Management macht zwar jetzt 80 Prozent meiner Arbeit aus, aber mein Ziel bleibt es, Begeisterung für die Kunst zu wecken. Ihr Spezialgebiet an der Universität war postkoloniale englischsprachige Literatur in Indien. Die postkoloniale Sichtweise, damals eher ein Nischenthema, ist heute im Brennpunkt vieler Diskussionen, auch in der Schweiz. Das stimmt. Dieses Studium hat bei mir denn auch den Blick früh dafür geschärft, dass wir uns als Europäerinnen und Europäer unseres eurozentrischen Blicks bewusst sein müssen. Es geht nicht um Schuld. Es geht darum, dass man dieses Bewusstsein hat, dass die Kolonialgeschichte uns nicht nur geprägt hat, sondern dass dieses imperiale Denken nach wie vor vorhanden ist. Dieses Bewusstsein musste ich mir nicht erst jetzt frisch anlernen, sondern war für mich früh schon eine natürliche Haltung, die in meine Ausstellungspraxis immer hineingespielt hat.

Als Direktorin am Frans Hals Museum stellten Sie die niederländischen Meister in den Kontext von Kolonialismus. Welche Kontexte gäbe es denn in Zürich, der Schweiz zu untersuchen?
In Holland habe ich zeigen wollen, dass das vielbeschworene «Goldene Zeitalter» niederländischer Kunst nur mit Kolonialismus, Sklaverei, aber auch Handel entstehen konnte. Wenn Holland kein Imperium gewesen wäre, sähe man auf Stillleben nur Käse, Äpfel und Milch, und kein Porzellan, keine persischen Teppiche und exotischen Pflanzen! In der Schweiz fasziniert mich, welche Rolle die Schweiz während des Zweiten Weltkriegs gespielt hat und, breiter gefasst, was Neutralität in der Vergangenheit und heute bedeutet. Mit der Sammlung Bührle haben Sie ein gutes Beispiel, an dem sich diese Frage aufarbeiten lässt. Mit dieser Sammlung sind viele komplexe und umstrittene Themen verknüpft, die aber gleichzeitig eben auch viel über das Selbstverständnis der Schweiz aussagen. Der Umgang mit der Sammlung Bührle provozierte einen Skandal, aber ich sehe sie eben auch als eine Möglichkeit, bei historischen und gesellschaftlichen Themen anzuknüpfen. Ich finde nicht, dass Kunst damit nichts zu tun hat. Kunst hat sehr viel damit zu tun, und Bührle ist ein Pars pro Toto. Es geht um Waffenhandel mit den Nazis, aber auch darum, dass ihn der Schweizer Staat ermöglicht und wirtschaftlich sogar davon profitiert hat, obwohl er neutral war. Das ist ein relevantes Thema, das auch das Kunsthaus angehen muss. Mit dem im Hinterkopf machen wir in diesem Jahr eine neue Ausstellung.

Schweben Ihnen weitere Themen vor, die in einem gesellschaftlichen Bezug stehen?
Ja, zum Beispiel das Thema der Neutralität. Was bedeutet sie? Sie ist Teil der nationalen Identität, aber sie ist ein Konstrukt. Was bedeutet sie in der heutigen Welt, wie wird sie in der Kunst reflektiert? Eine weitere Baustelle nicht nur am Zürcher Kunsthaus ist die Repräsentanz von Frauen in Sammlungen und Ausstellungen. Am Zürcher Kunsthaus wurden nur elf Prozent der Sammlung von Künstlerinnen geschaffen, und es gab in vielen Jahren nur einen Bruchteil von Einzelausstellungen, die Frauen gewidmet waren.

Es gibt doch jetzt auch viele Neuentdeckungen und Neuevaluierungen?
Ja, überall werden jetzt auch historische weibliche Positionen neu entdeckt. Wir werden nächstes Jahr zum Beispiel Suzanne Duchamp in einer kleinen Präsentation zeigen. Aber jede historische Sammlung wird letztlich eine Dominanz von weissen Heteromännern beibehalten, an der man nichts mehr ändern kann. Man kann Figuren neu entdecken, aber auch durch retrospektive Ankäufe lässt sich das Ungleichgewicht nicht mehr ändern. Was die Gegenwartskunst betrifft, haben wir auf ein natürliches Geschlechtergleichgewicht geachtet, ganz ohne Quote, aber als Antwort auf das breite Spektrum an aussergewöhnlichen Künstlerinnen, die wir heute in der Welt sehen. Wir werden auch Künstlerinnen einladen, mit unserer Sammlung in Dialog zu treten, ihr eine andere Stimme entgegensetzen.

Das Museum als Institution hat in den letzten Jahren eine grosse Entwicklung erlebt. Wie sehen Sie seine Rolle?
Idealerweise ist ein Museum für mich ein Zentrum der Neugier. Früher, zur Zeit der Aufklärung, gab es ja diese Wunderkammern, wo – auch imperialistische – Neugier befriedigt wurde. Heute sieht man das Museum nicht mehr nur als Hort von Objekten, sondern auch von Ideen und Erzählungen. Ich betrachte es als unsere Aufgabe, Neugier zu stimulieren und verschiedene Diskussionen anzuregen. Man muss nicht zwangsläufig alles besitzen, sondern es gibt auch andere Formate, etwa Performances oder Debatten. Dabei können wir immer noch ein Bilderpalast sein, aber einer, den wir aufmischen und der durchlässig wird.

In welche Richtung denken Sie da?
Eine Metapher, die hier allerdings nicht so gut aufgenommen wurde, ist für mich ein Tempel auf Bali. Der Tempel wird dort ganz selbstverständlich in den Alltag integriert. Man kommt dorthin, um die Götter zu verehren, aber auch, um die Familie zu treffen, zu essen und zu reden. Dafür, dass das «Castle on the hill» zu einem Zentrum der Neugier umgebaut wird, bedarf es aber viel Arbeit von unserer Seite.

Wenn die Rolle des Museums ändert, streben Sie damit auch andere Besucher an?
Gerade, weil ich nicht aus einer kunstaffinen Familie stamme, liegt mir sehr am Herzen, dass auch Menschen einen Zugang finden, die noch keine Beziehung zur Kunst haben. Ich weiss aber aus Erfahrung, dass man andere Gemeinschaften nicht so leicht erreicht. Wir haben ihnen zwar viel zu bieten, aber sie müssen es auch wollen. Ich wohne in Altstetten, und da gibt es viele Schweizer, deren Familien ursprünglich aus Ex-Jugoslawien stammen. Ich bin gespannt, wie viele von meinen Nachbarn ins Kunsthaus kommen. Es gibt in Zürich viele Secondos, es gibt Expats, die für Unternehmen wie Google arbeiten. Es braucht viel Zeit, herauszufinden, wie man diese verschiedenen Bevölkerungsgruppen erreicht. Es reicht nicht, dass man ihnen nur die Türe öffnet. Es braucht Ideen und spezielle Programme.

Sie wollen die Kunst also vom Sockel holen. Soll sie nicht mehr etwas Spezielles sein?
Sie stellen eine Grundsatzfrage, mit der sich Museen heute befassen müssen. Kunst ist etwas Spezielles, aber sie soll nicht exklusiv sein! Es braucht kein Vorwissen, um der Kunst zu begegnen. Kunst ist nicht nur für Insider. Kunst ist kein Sudoku, das man lösen muss! Ich bin der lebende Beweis dafür. Es geht darum, den Kontakt aufzunehmen und offen zu sein, dann kann jeder mit einem Kunstwerk eine Begegnung haben. Aber man muss sich Mühe geben, offen zu sein, denn ab und zu ist Kunst komplex.

Drehen wir den Uhrzeiger der Zeit ins Jahr 2030. Was wäre Ihre Zukunftsvision für das Kunsthaus? Freies Fantasieren ist erlaubt!
Wenn ich wirklich fantasieren darf, dann wäre mein ideales Kunsthaus mit einem Wellness Center verbunden. Das hört sich idiotisch an, aber wenn man diese Offenheit haben will, von der ich gesprochen habe, dann muss man entspannt sein. Und wo entspannt man sich besser als in einer Sauna oder einem Hammam, wo man auch den Körper trainieren kann? ★



Ann Demeester
Ann Demeester, geboren 1975 in Brügge, ist seit dem 1. Oktober 2022 Direktorin des Zürcher Kunsthauses. Sie studierte Germanistik an der Universität Gent und Kulturwissenschaften an der KU Leuven. Sie arbeitete zunächst als Journalistin und Literaturkritikerin, bevor sie Assistentin des renommierten belgischen Museumsdirek – tors und Kurators Jan Hoet wurde. Unter seiner Leitung kuratierte sie Ausstellungen in Belgien, u.a. im Stedelijk Museum in Gent, wie auch in Deutschland am Marta Herford. 2006 bis 2014 leitete sie das Amsterdamer Kunstzentrum Appel Arts Centre, ab Februar 2014 Direktorin des Frans Halsmuseum / De Hallen in Haarlem.

Aktuelle Ausstellungen im Kunsthaus Zürich:

Foto: © Franca Candrian, Kunsthaus Zürich

 

 

Leidenschaft ist Pflicht

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Seit über 50 Jahren gehört Tilla Theus zu den profiliertesten Architektinnen. Am 4. Juni wird die Grande Dame der Schweizer Architektur 80. Ans Aufhören denkt die gebürtige Bündnerin aber keineswegs.

Die Bündnerin Tilla Theus studierte Architektur an der ETH in Zürich – zu einer Zeit, als Frauen dort noch die Minderzahl stellten. Gerade einmal acht Prozent der Studierenden am Departement waren damals weiblich. Inmitten der vielen männlichen Kommilitonen und Professoren erlernte die junge Bündnerin Mitte der 1960er Jahre nicht nur ihren Beruf, sondern auch, sich unter Männern durchzusetzen. Für sie ein Ansporn, einen Extra-Effort zu leisten. Das sollte bis heute so bleiben.

WOMEN IN BUSINESS: Tilla Theus, Sie haben sich direkt nach Ihrem Abschluss 1969 als Architektin selbstständig gemacht. Warum haben Sie sich dafür entschieden und war für Sie schon immer klar, dass Sie ein eigenes Büro führen wollten?
Tilla Theus: Ich bin in einer Familie aufgewachsen, in der Selbstverantwortung selbstverständlich war. Daher war es für mich immer klar, wenn ich ein Studium mit positiven Resultaten abschliessen kann, dass ich dann auch meine berufliche Verantwortung übernehmen will. Und zwar nicht in diesen Bereichen, in die wir Frauen gerne abgeschoben wurden, zu Projekten wie Küchen, Bädern und Einfamilienhäusern. Ich wollte in einem Massstab arbeiten, der unseren Semesterarbeiten entsprochen hat. Also öffentliche Gebäude, Alters- und Pflegeheime, Hotels und ganze Siedlungen. Zusätzlich war es für mich selbstverständlich, eigenverantwortlich im Team handeln zu können. Dies erwies sich als nicht so einfach, weil meine Mitarbeiter meist älter waren als ich. Das führte dazu, dass mir beim ersten Treffen mit unserer Bauherrschaften der Sekretärinnen-Status zugeteilt wurde mit der Äusserung: «Sie schreiben sicher das Protokoll, Fräulein?»

Welche Erfahrungen haben Sie als Frau in einem eher männerdominierten Bereich gemacht?
Ich habe vor allem zu Beginn meiner Karriere die Erfahrung gemacht, dass ich, um als Frau in einem technischen Beruf ernstgenommen zu werden, mehr liefern muss als meine männlichen Kollegen. Aber das hat mich nicht gross gestört: Schliesslich ist mein grösserer Einsatz dem Projekt zugutegekommen. Qualität fordert ihren Einsatz.

Ihr Architekturbüro besteht nun seit über 50 Jahren. Was hat sich im Laufe der Zeit verändert? Was ist einfacher und schwieriger geworden?
Unser Studium war und ist hart, sehr hart sogar. Später haben sich im Beruf viele Mitstudenten anders orientiert. Wer dabei blieb, hat diese Leidenschaft für Visionen, die bei dem Menschen, dem Bewohner, sei es in der Stadt, sei es im Quartier oder in einzelnen Gebäuden ein Wohlbefinden auslöst und damit dem Besitzer einen Mehrwert schenkt. Das ist über alle Zeiten identisch geblieben. Die Normen, die Vorschriften, die bauphysikalischen Gedanken und die energetischen Massnahmen haben sich verändert – aber dafür gibt es technische Möglichkeiten, die wir heute einsetzen.

Tilla Theus’ Büro in Zürich ist spezialisiert auf die Projektierung und Ausführung von Neubauten in städtebaulich anspruchsvollem Kontext, auf Umbauten und Sanierungen von denkmalgeschützten Objekten sowie auf Innenarchitektur und Raumdesign. Schon ihr erstes grosses Projekt, das Altersheim von Mollis, war eine Sensation: Tilla Theus, damals 26 Jahre alt und frisch ab Hochschule, gewann den Wettbewerb im Kanton Glarus. In den vergangenen 50 Jahren hat ihr Büro Bauten entworfen und erstellt, die weit über die Landesgrenzen hinaus für Aufsehen gesorgt haben. Zu ihren wichtigsten Projekten gehört der gut abgeschirmte Hauptsitz des internationalen Fussballverbands FIFA auf dem Zürichberg. Das Bauwerk mit 300 Arbeitsplätzen umfasst zwei Ober- und fünf Untergeschosse mit einer Fläche von 37 400 Quadratmetern – quasi ein Hochhaus unter der Erde. Der von einem gewebeartigen Metallnetz umspannte Glasaufbau scheint überdem zurückversetzten Erdgeschoss zu schweben. Ein millionenschweres Projekt. «Sein Luxus und seine Unzugänglichkeit provozieren den Betrachter», urteilte die Neue Zürcher Zeitung. Für Schlagzeilen sorgte auch das Gipfelrestaurant auf dem Weisshorn, das von Natur- und Landschaftsschützern heftig und lange bekämpft worden war, bis das Bundesgericht sich für den Bau entschied.

Zeitlose Räume zu schaffen, die unzertrennlich mit der Architektur verbunden sind, das ist der grosse Verdienst der Architektin. Wie die Auseinandersetzung mit bestehender Bausubstanz und die sorgfältig austarierte Balance zwischen Alt und Neu das Werk von Tilla Theus kennzeichnen, kann man an zahlreichen Projekten ablesen – von der Revitalisierung des Restaurants Krone in Dietikon/ZH über das glamouröse «Gran Café Motta» in Zürich bis zum Umbau von acht Zürcher Altstadthäusern zum Hotel Widder. Tilla Theus beherrscht die Planung und Ausführung von Neubauten in städtebaulich anspruchsvollem Kontext ebenso wie stilsichere Umbauten und Sanierungen von denkmalgeschützten Objekten. Ihr jüngstes Werk ist das 2022 eröffnete Drei-Häuser-Hotel Caspar in Muri. Im Klosterort verband sie zwei über 500-jährige Gasthäuser – die Gasthöfe Adler und Ochsen – mit einem Neubau zu einem starken Ensemble. Aussergewöhnliche Handwerkskunst und der Blick fürs Detail prägen das neue Hotel.

Sie bauen leidenschaftlich gern historische Gebäude um. Was hat Sie besonders fasziniert am Auftrag für das Hotel Caspar in Muri?
Für mich war es eine spannende Aufgabe, nach vielen Umbauten in Zürich einmal nicht in einer städtischen Umgebung zu bauen. Muri als Klosterort ist ein Zwitter zwischen Stadt und Land. Das kulturelle Angebot ist in der kleinen Aargauer Gemeinde sehr hoch, die Gemeinde ist eng verknüpft mit dem bald tausendjährigen Benediktiner-Kloster. Für die private Bauherrschaft, vier alteingesessene Murianer, war der Bau des Hotel Caspars eine Herzensangelegenheit. Sie wollten Muri etwas zurückgeben. Das gab für mich als Architektin eine ganz andere Herangehensweise an das Projekt.

Inwiefern?
Ich verstehe die Bauherrschaft als Sparringspartner. Ich lege während des ganzen Bauprozesses grossen Wert auf einen Dialog auf gleicher Augenhöhe. Bauherrschaft und Architekt müssen sich Vertrauen schenken. Wir erziehen uns gegenseitig, aber ich bin mit den Jahren auch nachgiebiger geworden.

Sie kämpfen aber auch um Ihre Ideen.
Natürlich. Gerade über meine Idee, die Wandbemalung im Gastraum des «Adlers» mit einem Punktraster zu überfassen, war die Bauherrschaft zunächst gar nicht begeistert. Wir beziehen uns auf die Stiche des Malers Caspar Wolf: Die Bauherrschaft hatte eine Mappe mit alten Stichen des Künstlers gekauft. Im Kloster gibt es ein kleines Caspar-Wolf-Museum. Wir wollten aber nicht die Bilder einfach 1:1 übertragen und malen. So kamen wir auf die Idee, sie hochzuskalieren und auf Leinen zu malen. Das fand Anklang bei der Bauherrschaft. Was für sie fremd war: mein Vorschlag, einen Punktlayer über die Malerei zu legen, um diese mit dem Heute zu verknüpfen. Erst das grossformatige Punktemuster macht die Malerei nicht kitschig, sondern modern und zeitgemäss. Die Bauherrschaft kam für die Schlussbesprechung extra aus den Skiferien. Und gemeinsam wurde nach Diskussionen erkannt, dass die Verfremdung durch den Punkteraster zwingend sei.

Was ist bei Ihrer Spezialisierung auf die Verbindung zwischen Alt und Neu die grösste Herausforderung?
Es gibt ganz verschiedene Arten mit Alt und Neu umzugehen, zum einen Alt mit Neuem historisierend ergänzen, zum anderen Alt und Neu in Gegensatz zu stellen und dann noch Alt und Neu so zu verweben bzw. zu verschleifen, dass etwas anderes entsteht und weder das Alte noch das Neue ablesbar bleibt.

Wie gehen Sie da heran?
Wir versuchen zunächst den Geist des Baus zu erfassen. Wir gehen den Spuren der Geschichte nach – wie Detektive. So offenbart uns der Bau seine Geheimnisse und welche Veränderungen für ihn möglich sind. Nach dieser Recherche studieren wir die Bedürfnisse der künftigen Nutzer und übertragen diese in die Zukunft. Im Hotel Caspar gibt es eine ganze Palette, wie man mit Alt und Neu umgehen kann.

Wie im Gastraum des «Ochsen».
Der Gastraum mit den zwei Stuben ist vielfach umgebaut worden. Dort trafen die 1940er auf die 1980er Jahre, aus jeder Zeit haben wir Teile übernommen. So haben wir etwa die Rasterdecke aus den Achtzigerjahren in den Raum mit den furnierten Spanplatten aus den Vierzigerjahren integriert, während in der anderen Stube neu gestaltete Wandpaneele nach altem Muster eingefügt worden sind. Als Vorlage diente uns ein zufällig unter vielen Schichten entdecktes Tapetenstück.

Hochskalieren und Verfremden ist eine Stilübung, die Sie gern verwenden. Trompe-l’oeils eine andere. Findet man diese auch im Hotel Caspar?
Natürlich, beispielsweise in den Zimmern des «Adlers»: Für die Tischbeine entwarfen wir gedrechselte Holzbeine mit einem marmorartigen Anstrich, um so die Marmor-Ablageflächen mit den Beinen als Einheit wirken zu lassen. Allerdings mit einem kleinen Augenzwinkern!

Was steckt hinter dieser Idee?
Ich liebe es, in meinem Zimmer einen langen Tisch für meine Dinge zu haben. Solche überlangen Tischplatten wirken im Hotel schnell mal langweilig und leer. So suchten wir nach etwas Spielerischem. Der Projektleiter Holger Widmann hatte die Idee, für die eleganten grauen Marmorplatten gedrechselte Beine zu entwerfen, die der Restaurator marmorieren würde. Das Resultat wirkt erfrischend.

Der «Ochsen» und der «Adler» sind Umbauten. Wie ergänzt der Neubau «Wolf» das Ensemble?
Der «Wolf» sollte als enger Verwandter des «Ochsen» erkennbar sein. Um den Neubau nicht historisierend wirken zu lassen, haben wir einzelne Elemente des benachbarten Altbaus zeitgemäss umgesetzt. Zusätzlich wurde der Fassadenachse ein Knick verliehen und der Giebel leicht nach vorne geneigt. So wirkt das Haus plötzlich jung und frisch. Und die Geschichte dazu lautet: Der Wolf, (das Tier), neigt sein Haupt dem Gast entgegen und streckt seine Pfoten aus zum herzlichen Willkommen.

Die Verbindung von Alt und Neu, versehen mit lustvollen Spielereien und viel Sinn fürs Detail sind charakteristisch für Tilla Theus’ Werk. Seit sie mit dem Hotel Widder in Zürich (1988-1995) einen Meilenstein in der Geschichte der modernen Hotelarchitektur gesetzt hat, gilt sie als Expertin für die Sanierung von Hotels.

Das Luxushotel Widder wird als eines der ersten Designhotels bezeichnet. Was machte es damals so anders?
Es galt, in ein kleinzelliges und denkmalpflegerisch sensibles Quartier ein Luxushotel zu integrieren – architektonisch profiliert, städtebaulich harmonisch und betriebsökonomisch sinnvoll. Der Abbruch der acht mittelalterlichen Stadthäuser war ausser Frage. Ich beliess so jedem Baukörper seine Kleinräumigkeit, die ihn prägte. Das Hotel Widder setzt in der Luxuskategorie eine bahnbrechend ganzheitliche Hotelphilosophie um. Diese Trendwende basiert auf dem sinnlichen Erlebnis der Echtheit. Denn damals war ein Hotel der Luxuskategorie eigentlich eine Bühne – Plüsch, Brokat, Stuck und Samt, dazu unechtes Mobiliar. Hoteliers wollten es für ihre Gäste damals antik und kuschelig. Das war gar nicht mein Ding.

Sondern?
Wir wollten, dass die Gäste spüren, sie sind in einem Luxushotel, aber auch gleichzeitig zu Gast in einem städtischen Bürgerhaus. Wir setzten in den 51 Zimmern der acht Häuser auf echte Materialien, bis ins Detail. Ich fand es stossend, dass früher die Suiten alle paar Jahre neu ausgerüstet wurden. Und ich bewies, dass das nicht nötig ist. So konnten wir beispielsweise die hochwertigen Vorhänge mit ihren ebenso wertvollen Futterstoffen einfach umdrehen, Das Futter wurde zum Vorhang und der Vorhang zum Futter. Diese architektonische und innenarchitektonische Authentizität war für ein Luxushotel umwälzend neu.

Neu war auch die Möblierung.
Ja, was heute Standard ist, nämlich Designmöbel in den Zimmern und öffentlichen Bereichen einzusetzen, war damals vollkommen unüblich. Ich musste sogar zu den Herstellern wie Cassina und Vitra persönlich fahren und ihnen mein Konzept erläutern, damit ich den Le-Corbusier-Sessel nicht in Schwarz, sondern in Rot bekam.

Tilla Theus findet mit ihrem Team selbst auf die schwierigsten Fragen immer eine Antwort. Das schätzen ihre Auftraggeber ebenso wie die Sorgfalt, mit dem das Büro an die Projekte herangeht. Grundsätzlich mehr zu leisten, als von Männern verlangt wird, ist Tilla Theus eine Ehrensache.

Eine der zehn besten Hotelbars Europas: Die amerikanische Tales of the Cocktail Foundation zeichnete die Zürcher Widder-Bar im Mai 2022 aus. Sie sind bekannt für Ihren Hang nach Perfektion. Gehört Selbstausbeutung auch dazu?
Mein reicher Erfahrungsschatz verknüpft mit der stetigen Neugier, auch für Unmögliches eine positive Lösung zu finden. Dazu gehört Perfektion und auch, ich gestehe es ungern, Selbstausbeutung. Wenn es aber gelingt, lässt die Freude darüber alle Mühsal vergessen.

Wie haben Sie sich Ihre Leidenschaft für Architektur bewahrt?
Meine Visionen in gebaute Realität umzusetzen, ist meine Leidenschaft. Die Freude daran ist über alle Jahre und Jahrzehnte gleichgeblieben, obwohl sich das Umfeld in allen Bereichen geändert hat. Leidenschaft ist Pflicht in meinem Metier.

Was würden Sie jungen Frauen/Gründerinnen raten, die am Anfang ihrer Karriere stehen? Welchen Rat hätten Sie sich damals gewünscht?
Mut und Durchhaltewillen. ★


 

TILLA THEUS
Geboren am 4. Juni 1943 in Chur, studierte Architektur an der ETH in Zürich. Nach ihrem Studium eröffnete sie 1969 gemeinsam mit Hp. Grüninger ihr Büro in Zürich, das seit 1985 unter dem Namen Tilla Theus und Partner AG firmiert.

WERKE
Die Spezialität des Büros von Tilla Theus sind der Umbau von historischen Gebäuden und das Bauen in komplexen städtebaulichen Strukturen. Dazu zählen das Hotel Widder (1988- 2018) in Zürich, das Swiss Re Headquarter (1996–2000), das Haus zum Rechberg (2004–2014) in Zürich und das Bankgebäude Leuenhof (2017–2021) in Zürich. Daneben realisierte das Büro auch Einzelbauten wie das FIFA-Headquarter (2003–2006) in Zürich oder das Gipfelrestaurant Weisshorn (2006–2012) in Arosa.

Foto: Christian Scholz

Mit der Superkraft Humor

Posted by Ambra Spiller

Humor ist für Harriet Beveridge eine ernsthafte Sache. Nach ihrem Abschluss an der Oxford University hat sie als Unternehmensberaterin bei EY angefangen zu arbeiten – und dort zu ihrer Berufung gefunden: Seit bald 20 Jahren ist sie Stand-up-Comedian, coacht Führungskräfte und teilt ihre Erkenntnisse als Keynote-Speakerin an Happenings wie dem Event «Reset & Recharge» von She’s Mercedes.

Ihr Steckenpferd: Gedankenkonstrukte und Verhaltensmuster im Sinn des eigenen Gedeihens verändern, indem sie sie erst einmal freischaufelt. Ihre Karriere als Stand-up-Comedian hat Harriet Beveridge mit Kursen gestartet und dabei erst einmal selbst erfahren, wie transformativ Humor sein kann. Und wie hilfreich, um mit den Herausforderungen und Veränderungen im Leben umzugehen. Wie heisst es so schön: Humor ist, wenn man trotzdem lacht.

Wir treffen die Mutter von zwei Jungs im Teenageralter online. Sie sitzt in Bath (UK), wo die Sonne an diesem Nachmittag auf ihr Pult scheint. Auch sie selbst strahlt, ist in ihrem Element: erzählt, lacht, reagiert – manchmal wie aus der Kanone geschossen, manchmal nach einer Denkpause.

WOMEN IN BUSINESS: Harriet, was haben Sie Karrieremenschen zu bieten? 
Harriet Beveridge: Ich kann helfen, aussergewöhnliche Leistungen zu erzielen und Erfolg zu haben, mit Betonung auf UND.

Warum betonen Sie das?
Weil sehr viele Menschen das als entweder oder erleben, weil sie das Beste aus ihrem Leben machen wollen und sich dabei ruinieren, weil sie sich zu sehr anstrengen. Es ist effizienter, sich standardmässig um das eigene Wohlbefinden zu kümmern, anstatt zu versuchen, die Balance zwischen Arbeit und Privatleben an den Rand zu drängen. Mit dem verbunden zu sein, was einem wirklich wichtig ist, macht resilient.

Kann man das lernen?
Natürlich, das ist ja das Gute daran.

Was haben Sie für Tipps auf Lager?
Ganz viele, sehr verschiedene. Ich bin kein Guru mit perfekten Rezepten und Antworten, aber ich bin eine, die selbst unterwegs ist und in ihrem Rucksack Erfahrungen und Tipps von zwei Jahrzehnten, die ich damit verbracht habe, zu forschen, zu experimentieren und zu üben, wie man Glauben und Selbstvertrauen aufbaut, wie man Gewohnheiten ändert und installiert und wie man ein Netzwerk knüpft, in dem man gedeihen kann.

Ein konkreter Tipp?
Einer ist zum Beispiel die Zehn-Minuten-Regel: Beginnen Sie eine unangenehme Aufgabe mit der Erlaubnis, nach zehn Minuten wieder aufzuhören. Untersuchungen zeigen, dass das Gehirn dann weiterarbeitet. Und wenn Sie sich dann wieder an die Aufgabe setzen, fällt es schon leichter, sich damit zu beschäftigen. Oder aber Sie stellen nach zehn Minuten sogar fest, dass Sie problemlos dranbleiben können – weil die Aufgabe gar nicht so unangenehm ist, wie gedacht.

Wie gehen Sie vor?
Ich bin eine leidenschaftliche Verfechterin der Komödie als Kraft des Guten. Ich kombiniere meine vielfältigen Learnings aus Einzelcoachings und auf der Bühne mit meiner Expertise als Unternehmenscoach. Die Strategien aus der Stand-up-Comedy helfen, Resilienz und nachhaltige Leistung aufzubauen.

Wie haben Sie zur Stand-up-Comedy gefunden?
Es war ein Prozess. Ich ging an einen Standup-Comedy-Kurs. Coaching und Comedy ist irgendwie das gleiche. Es geht darum, auszusprechen, was aktuell geschieht und nicht, was wir annehmen oder sehen wollen. Und dann geht es darum, neugierig zu sein und zu fragen, warum mache ich, was ich mache? Die Komik funktioniert ziemlich ähnlich.

Erinnern Sie sich an den ersten Kurs?
Der erste Kurs wurde von einem sehr, sehr chaotischen Stand-up-Komiker geführt. Es war sehr gut, denn es war so ganz anders als alles, was ich bis dahin gemacht habe. Wir haben daran gearbeitet, sehr klar zu sein in Bezug auf das, was wir fühlen, bei allem, was wir tun. Bist du genervt? Das ist interessant. Bist du aufgeregt? Das ist interessant.

Wo haben Sie Ihre Wurzeln als Berufsfrau?
Ich habe an der Universität in Oxford studiert und verschiedene Abschlüsse gemacht. Aber das, was mich am meisten interessiert, sind menschliche Connections. Ich bin gerade an meiner Masterarbeit in Neurowissenschaften. Meine Karriere habe ich als Unternehmensberaterin bei Ernst & Young gestartet. Ich habe schnell gemerkt, dass die Leute sehr heiss darauf waren, ihre Performance ständig zu verbessern.

Für die Firma?
Und für sich selbst. Das gehört für mich zueinander und zusammen. Die grosse Frage dabei ist: Wie kann man eine gute Karriere machen und gleichzeitig aufblühen.

Sind Sie sehr busy?
Ja. Aber ich habe die Kontrolle darüber. Es ist ja sehr einfach, in die Falle zu treten, oh, ich bin so busy, oh, ich bin so ausgelastet. Das höre ich so oft bei meinen Klienten. Ich sage dann immer, okay, was von all dem, was dich so busy macht, kannst du kontrollieren? Was ist nur lärmig?

Sie haben Kinder?
Ja, zwei Jungs im Teenage-Alter.

Wie kommen Sie mit denen klar?
Es ist eine besondere Situation. Auf einmal habe ich noch zwei Männer im Haus. Sie sind gross. Und grossartig.

Sie sind seit 20 Jahren im Geschäft. Wie hat es sich entwickelt?
Was ich sehe bei Frauen: Es lastet mehr Druck auf ihnen als früher. Und ich habe oft mit Frauen zu tun, die daran arbeiten, was Führen für sie heisst. Ist es copy-paste dessen, was Männer machen, damit sie die Beförderung bekommen? Die Möglichkeiten und Optionen werden besser, aber der Druck auch grösser. Er ist riesengross – in allem super zu sein.

Ist das überhaupt manageable oder brennt einen das zwangsläufig aus?
Es klingt vielleicht etwas simpel, aber vieles lässt sich regeln mit «wählen». Welche Games spielen wir mit, welche nicht? Es ist so schnell passiert, dass man in der Falle sitzt, in der die Gesellschaft sagt, was man zu tun und zu lassen hat.

Ihre Wahl?
Ich wollte immer etwas machen, das mir erstens Spass macht, was mich mit Menschen verbindet und mit dem ich einen Unterschied machen kann und nicht einfach das Naheliegende, Offensichtliche. Zum einen Ja zu sagen, heisst auch zum anderen Nein zu sagen. Man muss aufrichtig und ehrlich sein mit sich selbst.

Was sind denn so die Themen ihrer Klientinnen?
Ich höre oft, ich will mich nicht in Politik verstricken und mich damit aufhalten. Als Coach muss ich das aufschlüsseln. Politik kann ätzend sein, das kann man nicht kontrollieren, aber was man sehr wohl in der Hand hat, ist der Umgang damit. Das gilt ganz generell. Das ist wohl einfacher gesagt
als getan. Wer der Star in seiner Show sein will, braucht ein Supportteam aus herzlichen, gleichgesinnten Seelen. Als ich vor 20 Jahren angefangen habe, war das für Männer alles viel einfacher als für Frauen. Sie hatten den Golfclub, den Stripclub, den Gentlemen’s Club.

Was haben Sie für ein Supportteam?
Ich habe einen Coach, ich habe Sponsoren, ein Soundingboard und Freunde, um mich auszutauschen und zu reflektieren. Und eine Putzfrau. Ich stelle fest, dass viele Frauen sich davor scheuen, sich
unterstützen zu lassen, nicht aus finanziellen Gründen, sondern wegen einer inneren Blockade von der Art «ich sollte doch in der Lage sein, das allein zu schaffen».

Sie haben ein Buch mit dem Titel «Will it make the boat go faster» geschrieben – in Kollaboration mit einem Olympioniken. Wie sind Sie auf die Idee gekommen?
Ich bin total unsportlich. Ich bin in eine Firma eingestiegen und am gleichen Tag auch Ben Hunt Davis. Seine Geschichte ist hoch inspirierend: Er hat als ganz gewöhnlicher Kerl mit einem ganz gewöhnlichen Team Aussergewöhnliches erreicht: olympisches Gold. Er hat ein paar sehr interessante Strategien für die Sportler. Das Buch handelt davon, diese Strategien ins tägliche Leben zu transferieren und sie zu nutzen für unser eigenes Fortkommen.

Welches ist die effizienteste Strategie?
Es gibt 13 Kapitel. Für mich persönlich am nutzbringendsten war das Thema rund um den Glauben an sich selbst. Und es hat mich sehr fasziniert, dass selbst das olympische Team mit den besten Ruderern Englands immer noch intensiv an seinem eigenen Selbstvertrauen arbeiten muss.

Was steckt dahinter?
Die Tatsache, dass man nur die Performance kontrollieren kann, nicht die Resultate. Aber genau daran werden wir gemessen, dafür werden wir bezahlt. Man darf seinen Selbstwert deshalb nicht von Resultaten abhängig machen. Im Buch haben wir zahlreiche erprobte Methoden drin, die einem helfen, die eigene Performance auf Gold-Medaillen-Level zu bringen für eine erfüllende Karriere.

Was ist eine erfüllende Karriere?
Für jeden etwas anderes und die Antworten auf Fragen wie, was motiviert einen, was treibt einen an? Mich zum Beispiel motiviert es, mit Leuten in Verbindung zu treten, Spass zu haben und bei ihnen etwas zu bewirken. Ich coache Leute mit sehr verschiedenen Fähigkeiten.

Was haben sie gemeinsam, ausser dass sie sich von Ihnen
coachen lassen?

Die Japaner haben dafür den Ausdruck «hungry ghosts». Er bedeutet, nie zufrieden sein, immer mehr zu wollen, nach etwas zu streben, um glücklich und zufrieden zu sein. Nur: Man wird nicht glücklich und zufrieden, wenn man etwas Bestimmtes erreicht hat. Es geht im Leben aber darum, wie man glücklich sein kann, mit dem, was man ist und was man hat.

Sie halten viele Reden, stehen als Komödiantin auf der
Bühne. Ihre Witze kommen nicht immer an. Wie ist das?

Wie eine grosse Metapher für das Leben: Man bekommt nicht immer, was man sich wünscht und was man will. Wir tun so, als könnten wir Versagen und Fehler verhindern. Können wir aber nicht. Manchmal gehe ich auf die Bühne, und es klappt nicht. Das passiert den besten Comedians. Wir arbeiten, machen Fehler und wir versagen. Hart, aber gehört einfach dazu. Für einen Comedian ist es das Grösste, wenn sein Publikum lacht. Wenn man zusammen lacht, ist man verbunden. Der Preis, den man bezahlt, indem man sich darum bemüht, ist halt einfach, dass es nicht immer klappt.

Ist Humor etwas Individuelles oder Generelles?
Beides. Jeder mag einen individuellen Sinn für Humor haben. Aber es funktioniert oft sehr gut, die Dinge beim Namen zu nennen, auszusprechen, direkt, ungeschönt. Oder zu übertreiben – bis zur Verzerrung der Realität.

Ist es anders in England oder in Deutschland auf der
Bühne zu stehen?

Absolut. Man darf natürlich nicht generalisieren, aber Holländer sind zum Beispiel viel direkter als Briten, die haben dafür ein Feeling für Doppelbödiges. Es gibt klar kulturelle Unterschiede. Davon lasse ich mich nicht leiten, sondern achte vielmehr auf das individuelle Level des Publikums.

Kennen Sie das Publikum denn?
Ich versuche, so viel herauszufinden über das Publikum, wie ich kann. Aber nichts ersetzt schliesslich auf der Bühne zu stehen und dann herauszufinden mit Interaktionen, wo die Leute stehen.

Für Sie als Coach: Was ist der einfachste Fall, was schwierig?
Das lässt sich nicht so einfach beantworten. Coaching ist ein starkes Instrument, weil es dazu dient aufzudecken, wo es klemmt und was dahinter steckt. Kollegen zu finden, ist an sich ja einfach. Und wenn nicht, ist es spannend aufzudecken, warum es schwerfällt. Coaching ist wie eine Schatzsuche – man sucht das Schloss und dann den Schlüssel. Das braucht manchmal Zeit, manchmal hat man beim ersten Versuch den richtigen Schlüssel in der Hand. Manchmal muss man 20 verschiedene Schlüssel ausprobieren, bevor man Zugang erhält.

Wie merken Sie, dass es der richtige ist?
Das macht richtiggehend Klick. Es ist das Schönste für mich als Coach, dabei zu sein, wenn die Truhe aufspringt. Worüber sprechen Sie am liebsten als Keynote-Speaker vor einer weiblichen Zuhörerschaft? Wie können wir einen guten Job machen bei der Arbeit und gleichzeitig gedeihen und nicht ausbrennen.

Was ist der Schlüssel?
Anerkennen, dass man Arbeiten geniesst, Freude daran hat, kann einer sein. Oder sich darüber bewusst zu werden, was einem wichtig ist und worauf man seine Energie verwendet. Hier besteht oft ein Graben. Viele denken, harte Arbeit muss weh tun und schwer sein. Und um weiterzukommen, muss es maximal unbequem sein. Dabei: Man kann sehr gut sein im Job und das, was man tut, geniessen und Freude daran haben.

Können Sie selbst in Ihrem Leben umsetzen, was Sie predigen?
Jedes Mal, wenn ich eine Keynote-Session halte oder eine Einzelsitzung, ist es, als würde ich in den Spiegel schauen. Ich gehe jeden Tag durch mein eigenes Coaching-Programm. Ich glaube, ich bin ziemlich gut darin, Grenzen auszubalancieren.

Das heisst konkret?
Ich tendiere dazu, zu schnell ja zu sagen, zu zu vielen Dingen. Ich habe es mir zur Gewohnheit gemacht, bei einer Anfrage zuerst eine Pause einzulegen, bevor ich antworte.

Haben Sie Role Models?
Einen Menschen auszuwählen, kann gefährlich sein, man idealisiert, vor allem, wenn es Menschen sind, die man nie persönlich treffen kann. Wir haben alle Superkräfte.

Ihre?
Humor.

Haben Sie einen Lieblingswitz?
Ja. Den ersten Witz meiner Kids. Sie waren noch klein und der Witz ist schrecklich, aber sie haben alle so zum Lachen gebracht, deshalb ist es mein Lieblingswitz.
Er geht so: Was ist das, sagt eine Null zu einer anderen Null und
zeigt auf eine Acht. Die Antwort: Schöner Gürtel.

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Die Initiative She’s Mercedes steht für die Idee, dass Inspiration Aussergewöhnliches bewirken kann. Mehr zur Initiative und zu den Events von She’s Mercedes in der Schweiz finden Sie im Newsletter mercedes-benz.ch/shesnewsletter-de sowie unter mercedes-benz.ch/shes

Im Gespräch mit Marguita Kracht

Posted by Ambra Spiller

Sie ist hineingeboren in die Besitzerfamilie eines der besten Hotels der Welt, dem Baur au Lac in Zürich, und wird dereinst das Zepter von ihrem Vater, Andrea Kracht, übernehmen. Wir haben mit Marguita Kracht, 31, über die Freuden und Leiden einer Hotelerbin gesprochen, über den Seiltanz zwischen Tradition und Zeitgeist sowie über ihren selbstbestimmten Werdegang.

WOMEN IN BUSINESS: Frau Kracht, erstaunlicherweise waren Sie nicht an der Hotelfachschule in Lausanne (EHL), sondern haben einen anderen Weg eingeschlagen. Wie kams?

Marguita Kracht: Ich habe als Kind zwar nie im Hotel gelebt, habe aber viel Zeit im Hotel verbracht und war von klein auf damit vertraut. Zudem: Mein Vater war an der EHL und ich dachte, ich mache was anderes. Meine letzten Schuljahre habe ich in einem Internat in der Westschweiz absolviert zusammen mit jungen Leuten vornehmlich aus dem angelsächsischen Raum. Dort habe ich entschieden, in den USA Wirtschaft zu studieren. Ich habe mich an der Boston University beworben und wurde dort angenommen.

Ihre Eltern liessen Sie einfach ziehen? 
Absolut, der Entscheid war ganz in ihrem Sinn. Sie haben mich stets ermutigt, zu reisen, die Welt zu entdecken und verschiedene Kulturen zu erleben. Als Unternehmen sind wir auch schlussendlich international unterwegs, von den Gästen bis zum Personal.

Und Ihre Motivation?
Ein anderer Blickwinkel, um mein Bild zu vervollständigen. Ich bin deshalb auch nicht direkt nach der Universität in die Hotellerie, sondern habe in New York bei Moët Hennessy als Praktikantin angefangen.

Warum?
Es hat mich interessiert. Wir haben hier ja auch den Weinhandel Baur au Lac Vins, der genauso zu unserem Unternehmen gehört wie das Hotel. Es war eine grossartige Gelegenheit, Erfahrungen im Bereich von Marketing und Kommunikation zu sammeln, für den das französische Luxuskonzern LVMH, zu dem Moët Hennessy gehört, so bekannt ist. Sie betreiben Marketing und Kommunikation auf höchstem Niveau. Es war dann auch eine lustige, was sage ich da, eine intensive Zeit.

Erzählen Sie!
Ich habe dort kurz nach meinem 21. Geburtstag angefangen, war die Jüngste im Verkaufsteam und lernte mit sehr verschiedenen Gegenübern zu kommunizieren. Wir sind im Nordosten der USA oft auf Verkaufsreisen gegangen, haben mit unserem Champagnerportfolio Restaurants, Hotels und auch Privatkunden besucht.

Was war die Herausforderung für Sie?
Wenn Amerikaner etwas verkaufen wollen, sind Sie sehr extrovertiert, während wir hier in der Schweiz eher den zurückhaltenden Auftritt pflegen. Wenn man dort Erfolg haben will, muss man aus sich herauskommen, selbstbewusst auftreten. Das war eine anspruchsvolle Übung für mich.

Was haben Sie davon behalten?
Ich habe vor allem sehr viele Einblicke bekommen in Aspekte, die
dannzumal in der Schweiz noch nicht so aktuell waren, wie professionelles
Corporate Marketing, bei dem alles konsistent ist und sich wie ein roter Faden durch das ganze Unternehmen zieht. Seit ich nun hier im Baur au Lac angefangen habe, sind wir dabei, unsere Corporate Identity dahingehend neu zu denken.

Das heisst?
Wir haben das Archiv studiert und als Erstes unser Logo neugestaltet und auch unser Wappentier, den Löwen. Wir haben ein Jahr lang daran gearbeitet. Als nächsten Schritt werden wir nun Produkte neu labeln.

Macht das Spass?
Oh ja, es gibt keine Vorgaben von einem Corporate Office. Wir sind ein Familienunternehmen, sind dynamisch unterwegs und können rasch entscheiden. Zudem ist mein Vater ein offener Mensch und für Neues zu haben.

Was sind Ihre Ideen?
Ich werde oft gefragt, was ich anders machen will. Und ich antworte immer, dass Neues nichts Neues ist für uns, sondern Teil unserer DNA. Und Teil unseres Erfolges: Die Bedürfnisse der Gäste ändern sich laufend, und das darf man nicht verschlafen, sonst gilt man rasch als gestrig. Man muss sich immer wieder fragen, was fehlt, was könnte den Gästen morgen gefallen. Man darf nie zufrieden sein, wenn man an der Spitze bleiben will. In der Familie hatte bislang jeder seine persönliche Handschrift. Ich freue mich darauf, meine eigene Persönlichkeit und Handschrift zu hinterlassen.

Können Sie sich einbringen?
Ja, mein Vater erwartet das auch. Er sagt immer, wahrscheinlich werde ich ja von uns am längsten damit leben. Und von daher ist es ihm sehr wichtig, dass mir die Änderungen, die wir anstossen und realisieren, passen, weil ich darin wirken werde.

Ihre zentralen Themen aktuell?
Ein grosses Thema ist sicher, wie wir uns vermarkten. Wir haben viele Stammgäste, die uns schon sehr lange kennen, teils schon seit Generationen zu uns kommen. Das ist eine Seite. Die andere ist, wie wir uns in der Branche vermarkten, Stichwort: «War for Talents». Wie wir uns als Arbeitgeber positionieren und zeigen, wird dabei immer wichtiger. Man kann ein superschönes Produkt haben, am Ende des Tages kommen die Gäste zu uns, weil sie den Service schätzen und die Leute, die diesen leisten. In die Hardware zu investieren, ist wichtig. Sich um die Software zu kümmern, essenziell. In einem schönen Hotel gibt es nichts Schlimmeres als unpersönlichen Service. Mitarbeiter sind bei uns nicht einfach Personal, sondern ein wichtiger Teil der Atmosphäre.

Ins Hotel Ihrer Eltern einzusteigen: Wahl oder Pflicht?
Für mich war es eine einfache Wahl, denn ich empfinde es als grosses Glück, hier das weiterführen zu dürfen, was seit 178 Jahren von meiner Familie aufgebaut worden ist. Ich war ja nun lange weg, schätze es sehr, dass ich dazu die Gelegenheit hatte. Hier einzusteigen, hat sich für mich ganz natürlich ergeben: Mit jeder neuen Erfahrung erweiterte ich meine Ideensammlung für das Baur au Lac. Irgendwann entwickelte sich aus der Ansammlung all dieser Ideen ein immer grösser werdendes Verlangen diese auszuprobieren und umzusetzen – ein Verlangen, welches ich im letzten Jahr nicht mehr loswurde.

Auf Ihnen lastet ein grosser (Erwartungs-)Druck.
Ich denke, ein gewisser Druck ist notwendig und gesund. Den braucht es auch, um sich zu motivieren und kompetitiv zu bleiben, damit man überhaupt erfolgreich sein kann.

Worin besteht der Druck?
Das Hotel gehört uns nicht. Meine Vorfahren, mein Vater und ich sind nur die, die das Haus weiterreichen. Mein Ziel im Leben ist es, dafür zu sorgen, dass das Baur au Lac erfolgreich bleibt. Mein Vater hat in den letzten Jahren vieles für das Hotel gemacht und kann es in einem super Zustand überreichen. Das ist auch mein Ziel für die nächste Generation.

Ihr Nachfolger ist schon geboren.
Ja. Er heisst Andrea wie mein Vater und ist fünf Monate alt.

Wie ist es, mit dem Vater zu arbeiten?
Das habe ich mir kürzlich auch überlegt. Es ist interessant, wir sind eine andere Generation, er ein Mann, ich eine Frau. Wir machen gewisse Dinge zusammen, mal er mehr, mal ich mehr.

Immer einer Meinung?
Wir sind uns nicht immer einig, aber grossen Streit haben wir wenig. Haben wir verschiedene Vorstellungen, versuchen wir uns einander anzunähern. Wir können sehr gut kollaborativ arbeiten und verstehen uns auch sehr gut, weil wir recht ähnlich sind vom Wesen her.

Was sind die aktuell grössten Herausforderungen?
Der Umgang mit den ganzen Trends, von Digitalisierung bis Nachhaltigkeit. Wie damit umgehen? Was davon mitmachen? Einerseits dürfen wir nichts verschlafen, andererseits uns nicht verzetteln. Damit beschäftigen wir uns intensiv und suchen Lösungen, die für uns stimmen. Kleines Beispiel: der Zimmerschlüssel. Den hat bei uns immer der Concierge ausgehändigt. Persönlich – und mit der Chance, sich mit den Gästen auszutauschen. Dieser Touchpoint ist sehr wichtig, wird geschätzt. Als wir die Rezeption renoviert haben, haben wir uns dafür entschieden, das beizubehalten. Der physische Schlüssel selbst ist heute Hightech, aber er wird vom Concierge ausgehändigt und bei Verlassen des Hauses von ihm entgegengenommen. Wie eh und je, weil er zum Haus gehört, wie übrigens auch unser Kiosk. Auch den haben wir beim Umbau neu aufleben lassen, und werden künftig dort auch eigene Produkte verkaufen.

Wie, was?
Honig aus unserem Garten, zum Beispiel. Oder unsere 1844 Schokolade, die wir ausserhalb von Paris herstellen lassen. Aktuell bin ich daran, unser Merchandising-Angebot zu überarbeiten und zu erweitern.

Ist Ihr Vater hier im Hotel Ihr Vater oder Ihr Boss?
Mein Mentor. Er hat so viel Erfahrung und das Feingefühl für Menschen und Führung. Bevor ich hier eingestiegen bin, hatte ich immer wieder Ideen, habe ihm gesagt, warum machen wir das nicht, warum nicht jenes. Heute heisst es einfach: Machs!

Wird er Ihnen das Hotel je überlassen?
Das überlege ich mir nicht. Wir teilen eine Passion, das ist wunderschön.

Was haben Sie von ihm geerbt?
Das Feingefühl für Menschen. Das ist so wichtig in unserem Business, guter Kontakt zu Gästen, Mitarbeitern, Lieferanten. Und dann das Schätzen von Traditionen und ihrer Bedeutung für das
Ganze.

Sind Sie hier im Hotel Fille à Papa?
Wäre ich ein Fils, wäre es vielleicht schwieriger, weil man mich viel stärker mit meinem Vater vergleichen würde. Das ist nicht der Fall. Ich höre nur immer wieder, wir hätten eine ähnliche Art.

Stimmt?
Ja, ich denke schon. Vielleicht bin ich die feminine Version von
ihm.

Wie sind die Aufgaben hier im Hotel verteilt?
Das Tagesgeschäft wird von unserem Direktor geleitet, und wir halten uns da raus. Wir können uns nicht in Details vergraben, sonst verlieren wir die Flughöhe, die nötig ist, um die Übersicht zu behalten. Diese Aufteilung sichert strategisches Denken für die langfristige Zukunft.

Haben Sie dafür so etwas wie einen Glaubenssatz oder ein Leitmotiv?
Ja. Das Zitat der amerikanischen Schriftstellerin Maya Angelou. Sie sagte: «Menschen vergessen, was du gesagt oder was du getan hast. Aber sie vergessen nie, wie sie sich bei dir gefühlt haben». Ich lebe jeden Tag danach.

Die Firmengründung ist eine Achterbahnfahrt

Posted by Ambra Spiller

Stéphanie Borge ist Co-Gründerin und Mitinhaberin der neuen Bäckerei Juliette – pain d’amour, die im März in Zürich eröffnet wird. Mit zwei Filialen wagen sie und ihre Geschäftspartner Nicolao Colombo und Rolf Lüthy den Sprung in die Selbstständigkeit.

WOMEN IN BUSINESS: Stéphanie Borge, nach der Tourismus-, Möbel- und Automobilbranche geht es für Sie nun ans traditionelle Handwerk. Weshalb eröffnen Sie in Zürich eine französische Bäckerei?

Stéphanie Borge: Ich bin Französin, habe meine Heimat aber mit 28 Jahren verlassen. Ich habe als Marketing-Chefin für Frankreich Tourismus in New York gearbeitet, bis ich meinen Mann kennenlernte und wir zusammen in die Schweiz kamen. Ich habe das traditionelle Baguette und die Pâtisserie aus Frankreich immer sehr vermisst. Und ich wunderte mich schon lange, dass es in Zürich keine französische Bäckerei gibt, obwohl 40 000 Französinnen und Franzosen hier leben und die Zürcher Bevölkerung grundsätzlich ein Faible für die französische Gastronomie hat. Mein Mann und mein Sohn halfen mir dabei, die Idee zu konkretisieren.

Wie ging es dann weiter?
Ich habe mich mit zwei Kollegen zusammengesetzt, um das Projekt gemeinsam zu besprechen. Die Eröffnung eines Ladenlokals birgt eine grosse Komplexität und ist nichts, was man allein bewältigen kann, wenn man es gut machen möchte. Zu dritt haben wir die Firma gegründet, einen Businessplan erarbeitet, gerechnet, analysiert und viel Zeit und Energie in die Vorbereitung gesteckt.

Was verbindet Ihre Businesspartner und Sie?
Wir teilen die Liebe zum Handwerk. Wir finden es sehr bedauerlich, dass traditionelle Handwerksbetriebe aus den Stadtzentren verschwinden und industriell gefertigten Produkten weichen müssen. Wir möchten mit hervorragenden Produkten und gutem Marketing diesem Trend entgegenwirken. Mit unseren Fähigkeiten und unserer Erfahrung ergänzen wir uns bestens. Ausserdem sind wir drei gleichermassen grosse Fans der französischen Backtradition. Baguette ist ein Kulturgut. Es ist ein Klassiker, den wir perfektionieren wollen. Doch wir bieten noch mehr als das: Bei uns soll es das beste Pâtisserie- und Brotangebot der Stadt geben. Wir durften unsere Produkte schon bei einigen Experten testen lassen und haben sehr gute Kritik erhalten. Diese Qualitätsprüfung ist uns sehr wichtig.

Weshalb war es Ihnen wichtig, nicht allein zu gründen?

Die Firmengründung gleicht einer Achterbahnfahrt. Es gibt viele Ups und Downs – Tage, die super Neuigkeiten bereithalten und solche, an denen man sich sagt: Oh nein! Gerade da sind die richtigen Partner wichtig. Sie fangen auf und motivieren, wenn man verunsichert ist.Gibt es Ängste, die Sie begleiten?
Selbstverständlich. Beispielsweise, dass wir im Hinblick auf unsere Liquidität unter Druck geraten und all das, was wir investiert haben, verloren geht. Ich sage mir aber auch: La peur n’évite pas le danger. Wir können nur unser Bestes geben und positiv bleiben. Das ist der einzige Weg, um gute Ergebnisse zu erzielen. Und selbst wenn wir am Ende nicht erfolgreich sein sollten, haben wir so viel gelernt. Es gibt keine bessere Schule als die Selbstständigkeit.Was bedeutet für Sie Erfolg?
Jeden Tag zur Arbeit gehen zu können mit Freude und Leidenschaft. Das ist die Grundlage für Erfolg.Was reizt Sie am Unternehmertum?
Ich hatte die Möglichkeit, für viele spannende Firmen zu arbeiten – in unterschiedlichen Branchen und Unternehmensformen. Das Unternehmertum war bisher noch nicht dabei, war aber immer im Hinterkopf. Ich finde es spannend, etwas für unser Team, die Gemeinschaft und mich selbst zu tun.

Was braucht es für den Schritt in die Selbstständigkeit?
Essenziell ist eine gute Idee, an die man glaubt. Details müssen geprüft und die Vorbereitung mit grosser Präzision angegangen werden. Wir haben unseren Businessplan sicher 20 mal umgeschrieben, bis die Zahlen verlässlich waren. Ausserdem muss es gelingen, andere täglich für das eigene Projekt zu begeistern, die Finanzierung zu sichern, mental stark zu bleiben und selbstverständlich Freude an der Arbeit zu haben.

Weshalb ist die mentale Stärke ein elementares Element?
Weil der Weg in die Selbstständigkeit Hürden birgt. Selbst dann, wenn alle Gründerinnen und Gründer finanziell beteiligt sind, müssen Investoren und Banken überzeugt werden, um eine solide Finanzierung zu ermöglichen. Ein weiteres Thema ist die Komplexität und die Langwierigkeit der Prozesse. Es gibt Spielregeln – insbesondere jene der Stadt. An diese muss man sich natürlich halten, auch wenn man das Gefühl hat, dass sie nicht unternehmerfreundlich sind. Wir waren überrascht, wie lange es gedauert hat, Rückmeldungen von den Ämtern zu erhalten.

Hat es bei der Suche nach Investoren eine Rolle gespielt, dass Sie eine Frau sind? Es heisst immer wieder, dass die Kapitalbeschaffung bei der Gründung für Männer leichter ist.
In unserem Fall habe ich es nie als nachteilig empfunden, eine Frau zu sein. Ich habe gemerkt: Es geht vor allem um die berufliche Erfahrung und das bestehende Netzwerk – das schafft Vertrauen. Ich würde sagen, es war bei uns sogar einfacher für mich als Frau. Auf der Suche nach Gründungssubventionen stiessen wir auf vier Genossenschaften, die für neue Projekte bürgen. Eine dieser Genossenschaften unterstützt Projekte, die von Frauen lanciert werden. Dies war für die Bankfinanzierung entscheidend.

Sie haben am 27. Februar zwei Standorte in Zürich eröffnet. Weshalb gleich zwei?
Es war für uns nicht möglich, zentral eine wirtschaftlich sinnvolle Lokalität zu finden, die gross genug ist, um die Bäckerei- und Pâtisserieproduktion unter einem Dach zu vereinen. Am Bleicherweg, mitten in Zürich, eröffnen wir unsere Boulangerie- Pâtisserie und ein Café mit 24 Plätzen. Am Vulkanplatz in Altstetten befindet sich unser Pâtisserie-Atelier. An beiden Stand- orten haben Kundinnen und Kunden die Möglichkeit, unsere Produkte zu kaufen.

Mit wie vielen Mitarbeitenden starten Sie?
Aktuell freuen wir uns über zehn Mitarbeitende. Unser Chef-Boulanger und unser Chef-Pâtissier kommen aus Frankreich und sind absolute Spezialisten. Die beiden haben wir zuerst rekrutiert. Es ist uns wichtig, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ihre Ideen und ihre Expertise einbringen und mitgestalten können. Wir möchten volle Transparenz bieten und das Gefühl vermitteln: Hier können alle anpacken und mitgestalten! Mit dieser Start-up-Philosophie hatten wir keinerlei Schwierigkeiten, in diesen doch angespannten Zeiten motiviertes Personal zu rekrutieren.

Worauf freuen Sie sich am meisten?
Selbstverständlich auf frisches Baguette mit Beurre salé. ★


Mehr über Stéphanie Borge
Stéphanie Borge ist 48 Jahre alt und lebt mit ihrem Mann und ihrem 15-jährigen Sohn in Rüschlikon. In Frankreich geboren und aufgewachsen, führte sie ihre Karriere im Bereich Sales und Marketing international zu renommierten Unternehmen aus unterschiedlichen Branchen. Zuletzt war Stéphanie Borge als Director Brand Management für das Automobilunternehmen BMW Group Switzerland tätig, verliess die Firma nach sechs Jahren und macht sich nun zusammen mit ihren beiden Partnern Nicolao Colombo und Rolf Lüthy mit einer französischen Bäckerei in Zürich selbstständig.

Mehr Infos unter: www.juliette-boulangerie.ch

Theaterinszenierung mit Adrenalinkick

Posted by WOMEN IN BUSINESS

Diandra Donecker ist eine der jüngsten führenden Kunsthändlerinnen Europas. Im Interview sagt sie, worin für sie der Reiz des Kunsthandels liegt und was der Adrenalinkick im Auktionssaal auslöst.

Kürzlich machte das deutsche Auktionshaus Grisebach mit einem spektakulären Coup von sich reden: der Versteigerung von Max Beckmanns «Selbstbildnis gelb-rosa» aus dem Jahre 1943. Das Selbstporträt des Leipzigers, das in seinem Exil in Amsterdam entstand, war ein Glanzlicht der Auktionssaison. Der Kunsthandel ist diskret, aber so viel weiss man: Das Werk stammt aus einer Schweizer Privatsammlung. Und es sollte für einen zweistelligen Millionenbereich den Besitzer wechseln.

An der Spitze von Grisebach steht Diandra Donecker. Die smarte, international ausgebildete Kunsthistorikerin hat das Haus seit 2019 einer Erfrischungskur unterzogen und versteht es, Grisebach immer wieder in eine intellektuell-prickelnde Kultureventbühne zu verwandeln. Sie weiss, was sie ihrem Publikum schuldet. Denn, wie sie einmal sagte: «Eine Auktion ist auch eine Theaterinszenierung.»

Wie kein anderes Metier gründet der Kunsthandel auf einem exzellenten Beziehungsnetz und langjähriger Erfahrung. Umso mehr liess in der Branche aufhorchen, als die Frankfurterin im Alter von erst Anfang dreissig zur leitenden Geschäftsführerin und Partnerin eines der angesehensten Auktionshäuser Deutschlands mit Sitz in Berlin (und mit einer Filiale in Zürich) erkoren wurde. Zum Zeitpunkt des Interviews ist sie mit ihrem Team in den Endzügen der Katalogisierung für die Dezember-Auktionen. Donecker, die das Haus mit rund 60 Mitarbeitern und einem Jahresumsatz von rund 50 Millionen Euro leitet, wirkt nahbar, natürlich, unprätentiös, «hands-on».

WOMEN IN BUSINESS: Sie stehen mitten in den Vorbereitungen zu der Dezember-Auktion. Wie bringt man eigentlich jedes Mal einen Katalog voll? Es heisst ja, eine Auktion lebt von den drei D: Death, Debt und Divorce? Das hiesse ja, die Werke kommen automatisch zu Ihnen?
Diandra Donecker: 70 Prozent der Einlieferungen ergeben sich aus aktiver Akquisition. D. h. für alles, was Sie in unseren Katalogen finden, kam die Initiative von uns aus. Nur die Werke im Schätzwert unter 10 000 Euro und diejenigen für unsere Online-Auktionen kommen automatisch zu uns. Mit anderen Worten. Der Prozess ist jedes Mal mit derselben grossen Spannung verbunden, der immer wieder aufs Neue dieselbe Erleichterung folgt.

Sie wurden mit 30 zur Geschäftsführerin von Grisebach gewählt. Wie steigt man so jung und schnell auf in einem Berufsfeld, das doch so stark von Beziehungen und langjährigen Erfahrungen lebt?
Nach meinem Kunstgeschichtestudium hat es mich schnell in Richtung Handel gezogen. Während und nach meinem Studium habe ich in Galerien, an Messen und in Museen zig Praktika gemacht. So entstand früh ein Netzwerk, auf das ich heute zurückgreifen kann. Ich habe sehr rasch Mentoren gefunden, die mich gefördert, aber auch stark gefordert haben, zum Beispiel Marie Christine Graefin von Huyn, die Geschäftsführerin von Christie’s in München. Mit dem Mehrheitseigner von Grisebach hatte ich ausserdem das Glück, dass er die Vision hatte, jetzt die junge Generation nachrücken zu lassen, um die Zukunft von Grisebach zu definieren. Dass ich so jung in dieser leitenden Rolle bin, funktioniert aber nur, weil meine geschätzten Kollegen und Partner, Micaela Kapitzky und Markus Krause, mit grosser Erfahrung um mich herum sind, die mit mir den Blick nach vorne wagen.

Sie sind aber auch schon für Ihre eigene Sekretärin gehalten worden. Wie gingen Sie mit der anfänglichen Skepsis um?
Interessanterweise fühlte ich mich intern von Beginn an unterstützt. Aber von aussen gab es doch einige kuriose Momente. Ich war ja unbekannt, und viele fragten verwundert, wer ich bin und warum ich so schnell nach oben komme. Es gab auch skurrile Momente. Einmal nahm ich einen Kunden in Empfang, der sagte, «Schön, nun bringen Sie mich doch gerne zu Frau Donecker». Ein anderer meinte: «Machen Sie mir bitte meinen Kaffee schwarz». Beide meinten wohl, ich sei meine Sekretärin. Aber das ärgerte mich nicht. Ich fand es eher lustig.

Worin liegt für Sie denn der Reiz des Kunsthandels? Sie waren ja am Metropolitan Museum und im British Museum und hätten ebenso gut eine Museumskarriere einschlagen können.
Was mich am Auktionswesen fasziniert, ist der Adrenalinkick, und dass man jede Saison mit anderen Kunstwerken zu tun hat. Durch die verschiedenen Einlieferungen begegnet man ständig neuen Kunden. Man muss sich immer wieder neu einarbeiten, und manchmal gibt es eine Entdeckung, eine Weltneuheit. Bei uns arbeiten 40 Kunsthistoriker mit unterschiedlichen Schwerpunkten. Mich mit ihnen auszutauschen, bereichert mich ungemein. Ich lerne dabei ständig Neues hinzu. Ich könnte es negativ ausdrücken, und sagen, ich bin manchmal ungeduldig und ruhelos. Aber das Auktionswesen passt wohl genau deswegen zu mir. Denn wir müssen sozusagen alle sechs Monate das Rad neu erfinden, d.h. wieder Kataloge von neuem produzieren. Ein Problem hätte ich, wenn ich zehn Jahre lang am selben Projekt sein müsste. Dazu wäre ich untauglich.

Welche Erfahrungen haben Sie aus dem Ausland mitgebracht?
Die angelsächsische Museumsarbeit ist viel dynamischer und zu andern Feldern im Kunstbereich viel durchlässiger als hier in Deutschland. Man hat viel mehr Kontakt zu Sponsoren und zu Händlern. Dort ist das Museum quasi Teil des Marktes, und auch der ständige Kontakt zu Sammlern gehört dazu. In Deutschland sind die Grenzen weniger durchlässig.

Welche neuen Akzente setzten Sie, als Sie die leitende Geschäftsführung übernahmen?
Das Erste, was ich dachte, als ich hierherkam, war: Was ist das für eine wunderschöne Villa, aber warum ist hier so wenig los. Ich dachte, wir müssten es lebendiger machen, das Haus mit Veranstaltungen gegen aussen öffnen, auch die Terrasse und den Garten bespielen. Ich wollte Schwellenängste abbauen und eine neue, jüngere Klientel anziehen. Wir machen jetzt praktisch jede Woche eine Veranstaltung, zum Beispiel mit dem Comic-Zeichner Philipp Deines, der das Buch «Die 5 Leben der Hilma von Klingt» herausgab, oder dem Regisseur Lars Kraume. Der zweite Aspekt, auf den ich mein Augenmerk legte, war die Digitalisierung. Einerseits haben wir unseren digitalen Auftritt verstärkt und – während des coronabedingten Lockdowns – einen Podcast «Die Sucht zu sehen» mit der renommierten Autorin Rebecca Casati entwickelt. Andererseits bieten wir Online-Only-Auktionen an, für Editionen und Grafik sowie Werke bis 3000 Euro. Unsere Fotografie-Auktionen finden seit diesem Herbst nur noch online statt. Wir haben nämlich gemerkt, dass unsere Klientel gerade stark in der Schweiz, Frankreich und den USA vertreten ist und den gedruckten Katalog und die Live-Veranstaltung der Auktion im Bereich Fotografie nicht mehr so nachfragen. Die Abendauktionen für Kunst des 19., 20. und 21. Jahrhunderts sind aber immer noch ein gesellschaftliches Event hier in Berlin und heiss begehrt.

Gibt es auch Schattenseiten der Digitalisierung?
Sie ist ja auch verantwortlich dafür, dass es eine grosse Beschleunigung gibt – und das in einem Bereich, wo es doch eigentlich um Kontemplation und die solide Konsolidierung von kulturellen Werten gehen müsste. Die Frage ist richtig und wichtig. Man muss immer wieder darüber neu nachdenken. Einerseits kommt man heute um das Digitale nicht mehr herum. Man muss heute verstanden haben, dass der Kunde nicht mehr automatisch nach Berlin kommt, und es der globale Markt gar nicht anders erlaubt. Andererseits können Online-Auktionen dazu führen, dass ein Kunde aus der Ferne nur noch nach seinem Stichwort sucht, beispielsweise nach Lucio Fontana – und ihm dadurch Entdeckungen entgehen. Das ist schade, denn Kunst ist ja nichts anderes als eine Bildquelle, über die wir etwas über unser Menschsein erfahren. Aber wir versuchen, mit unseren Kunden so viel zu interagieren wie nur möglich.

Es ist immer wieder von neuen Käufergruppen die Rede, die in der Kunst ein Investment sehen. Machen Sie diese Erfahrung ebenfalls?
Ich denke auch, dass der Investitionsgedanke zugenommen hat. Das Volumen des Kunstmarkts hat sich auch stark vergrössert, und damit auch seine Teilnehmer. Man merkt beispielsweise, dass die Kunden sehr gut vorbereitet sind, was die Preisschätzungen anbetrifft. Viele nutzen den Zugang zu den Preisdatenbanken wie Artnet. Heute verfügen viel mehr Menschen über finanzielle Mittel, in Berlin gibt es eine starke Start-up-Kultur, da kommt schon mal der 35-Jährige zu uns, der schon eine Million Euro hat, und uns um unsere Meinung fragt. Ich betrachte es als unseren Job, mit ihm in ein Gespräch zu kommen – nicht nur darüber, was ihm spontan gefällt, sondern darüber, womit er sich sonst beschäftigt.

Die breite Masse nimmt Auktionen vor allem über die sagenhaften Preise wahr und begegnet Millionen-Beträgen auch mit Unverständnis. Spiegelt der Preis die Qualität des Werks?
Nein. In den meisten Fällen spiegelt er das Begehren von mindestens zwei Menschen, die für ein bestimmtes Werk bieten – und nicht mehr und nicht weniger. Sässe der eine zum Zeitpunkt der Versteigerung im Flugzeug und hätte die Auktion vergessen, kriegt der andere das Werk zum tieferen Schätzwert. Darin liegt letztlich auch gewissermassen die Brutalität des Marktes. Der Bürger merkt allerdings schon durch die hohen Zuschläge, die etwa ein Werk von Emil Nolde, von Gerhard Richter oder von Andy Warhol erhalten, dass einem Künstler ein besonderer Wert beigemessen wird. Dennoch: Der Preis spiegelt vor allem einen Moment wider. Etwas zugespitzt formuliert und bestimmte Raritäten ausser Acht gelassen: Morgen könnte das Resultat schon wieder ein anderes sein.

Letztes Jahr ersteigerte das Kunstmuseum Den Haag Max Beckmanns «Badende» für 2,3 Millionen Euro bei Grisebach. Hätte ein Scheich aus Abu Dhabi mehr bezahlt, wäre die Allgemeinheit um ein Kunstwerk ärmer.
Absolut. Deshalb ist es auch bei spektakulären Arbeiten wichtig, wenn sie von öffentlichen Museen angekauft werden. Wir sind der Markt. Somit kann jeder kommen, der will, und ein Werk ersteigern, wenn er das Geld dazu hat. Aber man darf nicht vergessen: Viele Privatsammler geben ihre Werke ja als Leihgaben in Ausstellungen, und auf diese Weise hat jedermann Zugang dazu. Auktionshäuser haben in den letzten Jahren viel von der Luxusgüterindustrie gelernt und verwandeln Kunstwerke in Objekte der Begierde, indem sie sie aufwändig inszenieren, und in glamourösen Events präsentieren.

Dürfen wir ketzerisch sein: Hat Kunst diese Form von Auratisierung überhaupt nötig?
Ich glaube nicht, dass das Kunstwerk sie nötig hat. Aber das Publikum hegt schon bestimmte Erwartungen. Ein gutes Bild kann man, salopp gesagt, an jede Betonwand hängen, und der Kenner würde es trotzdem erkennen und verstehen. Aber wir bewegen uns in einem Umfeld, in welchem die Klientel es gewohnt ist, auf eine bestimmte Art angesprochen zu werden. Sie erwarten ein bestimmtes Environment, eine bestimmte Form der Präsentation. Denken wir daran, wie in der Mode und im Design, oder auch in der Automobilbranche, präsentiert wird, wie man im Digitalen an die Dinge heranzoomen und von allen Seiten her betrachten kann. Da liegt es auf der Hand, dass man auch die Erfahrung der Kunst aus der Ferne ganz nah an die Menschen heranbringen will. Das Kunstwerk ist und bleibt aber das Herzstück, und das Drumherum sind die Glitzerpunkte, die den Zugang schaffen.

Sammeln Sie auch selbst Kunst?
Ja. Mein privates Interesse gilt Zeichnung und Grafik. Ich mag zum Beispiel Hermann Glöckner, einen deutschen Konstruktivisten, der während der DDR nicht anerkannt wurde, sehr gerne, oder Gary Kuehn. Ich besitze auch eine Fotografie von Alfred Stieglitz, die er von der Fotografin Dorothy Norman gemacht hat.

Hätten Sie unbeschränkte Mittel zur Verfügung, was würden Sie gerne erwerben?
Oh, ich glaube das würde täglich wechseln. Im Moment hätte ich wahnsinnig gerne ein Bild der amerikanischen Künstlerin Helen Frankenthaler! Vermutlich hätte ich jeden Tag eine andere Antwort. ★


 

Diandra Donecker
Diandra Donecker wurde 1988 als Tochter einer Kunsthistorikerin und eines Fotografen in Frankfurt am Main geboren und studierte Kunstgeschichte in München, wo sie ihre Magisterarbeit über niederländische Druckgrafik verfasste. Nach Volontariaten am Metropolitan Museum in New York, im British Museum in London und bei der renommierten Kunsthandlung Katrin Bellinger, sammelte die Kunsthistorikerin weitere Berufserfahrung bei Karl & Faber und bei Christie’s in London. Seit 2017 arbeitet sie für Grisebach in Berlin, zunächst als Leiterin der Abteilung für Fotografie, ab 2019 als Geschäftsführerin und Partnerin.

Grisebach
Grisebach wurde 1986 von Bernd Schultz in Berlin gegründet, mit dem Ziel, an die grosse kulturelle und künstlerische Geschichte der Stadt anzuknüpfen. Das Haus ist spezialisiert auf Kunst des 19., 20. und 21. Jahrhunderts und eines der führenden Kunstauktionshäuser Europas.

Foto: Markus Jans

Im Gespräch mit Sophie Lacoste

Posted by WOMEN IN BUSINESS

Sie ist Mitbesitzerin und Co-Präsidentin von Fusalp: Sophie Lacoste spricht über femininen Führungsstil, das Stahlbad Schauspielerei, ihren Umgang mit Angst und ihre Freude darüber, den richtigen Riecher gehabt zu haben.

WOMEN IN BUSINESS: Frau Lacoste, Sie sind die Enkelin des Gründers der berühmten Marke mit dem Krokodil und stehen heute nicht an der Spitze des Unternehmens?
Sophie Lacoste
: Mein Vater hat das Unternehmen 2012 an Manor verkauft. Zusammen mit meinem Bruder Philippe habe ich dann 2014 die französische Skibekleidungsmarke Fusalp übernommen – und die Marke entstaubt und neu positioniert. Aus den damals 6,3 Millionen Euro Umsatz sind 40 Millionen geworden, mit Läden von Aspen bis Zürich.

Was erzählen Sie am liebsten aus Ihrem CV?
Bevor wir anfangen: Haben Sie die neueste Studie von McKinsey gesehen über Frauen und Management?

Nein. Erzählen Sie!
Sie kommt zum Schluss, dass Firmen, die von Frauen geführt werden, sehr gut performen und wissen Sie auch warum? Frauen sind viel anpassungsfähiger als Männer.

Das hat Sie überrascht?
Nein, nein, das ist natürlich wahr. Frauen mit Managementfunktion geht es vor allem darum, Leute dabei zu unterstützen, das Beste aus sich herauszuholen und nicht um ihre eigene Profilierung. Es gibt natürlich auch Männer, die so funktionieren.

Was meinen Sie mit «so»?
Der Unterschied besteht weniger zwischen Männern und Frauen, sondern zwischen einem eher femininen und eher maskulinen Führungsstil. Zweiterer, davon bin ich überzeugt, funktioniert nicht mehr für die Generationen, die nun nachrücken. Weil sie nicht mehr die gleichen Ziele haben im Leben.

Das heisst?
Es ist nun an uns, dafür zu sorgen, dass sie sich willkommen fühlen und wohl mit den Aufgaben, die sie übernehmen, und sie wollen Impact.

Fusalp macht Kleider, die die Welt nicht braucht.
Genau. Das ist eine der Herausforderungen, denen sich viele Unternehmen heute stellen müssen. Man muss die Erfahrung der Mitarbeitenden bereichern, Sinn geben, sie auf die Art bei uns halten. Ich höre so oft von Leuten um die 25, dass sie ihren Job gekündigt haben, weil sie darin keinen Sinn sahen. Ihnen scheinen Geld und materielle Sicherheit weniger wichtig als uns.

Was tun Sie als Arbeitgeberin?
Sinn, Inspiration und Ermächtigung geben – und über den Tellerrand hinaus blicken. Wir haben zum Beispiel die philanthropische Initiative «Fusalp s’engage». Mitarbeiter können Projekte pitchen, die sie unterstützen wollen, die Belegschaft stimmt dann ab. Dabei geht es nicht einfach um Geld, sondern auch um persönliches Engagement – auch während der Arbeitszeit. Das wird sehr geschätzt.

Können Sie das Bedürfnis nach mehr als Job und Geld verstehen?
Ja. Als ich so alt war wie mein 14-jähriger Sohn heute, fiel die Berliner Mauer. Ich bin aufgewachsen in einer Welt der Entspannung und Zuversicht. Er aber wächst auf in einem Riesendurcheinander mit offenem Ausgang. Da denkt man doch ganz anders über Arbeit nach, will, wenn man schon arbeitet, auch etwas bewirken, in der Welt, in der man lebt. Wir als Entrepreneurs müssen auf dieses Bedürfnis der Mitarbeitenden reagieren, etwas geben. Sie sollen happy sein.

Sind Sie denn happy?
Ich selbst mag unsere Produkte sehr und auch die Marke Fusalp. Aber das Wichtigste und Erfüllendste für mich ist es, die Firma zu führen. Es ist spannend, und ich liebe Herausforderungen und vor allem habe ich keine Angst davor.

Wovor?
Ich rede nicht von Waghalsigem, Hochriskantem – lebensmüde bin ich nicht. Ich habe grundsätzlich vor nichts Angst. Und wenn doch, weiss ich, dass ich genau das tun muss, wovor ich Angst habe – für mein eigenes Fortkommen.

Und Sie getrauen sich das dann auch?
Ich versuche es immer und schaffe es meistens.

Grossartig –wer verlässt schon freiwillig seine Komfortzone.
Ich! Ich bin nicht gern in der Komfortzone. Da habe ich immer das Gefühl, dass ich etwas verpasse, dass das Leben an mir vorbeizieht.

Was haben Sie für Leadership-Prinzipien?
Ich bin in einer sportlichen Familie aufgewachsen und Teamgeist ist wirklich etwas, wovon ich eine Ahnung habe. Alle zusammen und viele kleine Dinge machen die grosse Geschichte.

Was war Ihr härtestes Learning, als Sie Unternehmerin wurden?
Ich glaube, die Herausforderung ist wirklich, dass jeder seinen Platz findet. Ich als Co-Präsidentin muss mir bewusst sein, was meine Verantwortung ist und was nicht. Dafür muss ich sensibel sein, wer ich bin, und daher kann ich das auch immer besser.

Können Sie das ausführen?
Ich bin nicht exekutiv und bin zwar nahe dran, aber stets mit Abstand. Ich sage niemandem, was er oder sie zu tun hat, das ist nicht meine Aufgabe und würde auch wenig Sinn machen, da viele hier schon seit Jahrzehnten im Unternehmen sind und ihren Job verstehen. Ich verfolge aber, was sie machen, weil es meine Verantwortung ist, sicherzustellen, dass sie das Richtige tun – für die Firma, für die Marke, für unsere Strategie.

Und wie machen Sie das?
Mit regem Austausch.

Wohin geht die Reise mit Fusalp?
Als wir hier anfingen, war der Bestseller eine Jacke für 269 Euro. Das war ein Produkt mit einem guten Preis-Leistungs-Verhältnis, war ein Basic ohne Identität. Wir haben uns dann auf das fokussiert, wofür die Marke einst bekannt gewesen ist: Highend-Produkte. Und dann haben wir herausgefunden, dass wir Fusalp sogar als Luxusmarke positionieren können. Heute ist der Topseller eine Jacke für rund 1200 Euro. Diesen Weg haben wir eingeschlagen und sind erfolgreich.

Erfolgreicher als erwartet?
Schon der vorherige Besitzer hatte ein paar Produkte, die sehr highend waren. Aber er konnte sie nicht verkaufen, weil ihm die Kunden fehlten. Es waren aber genau diese Teile, die uns begeistert haben, sehr klassisch, stylish, technisch hoch interessant. Bref: Wir haben sofort gespürt, dass daraus eine weltweit erfolgreiche Marke werden kann.

Wie wird eine Marke weltweit bekannt?
Durch Kollaborationen mit weltweit bekannten Marken zum Beispiel. In Frankreich, wo wir nach wie vor die Hälfte des Umsatzes machen, kennt uns jeder – als Skibekleidungsmarke. Aber: Wir machen auch Mäntel, Hosen, Blusen und so weiter. Dank der Kollaboration, die wir mit Chloé eingegangen sind, wird Fusalp auch mit anderem assoziiert als mit der Skipiste. Wir haben noch einiges Weiteres vor in der Richtung. Alles noch nicht spruchreif.

Haben Sie Rolemodels?
Ja, meine Grosseltern. Für sie war es wichtig, anständig zu sein, sich stets selbst zu verbessern und auch das Geschäft. Zwei grossartige Sportler eben mit dem Geist «man fordert sich heraus, man kämpft, aber immer Respekt vor dem Kontrahenten». Sie waren nicht nur auf sich oder das Business fokussiert, sondern haben immer mitbekommen, was rund um sie herum geschah.

Der andere Co-Präsident ist Ihr Bruder Philippe. Wie arbeiten Sie zusammen?
Wir haben beide unsere Gebiete. Bei mir sind unter anderem die Finanzen und die Kommunikation, er ist eher global ausgerichtet, kümmert sich um die Märkte.

Womit wir auf die erste Frage zurückkommen könnten …
Ich bin in Lacoste, der Firma meiner Grosseltern und Eltern, aufgewachsen und kam mit 23 in den Verwaltungsrat von Lacoste, nachdem ich meinen Master in Finance gemacht hatte. Zudem war ich Schauspielerin, das Theater war lange meine Hauptsache. Aber dieser Beruf, bei dem man viel unterwegs ist, wird anstrengend, wenn man kleine Kinder hat und extrem anstrengend, wenn die Projekte zudem eher ätzend als erfreulich sind. In genau der Situation war ich eines Tages – und habe entschieden, die Schauspielerei sausen zu lassen und bin in die Firma eingestiegen.

Ihre Eltern haben Lacoste schliesslich an Manor verkauft, statt Sie zur Nachfolgerin zu machen, woraufhin Sie ausgeschieden sind. Ressentiments?
Wissen Sie, da hat mich mein Schauspielberuf etwas Zentrales gelehrt. Es gibt Regisseure, die nicht nett mit einem umgehen, was einen hart treffen kann, da die Arbeit, die man auf der Bühne abliefert, man selbst ist. Wenn einem gesagt wird, du machst das schrecklich, ist man selbst schrecklich. Ich habe so gelernt, zu unterscheiden zwischen mir und dem Job. Und das hat mir bei der Geschichte mit meiner Familie, die lieber verkauft hat, als an die nächste Generation zu übergeben, geholfen. Ich war traurig, aber es hat mich nicht im Innersten verletzt.

Der Erfolg mit Fusalp ist Ihre süsse Rache?
Ich muss keine Rache nehmen. Das habe ich zu keinem Zeitpunkt gebraucht, aber ich bin sehr glücklich, dass es so gut läuft und wir so gut zusammenarbeiten und funktionieren. Unser Erfolg gehört uns allen.

Was ist aus dem Theater geworden?
Ich gehe nach wie vor zweimal die Woche ins Theater und würde noch öfter hingehen, wenn ich könnte. Ich liebe es, je öfter desto besser.

Was lieben Sie daran so sehr?
Wenn ich mich in den Stuhl setze, im Dunkeln, da bin ich allein mit mir und die andern um mich zählen nicht mehr. Ich kann das Stück schauen oder etwas ganz anderes denken, habe Zeit dafür und das Recht dazu. ★

Foto: Fusalp

Wie wollen Sie sich 2023 fühlen?

Posted by WOMEN IN BUSINESS

Das neue Jahr hat begonnen und damit die Herausforderung, all die guten Vorsätze umzusetzen, die man sich vorgenommen hat. Viele Menschen scheitern daran, dieses Vorhaben einzuhalten und hören irgendwann ganz damit auf. Dabei hilft uns ein Jahresmotto oder -vorsatz unser Leben bewusster zu gestalten und damit auch zufriedener zu sein.

Der Jahreswechsel ist eine gute Gelegenheit uns zu fragen, was wir vom kommenden Jahr erwarten; welche Wünsche, Ziele und Träume wir haben. Denn ohne eine klare Vorstellung davon, was wir wollen, besteht die Gefahr, dass wir uns einfach vom Fluss des Lebens treiben lassen und nicht dort landen, wo wir eigentlich hinwollten.

Machen Sie sich Gedanken, was Sie im neuen Jahr erreichen möchten. Helfen Ihnen konkrete Vorsätze? Dann entwerfen Sie am besten gleich einen Plan, wie Sie diese umsetzen. Ansonsten versuchen Sie es doch mal mit einem Jahresmotto. Wir haben uns dazu entschieden, uns dieses Jahr von einem GEFÜHL leiten zu lassen, statt guten Absichten nachzujagen.

Gefühle als Wegweiser
Nehmen Sie sich einen Moment Zeit, um sich bewusst zu werden, mit welchem Gefühl Sie durchs neue Jahr gehen wollen. Das kann der Wunsch nach mehr Gelassenheit, Neugier oder Freude sein, oder dass Sie sich mutig, erfolgreich oder lebendiger fühlen wollen. Vielleicht steht das neue Jahr für Sie auch unter dem Motto Freiheit: Die Freiheit so zu sein und sich so zu zeigen, wie Sie wirklich sind. Oder sich die Freiheit zu nehmen, die Dinge zu priorisieren, die Ihnen guttun.

Versuchen Sie immer wieder, in ihr persönliches Jahresgefühl einzutauchen. Malen Sie sich aus, was Sie alles tun können, um sich so zu fühlen. Und überprüfen Sie im Laufe der Monate, ob sich das Motto noch gut anfühlt.

Nutzen Sie Ihre Ressourcen
Egal ob wir uns konkrete Handlungen oder ein bestimmtes Lebensgefühl für 2023 vornehmen, wir sollten darauf achten, dass es nicht zum lästigen «To Do» wird, sondern uns als Ressource dient. Wir können unseren Alltag nämlich besser bewältigen, wenn wir uns immer wieder Zeit für das nehmen, was uns stärkt. Das kann für einige eine Auszeit mit Yoga oder Wandern sein, andere geniessen in Ruhe einen Kaffee oder lesen ein Buch. Manchmal sind es die kleinen Dinge, die uns helfen mit mehr Energie und Freude durch den Tag zu gehen. Wir haben für Sie eine Vorlage erstellt, in die Sie Ihre persönlichen Ressourcen für 2023 schreiben können. Und falls es Ihnen schwerfällt, haben wir zur Inspiration bereits ein paar Ideen unserer Klient:innen eingefügt.

Sie können Ihre persönliche Liste oder einen anderen Gegenstand am Arbeitsplatz auch als Erinnerung nutzen, um regelmässig eine Pause einzulegen und sich zu fragen, wie Sie sich gerade fühlen. Wenn das Gefühl nicht dem entspricht, wie Sie sich fühlen wollen, dann kann eine für den Moment passende Ressource helfen, Ihre Innenwelt neu wieder auszurichten.


 

CC Studio GmbH – Coaching & Consulting
Wir sind Caroline und Chantal Rampone. Coaching ist unsere Leidenschaft. Mehr Menschlichkeit und Lebensqualität in der Arbeitswelt zu fördern, ist unsere Mission. Wir unterstützen Sie dabei, mutig und neugierig neue Perspektiven zu erfahren und einen empowernden Team Spirit zu kreieren. Wir stärken Ihre Selbstwirksamkeit und begleiten Sie in Ihrer persönlichen Entwicklung und Entfaltung für mehr Zufriedenheit im Alltag.
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Bisherige Gastkolumnen:

 

 

Nachhaltig investieren geht nur aktiv

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Anja Hochberg verwaltet bei der Zürcher Kantonalbank rund 40 Milliarden Schweizer Franken. Wo andere der Schwindel befällt, bewahrt sie ruhig Blut. Schliesslich hat sie schon einige Krisen gesehen, bewältigt und analysiert. Und sie weiss: Menschen sind wichtiger als Materielles.

Anja Hochberg empfängt im Büro mit riesigen Fensterfronten und einem tollen Ausblick ins Industriequartier rund um die Neue Hard im Zürcher Kreis 5. Ihr Chef, Iwan Deplazes, hat seinen Stuhl für einen Monat geräumt. Nun ist Hochberg die Anlagechefin der Zürcher Kantonalbank. Sie vertritt ihren Boss im Rahmen eines Programms zur Frauenförderung der ZKB: In diesem Jahr sind 150 Leitungspositionen ausgeschrieben, auf die sich Frauen bewerben können, um einen Monat auf dem Chef(innen)sessel zu sitzen. «Eine coole Sache», findet Anja Hochberg. Es symbolisiere in die Organisation hinein, dass Frauen Führungsrollen übernehmen können. Jede könne herausfinden, ob sie sich als Chefin eigne. Für sie halte sich die Herausforderung in Grenzen, fügt Hochberg ruhig an, sie habe ja schon Ähnliches gemacht. Manche Chefs begleiteten mehr, ihrer habe so viel zu tun, «dass er mich alleine rennen lässt. Da muss er halt mit den Entscheidungen leben, die ich treffe», erklärt sie und lacht.

Anja Hochberg ist mit ihrem 17-köpfigen Team für die Multi-Asset-Lösungen der ZKB zuständig. Diese Mischfonds im Umfang von 40 Milliarden Schweizer Franken sind das Kernangebot der ZKB. Rund ein Drittel davon entfällt aufs Vorsorgesparen (etwa mit frankly, siehe Box), zwei Drittel sind hochindividuelle Mischlösungen für institutionelle Anleger und sehr vermögende Privatpersonen. Das Kundenspektrum ist extrem breit – «jeder hat irgendwie mit uns zu tun».

WOMEN IN BUSINESS: Anja Hochberg, wir leben in unruhigen Zeiten. Wie beeinflusst die geopolitische Lage Ihre Arbeit?
Anja Hochberg
: Das treuhänderische Mandat sitzt uns fest auf den Schultern. In diesen Zeiten hilft uns unsere Erfahrung – wir haben im Team einen Schnitt von 18 Jahren Markterfahrung. Da haben wir schon einiges durchgemacht.

Und die Klimakatastrophe?
Wir nehmen sie als aktives Mandat war und haben als erste Schweizer Asset Manager die aktiv gemanagten Portfolios am Pariser Klimaabkommen ausgerichtet. Wir verwalten 200 Milliarden Schweizer Franken und sind in vielen Unternehmen Grossaktionäre. Im Jahr sitzen wir rund 300- bis 500-mal mit den Verwaltungsrätinnen und -räten oder dem Management von Schweizer und internationalen Firmen zusammen und diskutieren mit ihnen die Massnahmen zur Senkung des CO2-Ausstosses, eine unserer Bedingungen für Investitionen. Ein gutes Beispiel, das wir zusammen mit anderen Asset Managern gestemmt haben, ist Holcim, die ein extrem CO2-intensives Geschäft betreiben. Unser Engagement hinsichtlich CO2-Reduktionspfad hat unter anderem bewirkt, dass Holcim einen Bond zur Unternehmensfinanzierung begeben hat, der an CO2-Reduktionsziele gebunden ist. Hält das Unternehmen seine eigenen Ziele nicht ein, muss es höhere Zinsen zahlen, was sich aufs Geschäft auswirkt. Nachhaltigkeit ist ein zentraler Performancetreiber der Zukunft und fester Bestandteil unserer Investmentphilosophie. Möchte ein Anleger ein Sündenportfolio haben mit Kohle, Tabak, Splitterbomben, kann er das gerne woanders machen. Wir haben Ausschlusskriterien. Unternehmen, bei denen wir denken, ein Transformationsprozess könnte sich lohnen, begleiten wir. Deshalb halten wir ESG-Lösungen, die nur auf Ausschluss setzen, für nicht zielführend.

Es gibt mittlerweile viele Anlageprodukte, die «nachhaltig», «grün», sogar «dark green» sein sollen. Wie finde ich als Kundin heraus, was echt ist und was Greenwashing?
Ganz wichtig ist, dass jeder Nachhaltigkeit für sich definiert. Innerhalb der EU soll die Taxonomie dem Ganzen eine Struktur geben. Das hilft bei einer ersten Einsortierung. Darüber hinaus gibt es seit kurzem eine Selbstregulierung der Schweizer Asset Manager, die sich verpflichten, diese Mindestkriterien auch einzufordern. Für mich das Relevanteste: Transparenz. Was verspricht der Prospekt? Bei unseren Produkten weisen wir in einer Bewertungsskala den Grad der Nachhaltigkeit aus, von A bis G. Wir zeigen für unsere Fonds auch den CO2-Absenkungspfad auf. Auch wir unterscheiden zwischen hellgrün – Firmen, die auf dem Weg sind und die wir begleiten – und dunkelgrün, extrem nachhaltige Unternehmen. Es ist schwierig, Firmen zu finden, die durchwegs dunkelgrün sind. Vesta etwa, die Windräder produziert, ist eine Firma, wo das eindeutig ist. Nicht so eindeutig wäre eine Schuhproduktionsfirma, die sich entschieden hat, 30 Prozent ihrer Turnschuhe mit aus dem Meer abgefischtem Plastik herzustellen. Da muss man dann abwägen, ob das reicht für eine Aufnahme in ein streng nachhaltiges Universum. Wir analysieren jedes Unternehmen im Hinblick auf die verschiedenen Nachhaltigkeitsdimensionen und sind fest davon überzeugt, dass nachhaltig investieren nur aktiv geht.

Wieso gibt es keine Anlageprodukte, die explizit für Frauen sind?
Wir wollen unseren Investorinnen und Investoren ermöglichen, in den verschiedenen Schattierungen von Nachhaltigkeit zu investieren. Von «pinken» Produkten halten wir nichts, wir wollen unsere Anlagen nicht nur einer Zielgruppe zur Verfügung stellen. Wir wissen allerdings, dass Frauen tendenziell risikoärmer investieren, deshalb bieten wir die Strategien für verschiedene Risikoappetite an. Frauen sollen aber an allen Anlagen teilhaben können, vielleicht mit einer zusätzlichen Sicherheitsstufe, dafür etwas weniger Rendite. Das Problem ist ein anderes: Wie bringe ich Frauen dazu, zu investieren? Wie behalte ich sie bei der Stange? Welche Themen interessieren Frauen? Hier müssen wir stärker auf Investitionsinhalte fokussieren und nicht einfach klassisch auf die Rendite verweisen. Ein Vergleich zum Autokauf: Während sich Männer eher für PS und Drehzahl interessieren, wollen Frauen mehr über die Innenausstattung wissen, ob ein Kindersitz Platz hat, wohin der Kaffeebecher kommt. Das haben noch zu viele Banken und Asset Manager nicht auf dem Radar.

Investieren Frauen anders als Männer?
Auf den ersten Blick ja, sie sind risikoaverser und investieren defensiver. Vergleicht man aber Frauen und Männer mit demselben finanziellen Know-how, verhalten sie sich ähnlich. Die Tatsache, dass Frauen risikoaverser sind, wird oft dahingehend interpretiert, dass sie unsicher seien, weniger Know-how hätten. Die andere Interpretation wäre: Männer investieren trotzdem, obwohl sie keine Ahnung haben.

Sie empfehlen den Frauen, sich weiterzubilden. Konkrete Tipps?
Wichtig ist: Man muss keine Expertin auf dem Gebiet werden. Frauen sollen sich klarmachen, wieso sie investieren sollen, warum Investieren besser ist als Cash zu haben, besonders in Zeiten steigender Inflation. Es gibt enorm viele spannende Podcasts zum Thema, Onlineangebote, Frauenfinanzseminare, da erlangt man zum einen in einer verdaubaren Art und Weise das Wissen und man kann sich mit anderen Frauen zum Thema vernetzen. Das finde ich bei den Finanzevents für Frauen gut. Ein Buch bringt einen da nicht unbedingt weiter.

Gerade in der Altersvorsorge müssen Frauen aufholen. Da erstaunt es doch, dass sich trotzdem viele, auch jüngere Frauen, nicht genügend um ihre finanzielle Situation kümmern. Wie erklären Sie sich das?
Schaut man sich die Durchschnittsbiografie einer Frau an, ist es oft so, dass sie entweder relativ spät ins Arbeitsleben eintritt oder relativ lange draussen bleibt. Dann arbeitet sie auch noch Teilzeit und von dem, was sie verdient, bleibt ihr relativ wenig zum Sparen. Bei den Männern ist der Einstiegslohn höher und damit auch die Möglichkeit, zu investieren. Das ist für mich der Hauptgrund. Zum andern ist es für Männer normal, über das Thema nachzudenken. Frauen setzen oft andere Prioritäten. Für Männer ist Geld zum Teil auch ein Stammtischthema – schau mal, was ich Cooles gemacht habe! Keiner hausiert mit seinen Verlusten, aber sie beschäftigen sich mit dem Thema. Da muss ich mich als Frau dann selbst am Kragen nehmen, weil es wichtig ist für meine eigene Zukunft. Ich investiere in die Kinder, aber ich muss auch in meine Zukunft investieren. Viele Frauen gönnen sich zu wenig Ich-Zeit, das kenne ich selbst auch. Und zu dieser Ich-Zeit muss eben auch das Thema «Ich und meine Finanzen» gehören.

Sie bekleiden eine hohe Position in der Finanzwelt und sind noch immer ziemlich allein auf weiter Flur …
Es gibt zum Glück noch andere Frauen in vergleichbaren Positionen. Ich profitiere hier wohl von einer gewissen Presseresonanz aus früheren Rollen, aber es gibt immer mehr Frauen an der Spitze. Zum Beispiel Mirjam Staub-Bisang bei BlackRock, Charlotte Bänniger beim Fixed-Income Bereich von UBS Asset Management, Fiona Frick bei Unigestion, Nanette Hechler-Fayd’herbe bei der CS, Christel Rendu de Lint bei Vontobel. Wir tauschen uns regelmässig aus. Wir können zeigen, dass es möglich ist – und was ich ganz wichtig finde: Wir können auch zeigen, dass es Spass macht. Und dass es eine attraktive Aufgabe ist. Für mich die attraktivste Berufung, die es gibt.

Sie haben eine 16-jährige Tochter. Was raten Sie ihr?
Sie bekommt natürlich durch meinen Job viel mit. Mittlerweile interessiert sie sich auch fürs Anlegen, weil sie gemerkt hat, dass ein Teil ihrer Wünsche über ihr Taschengeld hinausgeht. Sie hat jetzt einen Fondssparplan, was ich allen Jugendlichen empfehlen würde. Wenn vom Taschengeld etwas übrigbleibt, kann man das einzahlen, sich selber Investitionsziele setzen. Mit dem derzeitigen Marktumfeld lernt sie nun auch, dass es Risiken gibt und nicht immer alles schön geradeaus läuft. Im Gymnasium hat sie eine Einführung in Wirtschaft und Recht, aber Finanzfragen werden nirgends thematisiert. In der Biologie erfahren wir, wie die Nierenkörperchen der Regenwürmer heissen und müssen das auch noch auswendig lernen. Wie relevant investieren, die eigenen Finanzen für das künftige Leben sind, erfahren die meisten erst dann, wenn sie das erste eigene Geld verdienen. Das Thema müsste auf allen Schulstufen vermittelt werden. Wenn es keinen Platz dafür hat im regulären Lehrplan, wieso nicht einmal eine Projektwoche zum Thema Finanzen anbieten?

Sie sind in der DDR aufgewachsen. Wie hat Sie das geprägt?
Meine 18 Jahre in der DDR haben mich geerdet. Ich weiss, womit man als Mensch auskommt, und ich weiss, was ich im Zweifelsfall nicht brauche. Das macht mich unabhängig, speziell in einer Branche, die stark von finanziellen Anreizen lebt. Ich nenne es unabhängig, man könnte auch sagen: nicht erpressbar. Was ich in der DDR auch gelernt habe: Beziehungen zu Menschen sind wichtiger als Materielles. Und dass es sich lohnt, Dinge zu hinterfragen, sich auch mal gegen etwas zu stellen. Was ich in der Wendezeit erlebt habe, hat mir gezeigt, wie wichtig es ist, für etwas einzustehen. Und im Zweifelsfall auch dafür die Konsequenzen zu tragen. Die DDR-Zeit hat mir auch Flexibilität im Denken gebracht. Das hilft mir auch, wenn es um Investitionen geht. Wenn einer sagt, das hats noch nie gegeben, das wirds nie geben, dann sage ich: nein, alles kann passieren! Und die Selbstbestätigung: In der DDR ist alles zusammengebrochen, aber ich habs geschafft, etwas Neues aufzubauen. Viele Frauen leiden ja unter Selbstzweifeln, das hatte ich glücklicherweise in dieser Form nicht, weil ich mir immer sagen konnte: Du hast 1988 bei null angefangen. Ich hatte kein Geld. Ich kannte niemanden im Westen. Und ich habe es geschafft. Das gibt mir Bestätigung auch in schwierigen Zeiten. Viele Frauen haben enorme Erfolgserlebnisse in ihrem Leben, aber können das nicht in Kraft für ihre Zukunft umwandeln. Dabei lohnt es sich doch, innezuhalten und zu sagen, wow, das hab’ ich cool gemacht, und sich selbst ein bisschen zu zelebrieren! Und nicht Angst zu haben vor der nächsten schwierigen Situation. ★


 

Anja Hochberg
Anja Hochberg, geboren 1970, hat über 24 Jahre Erfahrung in der Vermögensverwaltung. Sie leitet seit Januar 2020 den Geschäftsbereich Multi Asset Solutions im Asset Management der Zürcher Kantonalbank (ZKB). Mit ihren Teams verwaltet sie rund 40 Milliarden Schweizer Franken in Mischfondslösungen unter der Marke Swisscanto oder als Spezialmandate für institutionelle Anleger und hochvermögende Privatkunden. Vor ihrem Wechsel zur ZKB arbeitete sie viele Jahre bei der Credit Suisse, wo sie globale Führungspositionen bekleidete, etwa als Leiterin Volkswirtschaft, Chief Investment Officer und Leiterin Anlagelösungen. Hochberg promovierte an der Universität Wales und war dort vier Jahre lang Dozentin für Wirtschaftswissenschaften mit dem Schwerpunkt Internationale Finanzmärkte. Sie studierte Wirtschaftsgeschichte und Volkswirtschaftslehre in Berlin und absolvierte erfolgreich ein Zusatzstudium am Collège d`Europe in Brügge. Die gebürtige Thüringerin, die 2001 in die Schweiz zog, ist verheiratet und Mutter einer Tochter. Sie engagiert sich als Beirätin der «Fondsfrauen», des grössten deutschsprachigen Frauen-Finanz-Netzwerks für Frauen im Asset Management.

frankly – die Dritte Säule in der Hosentasche
frankly ist die Vorsorge-App der Zürcher Kantonalbank. Sie wurde im März 2020 lanciert, um das Vorsorgesparen attraktiver und nahbarer zu machen. Als digitale Lösung angelegt, ist das Angebot niederschwellig und sehr einfach gestaltet. In zehn Minuten ist diese 3. Säule auf dem Handy eingerichtet. Je mehr Leute mit frankly sparen, desto geringer die Gebühren – derzeit betragen sie 0,45 Prozent. frankly ist zwar eine Lösung der Zürcher Kantonalbank, aber mittlerweile stammen immer mehr Kundinnen und Kunden von ausserhalb des Kantons Zürich. Das verwaltete Vermögen beträgt 1,3 Milliarden Schweizer Franken. Über 63 000 User nutzen die App für ihr Vorsorgesparen, 38 Prozent davon sind Frauen.

Haben Sie Ihren Kompass richtig ausgerichtet?

Posted by WOMEN IN BUSINESS

Nach den ersten beiden Monaten des Jahres liegt einiges, was wir uns zum Jahreswechsel motiviert vorgenommen haben, wahrscheinlich bereits wieder in weiter Ferne. Wie schaffen wir es also, den Dingen, die uns am Herzen liegen und guttun, im Alltag mehr Raum zu geben?

Oft sagen wir die Yogastunde, den Fitnessbesuch oder das private Mittagessen kurzfristig ab, weil ein Meeting wichtiger ist oder eine dringende Aufgabe erledigt werden muss. Wir priorisieren dann die Arbeit gegenüber unserem Privatleben, beziehungsweise unserem Wohlbefinden, und wundern uns, wenn wir abends erschöpft oder unzufrieden sind.

Dabei kann es auch anders gehen. Wie würde Ihr Leben aussehen, wenn Sie Ihre eigenen Wünsche und Bedürfnisse ernster nehmen würden? Was würde sich verändern, wenn bei Ihren Entscheidungen Ihre Lebensqualität im Vordergrund stehen würde?

WIR STEHEN UNS OFT SELBST IM WEG
Unser Denken ist wie ein Kompass, der uns immer wieder an den gleichen Ort führt, wenn wir ihn nicht bewusst neu ausrichten. Wenn wir beispielsweise in unserem Alltag etwas verändern oder etwas Neues wagen wollen, dann finden wir oft eine Ausrede, um es letztlich nicht zu tun und in unserer Komfortzone zu bleiben.

Unser Gehirn mag nämlich keine Veränderungen, es ist auf Sicherheit und Kontrolle programmiert. Das führt dazu, dass wir uns mit ängstlichen Gedanken, einschränkenden Regeln oder übermässigem Druck selbst blockieren. So hindern wir uns daran, unser Potenzial zu entfalten und gehen wie mit angezogener Handbremse durchs Leben.

VERPASSEN SIE IHREM DENKEN EIN UPGRADE
Unsere Gefühle und unser Verhalten werden von unserem Denken beeinflusst. Wenn wir unsere Denkweise verändern, ändern wir auch unseren Blick auf die Welt und erkennen plötzlich viele neue Möglichkeiten, die das Leben uns bietet.

Dazu können wir zum Beispiel unser Bewertungssystem und unsere Konditionierungen hinterfragen und uns bewusst entscheiden, nach welchen Grundsätzen wir heute leben wollen. Wir dürfen unser Denken auch „bunter“ machen, indem wir vom Schwarz-Weiss- und Entweder-oder-Programm in einen Sowohl-als-auch-Modus wechseln.

Es lohnt sich, sich zu überlegen, was für Sie ein gutes und erfülltes Leben ausmacht; wie Sie Ihren Kompass ausrichten würden, wenn es um Ihre persönliche Entwicklung und Entfaltung geht. Die Neuausrichtung ist ein Anfang. Um eine nachhaltige Veränderung zu bewirken, ist es jedoch wichtig, den Kompass regelmässig zu nutzen und das neue Denken zu üben. So können Sie Ihre Lebensqualität Schritt für Schritt erhöhen, im Einklang mit Ihren beruflichen und privaten Zielen.


 

Verlosung

Ein Paradigmenwechsel vom Überlebens- zum Entfaltungsdenken zu vollziehen, ist mit professioneller Begleitung einfacher und meist wirkungsvoller. Daher verlosen wir zwei Zoom Coaching-Sessions, in denen wir Sie dabei unterstützen Ihren Kompass neu ausrichten.

Füllen Sie bis zum 31. März 2023 das Kontaktformular aus mit dem Hinweis WIB Wettbewerb. Die Gewinner:innen werden Anfang April informiert.

 


 

 

CC Studio GmbH – Coaching & Consulting
Wir sind Caroline und Chantal Rampone. Coaching ist unsere Leidenschaft. Mehr Menschlichkeit und Lebensqualität in der Arbeitswelt zu fördern, ist unsere Mission. Wir unterstützen Sie dabei, mutig und neugierig neue Perspektiven zu erfahren und einen empowernden Team Spirit zu kreieren. Wir stärken Ihre Selbstwirksamkeit und begleiten Sie in Ihrer persönlichen Entwicklung und Entfaltung für mehr Zufriedenheit im Alltag.
www.ccstudio.ch

Bisherige Gastkolumnen:

Raus aus der Frustspirale, rein ins Vergnügen!

Posted by WOMEN IN BUSINESS

Es gibt viele Wege zum Glück. Was jedoch wesentlich dazu beiträgt zufrieden & erfüllt zu sein, ist eine Tätigkeit auszuüben, die einem Freude bereitet.

Immer mehr Frauen wagen den Schritt in die Selbständigkeit, eröffnen schmucke Läden, ein Online-Business, wandeln ihre jahrelange Erfahrung in ein eigenes Unternehmen um. Gerade auch sehr engagierte, beruflich erfolgreiche Frauen, die mit einem eigenen Business der klassischen und oftmals schwierigen Arbeitswelt den Rücken kehren und sich auf den Weg in das aufregende Leben als Unternehmerin machen.

Damit dies kein Traum bleibt, gibt es ein paar wesentliche Schritte, die dazu führen, ein erfolgreiches Unternehmen zu gründen und zu führen.

Die Unternehmerinnen Schmiede
Das Herzstück des Vereins Fempreneurs ist das viermonatige Teilzeit-Online-Programm, indem ein solides Fundament für das Business aufgebaut wird. Dabei liegt der Fokus auf der Kreation eines Angebots, der Gewinnung von Kunden und der Sicherstellung eines soliden Finanzplans.

Am 4. Februar startet die erste Gruppe von Frauen, die bereit sind zu gründen oder mit ihrem Unternehmen erfolgreich werden wollen.

Auch interessant: die kostenfreie, online Masterclass «Von der Idee zur Selbständigkeit in 3 Schritten» am 11. oder 17. Januar.

Infos & Registrierung: https://fempreneurs.ch/unternehmerinnen-schmiede



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Die Lotion magique von Renens

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Wäre Lebensmittelverschwendung ein Land, es wäre der drittgrösste Produzent von Treibhausgasen weltweit. Die promovierte Biologin Olga Dubey will dem etwas entgegensetzen und arbeitet mit ihrem Start-up AgroSustain an natürlichen Produkten, die Früchte und Gemüse länger haltbar machen.

Da, schon wieder! Ein Blick in die Gemüseschublade – und das Nachtessen wird umgeplant. Anstatt Pasta mit Zucchettisauce und einen grossen Gurkensalat gibt es Pasta mit Tomatensauce und einen kleinen Gurkensalat. Die Zucchetti und die Gurke haben sich im Kühlschrank verbrüdert und präsentieren sich an einem Ende matschig (die Gurke) und mit einem grauweissen Pelz gescheckt (die Zucchetti). Also heisst es, grosszügig rüsten und ab in den Grünkübel mit dem verdorbenen Gemüse.

Laut der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) wird jährlich etwa ein Drittel der weltweiten Lebensmittelproduktion im Wert von 1,66 Billionen US-Dollar verschwendet. Die Lebensmittelverschwendung, die bei der Lagerung und dem Transport schnell verderblicher Lebensmittel entsteht, ist zu einer der grössten Herausforderungen für die Lebensmittelindustrie geworden. Der WWF schätzt, dass in der Schweiz jährlich 2,8 Tonnen Lebensmittel im Kübel statt im Konsumentenmagen landen, das sind 330 Kilo pro Person. Für 40 Prozent der Lebensmittelverluste sind die Endverbraucher verantwortlich. Lebensmittelverschwendung findet aber an verschiedenen Punkten entlang der Wertschöpfungskette statt, nicht nur bei den Konsumentinnen und Konsumenten. Auf die Landwirtschaft entfallen laut WWF Schweiz 11 Prozent, auf die Verarbeitung 30 Prozent, gefolgt von Gastronomie (12 Prozent) sowie Gross- und Detailhandel (7 Prozent).

Ein Team gegen Foodwaste
Olga Dubey und ihr Team bei AgroSustain haben sich dem Kampf gegen Foodwaste verschrieben. Das Start-up, das Olga 2018 zusammen mit ihrem Mann Sylvain gegründet hat, beschäftigt mittlerweile 14 Leute in der Forschung, der Produktion und dem Verkauf. Das junge Unternehmen ist vor Kurzem nach Renens gezogen, wo das Team in luftigen, hellen Räumen arbeitet – unter dem wachsamen Auge von Roxy, der kleinen Hündin der Dubeys, die in ihrem resoluten Wesen neben 50 Prozent Spitz wohl auch etwa 30 Prozent Officemanagerin vereint.

Im ersten Raum riecht es nach Bananen. Nach überreifen Bananen. Auf Tabletts liegen artig aufgereiht Bananen, die obere Reihe braun bis braunschwarz, die untere gelb. Im Minigewächshaus aus Plastik daneben stehen Bananenblätter in Glasflaschen. Auf der linken Seite braun und verschrumpelt, auf der rechten grün und saftig. Ein Mitarbeiter trägt ein Blech voller Kakaoschoten vorbei, die er gerade präpariert hat. Es wird sich später wohl dasselbe Bild präsentieren: Die nicht mit dem Produkt von AgroSustain behandelten Früchte verderben schneller als die behandelten. Im Produktionsraum – ein Reinraum, der nur mit entsprechender Schutzkleidung und gut gewaschenen Händen betreten wird – stehen Kübel mit der fertigen Lotion für den Transport zu einem Kunden bereit. Eine blitzblank geputzte Maschine, ähnlich einem Teigrührwerk, steht prominent im Raum. Hier wird das Produkt auf Pflanzenölbasis hergestellt, es mutet in Aussehen und Textur wie eine Mayonnaise oder eine Lotion an. Die genaue Zusammensetzung bleibt geheim.

Auf die Kunden gehört, neues Produkt entwickelt
Ursprünglich, so Olga Dubey, hätten sie ein Fungizid auf den Jahre bis zur Zertifizierung. «Für ein Start-up, wo sich drei Monate schon wie ein Jahr anfühlen, ist das keine Option. Kaum ein Investor ist bereit, ein solches Risiko mit Agritech einzugehen.» Dann kam Corona, das Geld wurde knapp und die Investoren zeigten sich noch risikoscheuer. Nach diversen Kundengesprächen begann AgroSustain schliesslich mit der Entwicklung eines Produkts, das die Frische von Lebensmitteln verlängert. Giovanelli Fruchtimport, ein Unternehmen, das in der Deutschschweiz exotische Früchte vertreibt, ist heute einer der wichtigen Kunden von AgroSustain. Seit März 2021 ist das Frauenfelder Unternehmen, das seit 1906 Früchte und Gemüse aus aller Welt importiert, strategischer Partner von AgroSustain. Gerade hätten sie einen Vertrag über mehrere Millionen Franken mit einer grossen französischen Firma unterzeichnet, die ebenfalls im Früchtehandel tätig sei, sagt Dubey. Den Namen verrät sie nicht, es gebe viel Vertraulichkeit in diesem Business, fügt die Unternehmerin mit einem verschmitzten Lächeln an.

Die drei wichtigen Nein
Potenzielle Kunden sind zum Beispiel Produzenten mit einem eigenen Verpackungsbetrieb. Sie können die Lotion direkt nach der Ernte auf ihre Produkte aufbringen, etwa indem sie sie besprühen oder in einem Bad behandeln. Das können Äpfel sein, Bananen, Mangos, Avocados. Produzenten von Südfrüchten verkaufen ihre Ware meist nach Volumen und sind bis zur Auslieferung für das Produkt verantwortlich. Es gilt die einfache Gleichung: Volumen gleich Geld. Schrumpfen zum Beispiel die Mangos auf dem Transportschiff nach Rotterdam, verliert der Produzent einen Teil seiner Einkünfte. Distributoren wiederum arbeiten unter enormem Druck. «In diesem Verteilzentren geht es zu wie in einem Ameisenhaufen. Alles ist durchorganisiert, alles muss schnell gehen. Mit unserem Produkt helfen wir den Verteilern, die Qualität länger zu erhalten, was wiederum den Druck etwas reduziert», sagt Dubey. Der Retailer wiederum will, dass Früchte und Gemüse im Laden frisch und schön aussehen, und das möglichst lange. Die drei wichtigen Nein in der Argumentationskette für den Kunden: Nein, man sieht nicht, dass die Produkte behandelt wurden. Nein, man riecht nichts. Nein, die Textur verändert sich nicht. «Gibt es nur ein einziges Ja, hast du den Kunden verloren», gibt Dubey zu bedenken. Noch ein Pluspunkt: Da die Beschichtung auf der Basis von Pflanzenöl hergestellt wird und daher nicht wasserlöslich ist, geht sie zu Hause auch durch Abwaschen nicht gleich verloren.

Tausche Pipette gegen PowerPoint
Aber wieso tut sich Olga Dubey dieses stressige Start-up-Leben überhaupt an? Die 32-Jährige lacht. «In der Forschung verbringst du viel Zeit im Labor mit wenig sozialer Interaktion.» Pipettieren könne sie nach all den Jahren im Labor nun wirklich gut, sagt sie schelmisch. Aber für ihr Business gelernt habe sie in der Einsamkeit des Labors vor allem eines: «Du musst die Dinge zu Ende denken, wenn du nicht ein paar Jahre deiner Arbeit verlieren willst. Genau das brauche ich auch als Unternehmerin.» Rückblickend sei sie wohl nicht sehr glücklich gewesen, so allein im Labor. Seit sie als Unternehmerin jeden Tag mit Leuten zu tun habe, viele Gespräche führe, präsentieren und überzeugen müsse, werde sie immer zufriedener. Der Tatsache, dass sie aus Russland für das Doktorat in die Schweiz an die Uni Lausanne gekommen ist, verdanke sie wohl ihrer Resilienz. «Im Gespräch mit anderen Kolleginnen und Kollegen, viele von ihnen aus Lateinamerika, entdecke ich immer wieder einen gemeinsamen Nenner: Sich in einem fremden Land einzuleben, zu etablieren, immer wieder kleinere und grössere Hürden nehmen zu müssen – das macht einen stark. Das hilft mir auch im Businessalltag. Ich habe gelernt dranzubleiben und mich durchzusetzen.»

Nachhaltigkeit für Generationen
Olga Dubey betont, dass der Erfolg von AgroSustain Teamarbeit sei. Ihr Mann Sylvain, ebenfalls promovierter Biologe, ist CTO des Unternehmens. Mit Frits Vranken als CCO und François Fidanza als CFO ergänzen zwei Männer mit grosser Businesserfahrung das Führungsteam. Und wie ist es so, mit dem Ehemann im gleichen Unternehmen zu arbeiten? Olga Dubey grinst: «Das ist ok. Ich habe mein Büro, er hat seins. Im gleichen Büro könnten wir nie arbeiten, das wäre wohl ein Desaster.» Sie hätten die Verantwortlichkeiten sehr früh getrennt. Sie stehe als CEO für alle sichtbar vorne, er sei verantwortlich für die Forschung und Entwicklung. Keiner rede dem anderen rein. «Und Zuhause sind Gespräche über die Arbeit tabu.» Dass für Businesstalk keine Zeit bleibt am Abend, dafür dürfte auch Richard, geboren Anfang 2022, sorgen. Unternehmensluft schnuppert er schon regelmässig, etwa wenn er beim Vater bei einer Besprechung auf dem Knie sitzt. Olga wünscht sich, dass ihr Kind naturnah und im Kontakt zu Tieren aufwächst. «Wer in und um die Natur herum erzogen wird, fühlt sich automatisch verantwortlich für seine Umwelt.» Nachhaltig zu leben könne man nicht einfach aus Büchern lernen, es brauche die persönliche Verbindung. «Und wenn er dann seine verrückten Eltern dauernd über Foodwaste sprechen hört, bleibt vielleicht noch zusätzlich etwas hängen.» ★


 

AgroSustain
Olga Dubey wird 1990 im russischen Kasan geboren. Sie studiert Biologie, macht ihren Masterabschluss am Max Plack Institut in Deutschland. Für ihr Doktorat wechselt sie an die Universität Lausanne. Ziel ihrer Doktorarbeit ist es, ein pflanzliches Mittel gegen Schädlinge zu finden. Im Jahr 2018 gründen Olga und Sylvain Dubey, beides promovierte Biologen, AgroSustain. Das Unternehmen entwickelt natürliche Lösungen zum Schutz von Nutzpflanzen, Obst und Gemüse und reduziert damit Lebensmittelabfälle und Treibhausgasemissionen. Die von den Forschern entwickelte biologische Lösung, eine natürliche Beschichtung auf Pflanzenölbasis, kann die Frische von Früchten und Gemüse um mehr als 20 Tage verlängern. Das Start-up erhielt zahlreiche Unterstützungen in der Höhe von insgesamt 4,8 Millionen Franken, etwa von BRIDGE, Venture Kick, Horizon2020. Zusätzlich sicherte sich AgroSustain über drei Investitionsrunden mehr als fünf Millionen Franken. Das Unternehmen mit Sitz in Renens oberhalb von Lausanne hat 14 Mitarbeitende. Mehr erfahren

Foto: www.agrosustain.ch

Im Gespräch mit Andrea Rytz

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Andrea Rytz, Chefin von 1250 Mitarbeitenden der Schulthess Klinik in Zürich, über Zielstrebigkeit, Tyrannen im Arztkittel und Herausforderungen, nun, da sie angekommen ist, am Ziel ihrer Träume.

WOMEN IN BUSINESS: Frau Rytz, Sie haben es von der Röntgenfachfrau zur Spitaldirektorin gebracht. Überrascht?
Andrea Rytz
: Nein. Das war seit Abschluss meiner Lehre mein erklärtes Ziel.

Im Ernst?
Im Ernst. Als ich mit 21 vom Inselspital ans Unispital in Zürich wechselte, fragte mich Herr Fiechter, der damalige Chef-Röntgenassistent, was machen Sie in fünf Jahren? Ich antwortete, das weiss ich nicht genau, denke, ich arbeite dann immer noch im Röntgen, bin eine gute Fachfrau, bilde Junge aus. Und dann sagte ich: Was ich weiss, ist, dass ich irgendwann Spitaldirektorin sein will.

Ganz schön selbstbewusst.
Ja, mein Gegenüber fand das arrogant und hat mir das auch gesagt. Am Ende dieses Gesprächs hatte ich gelernt, wenn man weiss, was man will, ist man arrogant und wenn man mit 21 keinen Plan hat, ist man verpeilt. Jedenfalls bin ich dann recht gefordert worden, konnte im Notfall dann bald einmal ein kleines Team führen. Das hat mir sehr gefallen. Und ich habe viel gelernt.

Konkret?
Es gab einen Professor alter Schule. Wenn ich ihm die Röntgenaufnahmen brachte, fragte er jeweils, «Rytz, was sehen wir?» Ich habe gelernt, genau hinzusehen, zu beschreiben und zu diagnostizieren. Und vor allem: Nicht nur das Offensichtliche in Betracht zu ziehen, sondern das grosse Ganze. Dafür bin ich heute echt dankbar. Mit 27 wechselte ich als Abteilungsleiterin Radiologie in die Klinik «Im Park». Dort hatte ich dann mit einem Chefarzt zu tun, der eigentlich nie nett war, im Gegenteil. Damit habe ich gelernt umzugehen.

Geht das?
Ja, indem man nicht alles an sich heranlässt. Ich habe das im Schockraum in sehr jungen Jahren gelernt und kann das sehr gut. In 95 Prozent der Abende, da ich hier rauslaufe, denke ich nicht mehr ans Geschäft, sobald die Tür zu ist. Ich lasse alles hier.

Und in den anderen fünf Prozent?
Da ist etwas passiert, was mich persönlich betrifft.

Im Alter von 39, mit Zusatzausbildungen im Rucksack, wurden Sie schliesslich Spitaldirektorin.
In der Klinik Belair in Schaffhausen, ein kleines Spital in der Hirslanden-Gruppe, das ein Sanierungsfall war und so gesehen ideal, um das Handwerk der Klinikdirektorin zu lernen. Wir haben Prozesse optimiert und bauliche Massnahmen getroffen, um das Business effizient zu machen. Nach vier Jahren waren wir zurück in der Gewinnzone und ich wäre wohl immer noch da, wäre mein Chefarzt von damals nicht bei mir im Büro gewesen, als ich per Anruf die Anfrage erhielt, ob ich mich in der Schulthess Klinik bewerben möchte – was ich dankend ablehnte. Er sagte nur, «gehts noch, das musst du machen». Und hier bin ich.

Glücklich?
Sehr.

Die Schulthess Klinik gehört einer Stiftung, nicht einem gewinnorientierten Konzern. Da haben Sie sicher viel weniger Druck.
Naja. Wir stehen auf der Spitalliste und müssen daher wie alle anderen Spitäler auch einen EBITDA von mindestens zehn Prozent erreichen. Zudem: Wir finanzieren 34 Forscher mit den Mitteln, die wir im Betrieb erwirtschaften.

Ist das schwierig?
Es ist Arbeit, man muss sich anstrengen. Wir haben in den letzten sieben Jahren hier jeden Stein einmal umgedreht und neu gebaut, Prozesse und medizinische Abläufe neu definiert. So sind wir hocheffizient geworden. Wir arbeiten mit weniger Betten und weniger Personal und haben trotzdem ein Wachstum jedes Jahr von plus drei Prozent.

Auf Kosten von?
In einem Spital verdient man das Geld mit Prozessen. Und verliert Geld mit ineffizienten Prozessstrukturen. Das sind mitunter simple Themen. Ein Beispiel: Früher hat man bei jedem Patienten, der in den Operationssaal kam, einen Schmerzkatheter gelegt. Das machen wir nicht mehr. Wenn Sie Schmerzen haben, kommt unser Schmerzteam und eruiert, was Ihnen in dem Moment hilft. So haben wir alles in der Tiefe neu gedacht – und vieles revolutioniert hier. Noch ein Beispiel: Wir haben damit aufgehört, die Patienten kränker zu machen, als sie sind. Heisst: Unsere Patienten gehen heute zu Fuss in den Operationssaal und werden nicht im Bett reingeschoben. Zwei Stunden nach dem Eingriff steht man bei uns erstmals auf seiner neuen Hüfte und stellt fest, dass sie hält. Dieses Zutrauen beschleunigt den Heilungsprozess.

Was sind heute Ihre grössten Herausforderungen?
Die Preise sind fix. Ich kann nicht sagen, meine Stromkosten sind zehn Prozent höher, ich muss aufschlagen. Es gibt einen Tarif pro Patienten, der ist definiert und fertig. Das gleiche gilt für die EBITDA-Vorgabe von zehn Prozent. Das muss man dann erst einmal umsetzen.

Von wegen steigender Kosten: Die Strompreise sind im Galopp. Was geht in Ihnen vor?
Ich denke, was sind wir doch für coole Typen gewesen, dass wir letztes Jahr eine Flatrate bis 2024 ausgehandelt haben.

Im Ernst?
Ja, so ein Glück. Dazu entschieden wir uns wegen den sehr hohen Corona-Kosten. Ich wollte nicht noch einmal einen Kostenblock haben, der volatil ist. Wir haben die Flatrate auf dem Durchschnitt unseres Stromverbrauchs der letzten drei Jahre fixiert, was aus heutiger Sicht echt sehr cool ist.

Ihr Worst Case?
Menschliches Versagen mit entsprechenden Schlagzeilen in der Presse. Wir sehen pro Jahr 130 000 Patienten, führen 10 000 Operationen durch. Wir sind eine Fabrik. Wir haben alles vorgekehrt, um einen Fall Rosmarie Voser (eine Wirtin aus dem Rafzerfeld, der das Herz einer falschen Blutgruppe implantiert worden war, Anm. der Redaktion), der sich vor bald 20 Jahren im Unispital ereignet hat und an den sich bis heute jeder erinnert, der das mitgekriegt hat, bei uns auszuschliessen.

Wie führen Sie?
Anständig sein, sich nicht so wichtig nehmen, kein Machtgehabe aufführen. Ich habe Menschen gern. Sie interessieren mich und ich glaube Natürlichkeit, Offenheit und Freundlichkeit sind nie falsch, nicht gegenüber einem Arzt, nicht gegenüber einer Reinigungskraft. Ich würde sagen, ich bin sehr zugänglich und präsent, kenne sehr viele der 1250 Mitarbeitenden mit Namen.

Und wie entscheiden Sie?
Ich bin kein Alleinherrscher. Die strategischen und operativen Entscheidungen werden hier am Sitzungstisch in meinem Büro gefällt von sechs Personen.

Wird da auch gerungen?
Natürlich. Ich suche ja auch bewusst Menschen um mich herum aus, die anders denken, die Auseinandersetzung mit einem Thema bringt einen weiter. Wir sind hier alle per Du. Das macht es einfacher damit umzugehen, wenn die Emotionen hoch gehen. Da kann man auch mal sagen, hey, chill mal, trink einen Kaffee und beruhige dich. Dann diskutieren wir weiter, bis es gut ist und damit erledigt. Den Spruch: «Am Ende ist alles gut und wenn es nicht gut ist, ist es nicht das Ende» würde ich sofort unterschreiben.

Wie realistisch ist eigentlich die Serie «Grey’s Anatomy»?
Sehr. Ich könnte darüber ein Buch schreiben.

Und was hat es mit der Männerdomäne auf sich?
Eine Anekdote: Als ich hier beim Vorstellungsgespräch war, bin ich von einem Arzt am Tisch gefragt worden, ob ich ein Problem damit habe, eine Frau zu sein. Ich dachte, was für eine Frage, wir haben 2015! Ich habe geantwortet: Weiss nicht, ich war noch nie ein Mann. Aber wissen Sie, wenn ich Ihre Chefin werden sollte, hätte ich ein Problem mit Ihrer Ausdrucksweise. Daran müssten wir sofort arbeiten. Die Antwort auf Ihre Frage: Eine Frau zu sein, war für mich immer ein Vorteil und ich habe mir das zunutze gemacht, ist ja nicht mein einziger USP.

Ihr nächstes grosses Projekt?
Mein Mann und ich machen eine Weltreise. Dreieinhalb Monate.

Wer schmeisst die Klinik?
Meine Stellvertreterin.

Nervös?
Nervös machen würde es mich, wenn ich keine Stellvertretung hätte, die funktioniert, da müsste ich mich fragen, was ich alles falsch gemacht habe. ★

Foto: Schulthess Klinik

Geschäftsmodell Diversität

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In den obersten Führungsebenen der Pharmaindustrie ist der Frauenanteil deutlich höher als in anderen Branchen. Warum das so ist, haben wir Silvia Schweickart, Chefin bei Novartis Pharma Schweiz, gefragt.

Seit drei Jahren hat sie die Verantwortung für ein Unternehmen mit rund 270 Mitarbeiterinnen und  Mitarbeitern, das für die Vermarktung von über 100 verschreibungspflichtigen Medikamenten zuständig ist. Allerdings hat Silvia Schweickart diese Führungsposition nicht bewusst angepeilt, ganz im Gegenteil: «Es handelt sich um einen puren Zufall. Zu Novartis bin ich über einen Headhunter gekommen. Als mir die Funktion der Pharma-Chefin angeboten wurde, nutzte ich diese Chance.» In der Gesundheitsbranche hat sie schon früh Fuss gefasst, ob als Head of Regional Marketing Europe bei Merz Aesthetics oder General Manager Switzerland bei Nestlé Skin Health S.A.

WOMEN IN BUSINESS: Silvia Schweickart, zu Ihren Aufgaben gehört, die Medikamente des globalen Novartis-Konzerns zu Patientinnen und Patienten in der Schweiz zu bringen. Was ist Ihre grösste Herausforderung?
Silvia Schweickart
: In unserer Branche nehmen Anforderungen aufgrund von Regularien, Behörden, aber auch Vergütungsverhandlungen und Compliance-Themen einen zentralen Platz ein. Das ist einerseits mit Einschränkungen verbunden und andererseits notwendig, damit die Arzneien eine optimale Wirkung erzielen und beispielsweise auch Nebenwirkungen rechtzeitig identifiziert werden können. Ich übe eine spannende Tätigkeit aus, zumal unser Konzern den Auftrag hat, mittels Therapien und Medikamenten vielen Patientinnen und Patienten Hoffnung auf Verbesserung ihrer Symptome oder gar auf eine mögliche Heilung zu schenken. Hierzu einen Beitrag leisten zu können, spornt mich immer wieder aufs Neue an.

Stichwort sozialer Aspekt: Ist dies einer der Gründe, weshalb mehr Frauen in der Pharmabranche vertreten sind, zumal diese laut manchen Forschern empathischer sind als Männer?
Diese Frage lässt sich nicht pauschal beantworten. In unserem Sektor weisen wir grundsätzlich einen hohen Frauenanteil auf, was auch auf mein Team zutrifft. Die Pharmaindustrie hat schon früh erkannt, dass Diversität nicht lediglich Männer und Frauen einschliesst, sondern auch unterschiedliche Hintergründe, Altersgruppen und verschiedene berufliche Erfahrungen, welche mit einem Mehrwert verbunden sind. Dadurch lässt sich eine grössere Nähe zur Kundschaft herstellen, da wir deren Bedürfnisse besser verstehen können. Novartis hat diesen Trend nicht zufällig aufgegriffen, denn es herrscht ein intensiver Wettbewerb um Nachwuchstalente. Wir können es uns nicht erlauben, auf männliche und weibliche Anwärter zu verzichten, die unserem Anforderungsprofil entsprechen. Deshalb unterstützen wir auch Eltern in Bezug auf Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Vor zwei Jahren haben wir zudem den Vaterschaftsurlaub eingeführt, und viele Männer nehmen dieses Angebot in Anspruch. Teilzeitanstellungen nehmen ebenfalls einen hohen Stellenwert ein.

Nach wie vor werden Teilzeitpensen kritisch betrachtet im Hinblick auf eine vielversprechende Karriere. Wie denken Sie darüber?
In meinem Team nehmen mehrere Führungskräfte kein Vollpensum wahr. Natürlich bringt eine verantwortungsvolle Position auch zeitliche Investitionen und Verpflichtungen mit sich. Dennoch übernehmen viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ein Teilzeitpensum bei Novartis, und ich überlasse ihnen die Organisation. Ich würde nicht bestätigen, dass ein geringerer Beschäftigungsgrad weniger Chancen mit sich bringt. Oftmals ist es auch so, dass Personen zunächst 100 Prozent tätig sind, schliesslich reduzieren und zu einem späteren Zeitpunkt wiederum aufstocken.

Also gilt es nach wie vor, gegen Vorurteile anzukämpfen?
Absolut. Kreative Lösungsansätze sind gefragt. Wenn jemand mit einer 100-Prozent-Stelle auf 50 Prozent reduzieren möchte, kann man beispielsweise überlegen, ob ein Jobsharing eine gute Möglichkeit darstellen könnte.

An welche weiteren Arbeitsmodelle denken Sie?
Das hybride Arbeiten erfreut sich zunehmender Beliebtheit, und im Gegensatz zu manch anderen Firmen zeige ich mich als Chefin in dieser Hinsicht flexibel. Die Möglichkeit, von zu Hause aus zu arbeiten, bringt Flexibilität in den Alltag hinein. Trotzdem lege ich Wert darauf, dass meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auch ins Büro kommen, um die Teamkultur aktiv zu leben, was einen Lunch oder einen Apéro miteinschliessen kann.

Kamen jemals Zweifel auf, Ihrer Position nicht gerecht zu werden?
Natürlich hegt man zu Beginn gewisse Bedenken. Der Respekt war vorhanden, aber nicht aufgrund meines Geschlechts. Ich finde es wichtig, einen leitenden Posten aus der inneren Überzeugung heraus zu übernehmen.

Was unterscheidet Sie von anderen Chefinnen?
Ob ich tatsächlich anders bin, kann ich nicht beurteilen. Für mich nimmt die Teamkultur einen wichtigen Platz ein. Ich lege Wert auf einen respektvollen Umgang, eine offene Kommunikation und gegenseitiges Vertrauen. In einer Leadership-Funktion muss ich nicht nur die Unternehmensstrategie gestalten und umsetzen, sondern nehme auch eine grosse Verantwortung gegenüber anderen Menschen wahr.

Sie vertreten den Standpunkt, dass nicht das jeweilige Geschlecht im Fokus stehen soll im Zusammenhang mit Stellenbesetzungen.
Das trifft zu. Frauenförderung wird oft medial aufgegriffen. Aber ich stelle mich dagegen, in erster Linie eine weibliche Person zu berücksichtigen. Mir liegt viel daran, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern deutlich zu kommunizieren, dass wir Menschen mit passenden Profilen auswählen. Wir haben auch keine Frauenquote eingeführt. Die Person, welche am meisten überzeugt, erhält den Zuschlag.

Welche Eigenschaften sind notwendig, wenn man eine Führungsposition anstrebt?
Man muss den Willen aufbringen, innerhalb des Unternehmens etwas zu verändern sowie Einsatz zu zeigen und Mut aufzubringen. Wenn die nötige Passion in Bezug auf die Führungsrolle fehlt, wird sich kein Erfolg einstellen. Jüngeren Talenten, die sich noch in einer Entwicklungsphase befinden, gebe ich  gerne meinen «3×2-Tipp» mit auf den Weg. Wichtig ist, für unterschiedliche Funktionen offen zu sein und wenigstens in zwei unterschiedlichen Funktionen gearbeitet zu haben – zum Beispiel im Marketing- und zusätzlich im HR-Bereich. Diese Breite an Erfahrungen ist essenziell. Wer in einer internationalen Firma tätig ist, sollte ausserdem in mindestens zwei unterschiedlichen Ländern gelebt und gearbeitet haben. Schliesslich sollte die Person Erfahrung in mindestens zwei verschiedenen Geschäftsmodellen mitbringen, beispielsweise in einem Startup und in einem Grosskonzern.

Diversität wird in Ihrem Unternehmen ebenfalls grossgeschrieben. Weshalb?
Wir bieten unterschiedliche Jobprofile an, unter anderem im Aussendienst, im Marketing oder in der Qualitätskontrolle. Unternehmen können es sich nicht leisten, auf einen Teil der arbeitenden Bevölkerung zu verzichten, weil die Bandbreite an Ausbildungen, Berufserfahrung sowie Meinungen dringend gefragt ist – ebenso wie unterschiedliche Persönlichkeiten und Führungsstile. Das muss gezielt gefördert werden, um international wettbewerbsfähig zu bleiben.

Kann die Diversität auch deshalb besser gelebt werden, weil Novartis ein internationaler Konzern ist?
Das würde ich nicht sagen, denn auch lokale Firmen können diesen Grundsatz bestens umsetzen und sich überlegen, wie sich dies fördern lässt. Es trifft zu, dass wir über Möglichkeiten verfügen, internationale Talente aus diversen Ländern an Bord zu holen. Das hat allerdings nichts mit unserer eigentlichen Firmenkultur zu tun. Die Verbindlichkeit, die Attraktivität des Arbeitgebers sowie die Entwicklungschancen gehören zu den Grundvoraussetzungen, um eine Arbeitsstelle attraktiv zu gestalten. Es existieren auch spezielle Förderungsprogramme für Frauen mit unterschiedlichem Fortschritt in den jeweiligen Branchen.

Stossen Sie hin und wieder an Ihre Grenzen?
Das kann zuweilen vorkommen, aber viele Menschen in Führungspositionen müssen mit einem vollen Terminkalender zurechtkommen. Viele Themen werden oft gleichzeitig an mich herangetragen. Jeder muss seinen eigenen Weg finden, mit Stresssituationen umzugehen. Abends gönne ich mir oft eine Yogastunde.

Das Gesundheitswesen steht vor grossen Veränderungen und Entwicklungen. Die Unternehmensstrategie muss laufend überprüft werden. Wie packen Sie das konkret an?
Die Diskussionen rund um die Bedeutung von Innovationen sowie um den Zugang zu neuen Medikamenten gewinnt weiter an Bedeutung. Ich setze mich für Lösungen ein, die sich gut umsetzen lassen und einen Mehrwert für alle Akteure im Gesundheitswesen bringen. Dieses Thema liegt mir sehr am Herzen. ★


 

Silvia Schweickart
Nach Absolvierung der American School of Paris und der Erlangung des Bachelor und Master of Business Administration (BBA) an der Pepperdine University Los Angeles (USA) sowie eines MBA an der WHU-Otto Beisheim School of Management in Deutschland stieg Silvia Schweickart bei Saatchi & Saatchi Healthcare Communications ein. Es folgten Stationen bei Merz Aesthetics in Deutschland und Grossbritannien. Anschliessend übernahm sie die Rolle des General Managers für die Schweiz bei Nestlé Skin Health. Seit 2019 ist sie Vorsitzende der Geschäftsleitung bei Novartis Pharma Schweiz.

 

WOMAN OF THE YEAR 2022 Laura Meyer

Posted by WOMEN IN BUSINESS

Laura Meyer, seit 2021 CEO der Hotelplan Group, ist «Woman of the Year 2022». Im Interview spricht die Digitalexpertin über ihre Zeit als Krisenmanagerin, darüber, wie der Tourismus der Zukunft aussieht und wo sie als Tourismus-Expertin mit ihrer Familie die Festtage verbringen wird.

WOMEN IN BUSINESS: Liebe Laura Meyer, herzliche Gratulation: Sie sind von einer Community aus erfolgreichen, starken Wirtschaftsfrauen zur «Woman of the Year» gewählt worden. Was bedeutet Ihnen diese Auszeichnung?
Laura Meyer: Der Preis ehrt mich sehr. Ich nehme ihn stellvertretend für alle Mitarbeitenden der Hotelplan Group an. Dank ihrer hervorragenden Leistung und ihrem grossem Engagement stehen wir heute da, wo wir sind – und dies nach zwei sehr herausfordernden Jahren.

In der grössten Krise, die die Tourismusbranche je erlebt hat, haben Sie Anfang 2021 bei der Hotelplan Group das Steuer als CEO übernommen. Im Jahr zuvor hatte das Unternehmen fast die Hälfte des Umsatzes verloren, über 100 Millionen Franken Verlust gemacht, mehrere hundert Stellen wurden abgebaut.
Ja, der Einstieg war sicher anspruchsvoll. Die Unsicherheiten waren gross. Ein Vorteil war allerdings, dass ich das Unternehmen bereits kannte, da ich seit 2018 Verwaltungsrätin bei Hotelplan Group war.

Sie waren gerade mal 40 Jahre alt und traten Ihren ersten CEO-Job gleich als Krisenmanagerin in einem Unternehmen mit rund 2000 Mitarbeitenden an. Ganz schön mutig!
Vielleicht. Anderseits war für mich klar, dass die Pandemie eines Tages vorbei sein wird und die Menschen dann wieder reisen wollen – Reisen ist ein wichtiger Teil von Lebensqualität! Als Tochterunternehmen der Migros waren und sind wir in einer privilegierten Situation. Insofern verstand ich den Einstieg als CEO in so einer Zeit auch als Chance! Und ja: Ich mag Herausforderungen. Ich muss etwas bewegen können, ich möchte mit Leuten arbeiten, die – wie ich auch – mit Leidenschaft dabei sind und anpacken können.

Woher kommen eigentlich diese innere Stärke, die Sie ausstrahlen, der Wille, immer weiterzugehen, die Lust, grosse Herausforderungen anzupacken?
Ich war schon immer sehr neugierig und abenteuerlustig. Mein Mann findet das zwar teilweise immer noch anstrengend (lacht). Ich komme aus einer Familie mit starken Frauen. Meine Urgrossmutter führte eine Schreinerei und hatte fünf Kinder, meine Grossmutter war eine der ersten Gemeinderätinnen in Zürich, meine Mutter hat mit 50 Jahren nochmals ein Studium angepackt. Dazu kommt: Ich habe schon früh mein eigenes Geld verdient. Während des Gymnasiums und Studiums habe ich gejobbt, im Kino oder in Restaurants. Das hat mich belastbar und unabhängig gemacht. Aber auch meine Auslanderfahrungen haben mich weitergebracht.

Wo waren Sie unterwegs?
Wir sind schon mit unserer Mutter viel gereist, während des Studiums habe ich ein Jahr in Spanien verbracht, in meiner Zeit als Unternehmensberaterin war ich in mehr als zehn Ländern auf vier Kontinenten unterwegs.

Im Vorfeld der Bundesratswahl kam die Diskussionen auf, ob man das Amt überhaupt ausüben kann, als Frau mit jüngeren Kindern. Sie selber sind Mutter von zwei fünf- und sieben-jährigen Buben – Ihre Meinung?
Dazu kommt mir ein Zitat der deutschen Managerin Janina Kugel in den Sinn «Kinder und Karriere geht schon, ist halt sauanstrengend». Was es zwingend braucht, ist eine gute Betreuungsstruktur. Ich habe das grosse Glück, einen sehr engagierten Mann zu haben und überhaupt ein sehr unterstützendes familiäres Umfeld. Dafür bin ich enorm dankbar.

Was ist bei der Vereinbarkeitsdebatte wichtig aus Unternehmenssicht?
Firmen sollten einen Rahmen schaffen, der jungen Eltern ermöglicht, weiterhin anspruchsvolle Jobs zu leisten. Flexibilität ist wichtig, für Mütter und Väter. Bei der Hotelplan Gruppe ermöglichen wir deshalb zum Beispiel, dass die von uns überobligatorisch geleistete Mutterschaftszeit durch den Mann bezogen werden kann. Ausserdem haben wir die Vaterschaftszeit auf vier Wochen erhöht.

Von jungen, kompetenten, gescheiten Frauen höre ich in meinen Coachings regelmässig, sie würden sich einen Job im Management nicht zutrauen. Sie meinen, sie seien nicht gut genug.
Ja, ich weiss, dass kommt immer noch vor. Schade. Und ganz ehrlich, manchmal ärgere ich mich etwas darüber.

Warum?
Auch wenn es bestimmt noch herausfordernd ist und auch grosse Branchenunterschiede gibt – die Zeiten für Frauenkarrieren waren doch noch nie so gut wie heute!

Was möchten Sie diesen Frauen zurufen?
Traut euch und sucht einen Job, der Spass macht, bei dem ihr etwas bewegen könnt, immer wieder Neues lernt und gefördert und gefordert werdet. Das gleiche gilt natürlich auch für Männer!

Sie haben ursprünglich Rechtswissenschaften studiert, dann einen MBA gemacht, Sie waren weltweit für McKinsey in der Beratung tätig oder auch bei der NZZ, wo Sie seit kurzem im Verwaltungsrat Einsitz haben. Vor Ihrem Wechsel zu Hotelplan waren Sie Head of Digital Distribution & Analytics bei der UBS. Was ist der rote Faden in Ihrer Karriere?
Mich haben Veränderungen und was diese für Unternehmen bedeuten, immer interessiert: die digitale Transformation, ein sich stetig veränderndes Kundenverhalten, Nachhaltigkeit. Alles Themen, die auch für die Tourismusbranche zentral sind.

Wie gut hat sich die Hotelplan Group seit der Pandemie erholt?
Die Pandemie hat eindrücklich gezeigt, wie wichtig vielen Menschen das Reisen ist. Es hat sich ein effektiver Nachholbedarf aufgestaut. Wir sind zufrieden mit dem Sommer- und Herbstgeschäft. Die Unsicherheiten bleiben aber gross: Inflation, politische Unsicherheiten, Pandemie – in unserer Branche bleibt es anspruchsvoll.

Während der Pandemie hatten sich viele Leute gewünscht, dass sie ihre Reisen in einem Reisebüro gebucht hätten, statt über anonyme Online-Plattformen, wo sie sich mit den Stornierungen selbst herumschlagen mussten. Wird heute wieder mehr im Reisebüro gebucht?
Ja, wir haben tatsächlich nicht nur im Geschäftsreisenbereich, sondern auch bei den Freizeitreisen, viele Neukundinnen und Neukunden gewonnen. Ihnen geht es um die Sicherheit und das Vertrauen, die wir als Reiseveranstalter bieten. Einige haben während der Pandemie Geld verloren, weil sie ihre Reise selbst zusammengestellt hatten. Mit uns hat keine Kundin, kein Kunde und kein Partner Geld verloren – darauf bin ich stolz.

Grundsätzlich gehen die Buchungen im Reisebüro aber zurück.
Das ist richtig, der Anteil des Online-Reisemarkts steigt. Auch wir generieren etwas über die Hälfte des Umsatzes über unsere Onlineplattformen. Aber ich erinnere gern daran, dass die Reisebüros schon vor mehr als zehn Jahren totgesagt wurden, als die grossen digitalen Plattformen in den Markt drängten. Und es stimmt, einige, auch namhafte Reisebüros, sind verschwunden. Dennoch bin ich davon überzeugt, dass es auch in Zukunft einen Wert hat, wenn Expertinnen und Experten bei der Reiseplanung unterstützen. Ob diese in Reisebüros sitzen, online, per Videocall oder von mir aus im Metaverse beraten, ist zweitrangig.

Buchen kann man seine Reisen schon seit Jahren digital. Wie wird die Digitalisierung die Reisebranche zusätzlich transformieren?
Kundenbedürfnisse sind unterschiedlich. Gewinnen werden diejenigen, die es schaffen, über alle Kanäle hinweg personalisiert, und im richtigen Moment die relevanten Inspirationen und Informationen zu liefern. Deshalb ist auch unser Credo: Wo auch immer wir digitale Angebote anbieten, stehen unsere Kundinnen und Kunden im Zentrum. Wir fragen uns: Was brauchen Sie? Was bringen ihnen die digitalen Services und ganz wichtig: sind sie einfach nutzbar? Bei Hotelplan Suisse zum Beispiel führen wir Beratungsgespräche auch per Videotelefonie. Ausserdem haben wir einen virtuellen Berater und unser Inspirationstool Holiday Finder eingeführt; Kundinnen swipen sich damit zum perfekten Ferienmatch.

Welche Rolle spielen die Social-Media-Kanäle?
Sie sind besonders in der Inspirationsphase wichtig. Es gibt ja diese sogenannten Once-in-a-Lifetime-Destinationen oder auch Locations, die als besonders Instagram-tauglich gelten. Diese sind wahre Magnete für die Social-Media-Community. Man schaut sie gerne an und kommt in Stimmung, selbst eine Reise zu buchen.

Wenn man Digitalexperten Glauben schenken will, wird sich unser Leben zunehmend in den virtuellen Raum verschieben. Welche Rolle spielt Virtual Reality in Ihrer Branche?
Virtual Reality wird sicher an Bedeutung gewinnen. Stellen Sie sich vor, Sie sind im Reisebüro, setzen eine VR-Brille auf und können zum Beispiel durch das Hotel schlendern, das Sie bislang im Prospekt oder auf der Webpage angeschaut haben. Da bekommen Sie doch einen ganz anderen Eindruck.

Warum haben Sie dann Ihr VR-Testprojekt 2017, das Sie in einigen Reisebüros durchführten, wieder abgebrochen?
Ganz einfach: Weil wir viel zu früh waren. Wir hatten zu wenig Content, das heisst, es gab nicht genug Material zum Anschauen. Aber glauben Sie mir, die Frage ist nicht, ob dieses Angebot kommt, sondern, wann. Die Reiseveranstalter, Hotels, Destinationen, Anbieter von Kreuzfahrten – niemand kann sich erlauben, diese Entwicklung zu verpassen.

Warum soll ich mich künftig mit tausenden Touristen durch Venedig zwängen, wenn ich dank VR gemütlich von zu Hause aus durch die Lagunenstadt schlendern kann?
Wir sind uns sicher einig – Sie werden niemals das gleiche Gefühl haben, wenn Sie virtuell auf dem Sofa unterwegs sind, als effektiv vor Ort. Wenn Sie traditionell reisen, lassen Sie Ihren Alltag zurück und tauchen in neue Welten ein, die wirklich alle Sinne berühren. Aber wie bereits gesagt: Als Quelle der Inspiration wird virtuelle Realität sicher grossartig sein.

Ein weiteres wichtiges Thema für Sie ist Nachhaltigkeit.
Ja, das Thema liegt mir nicht nur als CEO eines Reiseveranstalters, sondern auch persönlich sehr am Herzen. Gerade als Mutter bin ich sehr besorgt darüber, in welchem Zustand wir unseren Planeten den nächsten Generationen hinterlassen. Das Thema Nachhaltigkeit darf niemanden kalt lassen.

Wie sieht die Nachhaltigkeitsstrategie von Hotelplan aus?
Wir verfolgen eine ganzheitliche Nachhaltigkeitsstrategie mit ökologischen, sozialen und ökonomischen Aspekten. Nachhaltigkeit ist ein äusserst komplexes Thema. Nur schon an der Frage, wie sie gemessen wird, scheiden sich die Geister. Wir engagieren uns deshalb auch aktiv bei der der Branchenorganisation Futouris für mehr Transparenz, einheitliche Berechnung und Darstellung von CO2-Emissionen.

Bleiben wir kurz bei den ökologischen Aspekten. Wollen Ihre Kunden zunehmend klimafreundlich reisen?
Ja, immer mehr Kundinnen und Kunden wollen ihre CO2-Emissonen beim Reisen reduzieren. Wir möchten ihnen immer genauer aufzeigen, wieviel CO2 sie durch ihre Reise ausstossen und wie sie diese mit einem Klick kompensieren können.

Was können Sie ihnen sonst noch anbieten?
Zum Beispiel Ferien in der Schweiz – im Ferienwohnungsgeschäft sind wir mit unserer Marke Interhome stark im Markt vertreten. Dann reisen immer mehr Leute gerne mit dem Zug: Beliebt sind Städtereisen nach Paris, Mailand oder Frankfurt, Familien nehmen gerne Nachtzüge. Deswegen haben wir bei der Hotelplan-Marke Migros Ferien neu auch Pauschalreisen mit dem Zug im Programm.

Und bei den Geschäftsreisen? In der Pandemie waren sie von einem Tag auf den anderen nicht mehr möglich. Was ist davon geblieben?
Viele Unternehmen legen heute fest, für welche Destinationen der Zug und wohin der Flieger genommen wird. Sicher interessant ist diesbezüglich ein Angebot unseres Tochterunternehmen Finass: Als erstes Businessreiseunternehmen der Schweiz können hier Flüge mit Sustainable Aviation Fuels gebucht werden, welche den CO2-Fussabdruck stark reduzieren.

Was unternimmt die Hotelplan Gruppe selbst?
Unser Ziel ist, unseren CO2-Ausstoss bis 2030 zu halbieren und bis 2050 gar netto Null zu erreichen. Bereits dieses Jahr sind wir bei den direkten Emissionen und auch bei den indirekten Emissionen aus eingekaufter Energie klimaneutral.

Lassen Sie uns noch kurz in die Zukunft schauen. Wir haben Krieg in Europa, die geopolitische Lage ist äusserst instabil, die wirtschaftlichen Aussichten sind trüb: Was heisst das für die Reisebranche?
Die Unsicherheiten bleiben gross. Aber als Reisebranche sind wir uns Krisen und Volatilität gewohnt – jede Krise auf der Welt betrifft uns irgendwie. Wichtig ist, schnell aber besonnen zu handeln und möglichst viel Flexibilität in relevante Prozesse einzubauen.

Fliegen war lange sehr günstig oder zu günstig, um genau zu sein. Was kommt da auf uns zu? Wer kann sich künftig noch Ferien leisten?
Ich gehe davon aus, dass die Zeit der Billigsttickets vorbei ist. Das ist auch gut so. Bei der jetzigen Energiepreisentwicklung bleiben die Kosten für Kerosin noch länger hoch. Flugpreise sind aber sowieso volatil und primär abhängig von Angebot und Nachfrage. Als Hotelplan Gruppe arbeiten wir deshalb für unsere wichtigsten Destinationen mit Charterplätzen, bei denen wir die Preise stabiler halten können. So können wir hoffentlich auch in Zukunft Schweizerinnen und Schweizer mit kleinem Budget Ferien ermöglichen – ganz gemäss der Vision von Dutti. Leider sind auch Zugreisen nicht billig. Ich würde mich freuen, wenn die Nachtzüge etwas günstiger würden und das Angebot grösser wäre – diesen Sommer war es fast unmöglich, kurzfristig einen Platz zu bekommen.

Die Festtage stehen vor der Tür, wohin reisen Frau und Herr Schweizer über die Festtage?
Neben den Ferien in den Bergen sind Reisen in warme Destinationen wieder sehr gefragt, wie zum Beispiel auf die Malediven, Seychellen, Ägypten, Gran Canaria oder Costa Rica. Aus Nachhaltigkeitssicht empfehlen wir: lieber weniger häufig an diese Orte reisen, dafür länger bleiben – wenn man es sich einrichten kann.

Und wo werden Sie mit Ihrer Familie die Weihnachtsferien verbringen?
Die Festtage verbringen wir an diversen Familienfeiern in und rundum Zürich. Danach gehen wir Skifahren in den Schweizer Bergen – natürlich in einer Ferienwohnung von Interhome. ★


 

Laura Meyer
Laura Meyer (41) übernahm Anfang 2021 als CEO das Steuer beim Reiseunternehmen Hotelplan Group. Zuvor hatte sie seit 2018 als Mitglied des Verwaltungsrats die Geschicke des internationalen Konzerns mitbestimmt. Vor ihrem Wechsel in die Tourismusbranche war Laura Meyer als Managing Director und Head of Digital Distribution & Analytics bei der UBS Switzerland tätig. Die Zürcherin, die über einen Master of Law der Universität Zürich und einen Master in Business Administration der privaten französischen Wirtschaftshochschule Insead verfügt, hatte nach dem Studium ihre Karriere in der Unternehmensberatung bei McKinsey begonnen. Sie war sechs Jahre für das Unternehmen in über zehn Ländern auf vier Kontinenten unterwegs. Im Frühling 2022 wurde die Digitalexpertin in den Verwaltungsrat der NZZ gewählt. Laura Meyer ist verheiratet und hat zwei Kinder.

Hotelplan
Hotelplan wurde 1935 von Migros-Gründer Gottlieb Duttweiler gegründet, um Familien aus einfacheren Verhältnissen Ferien in der Schweiz zu ermöglichen. Seither hat sich das Unternehmen zu einem internationalen Reisekonzern entwickelt. Heute arbeiten rund 2000 Mitarbeitende in Europa für die Hotelplan Gruppe. Sie ist in den Bereichen Badeferien, Individual- und Rundreisen, der  Vermittlung von Ferienwohnungen und Ferienhäusern sowie auch im Geschäftsreisebereich tätig. Das Unternehmen ist in vollständigem Besitz des Migros-Genossenschafts-Bundes.

Foto: Hotelplan Group

Unsicherheit gehört zum Leben

Posted by WOMEN IN BUSINESS

Zum Jahresende blicken viele Menschen jeweils zurück. Was habe ich dieses Jahr genossen? Welche Erlebnisse haben mich herausgefordert? Auf die Frage, wie Ihr 2022 war, können wahrscheinlich die wenigsten von Ihnen eine eindeutige Antwort geben. Doch das darf so sein.

Wir erleben wundervolle Momente in traurigen Situationen und nerven uns auch mal, wenn eigentlich alles gut läuft. Das Leben ist nicht immer nur gut oder schlecht. Unsere Welt ist vielschichtig und komplexe Situationen sind immer mehrdeutig.

Die eine Lösung gibt es selten
In unserer schnelllebigen Zeit, in der wir ständig neue und häufig auch widersprüchliche Informationen erhalten, wird diese Mehrdeutigkeit immer präsenter. Sie mussten sich sicher auch schon für eine bestimmte Lösung entscheiden, im Wissen, dass auch eine andere Option gut gewesen wäre. Wir können immer weniger auf bewährte Methoden zurückgreifen und müssen deshalb neuartige Lösungen erarbeiten. Dabei wissen wir selten, ob dieser Weg – von der Zukunft aus betrachtet – wirklich der richtige gewesen ist. Es gibt Menschen, die gut mit dieser Komplexität und Unsicherheit umgehen können, andere hadern, flüchten sich in ein Schwarz-Weiss-Denken und begegnen allem Unbekannten mit Angst.

Mit Widersprüchen leben lernen
Der Fachbegriff für einen konstruktiven Umgang mit Mehrdeutigkeit ist die Ambiguitätstoleranz. Menschen, die diese Fähigkeit haben, betrachten Mehrdeutigkeit differenzierter und begegnen Widersprüchen offener. So bleiben sie auch bei Unsicherheit gelassener. Das erleichtert Ihnen, gute Lösungen oder Kompromisse zu finden.

Möchten auch Sie Ihre Ambiguitätstoleranz stärken? Dann machen Sie sich zuerst bewusst, dass Widersprüchlichkeit zum Leben gehört und versuchen Sie, dies anzunehmen. Zudem lohnt es sich, öfters die eigene Komfortzone zu verlassen. Sie werden sehen, wie Sie mit jeder positiven Erfahrung weniger Angst vor dem Ungewissen haben und immer neugieriger werden. So wird es Ihnen mit der Zeit einfacher fallen, Situationen aus unterschiedlichen Perspektiven wahrzunehmen und nicht nur dem Leben, sondern auch Ihren Mitmenschen offener zu begegnen.

Ein gutes Übungsfeld dürften für viele die anstehenden Festtage sein. Denn gerade für die Menschen, die uns am nächsten stehen, fehlt uns oftmals das Verständnis, das wir anderen gegenüber aufbringen. Es ist wichtig, dass wir uns darin üben, denn mit einer neugierigen, offenen und vertrauensvollen Haltung können wir die Herausforderungen unserer Zeit konstruktiv angehen.

Ambiguitätstoleranz hat auch viel mit persönlicher Reife zu tun. Je mehr wir mit unserem Inneren verbunden sind, desto weniger sind wir von den äusseren Umständen beherrscht. In unserem online Leadership-Programm lernen Sie sich selbst besser kennen und stärken Ihre emotionalen und sozialen Kompetenzen. Für die Beta-Version, die am 1. Februar 2023 mit einem kurzen Kick-Off Online Workshop startet, haben wir nur noch 2 Plätze frei. Wenn Sie also bereits eine Führungsrolle haben oder bald eine übernehmen wollen, dann sichern Sie sich jetzt einen der begehrten Plätze!


 

CC Studio GmbH – Coaching & Consulting
Wir sind Caroline und Chantal Rampone. Coaching ist unsere Leidenschaft. Mehr Menschlichkeit in der Arbeitswelt zu fördern, ist unsere Mission. Wir unterstützen Führungspersonen und Teams dabei, mutig und neugierig neue Perspektiven zu erfahren und einen empowernden Team Spirit zu kreieren. Wir stärken Ihre Selbstwirksamkeit, fördern Ihre persönliche Entwicklung und Entfaltung für mehr Lebensqualität. www.ccstudio.ch

Seien Sie neugierig!

Posted by WOMEN IN BUSINESS

Zum Jahresende häufen sich für viele von uns die gesellschaftlichen Anlässe. Manche freuen sich auf zahlreiche bereichernde Begegnungen, für andere ist es eine lästige Verpflichtung. Wie ergeht es Ihnen bei solchen Gelegenheiten?

Gerade bei Networking Events setzen wir uns oft unnötig unter Druck. Wir wollen mit möglichst vielen Menschen in Kontakt kommen und dabei einen guten Eindruck hinterlassen. Ob ein Abend anregend und erfolgreich war, hängt jedoch oft nicht von der Anzahl der Gesprächspartner:innen sondern vielmehr von der Qualität der Gespräche ab.

Was macht ein gutes Gespräch aus?
Eine gute Unterhaltung fühlt sich ein wenig nach Tanzen an, nach Geben und Nehmen. Es bedarf Präsenz und ehrliches Interesse am Gegenüber. Seien Sie also aufmerksam, neugierig und offen, etwas Neues zu erfahren.

Menschen erinnern sich weniger an das, was Sie gesagt haben, als daran, wie sie sich in Ihrer Gegenwart gefühlt haben. Überlegen Sie mal, wie es sich anfühlt, wenn jemand Ihnen aufmerksam zuhört, versucht Ihre Meinung zu verstehen und nicht einfach den eigenen Standpunkt deutlich zu machen? Genau das können Sie für sich nutzen. Wenn Sie empathisch kommunizieren, bleiben Sie nicht nur in guter Erinnerung, Sie lernen etwas über Ihre Gesprächspartner:innen und fühlen sich durch bereichernde Gespräche gestärkt.

Zuhören ist eine Kunst für sich
Gemäss Stephen Covey hören die meisten Menschen nicht zu, um zu verstehen, sondern um zu antworten. Seien Sie also neugierig und trauen Sie sich nachzufragen, wenn Sie etwas nicht verstehen. Offene, sogenannte W-Fragen (Was? Wie? Wer? Wann? Wo?) eignen sich dafür gut. Bleiben Sie während des Gesprächs aufmerksam und halten Sie nicht im Kopf an eigenen Fragen oder Inputs fest. Sie verlieren sonst rasch den Faden und wirken abwesend.

Gerade wenn Menschen etwas sehr Persönliches teilen, verspüren wir oft den Impuls, unser Gegenüber zu bestärken, indem wir von ähnlichen Erlebnissen erzählen. Das ist zwar gut gemeint, hilft der anderen Person aber selten. Zeigen Sie stattdessen Mitgefühl und lassen Sie der Person Raum, um über ihre Erfahrung zu sprechen.

Die eigene Botschaft klar vermitteln
Zu einer guten Gesprächsführung gehört nicht nur das achtsame Zuhören, sondern auch die eigene Botschaft verständlich darzulegen. Überlegen Sie, was wirklich wichtig und interessant für Ihr Gegenüber ist und fokussieren Sie sich darauf. Verlieren Sie sich nicht in Details und machen Sie immer wieder kurze Pausen. Das ermöglicht den Zuhörenden Fragen zu stellen.

Erfolgreich kommunizieren zu können, ist nicht nur an Networking Events von Vorteil. Es hilft Ihnen auch, Ihre Beziehungen zu vertiefen und Konflikte zu vermeiden – sowohl im Privatleben als auch im Beruf.


 

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Möbel für die hybride Zukunft

Posted by WOMEN IN BUSINESS

Raphael Gielgen ist Future-of-Work-Trendscout bei Vitra – eine spannende und herausfordernde Aufgabe. Er soll in unserer sich rasant verändernden Welt herausfinden, wie unsere künftige Arbeitswelt aussehen wird.

WOMEN IN BUSINESS: Unter einem Future-of-Work-Trendscout stellen wir uns einen Schokoladenjob vor, bei dem Sie viel in der Welt herumreisen und aufregende Orte besuchen. Was tun Sie als Future-of-Work-Trendscout für Vitra tatsächlich?
Raphael Gielgen: Meine Aufgabe besteht hauptsächlich darin, das Wesen der Wissensarbeit zu verstehen. Ich versuche zu ergründen, wie diese Wissensarbeit in einer Zoom-Out-Perspektive, also in fünf oder zehn Jahren, organisiert und gestaltet sein wird. Meine Perspektive ist also nicht heute oder morgen, sondern die Zukunft.

Was heisst das genau?
Ich muss bei meinen Überlegungen einen deutlichen Zeitsprung machen, wobei mein Gedankengang auf vier Dimensionen bzw. Fragen beruht: Wo findet die Arbeit in Zukunft statt? An welchen Themen und Inhalten werden wir arbeiten? Mit wem, also mit welchen Kolleginnen und Kollegen, werden wir das tun? Und welches sind die wesentlichen Tools, mit denen wir arbeiten werden? Mein zeitlicher Horizont ist also die Zukunft, mein inhaltlicher Kontext die Wissensarbeit.

Wie wird man zum Future-of-Work-Trendscout?
Ich war immer schon neugierig und kann mich gut und schnell auf andere Menschen einstellen. Ich lernte zuerst Schreiner, musste aber nach fünf Jahren feststellen, dass mein Talent für diesen Beruf nicht das allerbeste war, dass ich es aber umso besser mit Leuten kann. Ich habe dann in einem Einrichtungshaus gehobenen Standards eine zweite Ausbildung gemacht und bin in der Folge dem Thema Raum über viele Jahre treu geblieben. Dabei habe ich mich vor allem mit dem Einrichten, Planen und Verkaufen von Büros beschäftigt, und zwar in unterschiedlichen Funktionen, so zum Beispiel als Leiter eines Teams von Innenarchitekten oder als Geschäftsführer einer Vertriebsorganisation. Was mich dabei als Konstante begleitete: Ich habe immer Projekte gemacht, die Neuland waren. Ich wollte nie einfach nur verwalten und der Routine verfallen. Als ich eines Tages schliesslich zu Vitra wechseln wollte, hat mein alter Arbeitgeber von seinem Recht des Wettbewerbsverbots Gebrauch gemacht.

Warum?
Bei Vitra sollte ich, ähnlich wie bei meinem alten Arbeitgeber, ebenfalls in der vertriebsnahen Beratung eingesetzt werden, und zwar zur Betreuung von Grosskunden in Deutschland, Österreich und der Schweiz. So war es jedenfalls ursprünglich geplant. Deshalb durfte ich nicht direkt zu Vitra wechseln, sondern mir wurde eine einjährige Arbeitssperre auferlegt.

Ein Jahr lang sassen Sie gewissermassen auf der Strafbank?
Jein! Ich verschaffte mir einen Ersatzjob bei einer Firma, die Innenräume mit grossen vertikalen Gärten und Wasserwänden naturnah gestaltete. Rein technisch hatte ich davon zwar keine Ahnung, aber ich habe gemerkt, wie interessant das Ganze war. Also habe ich damit angefangen, über grundsätzliche Dinge nachzudenken. Die Firma konnte von mir nicht erwarten, dass ich Wasserpumpen oder die Düngung der Pflanzen optimieren würde. Meine Aufgabe bestand vielmehr darin, das bestehende Geschäftsmodell grundsätzlich in Frage zu stellen und neue Perspektiven aufzuzeigen. Allmählich habe ich gemerkt, dass diese neue Tätigkeit ein Stück weit meine Berufung ist, denn ich konnte dabei all meine Talente, Erfahrungen und mein ganzes Wissen einbringen. Gleichzeitig reifte in mir der Gedanke: Wie wäre das eigentlich, wenn du genau das auch für Vitra tätest?

Die Idee zum Future-of-Work-Trendscout verdanken Sie also Ihrer Wartezeit in einem Ersatzjob?
So ungefähr! Jedenfalls ergab dann das eine das andere, und schliesslich kreierten wir bei meinem Stellenantritt bei Vitra vor neun Jahren den neuen Job eines Future-of-Work-Trendscout. Es war gewissermassen eine Stelle mit einem offenen Profil. Allen war bewusst, dass wir uns auf ein Experiment einliessen, ohne zu wissen, was das dem Unternehmen bringen würde.

Das Experiment ist offenbar geglückt, denn Ihre Expertise ist heute sehr gefragt. Zumal nach Corona die Frage im Raum steht, wie der Arbeitsort gestaltet sein muss, an den die mittlerweile ans Home-Office gewöhnten Mitarbeitenden gerne wieder zurückkehren. Wie also muss das Büro konzipiert sein, damit es attraktiver ist als das Home-Office?
Der grösste Impuls, nach einer langen Zeit der Isolierung wieder ins Büro zurückzukehren, ist der Wunsch nach sozialen Kontakten. Hingegen lassen sich Aufgaben, bei denen man sowieso allein vor dem Bildschirm sitzt, weiterhin gut auch zu Hause erledigen. Das Zuhause ist sogar ein ausgesprochen idealer Ort zur Erledigung von Routinearbeit. Andererseits benötigen die Menschen regelmässig Rituale, die das soziale Gefüge stärken. Dazu gehören das gemeinsame Essen im Kreis der Kolleginnen und Kollegen, ob in der Kantine oder im Restaurant, Kaffeepausen, informelle Gespräche, Lehrveranstaltungen usw. Die Intimität dieser Rituale und das gegenseitige Vertrauen, das dabei entsteht, lassen sich nicht vergleichen mit dem distanzierten sozialen Austausch bei einem virtuellen Meeting am Bildschirm. Sowieso lässt sich vieles nicht einfach so via Bildschirm oder allein am Schreibtisch erledigen. Wenn die Leute an wirklichen Fragestellungen arbeiten, müssen sie sich physisch treffen können.

Also zurück ins Sitzungs- oder Konferenzzimmer?
Ich denke da eher an Räume, die vieles offen lassen. Wenn ein Raum eine Agilität bietet, die uns dazu einlädt, schnell etwas zu verändern, dann verändert das auch etwas mit uns. Und Veränderung ist die grosse Herausforderung der Zukunft, und zwar auf allen Ebenen. Wenn wir mit Managern reden, lautet der Tenor, dass die Transformation der Arbeit eben erst beginnt. Sie wird z. B. in der Schweiz dazu führen, dass in fünf Jahren jeder zweite Franken mit Produkten und Services verdient wird, die es heute gar noch nicht gibt. Obwohl alle davon reden, geht es dabei nicht primär um die digitale Transformation, sondern vor allem um die Erneuerung der eigenen Organisation. Dieser Erneuerungsprozess kann nicht zu Hause stattfinden. Der Gerätehersteller Bosch hat, um ein Beispiel zu nennen, in den vergangenen Jahren mehr als eine Milliarde Euro investiert, um die eigene Organisation für die künftigen Herausforderungen fit zu machen.

Wo werden wir künftig vor allem arbeiten?
Der Imperativ lautet: Remote first! Die Firmen müssen sich so umstellen, dass es letztlich egal ist, wo ihre Leute tätig sind. Idealerweise kann jeder Mitarbeitende von überall her einen Beitrag zu einer bestimmten Aufgabe oder Fragestellung leisten. Zum Ökosystem dieses Remote first gehören sowohl virtuelle Räume wie z. B. Microsoft Teams als auch physische Räume, wie ich sie eben beschrieben habe. Gefragt ist letztlich der beste Ort für die beste Arbeit, mit jeweils speziellen Räumen für Rituale, für Fragestellungen, für die Innovation, für die Transformation. Der beste Ort kann auch ein virtueller Raum sein, der uns tolle Bilder aus dem Metaversum zeigt, oder es kann ein Rückzugsort in den Bergen sein, oder eben das Home-Office. Der Mitarbeitende soll situativ auswählen und entscheiden können, welches der beste Ort zur Erledigung einer bestimmten Aufgabe oder Fragestellung ist.

Welche Konsequenzen hat diese hybride und multilokale Arbeitswelt für den Möbelproduzenten und Büroeinrichter Vitra?
Als Designunternehmen konzentrieren wir uns auf die physischen Qualitäten und Herausforderungen, die sich im Zusammenhang mit der Gestaltung der künftigen Arbeit stellen, und nicht auf die virtuelle Ausgestaltung.

Wie wird das Büro der Zukunft konkret aussehen?
Die Reise in die Zukunft hat bei Vitra schon im Jahre 2000 mit dem von der Designerin Sevil Peach entwickelten Citizen Office begonnen. Dieses bietet bereits eine Vielfalt von abwechslungsreichen, auf die jeweilige Arbeitssituation abgestimmten Umgebungen, in denen die Leute nach Belieben interagieren und sich frei bewegen können. Das Citizen Office mit seiner Studio-Atmosphäre hat bis heute seine Gültigkeit. Und es bedient auch die Erwartungen und Anforderungen der neuen Zeit, von der wir hier reden. Parallel zur Etablierung des Citizen Office haben vor allem die führenden IT-Unternehmen den Arbeitsort zusehends als zentrales Element des Employer Branding entdeckt und entsprechend ausgebaut. Der Betrieb wird zum attraktiven Campus, zum physischen Supercomputer, mit Arbeits-, Begegnungs-, Erholungs- und Unterhaltungszonen. Bei Vitra haben wir dafür das Konzept Club Office entwickelt. Zudem öffnen sich die Unternehmen nach aussen, sodass die Grenzen zwischen privat und öffentlich verschwimmen. Die Firmen bieten Coworking-Spaces an, in denen auch Mitarbeitende anderer Firmen willkommen sind.

Ist diese amerikanische Campus-Idee in Europa, wo alles etwas enger und kleiner und der Boden meistens knapp ist, überhaupt realisierbar?
Die Herausforderung ist bei uns aufgrund des beschränkt verfügbaren Bodens zweifellos grösser, doch es gibt auch hier eindrückliche Beispiele. Beim deutschen Bio-Unternehmen Alnatura in Darmstadt betritt der Besucher ein Gebäude, das in einem renaturierten Park gelegen und ganz aus natürlichen Materialien wie Lehm und Holz gebaut ist. Es bietet ein tolles veganes Restaurant an, das genauso wie weitere Bereiche des Firmengeländes öffentlich zugänglich ist.

Beim Citizen Office bzw. Club Office und beim Firmencampus reden wir aber von der Gegenwart? Oder bereits von der Zukunft?
Was es beim Citizen Office ursprünglich noch nicht gab, waren diese hybriden Orte, die uns erlauben, zu jeder Zeit mit Menschen, ob sie nun zu Hause, im Büro oder irgendwo sind, kommunizieren zu können. Diese Erweiterung des Citizen Office in die virtuelle Welt findet jetzt gerade statt. Jeder Arbeitsraum bei uns ist heute so ausgestattet, dass wir per Knopfdruck sofort in die Microsoft-Teams-Architektur eintauchen können. Wir können also jederzeit spontan nach draussen in die Welt, und jeder, der da draussen sitzt, kann spontan zu uns. Was in Zukunft noch hinzukommen wird: Die virtuellen Räume werden eine nochmals andere Qualität kriegen, indem sie sich zum Beispiel ins Metaversum ausweiten. Es können darin auch komplexeste Fragestellungen diskutiert, beantwortet und dafür neue Lösungen gesucht und gefunden werden.

Wie weit ist dieser Vorstoss ins Metaversum ein Thema bei Vitra, zumal dessen Kerngeschäft, nämlich Möbel und Büroeinrichtungen, primär physischer Natur ist?
Wir sind in der Tat in physischen Realitäten zu Hause. Und solange das Gesetz der Schwerkraft gilt, haben wir unseren Platz in dieser Welt. Aber ich glaube, dass die Innenarchitektur eine Art Renaissance erleben wird. Es geht dabei um neue und zusätzliche Qualitäten. Ein Raum soll den Menschen helfen, Dinge zu begreifen, die ihre Arbeit unterstützen. Meine Kolleginnen und Kollegen bei Vitra stellen Möbel her, in deren Bestimmung weit mehr steckt als das, was wir uns unmittelbar vorstellen können.

Nach welcher Methode arbeitet der Future-of-Work-Trendscout? Ist er ein Wissenschaftler oder doch eher ein Guru?
Deduktive wissenschaftliche Methoden helfen mir kaum weiter, zumal ich nicht akademisch geprägt bin und zumeist sehr intuitiv handle. Meiner Aufgabe habe ich mich eher situativ angenähert, wobei am Anfang die These stand: Wenn wir wirklich wissen wollen, wie das Büro von morgen aussieht, müssen wir wissen, wie sich Arbeit verändert. Und wenn wir das wissen wollen, müssen wir zu denen fahren, die Arbeit gerade neu erfinden. Also organisierte ich eine Reise in die USA, an der rund zehn Kolleginnen und Kollegen von Vitra und zehn externe Gäste teilnahmen. Wir besuchten in einer Woche mehr als 25 forschungs- und technologielastige Unternehmen in Boston,Seattle, San  Francisco (Silicon Valley) und Los Angeles. Wir sprachen mit den Protagonisten der neuen Arbeitsformen und schauten uns Unternehmen an, die als Protagonisten einer neuen Zeit galten, damals vor neun Jahren. Schon am zweiten Tag dieser Reise war uns allen klar, dass der Status quo keine Option mehr sein kann und dass wir vor einer grossen Veränderung stehen. Diese Reise war für uns alle ein Schlüsselerlebnis. Und sie wurde für mich zu einem grossen Resonanzraum, der meine Aufgabe erweitert hat. Wir alle haben verstanden, was auf uns wartet, und wir haben uns geschworen, noch methodischer zu werden in dem, was wir tun.

Mit welchen Erwartungen an den Future-of-Work-Trendscout?
Dass ich an allen wichtigen Schnittstellen von Vitra präsent bin, mich mit allen Bereichen vernetze, besonders natürlich mit der Entwicklung, dem Marketing und dem Verkauf. Dass ich regelmässig einen Output schaffe, der zumindest zu Handlungsempfehlungen führt. Dass ich über alles hinweg garantiere, dass sich der Muskel der Neugierde im gesamten Betrieb fortpflanzt.

Das heisst dann streng methodisch?
Von Insight zu Impact, von Impact zu Action!

Insight?
Aus den unzähligen Gesprächen, die ich führe, ergeben sich Informationen.

Impact?
Die Summe der Informationen werte ich aus mit dem Ziel, etwas zu bewirken, was schliesslich zur Action, also zu einer konkreten Handlungsempfehlung führen sollte.

Wie kommen Sie zu den notwendigen Informationen?
Ich kommuniziere nach innen und nach aussen hauptsächlich über Social Media. Auf LinkedIn komme ich auf 16 000 Follower. Wöchentlich habe ich auch mindestens zwei ausführliche Gespräche, bei denen ich Kolleginnen und Kollegen draussen in den Märkten begleite. Nächste Woche zum Beispiel bin ich in Singapur, und in meiner Agenda sind für diese Zeit zwanzig Termine eingetragen.

Geht es dabei konkret auch um neue Aufträge?
Nein! Diejenigen, die mich bestellen, wollen von mir wissen, was die Zukunft bringt. Von Vitra werden bei solchen Treffen nicht nur Produkteinnovationen erwartet. Man schätzt uns als Gesprächspartner, der Informationen weitergibt, Inspirationen vermittelt und Perspektiven aufzeigt. Wir sollen die Kunden ermuntern und ihnen Werte vermitteln, die man mit der Marke verbindet. Daraus können sich dann zuweilen konkrete Projekte entwickeln, bei denen man zum Beispiel einen Bauherrn in seinem Tun bestärkt oder ein Mandat erweitert. Darüber hinaus sind diese Treffen für mich wichtig, um zu sehen, was die Leute bewegt und wie sie darauf reagieren. Ich bin dabei auch Empfänger von Botschaften, die ich in die Organisation Vitra hineintrage.

Wie passiert das?
Es gibt dafür unterschiedliche Formate. Zum Beispiel treffe ich mich mit Teams aus der Entwicklung oder dem Verkauf zu Fragerunden. Zu meiner Aufgabe gehört weiter, Opportunitäten auf dem Markt aufzuspüren und diese den Mitarbeitenden mitsamt Handlungsempfehlungen zu vermitteln.

Wie lautet Ihr Orakel für das Jahr 2032? Wie sieht dann die Arbeitswelt aus?
Im Jahr 2032 ist die Zeitzone die Arbeitszone. Die Unternehmen sind noch globaler organisiert. Ihre Mitarbeitenden sind über die ganze Welt verstreut. Entsprechend arbeiten wir nicht nur mit Kolleginnen und Kollegen in der unmittelbaren Umgebung zusammen. Zu den Teams gehören viele weitere Mitarbeitende, mit denen wir uns sechs- bis achtmal jährlich für zwei bis drei Tage treffen, zwecks Vertrauensbildung und zwecks jener bereits erwähnten und für jedes Unternehmen unverzichtbaren Intimität. Wirtschaftlich befinden wir uns 2032 mitten in einer Umbruchphase mit vielen neuen Services und innovativen Produkten, die Umweltbedürfnissen voll und ganz Rechnung tragen. ★


 

Future-of-Work-Trendscout Raphael Gielgen
Seit 2014 arbeitet Raphael Gielgen (53) als Future-of-Work-Trendscout beim Designunternehmen Vitra. Der gelernte Schreiner ist über einige Umwege in diese berufliche Rolle geschlüpft, die er selbst als Herausforderung, Leidenschaft und Berufung empfindet. Privat wohnt Raphael Gielgen auf einem kleinen Hof vor den Toren der Stadt Regensburg. Ein idyllischer Ort inmitten der Natur, den er und seine Familie mit einer Jugendwohngruppe, Pferden, Ponys, Katzen und Hunden (alle aus dem Tierschutzheim) teilen. Hier lebt er im Einklang mit den Zyklen der Natur. Er liebt es, an diesem Ort über den Tag hinaus nachzudenken. Von seinen Arbeitskollegen halten ihn einige gelegentlich für verrückt. Seine unbändige Neugier, die rastlose Suche nach Erklärung und die Lust, alles auf den Kopf zu stellen, machen ihn zuweilen unbequem. Und wenn er nach einer langen Reise wieder einmal im Büro erscheint, erzählt er von Dingen, die mehr nach virtueller Utopie als nach gelebter Wirklichkeit klingen. Vor der Pandemie besuchte er jeweils mehr als 100 Unternehmen, Universitäten und Start-ups im Jahr. Die Welt ist sein Arbeitsplatz, die Zukunft sein Forschungsgebiet, die Entschlüsselung des «Quellcodes der Arbeitswelt» sein eigentliches Ziel. Seine Erkenntnisse und Erfahrungen dokumentiert er auf einem «Panorama» – einer Art Landkarte der Trends und Muster einer neuen Welt.

Fotos: Markus Altmann.

Emotional kompetente Menschen sind erfolgreicher

Posted by WOMEN IN BUSINESS

Wie geht es Ihnen, wenn Sie morgens die Zeitung aufschlagen und die vielen negativen Nachrichten lesen? Wie reagieren Sie, wenn eine Person Ihnen ein schönes Kompliment macht? Und was empfinden Sie, wenn Ihre Arbeit kritisiert oder hinterfragt wird? Alles, was wir erleben, löst eine emotionale Reaktion in uns aus. Die Frage ist, ob wir diese bewusst wahrnehmen und wie wir damit umgehen.

Besonders in kritischen Situationen ist es entscheidend, ob wir unsere Gefühle richtig einordnen können. Emotional kompetente Menschen sind sich ihrer Emotionen bewusst und können angemessen mit ihnen umgehen. Es fällt ihnen leicht, ihre Gefühle mitzuteilen und sich anderen Menschen wohlwollend und empathisch zuzuwenden.

Emotionen im Beruf
Emotionen gelten gerade im beruflichen Kontext oft als unprofessionell. Doch auch wenn sie nicht offen gezeigt werden, sind sie da. Wir tun zwar meist so, als würde es uns gut gehen. In der Tat fühlen wir uns aber ganz anders. Das kostet Energie, steigert das Stressempfinden und lässt uns weniger produktiv sein.

Ein bedachter Umgang mit Gefühlen ist deshalb entscheidend. Dieser schützt vor Stress, verhilft zu mehr Zufriedenheit und verbessert die zwischenmenschlichen Beziehungen. All diese Faktoren sind für eine gute Zusammenarbeit und den beruflichen Erfolg wichtig.

Emotionale Kompetenz kann trainiert werden
Wie also kann ich meine emotionale Kompetenz verbessern? Ein erster und der wohl wichtigste Schritt umfasst, sich seinen eigenen Gefühlen bewusst zu werden. Es gibt eine schöne Metapher dafür: Verlassen Sie immer wieder die Tanzfläche des Lebens und gehen Sie auf den Balkon, um das Geschehen von oben zu beobachten. Fragen Sie sich, was fühle ich gerade? Welche Bedürfnisse habe ich? Was triggert mich?

In einem zweiten Schritt geht es darum, emotionale Situationen zu managen. Oft reagieren wir aus einem Impuls heraus, ohne zu reflektieren. Wenn wir es schaffen, einen Moment innezuhalten, bevor wir reagieren – also auf den Balkon zu gehen – gelingt meist eine passendere Antwort.

Zudem ist es wichtig, dass wir lernen, auch negative Gefühle wahrzunehmen, auszuhalten und in einer Form mittzuteilen, die konstruktiv ist. Meistens hilft es, wenn wir aus der eigenen Perspektive in einer ICH-Botschaft kommunizieren. Die Aussage «Ich fühle mich gerade nicht richtig verstanden und habe das Gefühl, dass du mir gar nicht genau zuhörst» birgt viel weniger Konfliktpotential als eine Verallgemeinerung, wie «Nie hörst du mir zu, du verstehst mich einfach nicht».

Sie werden sehen, die Herausforderung besteht nicht im Verstehen dieser Impulse, sondern in deren Anwendung. Auch hier gilt: Übung macht den Meister beziehungsweise die Meisterin.


 

CC Studio GmbH – Coaching & Consulting
Wir sind Caroline und Chantal Rampone. Coaching ist unsere Leidenschaft. Das Wohlergehen von Menschen in der Arbeitswelt zu fördern, ist unsere Mission. Strukturiert und zielorientiert, mit viel Feingefühl und Leichtigkeit, kreieren wir einen vertrauensvollen Raum für neue Perspektiven, Erkenntnisse und Handlungsoptionen. Wir stärken Ihre Selbstwirksamkeit, fördern Ihre persönliche Entwicklung und Entfaltung für mehr Lebensqualität.

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Die Kosmopolitin

Posted by WOMEN IN BUSINESS

Seit über 200 Jahren entwirft das St. Galler Familienunternehmen Christian Fischbacher edle Stoffe. Gemeinsam mit ihrem Mann Michael leitet Camilla Fischbacher den Textilverlag mit grosser Tradition. Als Creative Director ist sie für die Weiterentwicklung des Unternehmens verantwortlich.

Die Liebe für Stoffe und Farben wurde ihr in die Wiege gelegt: Schon ihr Vater sammelte Teppiche und Textilien. Camilla Fischbacher, halb Iranerin, halb Amerikanerin, wuchs in der iranischen Hauptstadt Teheran auf. Im Sommer 1980, der Schah war bereits aus dem Land geflohen, befand sich die Familie gerade in den Ferien in der Schweiz. Die Rückkehr in die Heimat stand nach dem Umsturz ausser Frage, das Leben der Familie änderte sich auf einen Schlag. Die Familie blieb in der Schweiz. Nach dem Schulabschluss studierte Camilla Fischbacher Kunstgeschichte, Geschichte und Fotografie in den USA. Während des Studiums in Oxford traf sie Michael Fischbacher, der – in sechster Generation Nachfahre von Christian Fischbacher – an der renommierten Universität Sinologie studierte. Die beiden wurden ein Paar und heirateten. Nach Stationen in Malaysia und Hongkong traten Camilla und Michael Fischbacher 1997 ins Familienunternehmen ein, Camilla Fischbacher baute in dieser Zeit den Showroom auf. Gemeinsam besuchten sie Lieferanten, Vertriebspartner und Kunden in aller Welt. Nach vier Jahren zog das Paar mit seinen beiden Söhnen nach Amerika: In Los Angeles kam ihre Tochter zur Welt. Auch hier war die Reise nicht zu Ende: Von Amerika ging es zur Niederlassung in Tokio, ist Japan doch einer der grössten Märkte für Christian Fischbacher. 2008 schliesslich kehrte die Familie zurück nach St. Gallen, wo Camilla Fischbacher seitdem als Creative Director die kreative Weiterentwicklung der Firma verantwortet, während ihr Mann das Unternehmen führt.

WOMEN IN BUSINESS: Frau Fischbacher, war der Schritt schwierig, 2008 von Tokio in die Ostschweizer Provinz zurückzukehren?
Camilla Fischbacher
: Ja, das war eine extreme Veränderung. Wir sind vom Tokioter Stadtviertel Shinagawa direkt nach St. Gallen gezogen – von der Megacity aufs idyllische Land. Aber dieses Extrem war für uns besser, als nur einen halbherzigen Schritt zu machen. Für unsere damals noch kleinen drei Kinder war der Umzug aufs Land natürlich schön – sie haben das erste Mal im Leben eine Kuh in natura gesehen.

Ihr Mann Michael trat damals die Nachfolge seines Vaters als CEO an, während Sie die Rolle des Creative Director des Unternehmens übernahmen. Was waren Ihre ersten Änderungen nach der Übernahme der Leitung?
In meinem ersten Jahr als Kreativdirektorin beschloss ich, eine neue Linie innovativer Stoffe einzuführen, die aus PET-Flaschen und industriellen Textilabfällen recycelt wurden. Das war sehr gewagt. Schliesslich handelte es sich bei unserem Unternehmen um ein traditionelles, fast 200 Jahre altes Unternehmen, das für elegante Bettwäsche und Vorhänge stand. Ich wollte ein jüngeres Publikum ansprechen. Und ich hatte bei amerikanischen Herstellern diese recycelten Stoffe gesehen – mein Gott, waren diese ersten Recycling-Textilien hässlich und unangenehm im Griff. Aber ich habe das Potenzial gleich erkannt.

Das war sicher nicht ganz einfach.
Stimmt, das Managementteam bestand damals fast ausschliesslich aus Männern, auch das Verkaufspersonal war grösstenteils männlich. Da hiess es dann zunächst: Camilla, hör doch auf mit deinen Abfall-Stoffen. Aber ich kann sehr hartnäckig sein, wenn ich eine Idee verfolge – ich gebe dann nicht auf, bis ich sie verwirklicht habe! Und so kam 2009 die Kollektion Benu auf den Markt. Ich wusste, dass die neue Linie ein grossartiges Produkt war und dass wir weltweit die Ersten sein mussten, die so etwas für den Markt der Heimtextilien produzierten.

Woher stammt der Name?
Die Kollektion ist nach dem altägyptischen, mythischen Vogel Benu benannt. Dieser verbrennt, um aus seiner Asche neu zu erstehen, ganz wie der griechische Phoenix. Das Gewebe der Benu-Kollektion wird aus gebrauchten PET-Flaschen gewonnen. Entsorgte Flaschen werden gesammelt, zermahlen und nach dem Einschmelzen zu Polyester-Endlosgarnen versponnen. Damit lassen sich im Vergleich von recycelten zu nicht recycelten PET-Flaschen in der Produktion sehr viel Energie und Wasser einsparen.

Benu war nicht nur als Textilie eine Innovation: Auch die Bildsprache war völlig neu.
Richtig. Ich fand als ausgebildete Fotografin, dass unsere Entwicklung eine eigene visuelle Sprache verdiente. Und so kreierten wir einen neuen Auftritt für Benu. Aber wir änderten auch generell die Bildsprache unseres Unternehmens: Wir waren unter den ersten, die edle Stoffe in alten Fabriken und verlassenen Orten mit Patina inszenierten. Denn es sollte ja um die Stoffe gehen, nicht um die Wohnumgebung. Das gab natürlich zunächst auch Irritationen. Aber bald wurde diese visuelle Sprache kopiert.

Das ist jetzt mehr als zehn Jahre her. Was waren die wichtigsten Meilensteine in der weiteren Auseinandersetzung mit dem Recycling-Material?
Mit jeder Kollektion konnten wir neue Anforderungen an den Stoff erfüllen. Anfangs waren die Textilien noch nicht sehr ansprechend, rau und die Farbpalette war begrenzt. Wir arbeiteten einige Zeit daran, ein leichteres, weicheres Material zu entwickeln. Neben PET kamen allmählich auch Recyclinggarne aus der Modeindustrie zum Einsatz. Der nächste Innovationsgrad wurde mit der Schwerentflammbarkeit erreicht, damit können die Stoffe auch im Objektbereich eingesetzt werden. Mit dem Benu Pure ist uns erstmals ein Weisston gelungen, auf den wir sehr stolz sind, denn frühere Versuche mit Recyclingpolyester hatten meist einen Blau- oder Grünstich, der von den ursprünglichen PET-Flaschen stammt.

Vergangenes Jahr sorgte Christian Fischbacher mit einer weiteren Innovation für Aufsehen: Die hochwertige Kollektion von Vorhangstoffen Benu Sea wurde aus dem Material Seaqual Yarn entwickelt. Dabei handelt es sich um ein Polyestergarn, das zum Grossteil aus «Upcycled Marine Plastic» – aufbereiteten Plastikabfällen aus dem Meer – sowie aus recycelten PET-Flaschen gewonnen wird. Das Garn gilt als besonders pflegeleicht, knitterarm und strapazierfähig – eine vollwertige und zugleich nachhaltige Alternative zu neu produziertem Polyester. Für Teile der Kollektion wurde das Garn speziell veredelt. Um etwa einen matten Look zu erzielen, schnitt man das Endlos-Garn in der Produktion in kleine Stücke, die in Länge und Textur einer Naturfaser ähneln. Anschliessend wurde aus diesen Fasern ein Garn gesponnen, dessen optische und haptische Qualität einem Vergleich mit Baumwolle standhält. Dies überzeugte nicht zuletzt die Jury des Design Preis Schweiz: «Der Textilverlag Fischbacher setzt mit seiner «Benu Sea»-Kollektion auf dem Markt und in der Branche Zeichen, die gar nicht hoch genug einzuschätzen sind: Für die Nutzung von recyclierten Textilmaterialen, für die Erforschung des kreativen Potenzials solcher Materialien und für den Schutz der Weltmeere – stammt doch das in den Benu Sea-Stoffen verarbeitete Polyestergarn wesentlich aus Plastikabfall, der das Ökosystem der Ozeane beschädigt. Nebenbei beweist die Kollektion eindrücklich, dass Recycling- Textilien in Sachen Qualität und Design einem Vergleich mit konventionellen Produkten standhalten können.»

Mit der «Benu Sea»-Kollektion haben Sie den Design Preis Schweiz 2021 gewonnen. Was bedeutet Ihnen, dem Unternehmen, diese Anerkennung?
Sehr viel! Es ist die Bestätigung dafür, dass sich unser jahrelanges Engagement für hochwertige Recycling-Textilien gelohnt hat. Vor 13 Jahren, als wir die ersten Recycling-Produkte auf den Markt gebracht haben, stiess dies bei den internen Verkäufern auf Unverständnis: Wie passt das zu den hohen Qualitäts- und Designansprüchen? Inzwischen sind wir glücklicherweise so weit, dass man in Sachen Ästhetik und Haptik keine Kompromisse mehr eingehen muss, denn Recycling-Textilien stehen konventionellen Produkten in nichts nach.

Wie kam es zur Idee, mit rezykliertem Meeresplastik zu experimentieren?
Ein Lieferant stellte uns damals einen ersten Prototyp vor. Auch wenn es noch kein schönes Produkt war, hatte es sofort mein Interesse geweckt. Für mich war von Beginn an klar, dass Textilien in einem Kreislauf genutzt werden müssen. Recyceltes Plastik aus den Meeren aufzubereiten und wiederzuverwenden, war der nächste logische Schritt.

Woher stammen diese Abfälle, die dafür gewonnen werden?
Wir arbeiten mit Organisationen zusammen, die in der nahen Umgebung von Produzenten Plastikabfälle aus den Meeren und von Stränden entfernen und aufbereiten. Dasselbe gilt auch für die Baumwoll- und Textilabfälle, sie stammen aus der Umgebung des Produzenten, werden dort sortiert und weiterverarbeitet.

Eine exakte Farbigkeit zu erreichen, soll ja mit Garnen aus aufbereitetem Kunststoff sehr schwierig sein. Den Stoff «Benu Talent FR» bieten Sie aber in 30 leuchtenden Farben an. Wie geht das?
Da Recycling-Produkte in der Herstellung anders funktionieren als konventionelle Stoffe und jede Farbe anders reagiert, war es in der Tat eine Herausforderung. Die aufwendige Entwicklungsarbeit hat sich aber gelohnt. Dank des feinen Flors erstrahlen die Farben besonders leuchtend und lebendig. Wir sind stolz, einen flammhemmenden, Outdoor-tauglichen Veloursstoff entwickelt zu haben, den namhafte Möbelhersteller gerne einsetzen.

Welche weiteren Herausforderungen gab es in der Entwicklung?
Die grösste Herausforderung liegt sicherlich darin, die Produkte in der gewohnten hohen Qualität zu entwickeln: Ein fliessender Fall, ein angenehmer Griff, der nicht auf die Herkunft des Materials schliessen lässt. Bis wir die Produkte in den Händen halten konnten, hat es seine Zeit gebraucht.

Innovationen wie diese sind nicht einfach im Textilbereich: Geht es immer weiter mit solchen Entwicklungen?
Unbedingt, denn wir sind erst am Anfang. Neben der Verwendung alternativer Materialien sollten wir den Schritt weiter in Richtung Kreislauffähigkeit gehen. Wir müssen uns alle bemühen, unseren Konsum zu reduzieren, auf langlebige Produkte statt auf schnelle Trends zu setzen. Und wenn uns etwas nicht mehr gefällt, müssen wir es anders einsetzen oder verschenken, so wie man es früher tat. Wertschätzung des Produkts und der verwendeten Rohstoffe ist hier das Stichwort! Das gilt für alle Gegenstände, die uns im Alltag umgeben.

Wie sehen Sie das Potenzial von nachhaltigen Textilien?
Dahinter steckt eine ganze Industrie. Wenn das Sammeln und Aufbereiten bestehender Materialien auch finanziell attraktiv ist, wird in diesem Bereich mehr Forschung betrieben. Reycling-Produkte zu entwickeln, muss lukrativer sein als neue Ressourcen einzusetzen.

Wie geht es nun weiter?
Wir wünschen uns ein kreislauffähiges Benu-Produkt. Daran arbeiten wir derzeit mit viel Energie.

Muss sich die Textilbranche in Zeiten der Klimaveränderung und Rohstoffknappheit ändern?
Inzwischen haben glücklicherweise schon einige Hersteller nachhaltige Produkte für sich entdeckt, aber es ist noch keine Selbstverständlichkeit – gerade in der Textilbranche. Es sollte ein grösserer Austausch von Erkenntnissen stattfinden, um alternative Ideen voranzutreiben.

Die Kreislaufwirtschaft als Ausweg für die angeschlagene Schweizer Textilbranche?
Kreislaufwirtschaft und intelligente Textilien sind die Zukunft. Fasern, die mit Funktionen versehen sind, um Energie einzusparen und negative Umwelteinflüsse zu verhindern. Wenn Textilien schon allein aufgrund ihrer Beschaffenheit weniger gereinigt werden müssen und so weniger Mikroplastik in die Umwelt gelangt, ist es schon ein Anfang.

Wo in der Gesellschaft muss Ihrer Meinung nach ein Umdenken stattfinden?
Bei jedem von uns! Der bewusste Konsum sollte viel mehr in den Köpfen verankert sein. Qualitativ hochwertige, langlebige Produkte sollten gewählt werden, die Bestand haben und nach einer Reparatur weiter genutzt werden können. Wir haben alle eine Verantwortung und müssen vor Augen haben, dass die Rohstoffe unserer Erde endlich sind.

Mit jeder Generation hat sich bei Christian Fischbacher viel verändert: Am Anfang wurde noch mit Rohware gehandelt, es folgten Stoffe für Foulards und Accessoires, später kamen der Modebereich und die Heimtextilien dazu. Der ständige Wandel ist wichtig und einer der Gründe, warum es das Unternehmen heute noch gibt. Camilla Fischbacher treibt nicht nur den Ausbau der Recyclingqualitäten voran, sondern entwickelt mit ihrem Designteam einen kosmopolitischen Spirit, der von vielfältigen kulturellen Strömungen inspiriert ist. So holte sie für die neue Kollektion den Architekten Hadi Teherani an Bord.

An der Mailänder Möbelmesse wird im Juni die Kollektion «Contemporary Persia» präsentiert. Was zeichnet diese aus?
Hadi Teherani stammt wie ich selbst aus Teheran. Unsere gemeinsam entwickelten Vorhang- und Bezugsstoffe interpretieren die einzigartige Vielfalt des Irans in eleganten und raffinierten Dessins. Sanfte Farben treffen auf natürliche Materialien wie Wolle. Aber es finden sich auch kräftige Töne in der Kollektion – eine Hommage an das kontrastreiche iranische Landschaftsbild.

Sie sind dafür zu ihren persischen Wurzeln zurückgekehrt.
Ja, im Dialog mit Hadi Teherani wurde uns die enorme schöpferische Kraft bewusst, die der Iran mit seinem reichen kulturellen Erbe entfesselt. Aber ich lasse immer wieder mal kleine Andenken an meine iranische Herkunft einfliessen, mal ein Name für eine Kollektion, mal ein traditionelles Muster. Ich bin bei meinem Designteam dafür bekannt, Paisley-Muster zu lieben.

Was gefällt Ihnen an Ihrer Arbeit?
Ich liebe so vieles an meinem Job! Die Vielfältigkeit, das Reisen, neue Produkte zu lancieren. Und ich bin ständig auf der Suche nach Inspirationen für kommende Kollektionen. Neue Ideen entstehen an den ungewöhnlichsten Orten. ★


 

Camilla Fischbacher
Camilla Fischbacher wurde 1970 in Teheran geboren. Sie studierte Kunstgeschichte und Fotografie in den USA und erwarb ihren Master of Philosophy in Oxford, wo sie auch ihren Mann Michael kennenlernte. Das Paar lebte in Malaysia, Hongkong, Los Angeles und Tokio, bevor sie sich in St. Gallen niederliessen. Seit 2008 ist Camilla Fischbacher Art Director beim St. Galler Familienunternehmen Christian Fischbacher.

Das Unternehmen
Christian Fischbacher steht seit 1819 für feinste Textilien und Schweizer Handwerkstradition. Der 1803 geborene Gründer Christian Fischbacher sammelte damals die Webwaren der Bauernfrauen und brachte sie zum Markt. Im 19. Jahrhundert expandierte das Unternehmen immer weiter und wuchs zum Familienbetrieb heran. Das Erfolgsrezept waren die besonders edlen Stoffe aus St. Gallen. Diese waren bereits seit dem 13. Jahrhundert als «weisses Gold» bekannt. Sechs Generationen später ist Christian Fischbacher heute der älteste Textilverlag in Familienbetrieb weltweit. Der kosmopolitische Spirit der Kollektionen gilt heute als wichtiges Markenzeichen des Hauses. Niederlassungen befinden sich in Deutschland, Italien, Frankreich, Niederlande, England, Japan und Thailand.

Foto: Christian Fischbacher

Der Umbruch bringt spannende Herausforderungen

Posted by WOMEN IN BUSINESS

Umbruch in der Wirtschaftsprüfungsbranche: Die Entwicklung von Wegen um die Prüfung intelligenter, schneller und sicherer zu machen bietet eine spannende Herausforderung.

Ich bin Kerry Herholdt, Audit Partner und Talent Leader Assurance im Bereich Financial Services bei EY in der Schweiz. Seit sechs Jahren fokussiere ich mich bei EY auf Kunden aus den Finanzbereichen (FSO) Insurance und Reinsurance und unterstütze sie bei Themen rund um das Audit. In Assurance spielen wir eine Schlüsselrolle, indem wir Unternehmen, Anlegern und Aufsichtsbehörden Vertrauen in Abschlüsse, wichtige Informationen und Prozesse vermitteln.

An meinem Job gefällt mir besonders, dass ich während meiner Arbeit immer wieder etwas Neues lerne. Die Kunden entwickeln sich weiter, daher gibt es auch immer neue und interessante Aufgaben, die geprüft werden müssen. Assurance hat in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen, da die globalen Märkte immer komplexer und vernetzter werden. Deshalb suchen wir nach neuen Wegen, um die Prüfung intelligenter und effizienter zu erledigen und eine bessere Sicherheit zu erlangen, womit wir bei allen Stakeholdern mehr Vertrauen schaffen.

Allem voran steht für mich das Team, denn ich liebe es mit Menschen zu arbeiten. Die Mitarbeiterentwicklung liegt mir besonders am Herzen. Daher bekleide ich auch die Talent Partnerin Rolle für FSO Assurance, wo ich zum Beispiel die Rekrutierung aktiv mitgestalten kann. Auch meine eigene Entwicklung ist mir wichtig. Ich suche immer nach Möglichkeiten, mich durch die Arbeit an Kundenaufträgen weiterzuentwickeln. Ein regelmässiger Ausgleich ist jedoch wichtig: Meine Batterien lade ich bei meiner Familie auf. Ich geniesse die Zeit mit meinem Mann und meinen Kindern an der frischen Luft. Wenn es die Zeit erlaubt, powere ich mich auch gerne im Fitness aus.

Neben spannenden Aufgaben ermöglicht mir EY auch die Flexibilität, meinen Terminkalender so zu gestalten, dass ich meine Kunden, mein Team und meine persönlichen Bedürfnisse berücksichtigen kann. So stelle ich sicher, dass ich alle meine Aufgaben erfüllen kann – einschliesslich Zeit für meine Familie und mich. Wer neugierig und lernbereit ist sowie ein Gespür für Zahlen hat und auch Teamwork schätzt, der ist im EY Assurance Team genau richtig.

Interessiert, mehr über Jobs im Bereich von Assurance / Audit bei EY zu erfahren? Dann besuche unsere Webseite und erfahre mehr über unsere spannende Karrieremöglichkeiten bei Assurance: Careers in Assurance Services | EY – Switzerland

Wir freuen uns auf dich.


 

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Claudia Giorgetti Del Monte

Posted by WOMEN IN BUSINESS

Wie werden wir in Zukunft arbeiten? Wir haben die Leiterin Organisation und Kulturentwicklung bei der Mobiliar Versicherung gefragt, ob das Büro nun ausgedient hat und was eine gute Arbeitsplatzkultur ausmacht.

WOMEN IN BUSINESS: Seit sieben Jahren sind Sie Leiterin Organisation und Kulturentwicklung bei der Mobiliar Versicherung. Was sind Ihre aktuellen Kernthemen?
Claudia Giorgetti Del Monte: Die Frage nach dem «Arbeitsplatz» beziehungsweise dem «Arbeitsraum» ist zurzeit eines meiner Kernthemen. Die Arbeitswelt hat sich durch die Pandemie verändert. Wie soll sich der Arbeitsplatz der Zukunft gestalten? Wir können nicht mehr vom klassischen Arbeitsplatz ausgehen, wie wir ihn aus Vor-Pandemiezeiten kannten. Der Mix aus physischer und mobil-flexibler Arbeit setzt sich zunehmend durch. Ich denke dabei auch an die junge Generation. Mit ihr wächst eine neue Arbeitnehmergeneration heran, die heute mit einer selbstverständlichen Zoom-Ausbildung auf den Arbeitsmarkt kommt und sich ganz anders positioniert. Das hat einen grossen Einfluss darauf, wie sich Arbeitsräume künftig gestalten. Das zweite grosse Kernthema ist, wie wir als soziale Wesen in den hybriden Arbeitsmodellen künftig miteinander interagieren – und vor allem effizient zusammenarbeiten zu können. Hybride Zusammenarbeit verlangt ein hohes Mass an Reflexion mit sich selbst, dem Team und dem Ort. Unternehmen müssen ihre Angestellten darin unterstützen, den hybriden Arbeitsplatz zu verstehen. Gleichzeitig müssen sie aber auch Kollaboration, Identität und das Erleben von Werten unterstützen. Das hybride Büro muss sozusagen als «Tankstelle» der Unternehmenskultur funktionieren, die ja erst durch Interaktionen erlebbar wird. Darin muss investiert werden, um den Unternehmenserfolg auch in Zukunft zu sichern!

Remote Work prägt zunehmend unseren Arbeitsalltag. Den Menschen wird der Eindruck vermittelt, das Büro habe ausgedient. Stimmen Sie dem zu?
Ganz klar NEIN. Die Mitarbeiter kommen grundsätzlich wieder gerne ins Büro. Aber die Art und Weise, wie das Büro bisher genutzt wurde, hat sich verändert. Wir müssen neu definieren, welche Funktion es künftig haben soll, es muss mit neuen Inhalten gefüllt werden. Die Zukunft unserer Zusammenarbeit ist dort, wo Mitarbeiter den bestmöglichen Output leisten können. Dafür muss man offen für neue Lösungen sein. Das kann eine Umgebung sein, die flexibel für verschiedene Anforderungen innerhalb der Organisation einsetzbar ist. Es gilt jetzt, eine Balance zu finden und flexible Modelle richtig zu nutzen. Denn ein Arbeitgeber muss schliesslich auch sein Leistungsversprechen einlösen, damit das Unternehmen weiterhin existieren kann und Erfolg hat. Und die Mitarbeiter müssen ihre Produktivität und Leistungsbereitschaft trotz gewissen Freiheiten garantieren und gewisse Regeln und Prinzipien einhalten.

Welche Auswirkungen hat die sogenannte «neue Normalität» auf die Arbeitskultur?
Es gibt, auch heute noch, Mitarbeiter mit einem klar geregelten Arbeitstag im Büro oder in der Produktion, da bestehen keine Alternativen. Viele andere können keine eindeutige Antwort mehr darauf geben, wo ihr Arbeitsplatz ist. Sie arbeiten Remote und sind immer und überall online und erreichbar – und können nicht abschalten. Ich sehe darin eine unserer wichtigsten Aufgaben, die Leute zu befähigen, ein Gleichgewicht zwischen Arbeiten und Privatem zu finden. Man wird nicht effizienter, wenn man nicht mehr richtig abschalten kann.

Wie kann man Mitarbeitende angesichts der Pandemie-Entwicklungen für kommende Krisen widerstandsfähiger machen, besser trainiert?
Als Arbeitgeber hat man eine strategische und eine soziale Verantwortung, vorzusorgen, den Mitarbeitenden Kompetenzen zu geben, die sie stark machen für die Zukunft. Mitarbeiter erwarten für ihre Leistung eine Wertschätzung und wollen mit Sinnstiftung und Chanceneröffnungen gefördert werden. Zahlreiche Studien belegen, dass Engagement, Leistung und Wohlbefinden der Mitarbeitenden eng miteinander verbunden sind. So können sie Resilienz aufbauen und brechen bei der nächsten Krise nicht gleich zusammen.

Welche Schritte muss ein Unternehmen umsetzen, um bei hybrider Arbeitsweise die Leistungsfähigkeit und Produktivität der Mitarbeitenden sicherzustellen – und damit den Unternehmenserfolg, die Zukunftsfähigkeit?
Mit der Kontrolle von oben nach unten lässt sich die digitale Transformation nicht bewältigen. Das hat Konsequenzen für die Führungskräfte. Führen bedeutet heute vielmehr, ein Team zu orchestrieren. Wie ein Dirigent. Wer Teams zusammenhalten, Effizienz, Leistungsfähigkeit und Innovationstärke erreichen will, muss die Eigenverantwortung der Mitarbeitenden erhöhen. Das beginnt schon bei der Art und Weise, wie man in einer Organisation Ziele kommuniziert, die Leute involviert und sie umsetzt. Es braucht explizite Spielregeln, die alle kennen und gleich gut verstehen. Als Unternehmen muss man seine Mitarbeiter aber auch fördern und ihnen die Möglichkeit zur Weiterentwicklung geben. Das ist nichts anderes als das gute, alte Empowerment, die Rahmenbedingungen so zu schaffen und die Zielvorgaben so zu legen, dass Mitarbeiter auf jeder Stufe Verantwortung übernehmen können – und so am Unternehmenserfolg mitarbeiten.

Die Forderungen nach flexibleren Arbeitsmodellen werden immer lauter bis hin zur Forderung nach einer Vier-Tage-Woche. Riskieren wir hier blauäugig unsere ökonomische Stabilität?
Ich sehe nicht, dass wir damit die ökonomische Stabilität riskieren. In verschiedenen Bereichen, wie etwa der Gastronomie, wird die Vier-Tage-Woche inzwischen umgesetzt, und es scheint zu funktionieren. Ich bin davon überzeugt, dass sich der Output nicht verringert. Vielleicht wird er sogar noch besser. Ich finde, Firmen könnten es mit Pilotprojekten testen. So könnte in einem Team der eine Teil von Montag bis Donnerstag und der andere von Dienstag bis Freitag arbeiten. Hinterher weiss man als Unternehmen, in welchen Bereichen dies funktionieren kann und in welchen es sich nicht eignet.

Welche positiven Konsequenzen hat die hybride Zusammenarbeit für die Unternehmenskultur? Anders gefragt, wie sollte eine gute Arbeitsplatzkultur künftig aussehen?
Grundsätzlich gehört zu einer guten digitalen Arbeitskultur, das Engagement der Mitarbeiter zu fördern und sie zu ihrem persönlichen Erfolg zu führen. Ich sage, zu führen. Es wäre naiv, zu glauben, dass sich Mitarbeitende allein auf diesen Pfad begeben. Digital heisst immer mehr auch Tage mit physischer Anwesenheit zur Pflicht machen, anwesend sein, präsent, solidarisch mit der Gruppe, dem Team. Die Basis ist Vertrauen. Und Transparenz, damit die Mitarbeiter informiert und involviert sind. Entscheidend hier sind die Haltung und das Versprechen, die du als Arbeitgeber gibst, und die deine Führungskräfte vorleben. Das lässt sich allerdings nicht mit einer Einweg-Spritze lösen. Man muss das immer wieder thematisieren und trainieren, damit die Unternehmenskultur von oben herab gelebt wird. Das Problem ist leider, dass keiner das Thema so richtig anpacken will, weil es nicht um harte Fakten, sondern um weiche Faktoren geht. Hinzu kommt die gerade nicht förderliche aktuelle Situation. Viele Unternehmen sind jetzt mit existenziellen Problemen wie Lieferproblemen oder Serviceketten, die nicht mehr richtig funktionieren, beschäftigt und nehmen sich zu wenig Zeit, sich um die Belange der Mitarbeiter zu kümmern. Aber das wird sich bald schon auf die Produktivität auswirken.

Ihre Vision einer zukunftsfähigen Team-Organisation, die international mit der Produktivität der besten in China und USA mithalten kann?
Als Arbeitgeber sollte man alle Mitarbeiter befähigen, dem Wettbewerb standhalten zu können, indem man ihnen neue Entwicklungs- oder Karrieremodelle anbietet. Das verstehe ich unter Management der Fähigkeiten. Dafür braucht es klare Anforderungsprofile, Strategien und es braucht sehr präzis definierte Ziele. Wenn es gelingt, Stärken, Kompetenzen und Potenziale des einzelnen gezielt zu fördern, machen wir uns fit für die Herausforderungen und Aufgaben von morgen. So bleiben Unternehmen auch in der Zukunft markt- und konkurrenzfähig! Aber nur, wenn wir uns nicht zu schade sind, auch digital erbrachte Leistungen hart zu kontrollieren und zu bewerten. Das sind wir dem Unternehmen schuldig, dessen Absender auf unserem Lohnausweis steht. ★

Foto: ©Keren Bisaz

Tatjana Haenni – «das einzige Mädchen unter Jungs»

Posted by WOMEN IN BUSINESS

Es gibt wohl keine grössere Leidenschaft im Leben von Tatjana Haenni als der Fussball. Seit sie denken kann, spielt sie Fussball. Damals war sie das einzige Mädchen auf dem Platz. Heute ist Tatjana Haenni als Direktorin des Schweizer Frauenfussballs die erste und einzige Frau in der Geschäftsleitung des Schweizerischen Fussballverbands.

Tatjana Haenni ist in der Stadt Bern geboren und spielte Fussball, seit sie etwa drei Jahre alt war. Woher das genau gekommen sei, wisse sie nicht. «Ich kann mich an nichts anderes erinnern, als dass ich von klein auf dem Ball hinterhergerannt bin und das einzige Mädchen unter Jungs gewesen bin», weiss Tatjana Haenni. «Für die Jungs hat das gepasst, weil ich besser war als die meisten von ihnen», erinnert sie sich. Vereinsfussball für Frauen war zu dieser Zeit noch kein Thema. «Frauenfussball ist zeitlich mit der Frauenbewegung aufgekommen. Es gab Frauen, die wollten kicken. Diese Frauen haben sich zusammengetan und kleine Matchs organisiert, obwohl man ihnen gesagt hatte, sie dürfen das nicht. 1970 hat es dann die erste Schweizer Damenfussballliga gegeben, die die erste Frauenfussball-Meisterschaft organisiert hat. Da gab es nur eine Liga mit 18 Teams aus der ganzen Schweiz, die gegeneinander gespielt haben», erklärt Tatjana Haenni die Anfänge des Frauenfussballs.

Frauenfussball war Amateurfussball
Im Jahr 1979 startete Tatjana Haenni mit 13 Jahren ihre Karriere beim DFC Bern. Ab 1984 spielte sie für die Nationalmannschaft in 23 Länderspielen mit. Frauenfussball war damals Amateurfussball. Als Nationalspielerin trainierte sie dreimal wöchentlich und arbeitete zu 100 Prozent als IT-Programmiererin. Für Länderspiele musste sie Ferien nehmen, die anfallenden Spesen selber bezahlen. Ihre Karriere als Spielerin beendete sie 1996 international und 1998 national. Nebenbei trainierte sie den SV Seebach bis 2004. «Trainerin war nicht so mein Ding, meine Qualitäten liegen eher in der Organisation und im Umfeld der Frauenfussballmannschaft», beurteilt Tatjana Haenni ihre Fähigkeiten. 2005 wurde sie Präsidentin des FFC Zürich-Seebach, dem späteren FC Zürich Frauen, dem sie bis 2018 als Präsidentin vorstand.

Männerdominierte Welt
Im Jahr 1994 wechselte Tatjana Haenni beruflich zum Frauenfussball und stieg bei der UEFA als Administratorin ein, wo sie sich um die Wettbewerbe der Frauen kümmerte. Nach mehr als vier Jahren kündigte sie: «Ich war damals rebellischer und habe noch nicht so verstanden, wie der Laden läuft», gesteht sie und erklärt ihre damalige Sicht der Dinge folgendermassen: «Mich störte die männerdominierte Welt, ich hatte nichts zu entscheiden und leistete doch die ganze Arbeit. Und diejenigen, die Entscheidungen fällen konnten, hatten kein Interesse am Frauenfussball.» Eine ihrer nächsten Stationen war die FIFA. Da seien die Verhältnisse nicht anders gewesen, bemerkt sie lachend, «aber ich war schon etwas älter, hatte einiges gelernt und wusste, worauf ich mich einlasse.» Bei der FIFA blieb Tatjana Haenni 18 Jahre und leistete in verschiedenen Positionen viel Entwicklungsarbeit für den internationalen Frauenfussball. Als Direktorin der Wettbewerbsdivision setzte sie sich intensiv für eine eigene Frauenfussballdivision ein. Sie wollte Strukturen, die auf den Frauenfussball zugeschnitten sind und eigene Frauenfussball-Experten. «Mit dem Präsidentenwechsel der FIFA 2016 wurde der ganze Laden auf den Kopf gestellt. Die Frauenfussballdivision wurde zwar eingeführt und ich war sehr glücklich darüber, wenige Monate später wurde ich jedoch gekündigt», erzählt Tatjana Haenni, «ich war offenbar nicht mehr die Richtige für den Job.» Nach einem Abstecher in eine Sport-Consulting Firma in England, wo sie die geschäftliche Seite des Frauenfussballs kennenlernte, begann Tatjana Haenni 2019 für den Schweizerischen Fussballverband zu arbeiten und wurde 2020 zur Direktorin des Schweizer Frauenfussballs ernannt. Dazu meint Tatjana Haenni trocken: «Nach 50 Jahren organisiertem Frauenfussball war die Beförderung einer Frau in die Geschäftsleitung des Fussballverbandes zeitgemäss.»

Neupositionierung des Frauenfussballs
Tatjana Haenni ist auch heute alleine auf weiter Flur. Im Zentralvorstand, dem höchsten Gremium im Schweizer Fussball, hat sie eine themenbezogene, beratende Funktion. Sonst ist der Frauenfussball per se nicht vertreten. Eines ihrer erklärten Ziele ist die Bekämpfung der strukturellen Diskriminierung im Frauenfussball: «Frauenfussball muss in den Entscheidungsgremien vertreten sein. Deshalb setze ich mich für eine gerechte Frauenfussballvertretung im Zentralvorstand ein. Es fehlt an Frauen mit Fussball-Expertise, obwohl es qualifizierte Frauen dafür gibt.» Ein weiteres Ziel von Tatjana Haenni ist die Neupositionierung des Frauenfussballs und eine entsprechende Förderung. «Viele sprechen heute noch von der Entwicklung des Frauenfussballs. Das ist obsolet. Wir müssen den Frauenfussball nicht mehr entwickeln, den gibt es. Frauenfussball kann vom Männerfussball lernen, er muss jedoch getrennt vom Männerfussball betrachtet und gefördert werden und braucht eigene Strukturen. Mädchen entwickeln sich anders als Jungs, deshalb muss das Training für Frauen ein anderes sein. Dazu kommt, dass nur die besten Nationalspielerinnen, die im Ausland unter Vertrag stehen, vom Fussball leben können. Deshalb müssen die Frauen ihre dualen Karrieren vorantreiben. Diese Doppelbelastung muss berücksichtigt werden», erklärt Tatjana Haenni und fügt bestimmt an: «Das möchte ich erreichen.»

Partnerschaft mit Carl F. Bucherer
Der Fussballverband finanziert sich zu 90 Prozent durch die Männerfussballnationalmannschaft. Wenn sie erfolgreich ist. Dafür, dass sich die Schweizer Männer für die WM in Katar qualifiziert hat, erhielt der Verband einen zweistelligen Millionenbetrag von der FIFA. «Wir leben vom Erfolg der Männer. Das Geld fliesst deshalb vor allem in den Männerfussball, damit diese sich wieder qualifizieren. Der Frauenfussball partizipiert davon, bräuchte aber höhere finanzielle Investments. Mit der AXA und der Credit Suisse haben wir Partner, die explizit in den Frauenfussball investieren. Auf solche Partner sind wir angewiesen. Es reicht jedoch noch nicht. Deshalb kämpfe ich um Geld, damit auch der Frauenfussball bessere Spielerinnen ausbilden kann, um den Frauenfussball attraktiver zu machen und damit mehr Einnahmen zu generieren», erläutert Tatjana Haenni die Zusammenhänge. «Ein Highlight ist die kürzliche Einführung von ‹equal primes› für die Nationalteams der Männer und Frauen bei den WM- und EM-Endrunden-Qualifikationsprämien durch die Credit Suisse, Partner beider Nationalteams. Auch unser Partner Carl F. Bucherer geht mit gutem Beispiel voran. Immer wenn wir uns für ein Endturnier qualifizieren wie jetzt in England, organisiert er einen Anlass, die Spielerinnen haben eine schöne Uhr erhalten und sie werden gleich behandelt wie die Männer. «Carl F. Bucherer sind die Frauen als Spielerinnen und Kundinnen wichtig», freut sich Tatjana Haenni über die Zusammenarbeit. Von Seiten Carl. F. Bucherer erläutert Uwe Liebminger, CMO Carl F. Bucherer, die Hintergründe der Partnerschaft folgendermassen: «Seit 2014 unterstützen wir den Schweizer Fussballverband. Es war uns immer ein Anliegen, dass der Fokus nicht ausschliesslich auf den Männern liegt, sondern dass der ganze Verband und damit sämtliche Männer- und Frauennationalteams berücksichtigt werden. Seit den Anfängen von CFB sind Frauen genauso wie Männer für den internationalen Erfolg der Marke mitentscheidend und verantwortlich. Diese Tradition wollen wir in unseren Partnerschaften weiterführen. Bei der Frauennationalmannschaft sehen wir Parallelen zu Carl F. Bucherer: Sie sind international ausgerichtet und stehen für Präzision und Technik auf höchstem Niveau. Ausserdem repräsentieren Frauen das Thema Swissness ebenso wie die Männer auf exzellente Art und Weise in ihren Clubs rund um den Globus.»

Unvoreingenommene Medienberichterstattung
Der Frauenfussball ist seit einiger Zeit in der Gesellschaft angekommen. Dies dank Persönlichkeiten wie Megan Rapinoe und Alisha Lehmann, die einen hohen Bekanntheitsgrad geniessen. Und dank einer jungen Generation von Journalisten und Journalistinnen, die unvoreingenommen von den Wettkämpfen der Frauen berichten. «Die altmodischen Journalisten haben ausgedient, die nur darüber berichtet haben, wer lesbisch oder dick ist und den Frauenfussball als kleine Schwester des Männerfussballs behandelt haben. Der Frauenfussball hat heute als attraktive Sportart in den Medien Akzeptanz erreicht», bestätigt Tatjana Haenni den Wandel. Im letzten Jahr verzeichnete der Schweizer Frauenfussball so viele Zuschauer wie noch nie. Drei Zuschauerrekorde mit 6’000 bis 12’000 Zuschauern wurden erreicht. Die Öffentlichkeit, die Fans, die Medien und Unternehmen erkennen allmählich das Potential, das im Frauenfussball vorhanden ist.

Koryphäe und Pionierin
Man nennt Tatjana Haenni eine Koryphäe des Frauenfussballs, sie bevorzugt jedoch Expertin. «Ich bin durch all die Jobs, die ich gemacht habe, zu einer Frauenfussball-Expertin geworden, die das Gesamtbild des Frauenfussballs auf allen Ebenen komplett abdeckt. Ich bin nicht die beste Trainerin und nicht die beste Verkäuferin für einen neuen Partnerschaftsvertrag, aber ich weiss, wo es hingehen soll und was der Frauenfussball braucht, um weiter zu wachsen», so Haenni. Die Ehre, eine Pionierin des Frauenfussballs zu sein, möchte sie nicht alleine für sich in Anspruch nehmen: «Vor mir hat es schon Pionierinnen gegeben, nur kennt man sie nicht. Ich führe fort, was Frauen vor mir geleistet haben, und nach mir gibt es ebenfalls noch einiges weiterzuführen.»

Tatjana Haenni
1966 geboren in Biel, aufgewachsen in der Stadt Bern.
Ausbildung KV, IT-Programmiererin.

Spielerkarriere:
1979 Karrierestart beim DFC Bern
1984 Schweizer Nationalmannschaft
1996/1998 Ende der internationalen/nationalen Spieler-Karriere

Berufliche Karriere:
1994–1999 UEFA Administratorin Wettbewerbe Frauenfussball
1999–2017 FIFA u.a. Direktorin Wettbewerbsdivision
2019 Schweizerischer Fussballverband SFV
2020 Direktorin Frauenfussball im SFV

Foto: Remo Naegeli

 

«Selfcare gehört fix eingeplant»

Posted by WOMEN IN BUSINESS

Am She’s Mercedes-Event vom 15. September 2022 berichten die beiden Zürcher Yoga-Lehrerinnen Aylin Karadayi und Mirjam Haymann von ihrem Weg zu ihrem Selbstverständnis von Selfcare.

Sie wissen viel und verkörpern, wofür sie sich stark machen: Aylin Karadayi und Mirjam Haymann haben auf unterschiedlichen Wegen und aus unterschiedlichen Gründen zu Yoga gefunden. Daraus entstanden ist die Überzeugung, dass es nicht Luxus ist, sich um sich selbst zu kümmern wie um jeden anderen Menschen, der einem wichtig ist, sondern Teil der Eigenverantwortung. Damit wird Selbstfürsorge zu einem Task wie Sitzungen oder Zähneputzen. Zusammen haben die beiden Frauen «Everyday Hero Yoga» entwickelt. Es ist, was es heisst: ein Programm für Alltagsheldinnen wie Sie.

WOMEN IN BUSINESS: Gebe ich bei Google das Schlagwort Selfcare ein, erhalte ich 491 Millionen Ergebnisse in 0,73 Sekunden. Ihr Kommentar?
Aylin
: Ein Trend in unserer Selbstoptimierer-Gesellschaft, der erzählt, alles sei möglich. Selfcare wird somit zum Imperativ erklärt.
Mirjam: Andererseits ist Selfcare ja effektiv unerlässlich – wenn wir gesund bleiben wollen. Das Angebot ist erschlagend, die Realität hat mit den Hochglanzbroschüren oft nichts zu tun. Das Suggerieren von Selfcare als Hobby, gar Luxus, führt häufig zu Be- anstatt Entlastung.

Was heisst Selfcare für Sie?
Mirjam
: So zu leben, dass ich gut atmen kann, mein Körper Beachtung bekommt und mein Geist Freude erlebt.
Aylin: Für mich einzustehen. Kompromisse eingehen. Platz schaffen.

Was sind die grössten Herausforderungen dabei?
Aylin
: Die Disziplin, die Eigenverantwortung, Zeit, vielleicht sogar das Überangebot.
Mirjam: Selfcare ist nichts für «obendrauf», quasi als Sahnehäubchen, sondern gehört fix eingeplant. Dafür müssen wir Strukturen ändern, Platz machen – was Disziplin und Mut braucht, nicht zuletzt wegen den Anforderungen der Gesellschaft. Konkretes Beispiel: Ich als Mutter soll alles lieben und von Herzen machen – und da kann es ja nicht sein, dass ich Pausen brauche oder andere Interessen habe, als Znüniboxen vorzubereiten.

Welches ist Ihr effektivstes Selfcare-Tool?
Aylin
: Meditation.
Mirjam: Yoga-Asana.

Welches das schönste?
Aylin
: Musik.
Mirjam: Singen.

Wie finde ich das Passende für mich?
Aylin
: Versuch und Irrtum. Probieren geht über studieren.
Mirjam: Genau das ist es, einfach mal machen und dann aussortieren, ändern, anpassen.

Ihr gemeinsames Ding ist Yoga. Wie haben Sie dazu gefunden?
Aylin: Auf ziemlich tragische Weise: Ich hatte vor zehn Jahren Brustkrebs. Und Yoga, das davor kein Thema war für mich, hat mir erst auf physischer und dann auch geistiger Ebene geholfen.
Mirjam: Ich habe als junge Frau über eine Angststörung zu Yoga gefunden: Für mich war es damals sehr beruhigend, auf dem Boden zu sitzen, liegen oder gar zu essen. Mein Therapeut riet mir zu einer Bewegungsform am Boden. Et voilà.

Wie sieht für Sie ein perfekter Morgen/Tag aus?
Aylin
: Mein Freund oder mein Hund wecken mich, dann trinke ich einen Kaffee und gehe danach entweder mit dem Hund spazieren oder meditiere.
Mirjam: Bei mir ist es laut, die Stunde zwischen 7 und 8 Uhr am Morgen ist die anstrengendste des Tages. Danach kehrt Ruhe ein, weil die Mädchen in der Schule sind und das Au-pair übernimmt. Wenn ich dann ein bisschen Zeit für mich habe, gibt mir das sehr viel.

Sie sind die Macherinnen von «Everyday Hero Yoga» – ein Online-Programm – und Kind von Corona?
Aylin
: Ja, und es läuft, immer wieder, in Wellen.
Mirjam: Die ganze Yogabranche hat sehr unter Covid gelitten. Die Situation ist spannend und interessant, aber auch herausfordernd. Wo der Normalzustand endet, fängt etwas Neues an, Studios schliessen, Lehrer unterrichten online.

Was braucht es zum Everyday Hero?
Mirjam
: Nichts Besonderes, das sind wir alle bereits. Denn was anderes ist das Leben als eine Heldenreise, eine emotionale, spirituelle und mitunter auch höchst weltliche Odyssee. Deshalb haben wir uns bei unserem Programm auch für den Archetypen «Hero» entschieden…
Aylin: … und schlagen die Brücke zwischen den Welten, damit etwas Neues entsteht.

Ihre Philosophie?
Aylin
: Wir machen uns dafür stark, dass es für jede und jeden möglich ist, eine bessere Beziehung zum eigenen Körper und somit zu sich selbst zu haben …
Mirjam: … und da geht es uns nicht einfach darum, seine Beine, Brust und Bauch zu mögen, sondern uns aufs Ganze einzulassen und gesamthafter danach zu forschen, wie es uns geht und uns so kennenzulernen: In welcher Beziehung stehen wir zu unserem Hüftgelenk, Atem, Magen und so weiter.

Und das kann Yoga?
Aylin
: Zu Yoga geistert so viel durch Medien, Internet und Soziale Medien, dass der Eindruck entsteht, es handle sich um etwas Religiöses, fast Klösterliches, das nur etwas ist für ganz bestimmte Menschen, zum Beispiel selbstversorgende Vegetarier in Hippiehosen.
Mirjam: Das sind alles Klischees und wir die wandelnden Beispiele dafür. Wir selbst leben in chaotischen, lustigen und überaus weltlichen Umständen. Zugleich schöpfen wir immer wieder viel aus dem Kosmos des uralten Systems, das uns Yoga zu bieten hat.

Braucht halt Zeit.
Mirjam
: Yoga ist kein Quickfix, sondern eine Praxis, die von Regelmässigkeit lebt. Sicher. Ich höre immer wieder, ich würde schon mehr machen, aber ich habe keine Zeit. Meine Antwort: Du hast keine Zeit? Dann nimm dir Zeit.

Und die Reaktion, die folgt, ist «das ist einfacher gesagt als getan». Right?
Mirjam
: Ja. Aber man beginnt darüber nachzudenken. Ein Tag hat 24 Stunden für jede und jeden. Zeit kann man nicht besitzen, nur nutzen und die Art und Weise, wie wir sie nutzen, ist eine Frage der Prioritäten. Und da tun sich mitunter innere Gräben auf: Ich habe drei kleinere Kinder, um Zeit für mich zu haben, mache ich manchmal Abstriche bei meinen Erwartungen an mich als gute Mutter – und setze sie für ein Weilchen vor den TV.

Und das schlechte Gewissen praktizieren Sie auf der Matte weg?
Mirjam
: Ein schlechtes Gewissen habe ich nicht, im Gegenteil, ich schätze es, dass ich mir diese Zeit-Räume nehme trotz dem Vielen, das ich und andere von mir erwarten. Unser Credo: Jeden Tag ein bisschen Yoga hält die inneren Dämonen im Zaum und gibt uns mehr Raum zum Durchatmen.
Aylin: Chop wood, carry water. Ob es einem gut geht oder nicht, die Praxen sollten dieselben sein, das führt zu weniger Gefühlschaos im Sinne von: hab ich Lust oder nicht. Denn Selfcare bedingt Scheduling: Wenn ich einen Zahnarzttermin habe, frage ich mich dann auch nicht, ob ich Lust hab oder nicht, ich gehe einfach, zum Wohle meiner Zähne.

Wie ist Ihr Selbstverständnis als Selfcare-Spezialistinnen und Yogalehrerinnen?
Aylin
: Wir verstehen uns als Mediatoren zwischen Leben und Matte. Und selbst beziehen wir in unsere Praxis auch Aspekte aus anderen Lehren ein, zum Beispiel aus dem Daoismus mit seinem Wissen um die fünf Elemente. Wir arbeiten zudem mit Bildern, sprechen vom Körper als «das Haus», in welchem wir leben. Und dieses gilt es sauber zu halten, zu pflegen und hin und wieder zu entrümpeln.
Mirjam: Wir vermitteln Yoga für Alltagsmenschen und folgen dabei nicht Mann/Frau, dick/dünn, jung/alt sondern zum Beispiel Hitze/Kälte, Leichtigkeit/Schwere und Feuchtigkeit/ Trockenheit – alles Aspekte mit einem engen Bezug zu unseren Organen. Es gibt dafür sehr simple und praktikable Übungen, die man am Schreibtisch, auf dem Bett oder in der Küche anwenden kann.

Klingt easy.
Aylin
: Und das ist gewollt, aber hart erarbeitet und hat sehr viel Disziplin gebraucht. Was wir vermitteln, ist weder ein Geschenk des Zufalls noch des Glücks.
Mirjam: Die Wörter Disziplin und harte Arbeit sind natürlich nicht Selbstzweck, sondern einfach wichtig, um Veränderungen herbeizuführen. Am Schluss, das garantieren wir, wirken diese Tools befreiend.

Und erleuchtend?
Mirjam
: Yoga macht nicht selig, im Gegenteil: Yoga legt Schwächen und Gebrechlichkeiten offen, bringt das Schwierige an die Oberfläche. Dann liegt es an jedem einzelnen zu entscheiden, wie damit umgehen – eine Möglichkeit, Verantwortung zu übernehmen. Eine gute Übung geht für mich nicht runter wie Honig, sondern fordert mich heraus, den Honig im Innern zu finden.
Aylin: Man lernt sich kennen, begegnet sich selbst, realisiert, woraus man seine Kraft schöpft. Ich habe selbst erfahren, dass Yoga insbesondere in schwierigen Zeiten ein guter Helfer sein kann.


 

Event-Empfehlung der Redaktion
Seien Sie beim nächsten She’s Mercedes Event dabei und lernen Sie Aylin und Mirjam persönlich kennen.

«The Essence of Self-Care»

Eine Veranstaltung der She’s Mercedes Initiative.
Datum und Uhrzeit: Donnerstag, 15. September, 17.30–22.00 Uhr
Ort: The Dolder Grand, Zürich
Ticketpreis: CHF 49.–
Der Event findet auf Englisch statt.

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 Die Initiative She’s Mercedes steht für die Idee, dass Inspiration Aussergewöhnliches bewirken kann. Mehr zur Initiative und zu den Events von She’s Mercedes in der Schweiz finden Sie im Newsletter mercedes-benz.ch/shesnewsletter-de sowie unter mercedes-benz.ch/shes


Fotos: Lauretta Suter

 

Frauen, plant mit!

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Ob Ausstieg aus dem Berufsleben oder Teilzeitpensum – in vielen Fällen haben Frauen bei der Familiengründung mit einer Karrierebremse zu rechnen und damit auch mit finanziellen Einbussen im Rentenalter. Wie sich das ändern lässt? Mit einem niederschwelligen Zugang zum Thema Geld und Anlage und mit guter Planung.

«Ich bin kein Zahlenmensch!» Kommt Ihnen dieser Satz bekannt vor? Eine Selbsteinschätzung, die viele Frauen teilen. Das führt innerhalb von Familien häufig zu einer äusserst konservativen Rollenverteilung bei der Finanzplanung. Der Mann verhandelt Hypotheken, tätigt strategische Investments und regelt die finanzielle Absicherung im Alter. Die Frau mischt sich kaum ein. Dabei ist es häufig sie, die ihr Pensum zugunsten der Kinder reduziert oder ihre Karriere jedenfalls temporär auf Eis legt; die, die finanziellen Einbussen und Vorsorgelücken in Kauf nimmt. Eine Absicherung im Falle einer Scheidung? Fehlanzeige.

Frauen sparen weniger
Vorgelebt wurde dieses Modell bereits von den Eltern und Grosseltern. Der Vater bringt das Geld nach Hause, die Mutter schmeisst den Haushalt. Ein solch traditionelles Rollenverständnis prägt – selbst dann, wenn man es selbst einmal ganz anders machen wollte und sich als emanzipiert und unabhängig beschreibt. Wenn es ums Geld geht, trauen sich Frauen trotz hervorragender Ausbildung und erfolgreicher beruflicher Laufbahn noch immer zu wenig zu – zu beobachten sowohl in Jobinterviews und Lohnverhandlungen als auch bei Kreditanträgen und in den heimischen vier Wänden. Letzteres funktioniert, solange man das Glück hat, mit dem Partner gemeinsam alt zu werden. Doch bei einer Trennung sind es vor allem die Frauen, die finanziell das Nachsehen haben, wenn vorgängig nicht für beide Partner ordentlich vorgesorgt wurde. Frauen sparen rund 37 Prozent weniger als Männer. Verständlich, wenn plötzlich weniger oder gar nichts mehr in der eigenen Kasse ist und man unentgeltlich die Familie managed.

Tabu- und Streitthema
Wenn aus einem Paar eine Familie wird und Kinder kommen, sind eine finanzielle Standortbestimmung und ein gemeinsam erstellter Finanzplan unabdingbar. Prioritäten müssen neu gesetzt werden. Aus zwei unabhängigen Budgets wird ein neues Modell geformt. Gemeinsames Konto oder Haushaltskasse? Brauchen wir eine Todesfallversicherung? Wie sparen wir gemeinsam? Sind unsere Kinder gut abgesichert? Was passiert finanziell bei einer Trennung? All diese Fragen gilt es zu klären und dabei müssen wir vor allem eines lernen: dass wir über das Thema Geld sprechen wie über den nächsten Wocheneinkauf. Noch immer ist dies selbst im geschützten Raum der Partnerschaft ein Tabu- oder Streitthema. Dabei ist ein natürlicher, unverkrampfter Umgang mit den eigenen Finanzen respektive denen der Familie die Grundlage für ein individuelles und kollektives Sicherheitsgefühl. Und das beginnt nicht erst in der Paarbeziehung, sondern bereits in der eigenen Kindheit und Jugend. Wie lege ich mein Taschengeld an? Was passiert mit meinem ersten Lohn? Da sind Eltern, aber auch Schulen gefragt, Kindern möglichst praxisnah zu verdeutlichen, was es für eine gute Finanzplanung braucht, weshalb sie nötig ist und wie sie sogar Spass machen kann.

Verantwortung übernehmen
Wer von klein auf lernt, dass Geld uns alle etwas angeht und wir früh dafür sorgen müssen, dass wir möglichst lange etwas davon haben, profitiert langfristig und übernimmt Verantwortung für sich selbst. Dass das nötig ist, zeigen die Zahlen: Rund 60 Prozent der Altersvorsorge stammen aus der 1. und 2. Säule. Die übrigen 40 Prozent resultieren aus der privaten Vorsorge, der 3. Säule. Ein System also, das nach einer gewissen Balance und Stabilität verlangt. Selbstverständlich ist nicht jeder in der Lage, die dritte Säule maximal zu befüllen. Die gute Nachricht: Eine professionelle Vorsorgeberatung unterstützt dabei, das Modell zu finden, das in die eigene finanzielle Situation hineinpasst. ★


 

«Die Frauen müssen mit am Tisch sitzen»

Die private Vorsorge ist ein wichtiger Faktor, um im Pensionsalter nicht nur viel Zeit, sondern auch genügend Geld zu haben. Was es dabei zu beachten gilt – besonders für Frauen, und ob es irgendwann zu spät ist, um mit der Finanzplanung zu beginnen, verrät Diana Stocker, Leiterin Direktvertrieb Pax.

WOMEN IN BUSINESS: Diana Stocker, Frauen haben ein höheres Risiko, später in die Altersarmut abzurutschen. Was können wir dagegen tun?
Diana Stocker: Wir müssen ein Bewusstsein schaffen für die Notwendigkeit, sich mit dem Thema Finanzen auseinanderzusetzen. Gerade bei Frauen, die Kinder bekommen, müssen Teilzeitpensum, Betreuungslösung und Altersvorsorge gemeinsam mit dem Partner eingehend diskutiert werden. Ich hatte selbst das Glück, auf meine Familie zurückgreifen zu können, als unsere Kinder zur Welt kamen. So war ich in der Lage, voll weiterzuarbeiten. Ich erlebe leider immer wieder, dass Frauen sich aus der Diskussion um finanzielle Belange zurückziehen und alle Entscheidungen dem Mann überlassen. Bei meinen Beratungen bestehe ich deshalb darauf, dass beide Partner am Tisch sitzen. Beratung ist nicht gleich Beratung. Ich möchte Frauen abholen und ihnen Unverständliches verständlich machen, ihnen Sicherheit geben und signalisieren: Es ist nie zu spät für einen Finanzplan und eine private Vorsorge.

Muss man mit dem Sparen nicht möglichst früh beginnen?
Selbstverständlich lassen sich grosse Lücken später nur schwer wieder schliessen, doch Sparen fürs Alter ist immer wichtig. Je nach Lebensabschnitt gibt es andere Lösungen – nach einer Scheidung beispielsweise wird geprüft, ob ein Teil des Vermögens sinnvoll angelegt werden kann. Häufig ist dann wichtig, Prioritäten neu zu setzen und die eigenen Möglichkeiten zu evaluieren. Selbst 100 Franken im Monat machen einen Unterschied.

Wann ist der beste Zeitpunkt für eine Vorsorgeanalyse?
Ich rate dazu, wenn sich im Leben etwas verändert, das einen Einfluss auf die finanzielle Situation haben wird. Bei meiner ersten Vorsorgeanalyse war ich 21 Jahre alt. Doch auch vor einer Hochzeit, bei einem Jobwechsel, wenn die Familie wächst oder die Pensionierung ansteht, ist es wichtig, die eigene Situation zu überprüfen und eine Vorsorgeplanung vorzunehmen. So kann der Wechsel in den neuen Lebensabschnitt für alle Beteiligten finanziell gut abgesichert und vermieden werden, dass Nachteile entstehen. Im Gegensatz zu früher sind die Vorsorgemodelle heute sehr flexibel, können auch bei bestehenden Verträgen immer wieder angepasst und auf die eigenen Bedürfnisse zugeschnitten werden.

Wie laufen Vorsorgeanalyse und Beratung ab?
Grundsätzlich ist die Vorbereitung für eine Beratung sehr zahlenlastig. Wir prüfen beispielsweise den Vorsorgenachweis der 2. Säule und die Vermögenswerte und geben die gesammelten Informationen in ein Vorsorgeanalysetool. Die Kunden erhalten dann eine Präsentation der Ergebnisse. Lücken werden aufgezeigt – solche, die es bereits gibt und solche, die noch folgen können. Dann geht es um die Klärung der Bedürfnisse: Möchten sich Kunden gegenseitig absichern, eine Hypothek abbezahlen, die Kinder versorgt wissen, die Pensionierung planen oder ein anderes Szenario abdecken? Entsprechend dem Kundenbudget suchen wir dann nach passenden Lösungen. Es gibt keine Standard-Variante, die für alle passt. Vor 20 Jahren hat man vor allem klassische Lebensversicherungen und Vorsorgepläne gemacht. Heute haben wir attraktive Fond-Lösungen, können auf die Risikobereitschaft der Kunden eingehen und haben ein breites Angebot an Lösungen auf dem Markt. ★

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Diana Stocker
Diana Stocker bringt 20 Jahre Berufserfahrung im Versicherungssektor mit. Die Mutter zweier Töchter (10 und 15 Jahre) ist seit sechs Jahren für Pax tätig und Expertin, wenn es um das Thema Private Vorsorge geht. Diana Stocker leitet den Direktvertrieb.

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«Grosse Umwälzungen brauchen Zeit»

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Der Begriff Metaverse ist in aller Munde. Nur ein Hype oder doch ein bevorstehender, einschneidender Wandel? Wir haben bei Patrick Comboeuf, digitaler Vordenker und Studiengangsleiter an der HWZ, nachgefragt, was hinter dem Begriff steckt, wo und wie man sich bereits im Metaverse bewegen kann und was es mit der «Risk of Ignorance» auf sich hat.

WOMEN IN BUSINESS: Alle reden vom Metaverse. Was können wir uns darunter vorstellen?
Patrick Comboeuf: Seit Facebook seinen Namen in «Meta Platform Inc.» geändert hat, findet das Metaverse immer mehr Eingang ins allgemeine Bewusstsein. Dabei ist Metaverse kein neuer Begriff. Bereits Ende der 90er-Jahre erschien ein Science-Fiction-Roman, der sich mit einer virtuellen Parallelwelt auseinandersetzte. Dass der Begriff aber gerade jetzt boomt – sei dies bei den Big-Tech-Firmen wie auch in der breiten (Medien)-Öffentlichkeit – kommt nicht von Ungefähr. Es ist das Resultat verschiedener Faktoren, die aufeinander einzahlen. Darunter fällt zum einen der technologische Fortschritt, der die Verschmelzung verschiedener digitaler Ökosysteme, wie beispielsweise E-Commerce, Kryptowährungen und Virtual Reality, mit der realen Welt ermöglicht. Im Weiteren funktionieren durch die Pandemie hervorgerufene gesellschaftliche Umwälzungen und damit der digitale Lifestyle nicht schlechter als der analoge Pre-Covid-Status Quo. Das hat viele überrascht, am allermeisten wohl die Menschen an den Schalthebeln der unternehmerischen Macht. Zudem haben digitale Zahlungssysteme wie Twint über Nacht einen neuen Standard gesetzt. Und zu guter Letzt sind die Giganten aus dem Silicon Valley stets auf der Jagd nach dem «Next Big Thing». Ausgestattet mit reichlich (Risiko-)Kapital braut sich so wirkungsvoll ein Hype zusammen, der gerade am Anfang dazu neigt, etwas zu überborden, auch geschürt durch die Gier der Medien nach schmissigen Stories.

Wie unterscheidet sich das Metaverse vom Internet? Welchen Mehrwert bietet es?
Wenn wir das Internet als Universum betrachten, schafft das Metaverse eine übergeordnete Meta-Umgebung, in welcher viele dieser Universen miteinander interagieren. Das ist heute nicht der Fall. E-Commerce ist beispielsweise eine Plattformwelt, die von Alibaba oder Amazon dominiert wird, Gaming ist auf Xbox und Co. parallelisiert. Das Metaverse erlaubt es technologisch, diese teilweise organisch gewachsenen, teilweise bewusst als Geschäftsmodell hochgezogenen Grenzen zu durchstossen. Und das ist keinesfalls eine Utopie. In der analogen Welt geht das heute schon. Mein 7-jähriger Sohn hat keine Skrupel, mit seinem Lego-Technics Auto in sein Playmobil-Ritterschloss zu fahren. Und er wird dabei auch nicht aufgehalten von einem vermeintlichen Plattform-Giganten wie Playmobil, denn er bzw. ich haben ja für die Produkte und deren freie Verwendung bezahlt.

Kann man das Metaverse bzw. seine Entwicklung bereits irgendwo beobachten?
Es gibt bereits unzählige Plattformen, auf welchen man Metaverse-Erfahrungen machen kann – und zwar nicht nur mit klobigen VR Brillen oder anderen Gadgets. Sandbox ist ein dezentralisiertes Gaming-Metaverse, welches es technisch versierten Spieler:innen erlaubt, virtuelle Werte, sogenannte NFTs zu kreieren, zu handeln und zu monetarisieren. Decentraland ist eine weitere Plattform, welche eine virtuelle Welt abbildet. Man kann Land kaufen, bauen aber eben auch einfach umherwandern und sich inspirieren lassen, was andere Teilnehmende dort so machen. Und dann gibt es noch Axie Infinity, ein Spieluniversum, welches vor allem in Südostasien viele junge Nutzer:innen anzieht, weil sie damit in einem «Play-to-earn»-Modell tatsächlich Teile ihres Lebensunterhalts bestreiten können.

Für wen ist das Metaverse gedacht? Wie wahrscheinlich ist es, dass wir bald alle im Metaverse unterwegs sein werden?
Mein damaliger Arbeitgeber hat mir Anfang der 90er-Jahre ein Mobiltelefon zur Verfügung gestellt. In meinem Umfeld hatte fast niemand Verständnis dafür, dass ich dieses Gerät (auf Geheiss meines Chefs), mit mir rumgetragen habe. “Wer will denn immer erreichbar sein? Das ist doch unnötig.”, waren die harmloseren Kommentare. Auch meine Vision 2006 als damaliger Digitalchef bei der SBB, das Kursbuch und den Billettautomaten auf das Mobiltelefon zu bringen, wurde innerhalb des Unternehmens kritisch aufgenommen. Grosse Umwälzungen brauchen Zeit, in der Regel mehr, als ich und viele meiner Mitstreiter:innen der digitalen Avantgarde uns erhoffen würden. Aber wohl auch weniger lang, als sich Bedenkenträger, Status-Quo-Bewahrer und Verschwörungstheoretiker wünschen würden. Das Metaverse lädt, wie alle technologischen Entwicklungen, vor allem diejenigen Menschen zum Experimentieren und Lernen ein, die an einer Zukunft bauen wollen, welche noch viele Überraschungen bereithält.

Welche Chancen bietet das Metaverse? Sind auch potenzielle Gefahren damit verbunden?
Bei jedem technologischen Phänomen treten am Anfang viel Unwägbarkeiten auf. Dinge, die noch nicht klar sind. Doch gerade für eine kleine Volkswirtschaft wie die Schweiz, mit überschaubaren natürlichen Ressourcen, dafür mit einem berechenbaren Justiz- und Politsystem, einer gut ausgebildeten Bevölkerung und gut alimentierten öffentlichen Kassen, sehe ich in den Entwicklungen rund um das Metaverse eine Möglichkeit, den Abstand zu den Big Tech-Zentren nicht nur zu verringern, sondern da und dort sogar in den Lead zu gehen. Die wachsende Auswahl an Anwendungsfällen aus der Bauindustrie und dem Kunstmarkt zeigen, dass es sich lohnt, sich bereits jetzt aktiv mit den Auswirkungen von Metaverse und Co. auseinanderzusetzen. Gerade dann, wenn man RoI nicht per se als «Return on Investment», sondern smarter, als «Risk of Ignorance» versteht.

Über Patrick Comboeuf
Patrick Comboeuf ist einer der profiliertesten digitalen Vordenker der Schweiz. Mehrere Wochen im Jahr verbringt er im Silicon Valley und anderen Hotspots der digitalen Welt. Seit 2013 arbeitet er freiberuflich für das Institute for Digital Business & das Center for Financial Studies an der HWZ, u. a. als Studiengangsleiter den CAS Fintech & Blockchain Economy. Hauptberuflich unterstützt er als Interim Leader etablierte Unternehmen sowie aufstrebende Startups dabei, ihre Geschäftstätigkeit friktionsfrei in digitalen Ecosystemen zu verankern. Als langjähriger Digitalverantwortlicher bei den Schweizerischen Bundesbahnen (SBB) oder Swiss Life war er federführend für eine Vielzahl von Initiativen verantwortlich.

Trauen Sie sich, offen zu sein

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Waren Sie auch schon in einem Meeting und haben Ihre Gedanken und Ideen nicht geteilt, weil Sie befürchteten, jemand könnte Ihre Vorschläge schlecht finden und Sie blossstellen? Oft sind wir – vielleicht unbewusst – so beschäftigt, darauf zu achten, wie wir wirken und was andere von uns denken, dass wir uns nicht in Diskussionen einbringen. Dabei wäre der Beitrag von uns allen wichtig.

Wir brauchen Kooperation und neuartige Lösungen, um die komplexen Herausforderungen unserer Zeit zu meistern. Damit wir kreativ und erfolgreich zusammenarbeiten können, bedarf es einer Arbeitsatmosphäre, in welcher wir keine Angst haben müssen, offen unsere Meinung zu äussern, Fehler zuzugeben oder den Status Quo kritisch zu hinterfragen. Eine Kultur, die einen respektvollen und empathischen Umgang fördert, wo aus Fehlern gelernt werden darf und individuelle Stärken, Talente und Fähigkeiten geschätzt und gefördert werden.

Harvard Professor Amy Edmondson nennt dies Psychologische Sicherheit. In einer grossangelegten Studie fand Google 2012 heraus, dass diese mit Abstand der wichtigste Erfolgsfaktor für effektive Teams ist. Wie kann es also sein, dass bis heute – zehn Jahre später – in vielen Unternehmen immer noch eine ganz andere Kultur herrscht? Und «herrschen» ist in diesem Zusammenhang tatsächlich der richtige Begriff, weil Manager nach wie vor oftmals herrschen, anstatt zu führen.

Es ist höchste Zeit für einen Kulturwandel. Diesen zu initiieren ist vor allem die Aufgabe von Führungskräften. Doch wir alle können uns bemühen, unseren Kolleginnen und Kollegen das Gefühl von Wertschätzung, Empathie und Sicherheit zu vermitteln und so einen Beitrag zu einer angenehmen Arbeitsatmosphäre zu leisten.

Was können Sie konkret tun?
Seien Sie mutig, gehen Sie mit gutem Beispiel voran. Jedes Mal, wenn Sie sich trauen, offen und ehrlich eine kontroverse Meinung zu vertreten, Fehler zuzugeben und sich verletzlich zu zeigen, inspirieren Sie andere, dasselbe zu tun. Bestärken Sie andere, wenn diese mutig vorangehen. Selbst wenn Sie nicht derselben Meinung sind, können Sie wertschätzend und anerkennend reagieren und so zu einer konstruktiven Diskussion beitragen. Wie Mahatma Gandhi schon sagte, seien Sie selbst die Veränderung, die Sie sich für diese Welt wünschen.

Möchten Sie mehr über dieses Thema erfahren? Dann melden Sie sich zu unserem kostenlosen Webinar – Empower dein Team – an.


 

CC Studio GmbH – Coaching & Consulting
Wir sind Caroline und Chantal Rampone. Coaching ist unsere Leidenschaft. Das Wohlergehen von Menschen in der Arbeitswelt zu fördern, ist unsere Mission. Strukturiert und zielorientiert, mit viel Feingefühl und Leichtigkeit, kreieren wir einen vertrauensvollen Raum für neue Perspektiven, Erkenntnisse und Handlungsoptionen. Wir stärken Ihre Selbstwirksamkeit, fördern Ihre persönliche Entwicklung und Entfaltung – für mehr Lebensqualität.

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«Tu es einfach!»

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Künstliche Intelligenz (KI) kann immer mehr. Eine, die sich auf dem Gebiet auskennt, ist Paulina Grnarova. Die CEO und Mitgründerin von DeepJudge, einem Start-up im KI-Bereich, will mit der Technologie den juristischen Suchprozess revolutionieren. Wir haben mit ihr über das Vorhaben, ihre Rolle als CEO und die Gunst der Stunde gesprochen.

WOMEN IN BUSINESS: Was genau bietet das Start-up DeepJudge an?
Paulina Grnarova: Wir haben eine Software entwickelt, welche die Effizienz von Anwälten steigert, indem Routinetätigkeiten automatisiert werden. Juristen müssen täglich unzählige Dokumente nach relevanten Informationen durchforsten. Diese Tätigkeit nimmt viel Zeit in Anspruch, die anderweitig genutzt werden könnte. Hier setzt DeepJudge an. Die Software filtert im Nu relevante Informationen aus Dokumenten. Das bringt den juristischen Suchprozess auf ein neues Level.

Wie vermag die Software, Informationen zu filtern?
Sie nutzt Künstliche Intelligenz (KI). Diese ermöglicht es, natürliche Sprache sowie rechtliche Konzepte semantisch zu verstehen. Das heisst, die Software versteht die Bedeutung und den Kontext von Wörtern und Sätzen. Konnte man mit bisherigen Programmen nur nach spezifischen Schlüsselwörtern suchen, erfasst DeepJudge die weiter gefasste Bedeutung eines Suchbegriffs. Es handelt sich damit nicht mehr nur um eine Stichwortsuche. DeepJudge kann komplexe Fragestellungen und den Kontext eines Textes erfassen.

Sie haben ursprünglich Computer Science studiert. Wie kamen Sie von dieser Thematik hin zur Gründung von DeepJudge – einem Start-up, das Dienstleistungen im Rechtsbereich erbringt?
Das hat verschiedene Gründe. Als Doktoranden an der ETH Zürich haben wir uns auf das Verständnis von Texten mit Hilfe von KI spezialisiert. In der Tat gibt es aber zahlreiche Branchen, in denen Text in grossen Mengen verarbeitet werden muss. Der juristische Bereich interessierte uns besonders, weil verschiedene Dokumente, die zusammenhängen, analysiert werden müssen. Hinzu kommt, dass die Sprache in den Rechtswissenschaften sehr nuanciert ist. Die Veränderung eines Wortes kann die Bedeutung eines ganzen Abschnittes verändern. Das Bedürfnis nach Unterstützung und Automatisierung war in diesem gesamten Prozess gross. Hinzu kam, dass die Technologie während unserer Promotion grosse Fortschritte erzielen konnte. Es wurde dank KI ein Verständnis von Text möglich, das zuvor unmöglich schien. Diese Gunst der Stunde haben wir genutzt.

Wie haben Sie den Prozess der Gründung wahrgenommen?
Es ist sehr aufregend, ein eigenes Unternehmen zu gründen. Man hat das Gefühl, etwas Grosses zu bewirken. Es beeindruckt mich, dass eine kleine Gruppe von Menschen einen Arbeitsablauf verändern kann. Und es war eine grosse Befriedigung, endlich alles, was wir während der Promotion gelernt hatten, auf ein praktisches Problem anzuwenden zu können.

Wie haben Sie den Wandel von Ihrer eigentlichen Tätigkeit – dem Codieren – hin zur CEO wahrgenommen?
Ich programmiere zwar nicht mehr direkt, bin aber immer noch an der übergeordneten Weiterentwicklung der Software beteiligt. Ich schätze es, beide Tätigkeiten, das Programmieren und die Rolle der CEO, kombinieren zu können. Ich sehe gerade hier einen grossen Vorteil. Zu meinen Aufgaben als CEO zählen unter anderem die Führung von Gesprächen mit Kunden und potenziellen Investoren. Mein technischer Hintergrund hilft mir dabei sehr. Zum einen erscheine ich glaubwürdig, weil ich das Produkt mitentwickelt habe und weiss, wovon ich spreche. Zum anderen kann ich direkt und individuell Empfehlungen abgeben.

Welchen Rat würden Sie anderen (potenziellen) Gründerinnen mit auf den Weg geben?
Ich würde ihnen sagen «Tu es einfach!». Denn sobald man den Sprung gewagt hat, ergibt sich der Rest. Es ist ein Fehler, abzuwarten, bis man perfekt vorbereitet ist, denn das wird nie der Fall sein. Es geht vielmehr darum, die Ungewissheit von allem, was kommen wird, anzunehmen. Ein weiterer wichtiger Punkt ist das Gründungsteam, all jene Menschen, mit denen man sich umgibt. Man muss Leute finden, welche dieselben Werte teilen und an die Geschäftsidee glauben. Denn gemeinsam geht alles einfacher.


 

Über Dr. Paulina Grnarova Paulina Grnarova ist Co-Founderin und CEO von DeepJudge, einem Spin-off der ETH Zürich. Die Nordmazedonierin promovierte an der ETH in Künstlicher Intelligenz und arbeitete mehrere Jahre als Forschungsberaterin bei Google AI Language und Google Brain, wo sie sich auf das Verständnis natürlicher Sprache spezialisierte. Für ihre Leistungen wurde Paulina unter anderem in die prestigeträchtige «Forbes 30 under 30»-Liste aufgenommen.

Über DeepJudge Das Start-up wurde von vier Doktoranden der ETH Zürich gegründet. Bei der Software handelt es sich um eine KI-gestützte Plattform, welche die Verarbeitung juristischer Dokumente unterstützt. Die Software ist bereits auf dem Markt und befindet sich in der Pilotphase. Mehrere grosse Anwaltskanzleien helfen bei der Entwicklung mit.

Die Dringlichkeit zum Handeln scheint noch nicht überall erkannt worden zu sein

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Schon seit ihrer Jugendzeit beschäftigt sich Antje Kanngiesser mit den Themen Energie und Umwelt. Heute setzt sie sich als CEO des Schweizer Energiekonzerns Alpiq für die Förderung von Wasser-, Wind- und Solarkraft ein. Ein Gespräch über den Ausbau erneuerbarer Energien und die sichere Versorgung mit Strom.

WOMEN IN BUSINESS: Frau Kanngiesser, Sie stehen heute an der Spitze von einem der beiden grossen Energieunternehmen der Schweiz. Hat Sie diese Branche schon früh interessiert?
Antje Kanngiesser: Gewissermassen schon. Ich bin in Nordhessen in Deutschland aufgewachsen. In den 1980er Jahren habe ich als Teenager die Diskussionen um Fisch- und Waldsterben, saurer Regen, Ozonloch sowie um die Auswirkungen der Atom-Katastrophe in Tschernobyl mitbekommen. Schon damals hat es mich umgetrieben, was man dagegen tun kann. Deshalb habe ich als Jugendliche zusammen mit Freunden eine Umweltgruppe gegründet und später Jurisprudenz mit Schwerpunkt Öffentliches Recht studiert, weil Rechtskenntnisse grundsätzlich von Vorteil sind, um zu verstehen, was passiert. Meine Doktorarbeit habe ich dann über die Mediation in Genehmigungsverfahren für Grossprojekte wie Flughäfen, Kraftwerke oder Deponien geschrieben, ehe ich in verschiedenen Anwaltskanzleien mit Schwerpunkt Umwelt- und Abfallrecht gearbeitet habe.

Wie sind Sie in die Energiebranche gekommen, die für Frauen ja nicht gerade ein typisches Berufsfeld ist?
Durch meine anwaltliche Arbeit bin ich über das Abfallrecht zur Energiegewinnung aus Abfällen mit Biogas und von dort mit weiteren erneuerbaren Energien in Kontakt gekommen wie Photovoltaik, On- und Offshore-Windparks. Rückblickend ist es also kein Zufall, dass ich mich heute in meiner Funktion als CEO der Alpiq mit all diesen Themen beschäftige. Ob ich eine Frau bin oder nicht, spielt keine Rolle. Es geht darum, Leistung zu bringen, sich sozial einzubringen, eigenverantwortlich zu handeln und sich mit Freude für eine Sache zu engagieren.

Was fasziniert Sie an Ihrem Job als CEO der Alpiq?
Schon von klein auf habe ich Verantwortung übernehmen müssen. Das hat mich sehr geprägt. Mir wurde später wichtig, dass ich im Beruf eine verantwortungsvolle Rolle mit viel Gestaltungsspielraum übernehmen kann. Als CEO habe ich die Möglichkeit, zu gestalten, mich für etwas einzusetzen und etwas zu ändern. Das gefällt mir. Die Komplexität der Materie sowie die gesellschaftliche, systemische und wirtschaftliche Relevanz der Energiewirtschaft begeistern mich. Das Geschäft in der Energiebranche ist enorm spannend, weil es nie eine einfache und schnelle Lösung gibt.

Wie würden Sie Ihren Führungsstil beschreiben?
Zuallererst mag ich Menschen sehr gern. Das scheint mir eine Grundvoraussetzung für gute Führung zu sein. Ich führe situativ sowie partizipativ und fördere kollaborative Entscheide. Wichtig sind mir zudem Werte wie Vertrauen und Respekt, aber auch Transparenz und Humor. In Krisensituationen hilft die klassische, militärische Führung, die ich im Rahmen einer Weiterbildung am International Institute for Management Development (IMD) während einer viertägigen Zusammenarbeit mit der Schweizer Armee kennengelernt habe. Führen in normalen Situationen und in Krisenfällen ist nicht dasselbe. Ich versuche, immer den richtigen Stil für die jeweilige Situation zu finden.

Wie werden bei Alpiq Frauen gefördert?
Diversität und Inklusion sind wichtige Themen bei uns. Wir möchten die Vielfalt fördern und andere Meinungen zulassen – unabhängig vom Geschlecht – auch wenn das manchmal anstrengend ist. In der Geschäftsleitung haben wir gegenwärtig einen Frauenanteil von einem Drittel, im oberen Kader beträgt er allerdings erst sieben Prozent. Hier haben wir uns zum Ziel gesetzt, bis 2030 rund 35 Prozent zu erreichen. Generell geht es mir nicht allein um Frauenförderung, sondern um die Vielfältigkeit. Alpiq ist in 20 Ländern aktiv, weshalb wir mit entsprechend unterschiedlichen Kulturen umgehen müssen.

Was können Frauen besser als Männer?
Dieses Thema lässt sich nicht einfach generalisieren. Die besten Resultate gibt es meiner Erfahrung nach mit gemischten Teams, in denen jede und jeder seine individuellen Stärken einbringen kann. Für entscheidender halte ich sowieso die kulturellen und nicht die geschlechtsspezifischen Unterschiede.

Wie stehen Sie zum Umwelt- und Klimaschutz? Was tragen Sie persönlich dazu bei?
Wie ich eingangs erwähnt habe, liegen mir die Umwelt und der Klimaschutz seit meiner Kindheit sehr am Herzen. Diese Einstellung gebe ich auch meinen beiden Töchtern weiter. Meinen Arbeitsweg vom Freiburger Seebezirk ins Büro nach Lausanne oder Olten lege ich im Normalfall mit dem Zug zurück. Wenn ich mit dem Auto unterwegs bin, dann fahre ich ein Elektroauto. Lokal bewege ich mich viel zu Fuss oder mit dem Velo. Auf Flugreisen habe ich privat kaum noch Lust, beruflich nehme ich aber das Flugzeug schon noch hin und wieder. Gerne möchten wir unser Wohnmobil durch ein elektrisches Modell ersetzen, sobald es möglich ist. Ausserdem backen wir Brot selbst, kaufen saisonal direkt beim Bauern, der Laiterie und dem Winzer ein und versuchen, Foodwaste zu vermeiden.

Was kann Alpiq dazu beitragen?
Wir achten als Unternehmen stark auf die Umwelt und fördern die erneuerbaren Energien. Aber wir haben auch Gaskraftwerke, die zur Stabilisierung der Energieversorgung noch eine ganze Zeitlang gebraucht werden, um die Schwankungen der erneuerbaren Energien auszugleichen. Denn Wind und Sonne sind sehr volatil. Am flexibelsten ist man mit Wasserkraftwerken, aber die gibt es schon allein bedingt durch deren Topografie nicht in allen Ländern, weshalb dort Gaskraftwerke zum Einsatz kommen. Ziel muss es sein, mittel- bis langfristig auch diese Werke zu ersetzen bzw. diese auf Biogas oder grünen Wasserstoff umzurüsten. Diese beiden Energieträger werden in den nächsten 20 Jahren eine wichtige Rolle spielen. Die Alpiq will sich in der Umwelt- und Klimafrage verbindliche und messbare Ziele setzen. Wir analysieren die gesamten Prozesse, um noch effizienter zu werden. Da ist viel Detailarbeit gefragt, aber diese Analyse ist ein Gebot der Stunde.

Alpiq ist in der Schweiz an Kernkraftwerken (KKW) sowie in Italien, Spanien und Ungarn an Gaskombikraftwerken beteiligt. Wie beurteilen Sie das geplante Ausstiegsszenario?
Momentan sind zwei parallele Bewegungen zu beobachten: Der Stromverbrauch steigt, während weniger Strom produziert wird. Die Schweizerinnen und Schweizer haben an der Urne entschieden, dass die Schweiz aus der Kernenergie aussteigen soll. Bestehende Kernkraftwerke sollen am Ende ihrer Betriebszeit stillgelegt, zurückgebaut und nicht ersetzt werden. Allerdings können sie so lange weiter betrieben werden, wie es ihre Sicherheit zulässt und die Wirtschaftlichkeit gegeben ist. Die Schweiz hat keine festen Laufzeiten bestimmt. Ob die sicherheitstechnischen Anforderungen erfüllt sind, entscheidet das Eidgenössische Nuklearsicherheitsinspektorat (ENSI). Allerdings sind wir der Auffassung, dass wir gut daran tun, die Kernkraftwerke – solange sie sicher und wirtschaftlich betrieben werden können – am Netz bleiben sollten, bis wir den Ausbau der erneuerbaren Energien genügend vorangetrieben haben. Wir müssen auch so schnell und vor allem massiv ausbauen, um den künftigen Bedarf decken zu können.

Hat der Krieg in der Ukraine daran etwas geändert?
Nicht grundsätzlich. Der Krieg hat das Bild noch einmal verschärft und aufgezeigt, dass wir in Europa insbesondere im Bereich Erdgas eine sehr starke Abhängigkeit von Russland haben. Die Schweiz hat sich die Dekarbonisierung zum Ziel gesetzt. Aber man muss sich im Klaren sein, dass die Dekarbonisierung nur über die Elektrifizierung des Verkehrs und der Industrie unktioniert. Deshalb wird der Strombedarf stark zunehmen. Heute verbraucht die Schweiz 58,6 Terrawattstunden Strom pro Jahr. Gemäss Hochrechnungen wird dieser Wert bis ins Jahr 2050 auf rund 85 Terrawattstunden ansteigen. Diese Prognose scheint mir nicht übertrieben zu sein. Hauptreiber werden dabei die Mobilität, die Liegenschaften und die Industrie sein. Auch die Bevölkerungszunahme ist nicht zu vernachlässigen. Die Dringlichkeit zum Handeln scheint allerdings noch nicht überall wirklich erkannt worden zu sein. Der Konflikt in der Ukraine erzeugt nun Druck, damit die Forschung schneller arbeiten und Innovationen entwickeln kann. Vielleicht noch nicht heute und morgen, aber ich bin sicher, dass es vorwärts geht und heute noch embryonale Ideen bei der entsprechenden Aufmerksamkeit ihre Wirkung entfalten können.

Welches Potenzial haben wir im Bereich der Energieeffizienz?
Diese müssen wir verstärkt vorantreiben. Da liegen in der Schweiz beim Stromverbrauch vielleicht drei Terrawattstunden in Bezug auf den jährlichen Verbrauch drin. Das entspricht ca. fünf Prozent gerechnet auf den heutigen Verbrauch. Der Strombedarf durch die Dekarbonisierung steigt aber deutlich stärker. Deshalb müssen wir die erneuerbaren Energien rasch ausbauen.

Wie kann eine sichere Stromversorgung in der Schweiz langfristig garantiert werden?
Wir müssen aufhören, die verschiedenen Technologien gegeneinander auszuspielen und Gründe zu suchen, warum etwas nicht geht. Wichtig sind der Ausbau der Wasserkraft und die Photovoltaikanlagen sind im Alpenraum besonders im Winter sehr wirkungsvoll. Alpiq ist am Projekt für die grösste Photovoltaikanlage der Schweiz in Gondo beteiligt. Im Bild die Photovoltaikanlage und der Windpark von Alpiq auf dem Monte Mele in Sizilien. damit verbundenen Erhöhungen der Mauern von Stauseen, aber auch die Photovoltaik und der grüne Wasserstoff. Bei dieser Technologie müssen wir auch an die Speicherung der Energie denken, vor allem an die saisonale Speicherung, denn wir haben vor allem im Winter zu wenig Strom. In diesem Spannungsfeld gilt es einen Kompromiss zu finden zwischen der Energieversorgung und den Interessen des Umweltschutzes. Man darf nie vergessen, dass in der Energiebranche Planungs- und Genehmigungszeiten von bis zu 30 Jahren nicht aussergewöhnlich sind. Deshalb sollte auch darüber nachgedacht werden, die Genehmigungs- und Gerichtsverfahren zu beschleunigen. In anderen Ländern besteht diese Möglichkeit, weil das öffentliche Interesse an der sicheren Energieversorgung so gross ist. Energiepolitik ist immer auch Sicherheitspolitik.

Reicht dafür der Ausbau der erneuerbaren Energien? Oder ist das eine Träumerei?
Es ist grundsätzliche denkbar, dass wir irgendwann den ganzen Strombedarf aus erneuerbaren Energien decken können. Doch die Schweiz wird nie ganz autonom sein, sie ist keine Insel, und es wäre viel zu teuer. Allfällige Lücken wird sie auch künftig mit Strom aus dem Ausland schliessen, idealerweise auch aus erneuerbaren Energien. Denn die Unabhängigkeit von fossilen Brennstoffen ist aus Umweltschutzsicht und in Bezug auf den Klimawandel eine Pflicht. Deshalb muss ein weiteres Ziel sein, die ganze Infrastruktur umzubauen und jedes Gebäude in ein kleines Kraftwerk zu verwandeln. Der technische Fortschritt wird viel dazu beitragen, dies zu ermöglichen.

Drohen der Schweiz Strommangellagen und Stromlücken?
Die Eidgenössische Elektrizitätskommission (ElCom) zeigte an ihrer Jahresmedienkonferenz im Juni auf, dass für den kommenden Winter Importe aus Frankreich sehr begrenzt möglich sein werden. Aktuell steht die Hälfte der 56 Reaktoren Frankreichs still. Die Exportfähigkeit der anderen Nachbarländer hängt stark von der Verfügbarkeit fossiler Brennstoffe ab, wo wir aktuell mehr als grosse Fragezeichen haben. Deutschlands Wirtschaftsminister Robert Habeck hat im Juni die zweite Eskalationsstufe im Notfallplan Gas ausgerufen und zum Sparen aufgerufen, da Russland die Gaslieferungen stark gedrosselt hat. Das Risiko ist sehr real. Eine sichere Stromversorgung ist das Rückgrat einer gesunden Wirtschaft. Wir müssen die Wirtschaft schützen, sonst gehen die Arbeitsplätze verloren. Deshalb müssen wir beim Ausbau unserer Infrastruktur wirklich Tempo aufnehmen und Projekte priorisieren.

Welche Strategie verfolgen Sie mit Alpiq?
Wie in den letzten fünf Jahren, wo Alpiq eine halbe Milliarde Franken in die Schweizer Wasserkraft investiert hat, liegt unser Hauptfokus auch in der Zukunft auf dem Ausbau der Wasserkraft, die sehr flexibel ist. Wir sind an vier Projekten beteiligt und würden gerne morgen loslegen. Um der drohenden Stromknappheit zu begegnen, planen wir mit Partnern zum Beispiel eine neue Staumauer oberhalb von Zermatt im Wallis, um die Gletscherschmelze aufzufangen. Die Energie könnte über das bestehende Kraftwerk Grande Dixence verarbeitet werden. Dieses Projekt wäre in rund drei Jahren realisiert und könnte 650 Gigawattstunden Strom für die Wintermonate liefern, was enorm viel ist. Und für die Gemeinde Zermatt wäre mit diesem Projekt auch viel für den Hochwasserschutz getan.

Wie sieht es mit dem Ausbau der Photovoltaik aus?
Von Photovoltaikanlagen halte ich sehr viel. Besonders im Alpenraum sind sie sehr wirkungsvoll, weil dort das Sonnenlicht durch den Schnee reflektiert und verstärkt wird. Oberhalb der Walliser Ortschaft Gondo ist Gondosolar, die grösste Photovoltaikanlage der Schweiz, mit unserer Beteiligung in Planung. Auf einer Höhe von über 2000 Metern über Meer und dank der besonders günstigen Sonneneinstrahlung lassen sich dort rund 23,3 Millionen Kilowattstunden pro Jahr produzieren. Die höchste Wirkkraft hat Gondosolar im Winterhalbjahr.

Gleichzeitig steigt auch der Strombedarf, u.a. durch die steigende Verbreitung von Elektroautos. Wird sich diese Entwicklung auf die Strompreise auswirken?
Die Strompreise sind in den letzten 12 Monaten stark gestiegen und angesichts der geopolitischen Situation und dem andauernden Krieg sind Prognosen unsicherer denn je. Aber es gibt keine Anzeichen, dass die Preise in den nächsten Jahren wieder stark sinken werden. Andererseits war der Preis lange Zeit zu tief. Als Folge davon gab es einen Investitionsstau bei den Photovoltaikanlagen. Eine Megawattstunde kostete im Grosshandel weniger als 30 Euro, dabei liegen die Vollkosten bei Photovoltaikanlagen bei ungefähr 70 bis 100 Euro für eine Megawattstunde. Nun folgt die Korrektur dieser Preispolitik, und wir müssen massiv in den Ausbau der Produktionskapazitäten investieren. Nur so können wir – wie bereits erwähnt – künftig die Stromversorgung der Schweiz gewährleisten.


 

Antje Kanngiesser
Antje Kanngiesser steht seit März 2021 als Vorsitzende der Geschäftsleitung an der Spitze der Alpiq Gruppe. Die promovierte Juristin mit einem EMBA-Abschluss des IMD Lausanne arbeitete davor ab 2014 in verschiedenen Funktionen für die BKW Gruppe – zuletzt war sie für den Geschäftsbereich Group Markets & Services verantwortlich und gehörte der Konzernleitung an. Zuvor war sie während sieben Jahren in unterschiedlichen Führungspositionen bei der Alpiq Gruppe beziehungsweise der Energie Ouest Suisse (EOS) tätig. Zwischen 2001 und 2007 war Antje Kanngiesser Rechtsanwältin in Berlin mit Schwerpunkt Energie-, Infrastruktur- und Wirtschaftsrecht. Sie ist deutsch-schweizerische Doppelbürgerin und lebt mit ihrer Familie in Murten.

Alpiq
Die Alpiq Holding AG mit Hauptsitz in Lausanne ist einer der beiden grossen international tätigen Schweizer Energiekonzerne. In der Schweiz unterhält das systemrelevante Unternehmen noch in Olten und Sion operative Sitze, im Ausland in Prag, Paris, Mailand, Madrid, Helsinki und Berlin. Alpiq entstand aus dem Zusammenschluss der Atel Holding AG (Aare-Tessin AG für Elektrizität) sowie der EOS S.A. (Energie Ouest Suisse) und ist seit dem Jahr 2009 operativ tätig. In der Schweiz und in ausgewählten Ländern Europas ist Alpiq im Bereich Stromerzeugung, -vertrieb und -handel sowie Energiedienstleistungen tätig. Der Energiekonzern beschäftigt insgesamt mehr als 1200 Mitarbeitende.

Bilder: Alpiq / Andreas Mader; Yoshiko Kusano

Mehr Freiraum beim Vererben

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Verwaltungsrätinnen auf dem Vormarsch

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Immer mehr Frauen peilen ein Mandat in einem Verwaltungsrat an, doch gilt es trotz Quotenzeitalter einige Hürden zu beachten. Wir haben uns mit den Verwaltungsrätinnen Carolina Müller-Möhl und Eunice Zehnder-Lai sowie dem Headhunter Guido Schilling über die notwendigen Voraussetzungen und Herausforderungen unterhalten.

«Träume nicht Dein Leben, lebe Deinen Traum» lautet das persönliche Motto des Headhunters Guido Schilling, ein Leitspruch, der durchaus auch als Ermutigung für ambitionierte Verwaltungsratskandidatinnen zu verstehen ist. Der Gründer der Schilling Partners AG, einer bekannten Adresse für Executive Search mit Sitz in Zürich, besetzt seit 1987 ausgesuchte Spitzenpositionen in den Verwaltungsräten und Geschäftsleitungen von führenden Schweizer Firmen mit qualifizierten Kandidatinnen und Kandidaten. Er sagt: «Wer ein Verwaltungsratsmandat im Visier hat, muss nicht nur überzeugend auftreten, sondern sich auch geschickt ins Gespräch bringen.»

WOMEN IN BUSINESS: Guido Schilling, wie erleben Sie die Entwicklung der weiblichen Erwerbstätigkeit im oberen Kader?
Guido Schilling: In den 80er Jahren übernahmen Frauen in internationalen Industrieunternehmen kaum eine führende Rolle. Zwar waren Sätze wie «Taten statt Worte» bereits in den Köpfen verankert, doch nennenswerte Fortschritte, was die Durchmischung in Führungsteams betrifft, waren noch nicht zu verzeichnen. Ich war allerdings in einem Dienstleistungsunternehmen tätig, in welchen Frauen und Männer auf Augenhöhe kommunizierten. Die Firma wurde von einer Frau geführt, und der Geschlechterunterschied im Bereich Führungspositionen nahm keinen wichtigen Platz ein.

Das Thema Diversity wird inzwischen grossgeschrieben.
In der zweiten Hälfte der 90er Jahre hat sich die Gleichberechtigung in der Arbeitswelt erst richtig durchgesetzt, doch so manche Frau dachte nicht daran, ihre sichere Position zugunsten eines Karriereaufstiegs aufzugeben. Grundsätzlich kann gesagt werden, dass Frauen Stabilität höher gewichten als eine kurzfristige berufliche Optimierung, nicht zuletzt auch deshalb, weil sie auch familiäre Verpflichtungen übernehmen und sich nicht lediglich dem Beruf verschreiben möchten. Das soziale Umfeld spielt demnach ebenso eine Rolle wie die Familie und der geeignete Arbeitsweg im Sinne einer Balance.

Agieren Frauen demnach zu zaghaft?
Früher waren diese in Topmanagement-Positionen klar untervertreten auch aufgrund mangelnder weiblicher Vorbilder. Auch deren Mütter hatten in der Jahrtausendwende alten höhere Positionen angestrebt, doch zwanzig Jahre später hat sich das Rad gedreht, und die Ansprüche sind gestiegen. Die jungen Frauen treten heutzutage selbstbewusst auf, haben viel Zeit in ihre Ausbildung investiert und hegen den Anspruch, ihr Wissen nachhaltig umzusetzen. Das führt auch dazu, dass Männer anders eingebunden sind und das traditionelle Rollenmodell ausgedient hat. Die Firmen haben es sich zudem zum Ziel gesetzt, Frauen miteinzubeziehen, da sie deren Mehrwert erkannt haben. Zahlreiche Unternehmen haben erkannt, dass weibliche Anwärterinnen andere Anstellungsbedingungen benötigen, damit sie erfolgreich bleiben.

Wie sieht die Situation in den Verwaltungsräten aus?
Inzwischen sind viele qualifizierte Frauen in Verwaltungsräten tätig, und nicht alle müssen über eine Managementlaufbahn verfügen. Man kann beispielsweise auch im Bereich der Buchführung Erfahrungen gesammelt oder in einem Treuhandbüro gearbeitet haben, um sich zu qualifizieren. Da Verwaltungsratsmandate mit einem Pensum von 5 bis 10 Prozent verbunden sind, können auch Mütter eine solche Aufgabe übernehmen.

Welche weiteren Voraussetzungen sind notwendig, um in einem Verwaltungsrat bestehen zu können?
Beide Geschlechter müssen in fachlicher Hinsicht in die jeweilige Unternehmensführung passen und wissen, wie eine Firma geführt wird und eine Branchenkenntnis vorweisen können. Es kann sich auch um einen Kandidaten oder eine Kandidatin handeln, die das jeweilige Unternehmen zuvor extern beraten hat. Ein Verwaltungsratsmandat erhält man nicht primär via Stellenausschreibung, sondern insbesondere durch Anfragen aufgrund der eigenen Qualifikation.

Was unterscheidet Frauen von Männern im Bereich Führungspositionen?
Das «schwache Geschlecht» ist oft selbstkritischer als der männliche Bewerber, der entschiedener auftritt bezüglich Kompetenzen. Frauen hinterfragen auch ihre eigenen Leistungen und überlegen, weshalb ihnen eine Position zugetraut wird. Sie erkennen öfter die Risiken als die Chancen und orientieren sich stark an ihren persönlichen Erfahrungen. Sie überzeugen allerdings auch deshalb, weil sie teamorientiert sind, Gesellschaftsverantwortung übernehmen und auf empathische Art und Weise an Fragestellungen herangehen. Solche Eigenschaften sind auch künftig sehr gefragt. Nach wie vor gilt: Frauen wollen entdeckt werden. Sie drängen sich vor, was auch als Qualität gewertet werden kann, doch können sie dadurch auch übersehen werden. Sie dürften sich also ruhig mehr zutrauen.

Wie lassen sich potenzielle Verwaltungsrätinnen ermuntern?
Die Firmen sind sich zunehmend bewusst, dass es auf beide Geschlechter gleichermassen Rücksicht genommen werden muss. Früher hiess es oft, dass lediglich die Männer die Regeln bestimmen würden, doch haben diese allmählich gelernt, dass differenzierte Betrachtungsweisen zahlreiche Vorteile mit sich bringen im Hinblick auf geschäftliche Zielsetzungen. Künftig wird es immer mehr Unternehmen geben, die eine hohe Gender-Diversity in den Mittelpunkt stellen.

Sie publizieren jährlich den Schillingreport, in welchem über die Zusammensetzung der strategischen sowie operativen Leistungsgremien der Schweizer Wirtschaft und der öffentlichen Verwaltung Auskunft gegeben wird. Welches ist Ihre wichtigste Erkenntnis?
Bereits zum 17. Mal wird der Schillingreport publiziert. Mit 19 Prozent der weiblichen Geschäftsleitungsmitglieder und 30 Prozent Verwaltungsrätinnen zementiert der SMI seine Vorreiterrolle in Sachen Gender Diversity. In den Verwaltungsräten arbeiten die SMI-Unternehmen bereits auf einem Zielkorridor von 40 bis 60 Prozent Frauen hin. Bald jede zweite Position wurde im letzten Jahr mit Frauen besetzt. Man hat erkannt, dass es sich lohnt, diese zu fördern. In ein paar Jahren kann man diesbezüglich von einer breiten Akzeptanz sprechen.

Frauen müssen sich nicht nur geschickt ins Gespräch bringen, sondern auch gegen andere Interessentinnen konkurrieren können. Was bedeutet das im Zeitalter von Social Media?
Weibliche Führungskräfte im mittleren Management sind nahezu immer in sozialen Netzwerken erfasst. Allerdings nutzen sie berufliche Perspektiven oft weniger als die Männer, die sich im Gegenzug öfter für Projekte zur Verfügung stellen und dadurch entsprechend auffallen. Sie sind besser vernetzt, was zum beruflichen Erfolg beiträgt und von der Konkurrenz auch wahrgenommen wird. Nicht lediglich der blosse Eintrag bei Linkedin, dem sozialen Netzwerk zur Pflege bestehender Geschäftskontakte steht im Fokus, sondern vor allem die Bereitschaft, eine Extrameile zu gehen ausserhalb des beruflichen Umfelds.

Gelingt auch ein Einstieg in den Verwaltungsrat ohne beachtliche Karriere?
Man muss in erster Linie mitreden können und sich in einem Fachgebiet besonders gut auskennen, aber es kommt auch auf die jeweilige Funktion an. Wenn in erster Linie das Aktionariat vertreten wird, spielt das Fachgebiet keine zentrale Rolle und das Ziel besteht schliesslich darin, darauf zu achten, ob der Verwaltungsrat die Firma in die gewünschte Richtung bringt. Über wichtige Fragestellungen muss man jedoch kompetent mitdiskutieren können.

Zeigt sich die Männerwelt vermehrt verunsichert, wenn sich immer mehr weibliche Anwärterinnen durchsetzen?
Tatsache ist, dass die Männer nicht mehr automatisch berufen werden. Während diese früher in den Gremien übervertreten waren, spricht man heute von durchmischten Führungsteams. Es wird noch ein wenig dauern, bis sich die Gleichberechtigung in der Berufswelt langfristig etabliert hat. Der nachhaltige Erfolg eines Unternehmens, der wiederum Themen wie «Umwelt oder soziale Verantwortung» mit sich bringt, dürfte an Bedeutung gewinnen, und meist beschäftigen sich die Frauen besonders mit solchen Fragestellungen.

Guido Schilling
1987 trat der Betriebsökonom Guido Schilling als Partner in das 1980 gegründete Executive-Search-Unternehmen ein, welches heute unter dem Namen Guido Schilling AG firmiert. 2010 gründete er die Schilling Partners AG. Er ist spezialisiert auf die Besetzung von Positionen auf höchster Managementstufe und Verwaltungsratsmandaten. Zuvor war Guido Schilling in diversen Führungspositionen in internationalen Unternehmungen tätig. Einen Beitrag zur Transparenz in der Schweizer Wirtschaft leistet er seit 2006 jährlich mit dem «schillingreport» über die Zusammensetzung des Topmanagements der 100 grössten Schweizer Firmen.


 

Carolina Müller-Möhl gehört zu den engagiertesten und bekanntesten Unternehmerinnen und Verwaltungsrätinnen der Schweiz. Mit ihrer eigenen Foundation engagiert sie sich nicht nur im Bereich Bildung, sondern setzt sich auch aktiv für die Frauenförderung ein. Ihr liegt viel daran, gleichstellungsfreundliche Rahmenbedingungen zu schaffen und Brücken zwischen den unterschiedlichsten Akteuren zu schaffen.

WOMEN IN BUSINESS: Seit 22 Jahren leiten und präsidieren Sie die von Ihnen gegründete Müller-Möhl Group, deren Kernkompetenz im Investment Management liegt.  Zudem waren Sie unter anderem Verwaltungsrätin der Nestlé SA und der Kühne Holding. Wie fanden Sie den Weg in den Verwaltungsrat?
Carolina Müller-Möhl: Meine berufliche Karriere kann als unkonventionell bezeichnet werden gespickt mit grossen Herausforderungen und zahlreichen Opportunitäten. Der Sprung in den Verwaltungsrat gelang mir bereits im Alter von 32 Jahren. In sämtlichen Mandaten war ich das jüngste und einzige weibliche Mitglied. Ich wurde stets angefragt und weil ich es stets als Chance wahrnahm, einerseits einen Beitrag zu leisten und andererseits dazuzulernen, bin ich heute in über 30 Mandaten engagiert. Es ist für mich nun aber an der Zeit, einige Mandate an geeignete Nachfolgerinnen zu übergeben.

Wo lagen die grössten Stolpersteine in Ihrer Verwaltungsratskarriere?
Die Diversität voranzutreiben und Kolleginnen anzuspornen, stellte eine grosse Hürde dar. Mit viel überzeugungskraft musste ich mich dafür einsetzen, Frauen zu befördern, konnte aber in den letzten zwanzig Jahren in allen Gremien Frauen einsetzen und beraten, ihnen beim Einstieg helfen, sie sichtbar machen, für Verwaltungsratspositionen oder andere Institutionen empfehlen und in Netzwerke hieven. Inzwischen bin ich in keinem Gremium mehr als einzige Frau vertreten. Die Unternehmen haben eingesehen, dass durchmischte Teams erfolgreicher arbeiten.

Müssen Frauen ein besonders Selbstbewusstsein ausstrahlen?
Sicherlich muss man sich ein höheres Amt zumuten und wichtig ist, eine Unabhängigkeit anzustreben und daran festzuhalten. Es sind Persönlichkeiten gefragt, die ihre Meinung im Gremium klar darlegen können. Man muss die Kraft aufbringen, zu hinterfragen und neue Ansätze zu präsentieren. Zudem: Die Interessen aller Stakeholder sollten immer gleich gewichtet sein, und die Konkurrenz ist auf keinen Fall nur weiblich. Viele Männer möchten nach der operativen Karriere ihre Erfahrungen in Verwaltungsräten einbringen. Wer erfolgreich sein will, benötigt eine Kombination aus Karriereausweis, Sichtbarkeit und Netzwerk gepaart mit einer Portion Glück.

Welche Voraussetzungen muss eine Verwaltungsrätin ausserdem mitbringen?
Sie sollte sich für das Geschäftsfeld des Unternehmens interessieren, ein Verständnis für die Rolle des Verwaltungsrates aufbringen. Das heisst, nicht um die operative Tätigkeit steht zur Diskussion, sondern auch Check und Balance im System und eine gut funktionierende Governance. Zudem sind ein strategisches und kritisches Denkvermögen, Verantwortungsbewusstsein, Mut und eine Prise Common Sense gefragt.

Und wie gelingt der überzeugende Auftritt?
Indem man authentisch bleibt. Wir wissen aus zahlreichen Untersuchungen, dass oft unbewusste Vorurteile mitspielen, wenn es um die Nominierung von Frauen geht. Das gilt auch für Personen aus Rekrutierungsfirmen und in Nominationskomitees. Ich empfehle deshalb das Buch «What works» von Iris Bohnet, Professorin für Verhaltensökonomie an der Harvard Universität. Darüber hinaus müssen wir uns alle in den Bereichen Politik, Wirtschaft, Kultur, Wissenschaft und Medien kontinuierlich an der Verbesserung der Rahmenbedingungen für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie wie auch der Gleichstellung einsetzen.

Carolina Müller-Möhl
Nach dem Abitur am internationalen Internat Schloss Salem (D) studierte die 1968 geborene Carolina Müller-Möhl Politische Wissenschaften, Geschichte und Recht an der Ruprecht-Karls-Universität in Heidelberg, der London School of Economics und am Otto-Suhr-Institut der Freien Universität Berlin. Seit 2000 präsidiert sie die von ihr gegründete Müller-Möhl Group, ein Single Family Office, das als aktiver Investor die Assets der Familie managt. Von 2004 bis 2012 war sie Verwaltungsrätin der Nestlé S.A. und ist heute als Verwaltungsrätin bei der Orascom Development Holding AG, der AG für die Neue Zürcher Zeitung (NZZ) und als Aufsichtsrätin der Fielmann AG mit Sitz in Deutschland tätig. 2012 gründete sie die Müller-Möhl Foundation und engagiert sich in den Bereichen Bildung, Vereinbarkeit von Beruf und Familie sowie für die Förderung des Wirtschaftsstandortes Schweiz.


 

Eunice Zehnder-Lai kann als Schweizerin und Hongkong-Chinesin auf eine langjährige Berufserfahrung zurückblicken. Sie gehört zu den internationalen weiblichen Verwaltungsratsmitgliedern und stellt dabei fest, dass es von grossem Vorteil ist, mehrere Nationaltäten zu besitzen, da diese dazu beitragen, zahlreiche Fragestellungen aus unterschiedlichen Perspektiven zu betrachten.

WOMEN IN BUSINESS: Welches sind die wichtigsten Voraussetzungen für die Mitgliedschaft in einem Verwaltungsrat?
Eunice Zehnder-Lai: Jedes Gremium achtet auf unterschiedliche Qualifikationen. Verwaltungsräte suchen jedoch immer nach Kandidatinnen und Kandidaten, die ein Unternehmen voranbringen und die Interessen der Aktionäre bestmöglichst vertreten können.

Worin besteht Ihre Aufgabe als Verwaltungsrätin?
Es gilt sicherzustellen, dass das Unternehmen die richtige Strategie verfolgt, sich auf die richtigen Prioritäten konzentriert, das Führungsteam für die Chancen und Herausforderungen des Unternehmens geeignet ist und die Risiken gut gemanagt werden. Zudem versuche ich, ein gutes Urteilsvermögen, Einblicke und Perspektiven hineinzubringen. Die strategische Weiterentwicklung von Firmen, fasziniert mich besonders.

Sie verfügen über einen Master of Business Administration und einen Bachelor of Arts. Reüssieren Ihrer Meinung nach lediglich Frauen mit einer guten Ausbildung in einem Verwaltungsrat?
Zahlreiche Aspekte müssen berücksichtigt werden, wenn es darum geht, neue Mitglieder aufzunehmen. Einige Verwaltungsräte setzen explizit auf spezifisches Fachwissen, während andere auf Dynamik Wert legen. Eine gute Ausbildung gehört sicherlich zu den wichtigen Faktoren. Manch Firmen rekrutieren Kandidatinnen und Kandidaten im eigenen Netzwerk, aber bei grösseren, börsenkotierten Unternehmen kommt dies nicht mehr vor.

Wie sieht der Verwaltungsrat von morgen aus?
Er wird in verschiedener Hinsicht vielfältiger. Aber wir müssen unbedingt darauf achten, dass die Zusammensetzung nicht zu einer Check-the-Box-übung verkommt.

Eunice Zehnder-Lai
Die 1967 geborene Eunice Zehnder-Lai besitzt einen Master of Business Administration der Harvard Business School und einen Bachelor of Arts der Harvard University (USA). Sie arbeitete während 20 Jahren in der Finanzindustrie für LGT Capital Partners, Goldman Sachs und Merrill Lynch in New York, London, Hongkong und der Schweiz. Die Schweizerische und chinesische Staatsangehörige (Sonderverwaltungszone Hongkong) war in den Bereichen Asset, Management, Private Wealth Management und Corporate Finance tätig. 2017 wurde sie Mitglied des Verwaltungsrates der Geberit Gruppe in Rapperswil-Jona SA, und seit 2019 amtet sie als Verwaltungsratsmitglied bei der Julius Bär Gruppe AG und Bank Julius Bär & Co. AG.

WOMAN OF THE YEAR 2021 – Maike Kiessling

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WOMAN OF THE YEAR – Brigitte Breisacher

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Das Fünfsterne-Resort Sonnenalp im Allgäu

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In der prächtigen Kulisse von Ofterschwang im deutschen Allgäu ist seit über 100 Jahren die Sonnenalp beheimatet. Das 5-Sterne-Resort inmitten einer prächtigen Kulisse aus blühenden Wiesen, mystischem Moorgebiet und imposantem Bergpanorama wird in vierter Generation familiengeführt. Das Luxus-Resort punktet in Sachen Golf, Spa, Freizeitangebot und Infrastruktur.

Dazu zählen 218 Zimmer und vier Alpenchalets, ein Sternerestaurant, ein eigener Reiterhof, insgesamt 20’000 Quadratmeter Indoor- und Outdoor-Wellnesswelt sowie 42-Loch-Weltklassegolf. In den letzten Jahren hat sich die Sonnenalp zudem vermehrt auf Anwendungen im Bereich der apparativen Kosmetik spezialisiert.

Eine Branche im Wandel
Die Kosmetikbranche hat sich in den letzten Jahren weiterentwickelt. Immer wichtiger wird dabei die apparative Kosmetik. Vor allem der Fortschritt im wissenschaftlich-technischen Bereich mache heute vieles möglich. Anna-Maria Fässler, Hoteldirektorin der Sonnenalp, erläutert: «Die Ansprüche der Gäste haben sich verändert. Neben dem Wunsch nach Streicheleinheiten mit dem Ziel, sich rundum verwöhnen zu lassen, werden heute sofort sichtbare Ergebnisse erwartet. Wer sich im Bereich Anti-Aging auf dem Markt positionieren will, kommt nicht um eine Kombination mit apparativer Kosmetik herum.» Die Zeiten, in denen die Gäste noch Tausende von Franken für eine Kur ausgegeben haben, seien vorbei. «Heute geht der Trend ganz klar dahin, dass apparative Kosmetik als fester Bestandteil in monatliche Gesichts- und Körpertreatments eingebaut wird», so Anna-Maria Fässler weiter.

Anti-Aging im Fortschritt
Das mehrfach ausgezeichnete Spa des Hauses bietet auf insgesamt 20’000 Quadratmetern eine Wellness-, Medical- und Badelandschaft, welche ihresgleichen sucht. Neben klassischen und internationalen Massageangeboten (z.B. Lomi Lomi und Ayurvedische Massagen) werden auch medizinische Behandlungen der Osteopathie angeboten. Im Fokus steht ebenfalls das Kosmetikangebot mit Wirkungsversprechen: Ob Jet-Peel, Intensivpeelings auf Säurebasis, Microneedling, Microdermabrasion oder das „Age element Minilift“ – die Auswahl an Anti-Aging-Behandlungen ist gross. Das kompetente Team um Petra Rathmann berät umfassend und schnürt individuelle Behandlungspackages für anspruchsvolle Gäste.

Hier finden Sie die einzelnen Angebote im Detail

«Das ist nur die Spitze des Eisbergs»

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Die Engländerin Sophie Bostock über ihren Weg der Erkenntnis und über den, der gesund hält und den, der krank macht und über ihre Mission im Namen des Schlafs.

Ich erinnere mich gut an Zeiten, da Topmanager damit angaben, mit drei, vier Stunden Schlaf pro Nacht auszukommen. Sie wollten es als Zeichen für überlegene Leistungsfähigkeit gedeutet haben – und als Abstandsmesser zu Normalos, die schwächeln, wenn sie nicht auf ihre acht Stunden Nachtruhe kommen. Nun, die Verhältnisse haben sich geändert, der Wissenschaft sei Dank: Genug Schlaf ist das A und O für die mentale, physische und psychische Verfassung einer CEO genauso wie für einen Schüler. Die Engländerin und Naturwissenschafterin Sophie Bostock bezeichnet sich als «Sleep Evangelist». Ihre Mission hat mit Glauben allerdings nichts zu tun, sondern beruht auf Facts & Figures aus der Wissenschaft und Forschung: Die Referentin von She’s Mercedes teilt, was sie weiss, in Webinaren, als Coach und als hellwache Interviewpartnerin.

WOMEN IN BUSINESS: Sophie, wie sind Sie zur Schlafexpertin geworden?
Sophie Bostock: Per Zufall, wie sehr viele andere, die sich mit dem Thema Schlaf befassen, übrigens auch. Ich habe eine Doktorarbeit im Fach Psychobiologie geschrieben und bin der Frage nachgegangen, warum glückliche Menschen länger leben und seltener herzkrank werden.

Das ist bewiesen?
Ja. Deshalb habe ich nach Strategien gesucht, die das Lebensgefühl der Menschen positiv beeinflussen. Das war vor zehn Jahren, Themen wie Mindfulness und Meditation waren gerade am Aufkommen. Ich habe bei einem hochgestressten Team mit der damals neu gegründeten Meditations-App Headspace gearbeitet. Und wissen Sie, was die Rückmeldungen waren? Wer regelmässig meditiert hat, konnte besser schlafen. Seither lässt mich der Schlaf und seine Wirkung auf Körper und Geist nicht mehr los.

Ihr Weg?
Ich habe nach meiner Dissertation bei einer Firma angefangen, die Schlafverbesserungsprogramme entwickelte und habe dort zum Thema geforscht, referiert, gearbeitet – und viel zu wenig geschlafen.

Der Schuhmacher, der kaputte Schuhe trägt…
… genau. Dann hatte ich einen Unfall beim Sportklettern. Ich bin abgestürzt, Fussgelenk kaputt, sechs Monate Rekonvaleszenz.

Der Unfall geschah wegen zu wenig Schlaf?
Ja. Schlafmangel bewirkt etwa, dass wir unser Verhalten nicht neu justieren können, wenn neue Informationen dazu kommen. Das war bei mir ganz klar der Fall: Ich war an diesem Tag nicht fit genug und hätte absagen müssen. Wegen Jetlag und Schlafmangel hatte ich aber nur eines im Kopf: Abgemacht ist abgemacht. Ich habe auf die harte Tour etwas gelernt – und daraus auch meine Schlüsse gezogen. Ich habe meinen Job gekündigt und mein eigenes Business gegründet, mit dem Ziel, Leuten zu helfen, die Schlafprobleme haben.

Wie machen Sie das?
Indem ich die Erkenntnisse der Schlafforschung unter die Leute bringe. Sie wissen ja in der Regel schon einiges, klicken sich durch alle möglichen Aspekte zum Thema, von Blaulicht bis Kaffee. Es braucht dazu aber eine Verhaltensänderung – und Vorbilder: Vorgesetzte mit Schlafmangel haben Teams mit Schlafmangel. Schlafmangel macht grantig und Grantigkeit steckt an, wird zum Modus Operandi in der Organisation.

Ihre Tools?
Wearables, die nachzeichnen, wie viel Zeit man im fight-or-flight-Modus verbringt und wie viel Erholung man dem Körper gönnt, können hilfreich sein. Aber nur für Leute, die damit umgehen können. Denn wissen Sie, was einer der häufigsten Gründe für Schlafprobleme ist? Die Angst, nicht gut zu schlafen.

Was raten Sie jemandem, der seine Smartwatch hasst, weil sie ihm ständig vorhält, es nicht richtig zu machen?
Ab in die Schublade damit! Die Tools sind eher gedacht, die Performance von 80 auf 90 Prozent zu steigern als von 30 auf 40 Prozent. Ich frage diese Leute, wonach sie streben. Die einen haben Karriereziele oder wollen im Sport vorwärts kommen, andere wollen ausgeglichenere Väter sein oder Gewicht verlieren. Ihnen allen zeige ich erst einmal die wissenschaftlich fundierten Erkenntnisse, wie Schlaf hilft, ihre Ziele zu erreichen.

Ein Beispiel?
Gewichtsverlust. Nach einer Nacht mit zu wenig Schlaf konsumiert man am Tag darauf 300 Kalorien mehr. Schlafmangel ist für das Gehirn ein Zeichen, dass man in Troubles steckt. Es produziert Hormone, die einen hungrig machen und verlangt nach zusätzlicher Energie.

Das leuchtet ein, nehme ich an. Ändert es auch etwas?
Die Krux ist für gewöhnlich der Zeitplan – alle sind sehr busy, Schlafen hat in Anbetracht der To-do-Liste keine Priorität. Sie gehen zu spät ins Bett, das führt zu Schlafmanko und zu Produktivitätsverlust, und das wiederum führt dazu, dass man noch weniger schläft, um sein Pensum hinzubekommen – und das dreht dann so weiter. Das andere verbreitete Schlafproblem heisst Insomnia, Leute können nicht ein- oder durchschlafen.

Wie gehen Sie die beiden an?
Jenen, die Schlaf opfern, helfen oft bereits die wissenschaftlichen Erkenntnisse darüber, wie wichtig Schlaf ist, um ihr Verhalten zu ändern. Genau umgekehrt gehe ich mit jenen um, die an Insomnie leiden. Ihnen erkläre ich, dass es nicht das Ende der Welt ist, wenn man nicht schlafen kann oder schlecht schläft. Heisst, den einen helfe ich, indem ich ihnen sage, sie sollen den Schlaf ernst nehmen, den andern, indem ich ihnen sage, sie sollen sich nicht so auf den Schlaf versteifen.

Wie viel Schlaf ist denn genug?
Wie viel genau, muss jeder für sich selber herausfinden. Ideal sind sieben bis neun Stunden.

Kann ich Schlafmangel während der Woche mit viel Schlafen am Wochenende wieder gut machen?
Appetit, Metabolismus, Verdauung, Immunsystem – alles ist programmiert auf einen 24-Stunden-Zyklus. Wenn man nicht genug schläft während der Woche, aber am Wochenende nachholt, ist es besser als nichts, aber nur ein Kompromiss.

Indizien, dass ich nicht ausgeschlafen bin?
Brauchen Sie den Wecker, um aufzuwachen, Koffein und Zucker, um durch den Tag zu kommen, brausen Sie auf wegen nichts und brauchen Sie Ihr Wochenende zum Nachholen? Ist die Antwort ja, dann lohnt es sich, es mit mehr Schlafen zu probieren. Wussten Sie übrigens, dass man nach vier Nächten mit weniger als fünf Stunden Schlaf Auto fährt, mit der Reaktionsfähigkeit eines Betrunkenen?

Verrückt. Irgendwann steht einem die Müdigkeit ja dann auch ins Gesicht geschrieben.
Und das ist nur die Spitze des Eisbergs. Der Blutzuckerspiegel gerät aus der Balance, der Blutdruck steigt, man hat mehr Hunger und das Risiko für Infektionen ist grösser. Schlafmangel hat viele Folgen, die meisten sieht man nicht.

Haben Sie Daten?
Massenweise. Beispielsweise zu Demenz: Erwachsene zwischen 50 und 60, die weniger als 6 Stunden pro Nacht schlafen, haben ein 30 Prozent höheres Risiko in den nächsten 25 Jahren an Demenz zu erkranken als die, die sieben oder mehr Stunden schlafen. Bewiesen ist auch, dass Leute mit Schlaf-, Einschlaf- oder Durchschlafproblemen viel anfälliger sind für Depressionen und Angststörungen. Und das Schlafen hilft.

Helfen Schlaftabletten?
Das ist Symptombekämpfung, das zugrunde liegende Problem wird nicht gelöst. Sie sedieren einen, sind eine temporäre Entlastung vor der Angst, nicht schlafen zu können. Aber Schlafen im eigentlichen Sinn ist das nicht. Zudem: Zwei Drittel der Wirkung von Schlaftabletten sind Placebo-Effekte. Man nimmt etwas, um besser zu schlafen, und schläft dann besser, nur weil man das weiss, und es auch glaubt. Andere schwören auf ein Glas Milch. Es hilft. Allerdings ohne wissenschaftliche Evidenz.

Was ist Ihr bestes Rezept?
Die grössten Effekte erzielt man mit der sogenannten Cognitive Behavioral Therapy for Insomnia, kurz CBT-I. Damit arbeite ich. Im Grunde geht es darum, sein gelerntes Verhalten umzutrainieren und den Nutzen nach und nach selbst zu erleben. Wenn man das mit dem Schlaf in den Griff bekommt, werden andere Ziele – von Abnehmen bis fitter werden – einfacher zu erreichen, da man mehr Energie hat und mehr Fokus.

Welches ist der grösste Irrtum in Sachen Schlafen?
Dass man sich an wenig Schlaf gewöhnen kann. Wenn mir jemand sagt, ich schlafe pro Nacht fünf, sechs Stunden, frage ich, und Sie haben keine Effekte vom zu wenig Schlafen? Und die Antwort lautet meistens, am Anfang ja, aber inzwischen nicht mehr. Fakt ist, der Körper gewöhnt sich nicht daran, sondern es stabilisiert sich nur die subjektive Wahrnehmung wie müde man ist. Und kann mitunter gefährlich werden, habe ich selbst erlebt.


 

Event-Empfehlung der Redaktion
Seien Sie beim nächsten She’s Mercedes Event dabei und lernen Sie Sophie persönlich kennen.
«The essence of self care»
Eine Veranstaltung der She’s Mercedes Initiative.

Datum und Uhrzeit: Donnerstag, 15. September, 17.30 Uhr
Ort: The Dolder Grand, Zürich,
Ticketpreis: CHF 49.–

Voranmeldungen unter: events_ch@mercedes-benz.com

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 Die Initiative She’s Mercedes steht für die Idee, dass Inspiration Aussergewöhnliches bewirken kann. Mehr zur Initiative und zu den Events von She’s Mercedes in der Schweiz finden Sie im Newsletter mercedes-benz.ch/shesnewsletter-de sowie unter mercedes-benz.ch/shes

Der Mensch steht im Mittelpunkt

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Business transformation – Jede Diskussion ist einzigartig, keine Interaktion mit Führungskräften oder Mitarbeitenden ist wie die andere. Es gilt, dazuzulernen, sich anzupassen und zu wachsen, um Unternehmen erfolgreich durch Transformationsphasen zu begleiten.

Ich bin Isabelle Staiger, Director bei People Advisory Services (PAS) von EY in der Schweiz. Seit zwei Jahren helfe ich unseren Kunden, ihre Unternehmen erfolgreich durch die verschiedensten Transformationsprozesse zu führen, ohne den Fokus auf die Mitarbeitenden zu verlieren.

Welche Transformation unsere Kunden auch anstreben – ob im Bereich IT, bei der Implementierung neuer Plattformen-, dem Aufbau eines neuen Managements oder ähnlichem – wir von EY bringen den menschlichen Aspekt ein. Mein Fokus liegt vor allem auf Diversität und Inklusion. Hierfür braucht man diverse Fähigkeiten. Einerseits Menschenkenntnisse – man muss zuhören, interpretieren und richtig verstehen können, und so im Verhalten der Kunden erkennen, was diese und ihre Teams wirklich möchten und benötigen. Andererseits dreht sich vieles um Daten – es gilt, zu analysieren, zu verstehen und greifbar zu machen.

Ich liebe meinen Job, weil ich mich auf die Menschen konzentriere, keine Interaktion ist wie die andere. Man muss sich stets weiterentwickeln, anpassen und lernen – da ist ein regelmässiger Ausgleich wichtig: Ich verbringe sehr viel Zeit mit meiner Familie – sie hilft mir, die Dinge aus einer anderen Perspektive zu sehen. Zudem liebe ich alles, was mit frischer Luft und Geschwindigkeit zu tun hat, es gibt mir Energie für den nächsten Tag. Den Winter verbringe ich daher auf Skiern, den Sommer auf dem Kiteboard.

Mein Ratschlag: Hab keine Angst vor Veränderung! Sie gehört zum Leben dazu. Für mich war es der Wechsel vom Banking ins Consulting und dann zum Muttersein. Das war eine riesige Veränderung, aber wenn man es zu geniessen weiss, wird man es lieben lernen und das führt zum Erfolg.

Suchst Du eine neue Herausforderung? Möchtest Du Firmenkultur gestalten? Mehr Informationen auf: https://www.ey.com/en_ch/careers oder Schreibe uns direkt an: recruitment.switzerland@ey.com

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Simona de Silvestro im Gespräch

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Wie und warum sind Sie zum Rennsport gekommen?
Das Interesse am Rennsport wurde durch meinen Vater geweckt. Seine Leidenschaft für die Formel 1, seine Tätigkeit als Instruktor sowie sein eigenes Autohaus brachten mich schon früh mit schnellen Fahrzeugen in Berührung. So richtig entfacht wurde das Feuer, als ich vier Jahre alt war. Mein Vater organisierte eine Go-Kart-Veranstaltung für sein Autohaus. Ich wollte unbedingt mitfahren, war jedoch zu klein für die Go-Karts. Auf dem Schoss meines Vaters durfte ich einige Runden drehen. Es nervte mich jedoch, dass ich nicht allein fahren durfte. Um mich zu besänftigen, sagte mein Vater damals, dass er mir einen Go-Kart schenken werde, sobald ich gross genug sei. Von da an erinnerte ich ihn jeden Monat aufs Neue, dass ich wieder ein bisschen gewachsen bin. Mit sechs Jahren war es dann soweit: Ich erhielt meinen ersten Go-Kart.

Was fasziniert Sie an diesem Sport?
Ganz besonders fasziniert mich, dass man als Mensch eine Maschine am maximalen Limit über eine Rennstrecke bewegen kann. Das Fahren im Grenzbereich gibt mir ein einzigartiges Gefühl, welches mich schon mein Leben lang fasziniert hat. Aber auch der Wettbewerb gibt mir etwas, schon als Kind wollte ich immer gewinnen.

Wie ist es als Frau, in einer männerdominierten Szene zu konkurrieren?
Ich persönlich habe in dieser Hinsicht noch nie etwas Schlechtes erlebt. Ich kann aber nur für mich sprechen. Grundsätzlich glaube ich schon, dass man sich als Frau in einer männerdominierten Szene mehr beweisen muss und stärker mit Vorurteilen behaftet ist. In den ersten Rennen werden aber alle, unabhängig vom Geschlecht, genau beobachtet und müssen sich behaupten. Sobald aber schnelle Rundenzeiten auf der Anzeigetafel stehen, wird man rasch akzeptiert.

Im Rennsport kommt es regelmässig zu heftigen Crashs. Wie gehen Sie mit den Risiken um?
Ich denke kaum an solche Gefahren, sonst wäre ich im falschen Sport. Wir alle sind uns der Risiken bewusst, wenn wir festgezurrt in unseren Rennwagen sitzen und mit hohen Geschwindigkeiten zwischen Mauern und anderen Rennautos um den Sieg kämpfen. In diesem Moment fokussiere ich mich auf das Hier und Jetzt und will gewinnen. Konzentration und Fokus sind unabdingbar. Zeit, über Unfälle nachzudenken, hat man keine. Auch ich hatte schon heftige Unfälle und Rückschläge, die ich aber gut verarbeiten konnte. Das alles gehört zum Sport dazu.

 

Über Simona de Silvestro Die Schweizerin war noch nicht ganz 18, als es sie nach ersten Formel-Erfolgen in Europa in die USA zog. Beim legendären Indy 500 wurde sie 2010 als „Rookie of the Year“ ausgezeichnet. Weitere Anerkennung holte sie sich ein Jahr später, als sie sich in Indianapolis einen Tag nach einem schweren Trainingsunfall trotz Verbrennungen an beiden Händen ins Auto setzte und die Qualifikation schaffte. 2014 holte Sauber die ambitionierte Fahrerin in sein Formel-1-Kader, in der Saison 2015/2016 fuhr sie für Andretti in der Formel E und startete später in der australischen Supercars-Serie. 2019 wurde sie Porsche-Werksfahrerin.

Mehr über Simona de Silvestro lesen Sie im ausführlichen Interview in der August Ausgabe des WOMEN IN BUSINESS Magazins – eine Marke der WOMEN IN BUSINESS-Community.

Luna Wedler im Gespräch

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© Nils Schwarz

Luna, wie bist du zur Schauspielerei gekommen?
Ich habe schon immer gerne Filme geschaut, aber ich hatte nie einen besonderen Bezug zur Schauspielerei. Als ich 14 Jahre alt war, stiess ich per Zufall auf ein ausgeschriebenes Casting für den Film «Amateur Teens». Ich ging hin – ohne Erwartungen oder Ambitionen – ich wollte einfach etwas anderes ausprobieren. Ganz überraschend erhielt ich die Rolle. Und von da an war es geschehen. Ich wusste, Film ist mein Ding, meine Leidenschaft und gleichzeitig eine Art Rettung; ich hatte meine Bestimmung und einen Antrieb gefunden – das mit so jungen Jahren. Ein grosses Glück.

Wie ging es dann weiter?
Nach meinem ersten Film ging ich an die European Film Actor School. Ich bin allerdings immer ein wenig im Zwiespalt mit Schauspielschulen. Natürlich ist es wichtig, die Techniken zu lernen. Gleichzeitig sollte man aber sein natürliches Spiel nicht verlieren. Denn Schauspiel bedeutet, loszulassen und sich vollkommen einer Rolle hinzugeben.

Wie schaffst du das immer wieder aufs Neue?
In neue Rollen zu schlüpfen, ist mein Beruf. Und dafür liebe ich ihn. Es ist jedes Mal eine Herausforderung, sich in eine neue Rolle einzufühlen. Egal wen ich spiele, ob ein Mädchen mit gebrochenem Herzen oder eine Psychopathin, ich liebe diese Person, ich liebe die Rolle und sehe sie als mein Gegenüber mit einer prägenden Vorgeschichte. Dabei entdecke ich immer wieder Neues an mir, neue Gefühlswelten, die ich vorher nicht kannte. Zudem glaube ich, dass dieses Auseinandersetzen mit Rollen auch stark die Empathie und das Verständnis fördert, welche man im Alltag anderen gegenüber mitbringt.

Man merkt, du liebst deinen Beruf. Gibt es auch Kehrseiten?
Natürlich. Für mich gewichtet am stärksten, dass man ständig unterwegs ist, sein Zuhause, Familie und Freunde selten sieht. Am Ende des Tages kann es ein einsamer Beruf sein. Zudem ist es noch heute so, dass man als Schauspieler – oder allgemein als Künstler – oftmals belächelt oder nicht ernst genommen wird. Und das, obschon Film und Kunst im Allgemeinen wichtige Botschaften tragen und vermitteln können.

 

Über Luna Wedler Die 22-Jährige debütierte 2015 in Niklaus Hilbers Film «Amateur Teens». Seither hat Wedler in verschiedenen Kino- und Fernsehproduktionen mitgespielt. Eine erste Hauptrolle besetzte sie 2017 im Film «Blue My Mind» von Lisa Brühlmann. Ab August 2020 spielte Wedler in der Netflix-Serie «Biohackers» mit und wurde ein Jahr später für die weibliche Hauptrolle im Spielfilm «Je suis Karl» für den Deutschen Filmpreis nominiert. Am 14. April 2022 lief ihr neustes Werk im Kino an: «Soul of a Beast» – ein Drama von Lorenz Merz.

 

Die Grossmeisterin des Spa-Designs im Gespräch

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SYLVIA SEPIELLI ist die Grossmeisterin des Spa-Designs: Für zahlreiche Resorts auf der ganzen Welt hat die US-Amerikanerin mit sizilianischen Wurzeln bereits Konzepte erarbeitet und umgesetzt – so auch 2004 fürs Dolder Grand. Orte der Ruhe, Erholung und des körperlichen Wohlbefindens sind gerade in der aktuellen Zeit gefragter denn je. Eine gute Gelegenheit also, um gemeinsam mit der Expertin ihr erstes europäisches Projekt nochmals Revue passieren zu lassen. 

  Sylvia Sepielli

THE DOLDER GRAND: Sie gelten als weltweit bekannte SPA-Expertin. Wie sind Sie dazu gekommen, wie hat sich Ihre persönliche Karriere in diesem Bereich entwickelt?

SS: Wie so oft, finden wir uns oft an einem Ort wieder, den wir nicht gesucht haben. In meinen 20er Jahren lebte ich in Japan und studierte orientalische Heilmethoden – chinesische Medizin, japanische Akupunktur, Amma und Sotai, japanische Entspannungstechniken. Als ich in die USA zurückkehrte, war die Fitnessbranche – Krafttraining, Aerobic und Laufen – gerade erst im Kommen. Ich stürzte mich mit ganzem Herzen in diese Branche. Mein Mann und ich eröffneten ein Fitnesscenter und einen Vitaminladen. Damals dachte ich, ich hätte fünf Jahre Studium vergeudet. Aber einige Jahre später war die Wellness-Branche, wie wir sie kennen, gerade im Entstehen. Und ich verfügte zufällig über zwei tiefe Wissensschätze, die geschätzt und gebraucht wurden. Ich war mehrere Jahre lang im operativen Geschäft tätig, bevor ich in die Beratung ging. Als ich dann in die Beratung ging, gehörte ich zufällig zu einer sehr kleinen Gruppe von Leuten, die das taten. Meine internationale Erfahrung begann 1997 mit dem Spa Village Pangkor Laut, das immer noch das Aushängeschild der Marke ist.

Mehr als ein Jahrzehnt ist vergangen, seit Sie das Dolder SPA entworfen haben. Wie hat sich das Thema SPA und Wellness aus Ihrer Sicht verändert? Was sind die neuen Errungenschaften in diesem Bereich?

In den USA gehörte der Begriff «Wellness» schon immer zu den Grundsätzen von Spa, d. h. Ernährung, Bewegung und in gewissem Maße auch spirituelle und mentale Aspekte. In den letzten zehn Jahren hat sich Wellness weltweit ausgeweitet und umfasst nun mehr Wellness-Programme. Die Einhaltung war bestenfalls sporadisch. Das Dolder Spa hat sich jedoch mit diesem breit angelegten Ansatz auf sinnvolle Weise geöffnet.

Das Dolder SPA ist ein besonderer Ort und unterscheidet sich in vielen Aspekten von klassischen SPAs. Was ist Ihrer Meinung nach das Besondere am Dolder SPA?

Abgesehen von der Lage, dem Design und der Konstruktion, die für hundert Jahre gebaut wurde, habe ich noch nie mit einem Spa zu tun gehabt, das wirklich danach strebt, sich in allen Aspekten des Gästeerlebnisses und der in allen Aspekten der Gästeerfahrung und des Betriebs zu verbessern. Das verdanke ich vor allem der Spa-Direktorin Therese Martirena, die seit der Eröffnung im Dolder Spa tätig ist. Es ist auch ein entscheidender Teil des Dolder Grand Zeitgeistes in jedem Aspekt sowohl vor als auch hinter dem Haus.

In den letzten zwei Jahren ist die Welt ein wenig auf den Kopf gestellt worden. Vielerorts wurden Hotels und SPAs vorübergehend geschlossen. Viele Menschen reisten weniger und verbrachten mehr Zeit zu Hause. Gibt es irgendwelche SPA-Rituale, die Sie für zu Hause empfehlen können?

In den ersten anderthalb Jahren habe ich mit Spas und Beratungsstellen zusammengearbeitet, um genau das anzubieten. Alles, was man zu Hause tun kann, ist trainieren, meditieren, lernen und unterhaltsame und kreative Aktivitäten durchführen, um den Geist aktiv zu halten. Die Leute waren gezwungen, Gesichtsbehandlungen zu Hause durchzuführen und all die Dinge zu tun, die sie normalerweise in Spas machen. Obwohl die Online-Käufe von Haut- und Körperpflegeprodukten gesund waren, hatten sie nicht viel Freude an diesen Ritualen. Die oben genannten Aktivitäten wurden viel mehr geschätzt und waren effektiver. Als die Spas auf der ganzen Welt zu öffnen begannen, waren alle Kategorien – Day Spas, Hotel Spas, Destination Spas und Resort Spas – sehr beschäftigt. Nach anfänglichem Zögern bei der Inanspruchnahme von Behandlungen waren die meisten Spas stärker denn je ausgelastet. Und Wellness-Programme und -Aktivitäten finden immer mehr Beachtung.

Wenn man Ihre Artikel und Interviews liest, merkt man schnell, dass Sie ein Mensch sind, der sich um die Spiritualität eines Ortes kümmert. Wie würden Sie die Energie des Dolder Grand beschreiben? Was empfinden Sie an diesem Ort?

Da haben Sie völlig recht. Schon als ich Ihre Frage las, konnte ich die Essenz des Dolder Grand spüren. Da ist eine Kraft, die aus der Tradition erwächst, die auf Traditionen beruht und von der Großartigkeit der Erde getragen wird. Das gibt Ruhe und Zuversicht, um voranzukommen.

Wir leben in einer Zeit, in der die Welt immer schneller wird und uns gleichzeitig immer mehr Möglichkeiten bietet. Gibt es Ihrer Meinung nach ein Rezept für Glück? Was kann jeder tun, um Körper und Geist trotz aller Herausforderungen im Gleichgewicht zu halten?

Vor vielen Jahren habe ich ein Buch über Glück gelesen. Darin ging es um drei Dinge: das tun, was man will, wo man will und mit den Menschen, die man will. Diesem Mantra bin ich treu geblieben. Alles andere, ungeachtet der Probleme, wird sich von selbst ergeben, wenn man danach lebt.

Welches ist Ihr persönlicher Lieblingsplatz im Dolder SPA und warum?

Das ist zweifellos der Meditationsraum. Ich habe mich von den Felsspalten zwischen den majestätischen Bergen der Schweiz inspirieren lassen. Die Orte, an denen die Ursprünge des Wassers zu finden und zu verteilen sind. Der Meditationsraum drückt die Entstehung dieses Wassers aus und fließt symbolisch von einem engen Kern, der am Pool mit Blick auf Zürich endet. Die langsame, achtsame Reise in den Raum hilft, den Körper und den Geist zur Ruhe zu bringen. Die Tausenden von winzigen Spiegelelementen stehen sowohl für das Wasser als auch für die Reflexion des Selbst. Eine Randbemerkung, die Sie vielleicht schon kennen – 500 Kilo Spiegel wurden zerbrochen, um 9600 Teile für die Kuppel zu erhalten. Die Künstlerin ist Monika Leithner.

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Anne Marion-Bouchacourt im Gespräch

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Welche Ihrer Eigenschaften sehen Sie rückblickend als entscheidend für Ihren Werdegang?
Es ist eine Kombination aus verschiedenen Eigenschaften. Zum einen braucht es jede Menge Energie, um die Komplexität des Alltags zu bewältigen, aber auch, um viel und lange zu arbeiten. Resilienz ist ebenso zentral; damit man sich von Problemen nicht überwältigen lässt und den Überblick bewahrt. Im Weiteren braucht es Mut. Mut, sich komplexen Fragen zu stellen, seine Meinung zu äussern und sich Herausforderungen zu stellen. Und zu guter Letzt muss man hartnäckig bleiben. Denn wer sich von Niederlagen nicht einschüchtern lässt, wird früher oder später belohnt.

In welchem Bereich sollten sich Frauen verbessern?
Im Allgemeinen sind Frauen im Networking weniger begabt als ihre männlichen Kollegen, was oft auf Zeitmangel zurückzuführen ist. Frauen machen lieber einen guten Job und werden dafür anerkannt. Es ist aber entscheidend, einen bleibenden Eindruck zu hinterlassen. Und ich spreche hier nicht von Seilschaften zum Schutz von Interessen, sondern von solchen, die das Unternehmen voranbringen.

Welchen Antrieb beobachten Sie bei Frauen, die den Weg an die Spitze gehen?
Aus meiner Erfahrung haben Frauen nicht das gleiche Interesse an Macht und Geld wie Männer. Wir sind stärker daran interessiert, etwas zu leisten, das die Welt verbessert. Natürlich gilt das auch für einige Männer. Nichtsdestotrotz will eine Frau für ihre Leistung bezahlt werden – und zwar ebenbürtig wie ein Kollege in derselben Position.

Familie und Top-Position – geht das ohne Abstriche? Was raten Sie Frauen diesbezüglich?
Ich selbst habe vier Töchter. Deshalb bin ich überzeugt, dass es möglich ist, auch wenn es Energie braucht, um die Doppelbelastung zu bewältigen. Eine gute Organisation ist essenziell. Man führt zwei Unternehmen – eines zuhause und eines auf der Arbeit. Dabei ist ein unterstützender Partner ebenso wichtig wie all jene Leute, die im Alltag mithelfen. Aber selbst dann gilt: Frau muss klare Prioritäten setzen und Abstriche in Kauf nehmen. Dennoch ermutige ich alle jene Frauen, die arbeiten wollen, es auch zu tun. Denn so vielfältig die Welt ist, so divers sollten auch Top-Positionen besetzt sein – und dafür braucht es mehr Frauen.

Haben Sie Unterschiede zwischen Frankreich und der Schweiz festgestellt, in Sachen Frauen in Top-Positionen?
In Bezug auf die Betreuung der Kinder hat man es in Frankreich sicher einfacher. Die Fremdbetreuung ist günstiger und verbreiteter; zum einen, was das Ansehen in der Gesellschaft betrifft und zum anderen, was das Angebot angeht. Abgesehen davon glaube ich, dass es überall auf dieser Welt vergleichbar hart ist, eine Top-Position anzustreben und einzunehmen. Denn diese sind rar, und die Anwärterinnen und Anwärter kämpfen entschlossen darum.

Über Anne Marion-Bouchacourt Die gebürtige Französin begann ihre Karriere als Wirtschaftsprüferin und später als Beraterin bei PwC. Im Jahr 2004 stiess sie zu Société Générale, zuerst als Leiterin der Personalabteilung des Bereichs Corporate & Investment Banking, dann für die gesamte Gruppe, und ab 2012 als Group Chief Country Officer für China. Seit Oktober 2018 ist sie Group Chief Country Officer für die Schweiz sowie die CEO von SG Zürich.

Fortsetzung des Interviews mit Simone Stebler

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Welche Eigenschaften waren für Sie auf Ihrem Werdegang essenziell – und warum?
Ganz klar Authentizität. Es war aber auch für mich ein langer und intensiver Weg, wieder mich selbst zu sein. Ich habe mich während der ersten beruflichen Dekade nach dem Studium stark dem männlich geprägten Umfeld angepasst; habe versucht, mit betont lauter Stimme zu sprechen, habe mich unnahbarer, direktiver und ernster gegeben, als ich es bin. Mit Hilfe von Selbstreflektion und Coaching habe ich zu mir gefunden und sehe heute meine früheren – im männlichen Umfeld als Schwächen identifizierten Eigenschaften – als Stärken.

Welche Momente oder Phasen sehen Sie rückblickend als entscheidend für Ihre Karriere an und wie sind Sie mit diesen umgegangen?
Für mich gibt es nicht den einen entscheidenden Moment. Ich hatte stets eine hohe Motivation, mich weiterzuentwickeln. Ich habe diese Weiterentwicklung während vieler Jahre jedoch ausschliesslich ausserhalb meiner Komfortzone gesucht. Das hat mich weitergebracht, es war aber auch sehr fordernd. Inzwischen habe ich wieder zu mehr Leichtigkeit und damit zu mir selbst zurückgefunden. Ich nehme bewusst vermehrt Projekte an, bei denen ich intuitiv spüre, dass ich dort auch Freude und nicht nur Herausforderung finden werde.

Die Veränderung des Status Quo

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Chefinnensache

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Die Mühlen der Schweizer Wirtschaft mahlen langsam, wenn es um den Gender Gap geht. In den Führungsgremien hiesiger Unternehmen sitzen noch immer auffällig wenig Frauen. Die Executive-Search-Spezialistinnen Fabienne Meier und Simone Stebler widmen sich mit grossem Engagement dem Thema Diversität und unterstützen Firmen dabei, die Weichen neu zu stellen.

Weniger als fünf Prozent der CEO-Positionen in der Schweiz werden von Frauen besetzt. Eine ernüchternde Zahl. Dr. Fabienne E. Meier, Partnerin beim Beratungsunternehmen Knight Gianella und Spezialistin für die Suche und Beurteilung oberster Führungskräfte, CEOs und Verwaltungsräte, tut einiges dafür, damit sich dieser Anteil erhöht. Die Mutter zweier schulpflichtiger Kinder weiss, wie schwierig der Weg nach oben sein kann, wenn Familie und Karriere miteinander vereint werden wollen. Die Betreuungssituation, ein wirtschaftsunfreundliches Schulsystem und fehlende Teilzeitstellen auf hohem Niveau verunmöglichen vielen jungen Frauen mit Familie berufliches Wachstum.

Diejenigen, die es schaffen, haben sich ein komplexes Betreuungsnetz gewoben, das nicht nur den Alltag zusammenhält, sondern auch Unvorhergesehenes abfängt. Denn wenn die Mama CEO ist, dann finden Kindergeburtstag, Schulaufführung und Klavierkonzert häufig ohne sie statt. Eine Geschäftsleitungsposition erfordert neben einem hohen Pensum auch internationale Mobilität und Reisebereitschaft – ein Umstand, der vielen Frauen mit kleinen Kindern Mühe bereitet. In der aktuellen Studie «VR-Umfrage 2020/21» von Knight Gianella, in Zusammenarbeit mit der Lausanner Wirtschaftshochschule IMD, gab die Mehrheit der Befragten an, dass der fehlende Wille der Frauen, den Preis der Karriere zu zahlen, ein hoher Hemmfaktor für mehr weibliche Führung sei.

Neue Karrieremodelle nötig

«In der Schweiz haben wir viele gut ausgebildete Frauen, doch wir verlieren sie. Das Problem liegt bei der Unternehmenskultur auf oberster Ebene: Man muss dem Job alles unterordnen. Wir müssen unsere bisherigen Karrieremodelle anpassen und als Gesellschaft ein modernes Wertesystem verinnerlichen, das bereits bei der Erziehung unserer Kinder und der Vermittlung des eigenen Selbstbildes beginnt», so Meier. «Als meine beiden Kinder noch klein waren, habe ich selbst mit dem Gedanken gespielt, aus dem Berufsleben auszusteigen. Denn Kinder und Karriere miteinander zu vereinbaren, ist streng und lässt Frauen zweifeln, ob sich der ganze Stress lohnt. Ich habe es nicht getan und bin froh darüber. Meine Kinder sind mit einer berufstätigen Mutter aufgewachsen. Sie sind stolz auf mich.

Bis zu 70 Prozent der gut ausgebildeten Frauen in der Schweiz haben Kinder und meistern diesen Spagat – inklusive finanzieller Einbussen und gelegentlicher Selbstzweifel. Die Expertin rät Frauen, wenn möglich auf ein Teilzeitpensum herunterzuschrauben, solange die Kinder noch klein sind, und wieder Vollzeit zu arbeiten, sobald dies möglich ist. Wichtig ist dabei vor allem der partnerschaftliche Vertrag zu Hause. Kommt Druck auf oder werden Entscheidungen vom Partner stark in Frage gestellt, geben Frauen ihre Stelle rascher auf.

Frauen können zu viel

Doch wer auf Fabienne Meiers Ledercouch in Zollikon Platz nimmt, der hat sich entschieden und bereits ein funktionierendes Betreuungssystem etabliert. Die Frauen, die hier für eine Spitzenposition zum Gespräch gebeten werden, sind meist 45 plus, bringen fundierte Erfahrung mit und wissen, was sie wollen. Ein Problem gibt es dennoch: «Sie können einfach oft zu viel. Hat man einen Finanzexperten vor sich, weiss man genau, wo man ihn platzieren kann. Eine Allrounderin mit Know-how im Marketing, Vertrieb und mit betriebswirtschaftlicher Expertise in verschiedenen Branchen kann schlechter verortet werden. Deshalb gebe ich den Frauen die Aufgabe, einen Fokus zu setzen, das Profil zu schärfen und sich klar zu positionieren», sagt Meier. Ein Tipp, der nicht nur beim Rekrutierungsprozess nützlich ist, sondern auch später beim Ausführen der neuen Rolle

Ob persönliche Positionierung oder Dos & Don’ts auf Geschäftsleitungsebene – ein Sparring ist auf C-Level und Verwaltungsratsmandatsebene ein wirkungsvoller Faktor, um neue Führungskräfte erfolgreich einzuführen, zu integrieren und zu halten. Knight Gianella bietet deshalb einen ganz besonderen Service: Die rekrutierten Kandidatinnen und Kandidaten werden auf Kundenwunsch in den ersten 100 Tagen in der neuen Rolle durch das etablierte Beratungsunternehmen mindyourstep begleitet. Ein Angebot, das sehr gut ankommt und rege genutzt wird, denn Unternehmen wissen um ihre Verantwortung. Bei Knight Gianella sei man auf der Suche nach den Besten der Besten, egal ob Mann oder Frau, betont Meier. Kompetenz sei der ausschlaggebende Faktor, nicht das Geschlecht. Doch viele Firmen sprechen sich dennoch vermehrt für mehr Diversität auf C-Level und bei Verwaltungsratsmandaten aus. Da heisst es dann: «Gibt es zwei Kandidaten mit derselben Kompetenz, bevorzugen wir die Frau.

VR: Über 25 Prozent Frauen

Dass gesellschaftlich und wirtschaftlich ein Umdenken stattfindet, bemerkt auch Simone Stebler bei Egon Zehnder. Die Juristin hat sich beim international tätigen Beratungsunternehmen nicht nur der Suche nach Top-Kandidaten und -Kandidatinnen verschrieben, sondern auch den Themen Diversität und Inklusion. In den vergangenen sechs Jahren konnten sie und das Team in der Schweiz diesbezüglich viel bewegen. Und das nicht nur auf Kundenseite, sondern auch intern.

Für Steblers Kunden heisst mehr Diversität auch, sich der Forderung einer neuen Generation zu beugen. «Es hat sich viel getan in der Wirtschaft. Besonders in den Verwaltungsräten sitzen mit knapp über 25 Prozent mittlerweile immer mehr Frauen. Doch in Geschäftsleitungspositionen gibt es noch einiges zu tun. Die gläserne Decke ist hart. Es braucht Zeit, diese zu durchbrechen. Zu lange wurde Frauen mit Kindern der Karriereweg erschwert. Ein Grund dafür sind strukturelle Probleme wie die Kinderbetreuung, das Schulsystem und die fehlenden Anreize für Doppelverdiener», sagt die Expertin. Um weiterzukommen, müsse sich aber nicht nur die Basis verändern. Jede Etappe auf dem Weg nach oben stehe auf dem Prüfstand – so auch die Suche nach dem perfekten Match.

Laut Stebler unterscheiden sich Männer und Frauen stark, wenn es um die Rekrutierung geht. Während ein Mann eine Position häufig gerade deshalb spannend findet, weil sie Aufgaben enthält, die neu und herausfordernd sind, verunsichert dieser Umstand viele Kandidatinnen. «Sich solche Unterschiede bewusst zu machen und sie in den Rekrutierungsprozess einzubeziehen, liegt in unserer Verantwortung. Das heisst, ich passe mein Rekrutierungsverhalten an, rufe eine Frau vielleicht zwei- oder dreimal an, um sie für eine spannende Position anzufragen.» Sie rät Frauen, mutiger zu sein, sich zu vernetzen und das nicht nur in den eigenen Reihen. «Man muss sich mit jedem Geschlecht vernetzen und sich Meinungen anhören, die völlig anders sind als die eigene. Gerade in einer Zeit, in der wir nur noch Informationen erhalten, die uns entsprechen, ist das wichtiger denn je.»

Eine Chance sieht Stebler im Wandel des CEO-Profils. War es früher der allwissende Superheld, sucht man heute vielerorts einen Dirigenten respektive eine Dirigentin mit Weitblick, Empathie und dem Gespür für die richtigen Fragen. Die Juristin war lange gegen eine Frauenquote. Heute sagt sie: «Es kommt auf den Kontext an, doch in der Schweiz spreche ich mich klar für eine Quote aus. In einem Land, in dem das Frauenstimmrecht erst vor rund 50 Jahren eingeführt wurde, hat die Gesellschaft noch nicht bewiesen, dass es ohne Auflage geht.» Auch Fabienne Meier empfindet die Frauenquote als einen Hebel, um die Transformation vorzunehmen – eine effiziente Möglichkeit, um Frauen schnell in die Unternehmen hineinzubringen. Doch viel wichtiger ist für Meier, ob es den Firmen gelingt, diese Frauen auch zu halten. Dazu bedarf es einer neuen Ausrichtung: eine wertebasierte Führung, eine sinnstiftende Aufgabe, eine konfliktfreie Zusammenarbeit hinsichtlich der internen Struktur und eine vorurteilsfreie Kommunikation. Nur wenn Unternehmen bereit sind, die eigene Kultur und Haltung weiterzuentwickeln, sind sie attraktiv für Kompetenz, Persönlichkeit und weibliche Perspektive – ein Gewinn für Gesellschaft und Wirtschaft.

 

Über Fabienne Meier
Dr. Fabienne E. Meier arbeitet seit rund 1,5 Jahren für das Beratungsunternehmen Knight Gianella & Partner AG. Seit 2020 ist sie Executive Search & Boardroom Consultant und Partnerin. Die studierte Betriebswirtin spricht vier Sprachen und hat bereits in verschiedenen renommierten Unternehmen gearbeitet – darunter Unilever und Hilti. Bei Knight Gianella setzt sie sich besonders für die Rekrutierung von Frauen in Spitzenpositionen ein. Sie unterstützt Unternehmen dabei, Gender Diversity zu etablieren und Frauen nach einer Neubesetzung zu halten und zu fördern. Sie ist verheiratet und Mutter einer Tochter und eines Sohnes.

Über Simone Stebler
Die Juristin Simone Stebler ist in Zürich für das internationale Beratungsunternehmen Egon Zehnder tätig. Dabei liegt ihr Fokus auf Executive Search, Board Consulting, Talent Assessment & Development in der nationalen und internationalen Finanzdienstleistungsbranche. Ausserdem ist sie auch im Bereich Legal, Regulatory & Compliance Professionals tätig. Das Vorantreiben von mehr Diversität und Inklusion auf beruflicher Ebene ist ihr ein grosses Anliegen. Zuvor war Simone Stebler Senior Associate bei der Anwaltskanzlei Bär & Karrer AG und für die Kanzlei Nater Dallafior Rechtsanwälte AG tätig.


«Frauen und Männer sprechen beruflich eine andere Sprache»

Im Prozess der «Ersten 100 Tage» begleitet Dr. Daniela Haze Stöckli, Partnerin bei der Beratungsfirma mindyourstep, ihre Klientinnen und Klienten in einer neuen Führungsrolle oder als Mitglied der beiden obersten Führungsgremien. 100 Tage, in denen gemeinsam eine Strategie erarbeitet und an der eigenen Positionierung gefeilt wird. Eine Dienstleistung, in die immer mehr Firmen gern investieren. Daniela Haze Stöckli arbeitet eng mit Fabienne Meier von Knight Gianella zusammen. Gemeinsam wurde ein spezifisches Positionierungsprogramm für Frauen entwickelt.

WOMEN IN BUSINESS: Frau Haze Stöckli, wie viele weibliche Führungskräfte haben Sie und Ihre Partner bei mindyourstep bereits begleitet?
Haze Stöckli: Bisher konnten wir mit dieser neuen Dienstleistung insgesamt sieben weibliche CEOs börsenkotierter Unternehmen und 13 angehende Verwaltungsrätinnen erfolgreich als Sparring-Partner begleiten. Wir machen keine Werbung, sondern gelangen ausschliesslich auf Empfehlung zu unseren Kunden – das können sowohl Privatpersonen als auch Unternehmen sein. Das Executive Career Sparring in den «Ersten 100 Tagen» wird jedoch meist von Firmen angestossen, um den Führungskräften die nötige Unterstützung zu bieten und eine rasche Integration zu ermöglichen.

Wie werden die neuen Führungskräfte unterstützt?
Bereits vor dem ersten Arbeitstag erarbeite ich mit der jeweiligen Person eine Strategie. Wie möchte sie in der Firma künftig wahrgenommen werden? Wie kann sie sich positionieren? Auf welche Erwartungen wird sie innerhalb der Firma treffen? Dies sind wichtige Fragen, die es zu klären gilt. Das Bewusstsein für das eigene Auftreten muss geschärft werden. Wir raten dazu, in den ersten 100 Tagen in der neuen Funktion vor allem zuzuhören und sich ein Bild zu machen. Das Ziel ist es, mit Abschluss dieser Phase die ersten Schwerpunkte zu setzen.

Welchen Unterschied gibt es zum klassischen Mentoring?
Mentoren befinden sich häufig innerhalb der Firma oder im nahen geschäftlichen Umfeld. Diesen kann man auf dem Weg nach oben wieder begegnen. Wir sind unabhängig und ermöglichen damit vollkommene Offenheit. Das interne Mentoring ist eine ausgezeichnete Ergänzung zu unserer Aufgabe.

Welche Anliegen hören Sie immer wieder?
Frauen und Männer sprechen beruflich eine andere Sprache. Zwar sind beide Geschlechter offen für unser Angebot und schätzen dieses, doch merke ich, dass sich vor allem Frauen schneller öffnen. Ihnen fehlt es häufig an einem Plan und taktischem Geschick, wenn sie eine neue, verantwortungsvolle Position bekleiden. Ich unterstütze vor wichtigen Präsentationen, gebe Sicherheit und schärfe gemeinsam mit ihnen den Fokus.

Haben es Frauen schwerer in einer neuen Führungsrolle?
Was die Leistung betrifft, gibt es keinen Unterschied. Beide Geschlechter müssen Leistung abliefern. Doch Frauen werden deutlicher wahrgenommen und stehen damit stärker im Fokus, weil sie in der Minderheit sind. Lange waren die Rahmenbedingungen nicht gegeben, dass Frauen mit Familie Karriere in der Geschäftsleitung machen konnten. Das musste erst wachsen. Nun rutschen Frauen nach. Damit sie für das C-Level in Frage kommen, müssen innerhalb der Unternehmen die Bedingungen stimmen, das heisst beispielsweise das Durchbrechen von Seilschaften oder die Etablierung von genderneutraler Sprache.

Welche Tipps geben Sie Ihren Klientinnen mit auf den Weg?
Frauen sollten viel mutiger sein, den ersten Schritt zu machen. Sie sind in ihrer Auftrittskompetenz häufig noch nicht so souverän wie die Männer, die darin wesentlich mehr Erfahrung haben. Ich möchte Frauen nicht nur bestärken, sondern ihnen auch die politischen Spiele näherbringen, die im Hintergrund ablaufen, sodass sie mitspielen können. Frauen sind grundsätzlich eher problemorientiert. Sie haben vor Augen, was im schlimmsten Fall passieren könnte. Wir arbeiten zusammen an einer Strategie. Das baut Unsicherheit ab.

 

Über Daniela Haze Stöckli
Seit Mitte 2021 ist Dr. Daniela Haze Stöckli Partnerin bei mindyourstep GmbH, einem Beratungsunternehmen mit Fokus auf Begleitung der obersten Führungsgremien zum «High Performing Team», Executive Career Sparring & Positioning, Career Transition, Assessment-Vorbereitung und Talent Management, auch unter dem Aspekt eines holistischen Diversity-Ansatzes. Zuvor war sie in der Geschäftsleitung des Schweizerischen Versicherungsverbands SVV tätig. Daniela Haze Stöckli ist Mutter von drei Söhnen im Teenageralter und kennt die Herausforderungen Karriere und Familie gut.

 

«Ratschläge erteile ich keine mehr»

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Die Zeit-Expertin Anna Jelen über das Leben in Warteschlaufen, zu kurze Tage und ihren steinigen Weg zur Erkenntnis.

Inspiration kann Aussergewöhnliches bewirken, ohne selbst aussergewöhnlich zu sein – ein Gedanke, ein Moment, eine Geschichte. Inspiration ist ein Funke, und oft ist ein Funke ein Mensch. Anna Jelen, «The Time Expert», ist eine regelrechte Funkenversprüherin. Da der Begriff nicht existiert, haben wir ihn im Nachgang des She’s Mercedes-Events «Power of the mind» vom letzten August, anlässlich dessen wir Anna Jelen kennenlernen durften, erfunden. Die 44-Jährige aus Arosa über ihren Umgang mit Zeit und ihren Wandel mit der Zeit.

WOMEN IN BUSINESS: Frau Jelen, wie wurden Sie Zeit-Expertin?
Anna Jelen: Mit der Zeit (lacht). Ich war auf dem Karrierepfad in einem internationalen Konzern, habe dort neben meinem eigentlichen Job noch Workshops in Sachen Auftrittskompetenz und Zeitmanagement gegeben. Ich kam schliesslich an den Punkt, wo ich eingestehen musste, dass ich innerhalb dieser Organisation meine Ideen nicht mehr weiter entwickeln konnte. Also habe ich gekündigt und mich selbstständig gemacht. Das war zuerst einmal ernüchternd.

Warum?
Es war naheliegend, dass ich klassisches Zeitmanagement unterrichte, allein das Schlagwort verkauft sich gut. Ich habe Konzepte vermittelt, wie durchgetaktete Menschen bessere To-do-Listen machen. Und ich hatte Leute in meinen Kursen, die von mir wissen wollten, wie sie mehr Zeit haben respektive mehr aus ihrer Zeit machen können, die Werkzeuge wollten. Das hat jeweils gut funktioniert, war aber nicht nachhaltig. Man hat sich das eine und andere aus dem Workshop zu Herzen genommen, ist dann aber in der Regel nach kurzer Zeit wieder in die alten Muster zurückgefallen. Kam dazu, dass mich das irgendwann alles gelangweilt hat und mein Enthusiasmus versiegte. Es kam, wie es kommen musste: Es lief irgendwann nicht mehr.

Und dann?
Mein Treuhänder sagte, du musst Konkurs anmelden. Ich forderte noch zwei weitere Monate. Im Wissen, dass ich nichts zu verlieren habe, entschied ich, ab jetzt behandle ich das Thema Zeit à la Anna. Ich fing nochmals von vorn an.

Nach welchem Vorbild?
Mein erster Workshop hiess, «Lebe nicht, als hättest du 1000 Jahre zu leben». Der Satz stammt von Seneca, den ich schon als junges Mädchen grossartig fand. Ideale habe ich keine mehr und Vorbilder auch nicht. Bewunderung empfinde ich für meinen Vater. Er ist krank und sagt, er hat kein Bedauern.

Was bewundern Sie daran?
Jemand, der in so einer Situation so etwas sagen kann, hat das Leben geliebt und wurde dafür vom Leben zurück geliebt.

Was ist heute Ihr zentrales Anliegen zum Thema Zeit?
Es geht nicht um Werkzeuge, sondern um Fähigkeiten, um eine Einstellung.

Bewusstsein statt Know-how?
Genau. Und da habe ich mich gefragt, wie gehe ich das an.

Und?
Gegenfrage: An was erinnern Sie sich spontan aus der vergangenen Woche?

Am Mittwoch blieb der Zug auf der Strecke stehen, ich verpasste eine Sitzung. Damit sind wir beim Kern der Sache: Sie würden sich weder an die Zugfahrt und höchstwahrscheinlich auch nicht an die Sitzung erinnern, wenn es so gelaufen wäre, wie Sie es geplant hatten. Was haften bleibt, ist, was nicht war, wie erwartet oder geplant.

Im Sinn: Raus aus der Routine, sonst verpasst man das Leben?
Es geht darum, mehr Kontrolle zu übernehmen über seine Lebenszeit. Sie ist ja nichts anderes als eine Anreihung von Momenten. Ich ermuntere dazu, nicht einfach darauf zu warten, dass etwas geschieht, sondern dafür zu sorgen. «Create moments», das ist mein Zeitmanagement.

Klingt recht abstrakt. Wie bringen Sie das Ihren Zuhörern rüber?
Ich erzähle Geschichten. Das rüttelt viele auf, insbesondere solche, die in einem hohen Tempo unterwegs sind.

Was sind das für Geschichten?
Ich habe Vorträge gehalten in Altersheimen und die Leute gebeten, über Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft zu erzählen. Ich bekam unzählige unglaublich emotionale Geschichten aus der Vergangenheit zu hören. Bei der Frage nach der Gegenwart erlosch das Feuer, die Antwort lautete, naja, da gibt es nicht viel zu erzählen. Als ich sagte, dann reden wir doch über die Zukunft, lachten sie, «aber Anna, wir haben doch keine Zukunft». Das Fazit: Irgendwann wird das Thema Vergangenheit riesig.

Dann geht es darum, heute für die alten Tage Erinnerungen zu scheffeln?
Nein. Es geht darum, sich bewusst darüber zu werden, zu leben, nicht nur zu funktionieren. Wer im Hamsterrad steckt, ist immer am Warten – auf den Feierabend, aufs Wochenende, auf die Ferien. Kürzlich habe ich einen Manager nach seinen schönen Erinnerungen vom letzten Jahr gefragt. Er hatte genau drei Highlights präsent und wissen Sie was, die hatten alle in der einen Woche Ferien auf Mallorca stattgefunden. Ist doch schade um 51 anderen Wochen, nicht wahr?

Die grösste Malaise?
Wir packen zu viel in unsere Tage. Ich habe einmal mit einer Freundin, die mir erzählt hat, dass sie abends immer frustriert ist, weil sie nie alles erledigen konnte, was sie sich vorgenommen hatte, eine Liste erstellt mit allem, was sie an einem Tag erledigt haben will, damit es für sie ein guter Tag war. Und dann den jeweils nötigen Zeitbedarf dazugestellt und zusammengezählt. Ein guter Tag müsste für sie 31 Stunden haben.

Ihr Ratschlag an Ihre Freundin?
Ratschläge erteile ich keine mehr. Ich habe eine Geschichte erzählt, nämlich die, wie ich zu meinem Umgang mit der Zeit gekommen bin.

Erzählen Sie!
Ich war vor einiger Zeit in ein Unternehmen in Taipeh eingeladen als Workshopleiterin zum Thema Zeit. Dort fiel mir sogleich auf, dass alle vollkommen entspannt waren. Ich habe die Teilnehmenden einzeln gefragt, was in einen Tag rein muss, damit sie am Abend zufrieden ins Bett gehen können. Erste Antwort: Arbeit, Familie, Freunde. Zweite Antwort: Arbeit, Familie, Freunde. Dritte Antwort, Sie ahnen es: Arbeit, Familie, Freunde. Da habe ich mir überlegt, welche drei Säulen sind es bei mir?

Und?
Ganz einfach: Körper, Geist und Seele. Ich achte darauf, dass alle drei jeden Tag von meiner Zeit etwas abbekommen. Bewegung für den Körper, Arbeit für den Geist, Liebe für die Seele.

Corona hat viele aus der Routine gerissen. Wie haben Sie es erlebt?
Als Aufwachen. Ich dachte immer, der Applaus ist nicht wichtig für mich, heute weiss ich, dass es das Futter für meine Seele war.

Bestätigung fiel weg und Sie in ein Loch?
Genau so war es. Als die Pandemie begann, habe ich mich frohen Mutes als Referentin abgemeldet, um ein Buch zu schreiben. Ich habe mich schön eingerichtet und installiert, sass dann eines Morgens am Computer und schrieb: I should be happy now, ich sollte jetzt glücklich sein. War ich aber nicht. Im Gegenteil. Es quälten mich Zweifel an meinen Fähigkeiten, Entscheiden, an mir selbst – und ich musste einsehen, dass, wenn ich keine Bestätigung von aussen bekomme, da nichts ist. Das ist mir richtig eingefahren. Ich war gefordert, mich mit mir, meinen Bedürfnissen und Befindlichkeiten auseinanderzusetzen, diese anzunehmen und mich auch darum zu kümmern. Heute kann ich sagen, ich bin meine ziemlich beste Freundin, und dieses Gefühl ist grossartig.

Und was ist mit dem Buch?
Ich habe es in Arbeit, und es hat dieses Jahr für mich beruflich Priorität. Vorträge halte ich derzeit fast keine und wenn, dann anders als früher. Der Vortrag, den ich für She’s Mercedes gehalten habe, war mein erster Auftritt seit zwei Jahren. Und ich war zum ersten Mal nur freudig, nicht auch noch nervös. Ich habe mich in den vergangenen zwei Jahren definitiv verändert. Ich will auch nicht mehr lehren, sondern inspirieren.

An wen richten Sie es?
Ich habe heute viel mit Leuten zu tun, die sich für Philosophie interessieren und offen sind, sich selbst und auch ihr Tun zu hinterfragen, im Sinne von: Für wen mache ich eigentlich, was ich mache?

Und wem werden Sie Ihr Buch widmen?
Ich widme es den Menschen, die nicht so leben möchten, als hätten sie noch 1000 Jahre – die Erkenntnis ist die «essence of selfcare».


 

Event-Empfehlung der Redaktion
«The essence of self care»
Eine Veranstaltung der She’s Mercedes Initiative.

Datum und Uhrzeit: Mittwoch, 27. April, 18 Uhr
Ort: Grand Hotel Les Trois Rois, Basel
Ticketpreis: CHF 49.-

Anmeldung und weitere Informationen zum Event unter: www.mercedes-benz.ch

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 Die Initiative She’s Mercedes steht für die Idee, dass Inspiration Aussergewöhnliches bewirken kann. Mehr zur Initiative und zu den Events von She’s Mercedes in der Schweiz finden Sie im Newsletter mercedes-benz.ch/shesnewsletter-de sowie unter mercedes-benz.ch/shes

 

Sensibilisierung für eine magische Art

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Wein-Komponistinnen mit Temperament

Posted by corinne.broennimann

Maike Kiessling

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Kunst in der Alphütte

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Beatrice Trussardi engagiert sich für eine breite Zugänglichkeit zur zeitgenössischen Kunst. Nach zehn Jahren als CEO und VR Präsidentin der Trussardi-Gruppe widmet sich die Philanthropin heute ihrer Kunstmission und ihrer Familie.

Beatrice Trussardi trägt einen illustren Namen. Die 50-jährige Italienerin ist die älteste Tochter des 1999 verstorbenen Modeindustriellen Nicola Trussardi und damit Abkömmling einer Familiendynastie, die eines der bekanntesten Modelabel begründete. Sie selbst leitet eine Kunststiftung, die in der Kunstwelt in den letzten Jahren wegen Kunstaktionen an ungewöhnlichen Orten von sich reden machte. Doch im Gespräch wird rasch klar, dass sie ihre Rollen klar aufteilt. Wenn man sie zu ihrem Herzensthema befragt – der breiten Zugänglichkeit zur zeitgenössischen Kunst – ist sie voller Enthusiasmus, spricht fokussiert und gibt geduldig wohlüberlegte Antworten. Alles andere – Fragen zur Trussardi-Gruppe, deren CEO und Verwaltungspräsidentin sie für über zehn Jahre war – gehören für sie ins Reich der Vergangenheit und müssen somit ausgeklammert werden. Beatrice Trussardi agiert heute vor allem als Philanthropin, die den Grossteil ihrer Zeit ihrer Kunstmission, ihren zwei Kunststiftungen und ihrer Familie widmet.

WOMEN IN BUSINESS: Wie kamen Sie eigentlich zur Kunst?
Beatrice Trussardi: Ich war von Kindesbeinen an mit Kunst umgeben. Zu unseren Familientreffen kamen immer auch Freunde meiner Eltern, und das waren Künstler, Schriftsteller, Schauspieler, Intellektuelle. Mich mit Kunst zu umgeben, war für mich deshalb nichts Fremdes, sondern die natürlichste Sache der Welt. Ich nahm auch privaten Unterricht in Kunst, ging in Museen und Galerien. Das hat sicherlich meinen Instinkt geformt. Später, als ich in New York studierte, entwickelte ich meinen eigenen Zugang zur Kunst.

Wie das?
Ich arbeitete für verschiedene Museen, war etwa bei der Eröffnung des Guggenheim Museums in Bilbao mit dabei. Ich erhielt viel Einsicht in die Arbeit von Künstlern und dabei habe ich eine Menge eigener Erfahrungen mit Künstlern und dem Kreationsprozess gemacht.

Sie leiten die Kunststiftung Nicola Trussardi, und jetzt haben Sie auch noch eine eigene Stiftung gegründet, die auf Ihren Namen lautet. Was gab den Ausschlag?
Es geht nicht um mich, meine persönlichen Interessen oder meinen Geschmack. Es geht mir darum, mich durch diese Stiftung in den Dienst der Gemeinschaft zu stellen, und zwar auch international. Ich möchte zeitgenössische Kunst direkt unter die Leute bringen. Das war bereits der Urgedanke der Nicola Trussardi Stiftung, die ich über viele Jahre formte und prägte.

Nachdem ihr Vater 1999 bei einem Autounfall ums Leben gekommen war, kehrte Beatrice aus New York zurück und übernahm die Leitung der Nicola Trussardi Stiftung. Zuvor hatte sie an der New York University Art Business & Administration studiert und für Museen wie das Metropolitan Museum und das Guggenheim gearbeitet. Die Stiftung war von Beginn an keine still tätige Stiftung hinter den Kulissen. Ursprünglich am Hauptsitz von Trussardi gelegen, gleich neben der Scala, dem Mailänder Opernhaus, verband Trussardi ein Modehaus mit Kunstausstellungen, einer Buchhandlung, einem Café und einem Restaurant. Doch Beatrice Trussardi drückte der Stiftung nun ihren eigenen Stempel auf. Ihr war aufgefallen, dass Italien, obwohl ein Land, das an jeder Strassenecke Kultur atmet, wenig Verständnis für zeitgenössische Kunst hatte. Unter ihrer Leitung zog die Stiftung 2003 aus ihren Ausstellungsräumen im Palazzo Trussardi alla Scala aus. Stattdessen brachte sie zeitgenössische Kunst direkt in die Stadt. Die Stiftung wurde in ein nomadisches Museum umgewandelt, der damals noch junge Kurator Massimiliano Gioni mit an Bord geholt – er ist heute künstlerischer Direktor des New Museum in New York. Die zwei brachen mit allen Konventionen, wie eine Kunststiftung fungierte, und brachten Künstler an ungewohnte Orte. Im Palazzo Litta etwa, der über 50 Jahre lang der Sitz der staatlichen Eisenbahnen war, zeigten sie (in Zusammenarbeit mit der Tate Modern und dem Kunsthaus Zürich) die grosse Retrospektive von Peter Fischli und David Weiss. Oder sie präsentierten die britische Künstlerin Sarah Lucas in einem unterirdischen Bad neben einer U-Bahn-Station. Die Nicola Trussardi Stiftung belebte die Stadt, und sie setzte die Kunst frei. Beatrice Trussardi hat Erfahrung darin, mit Brüchen und Umbrüchen umzugehen. Sie nutzt Chancen, die aus Krisen erwachsen. Mitten in der Pandemie hat sie ihren Lebensmittelpunkt ins Engadin verlegt und dort die Beatrice Trussardi Stiftung begründet.

Was zeitgenössische Kunst ausserhalb der Museums und Galeriemauern anbetrifft, haben Sie in Italien quasi Pionierarbeit geleistet. Trotzdem wird Kunst oft immer noch als etwas Abgehobenes, Elitäres betrachtet. Wie erklären Sie sich das?
Ich denke, das Problem liegt darin, dass Kunst noch immer allzu oft in Zusammenhang mit dem kommerziellen Aspekt gesehen wird. Was in die Breite kommuniziert wird, sind der Markt, die Kunstmessen, die astronomischen Auktionspreise. Ich aber betreibe die Kunststiftung als Nonprofit-Organisation. Es geht mir darum, Kunst zu den Leuten zu bringen, und nicht umgekehrt, die Leute zur Kunst. Darin liegt auch der grosse Unterschied zu den vielen anderen Kunststiftungen, die in den letzten Jahren entstanden sind.

Kunst-Mäzenatentum ist en vogue, und es findet Anklang beim Publikum. Der Besuch der Fondazione Prada in Mailand oder der kürzlich eröffneten Pinault Collection in Paris oder der Fondation Louis Vuitton stellen Fixpunkte in jeder Kultur (und Social-)Agenda dar für Leute, die mitreden wollen. Doch mit dem Kunstengagement von Beatrice Trussardi verhält es sich subtiler. Bewusst entzieht sie sich dem lauten Spektakel, der grossen Werbetrommel und der leichten Konsumierbarkeit. Stattdessen will sie, dass sich die Projekte mit den Herausforderungen unserer Zeit auseinandersetzen; mit unserem Verhältnis zur Natur, zur Spiritualität, mit Gesellschaftsutopien zum Beispiel. Im Jahr 2020, als die meisten Einrichtungen und Museen schliessen mussten, entwickelte sie zwei Projekte, die direkte Reaktionen auf die Pandemie waren. Das Online-Projekt «Viaggi da camera» (Zimmerreisen) thematisierte die Kraft der Imagination in Zeiten des Lockdown. Inspiriert vom berühmten Roman von Xavier De Maistre aus dem 18. Jahrhundert «Reise um mein Zimmer» – geschrieben während einer 42- tägigen Zwangseinweisung in einem Zimmer in Turin – lud das Projekt Künstler ein, die Türen zu ihren eigenen realen und imaginären Zimmern zu öffnen.

Das zweite Projekt war so erfolgreich und berührend, dass es sogar in der «New York Times» gepriesen wurde: Die Stiftung hatte den isländischen Künstler Ragnar Kjartanssons eingeladen, in Mailand ein Werk zu realisieren. Als Ort wurde die Kirche San Carlo al Lazzaretto auserkoren, die im 16. Jahrhundert in Gedenken an die Opfer der Pest gebaut worden war. Begleitet von der Kirchenorgel sangen professionelle Sänger das Stück «Il cielo in una stanza», das berühmte Lied von Gino Paoli aus dem Jahr 1960, jeden Tag sechs Stunden lang und ununterbrochen. Das Lied ist Mitgliedern der älteren Generation besonders kostbar: Es handelt davon, wie in der Fantasie Wände gesprengt werden, wenn man liebt. Mit den Folgen der Pandemie, vor allem mit unserem Umgang mit der Natur, hat das erste Projekt der Beatrice Trussardi Stiftung zu tun, zudem sie den polnischen Künstler Pawel Althamer in die stille Natur des abgelegenen Fextals im Engadin lud. Wer das Projekt sehen wollte, musste zu Fuss, mit dem Fahrrad oder mit einer Pferdekutsche zu einer Berghütte gelangen. In der Hütte wurde man mit der zerfurchten, nackten Figur konfrontiert, ab und an schaute eine Ziege vorbei. Althamer spielte damit auf den heiligen Franziskus an, der als Sohn eines reichen Tuchhändlers in Assisi aufwuchs und mit seiner Familie brach und den Franziskanerorden gründete. Er lebte fortan in Askese und unterhielt eine besonders innige Beziehung zu Tieren und Natur. Trussardi schwärmt von der spirituellen Dimension des Ortes. «Die Erfahrung, den Ort durch die stille Natur wandernd zu erreichen, war ein wichtiger Teil der Botschaft des Künstlers», sagt sie.

Es ist mutig, Kunst so weit weg von den Zentren zu bringen. Warum betreiben Sie diesen Aufwand?
Ich möchte Kunst auf eine vollkommen neue Art zeigen. Abseits der konventionellen Orte. Sie soll in den Dialog mit der Umgebung treten, sei es in der Stille der Natur oder im urbanen Zentrum. Ich möchte, dass die Menschen überraschend auf die Kunst stossen.

Was erhoffen Sie sich davon?
Im Grunde geht es darum, dass sich die Menschen Fragen stellen. Kunst stimuliert persönliche Reaktionen. Sie eröffnet verschiedene Perspektiven, die Realität zu sehen.

Dann hat Kunst für Sie eher eine soziale als eine ästhetische Funktion?
Absolut! Es geht mir überhaupt nicht um die Ästhetik, um Kunst als Dekoration. Es geht mir darum, Fragen zu stellen und über verschiedene drängende Themen nachzudenken.

Ist es nicht etwas zu viel von der Kunst verlangt, wenn sie die wichtigen Herausforderungen unserer Zeit mitbewältigen soll?
Natürlich geht es nicht darum, dass Kunst unsere Probleme lösen soll. Aber Kreativität hat schon immer zu unterschiedlichen Perspektiven auf unsere Gesellschaft verholfen. Die Imagination kann im Vergleich zu den funktionalen Disziplinen neue Szenarien aufzeigen, neue Möglichkeiten eröffnen.

Ihre Stiftung übernimmt auch Forschung zu verschiedenen Themen. Welcher Gedanke steckt dahinter?
Unser aktuelles Forschungsthema gilt dem alpinen Raum, und welche Innovationen aus ihm historisch und aktuell hervorgehen. Dazu wird es im neuen Jahr eine Konferenz und eine Publikation geben.

Was gewinnen Sie persönlich daraus, so nahe an der Kreation zu sein? Gibt es etwas, das Sie von Künstlern gelernt haben in all den Jahren?
Ich finde es faszinierend, dem kreativen Prozess von Künstlern aus nächster Nähe folgen zu können. Wir geben den Künstlern immer ein Briefing, das sich aus einem bestimmten Thema und einem von uns ausgewählten Ort ergibt. Daraus ergibt sich ein Stimulus. Aber dann sind sie vollkommen frei, und es obliegt ganz dem Künstler oder der Künstlerin, neue Ideen und Arbeiten hervorzubringen.

Denken Künstler anders?
Ich glaube, sie arbeiten tatsächlich mehr mit ihrer Intuition. Bevor sie sich an die praktische Ausführung oder ans Handwerk machen, entwerfen sie die Idee, ein Konzept in ihrem Kopf. Das geschieht allein in ihrer Imagination. Die letzten Projekte Ihrer zwei Stiftungen haben sich stark mit der Pandemie, mit dem Effekt des Lockdowns, und auch mit unserem Verhältnis zur Natur, beschäftigt. Sie selbst haben den Lockdown im Engadin verbracht, und haben inzwischen Ihren Familiensitz dahin verlegt.

Inwiefern erlebt man diese Gegend anders, als wenn man hier Ferien macht?
Hier oben ist natürlich ein ganz anderer Lebensrhythmus als in Mailand. Es herrscht eine grosse Stille. Es gibt weder Luftnoch Lichtverschmutzung wie in einer Grossstadt. Das ist eine vollkommen andere Erfahrung! Sie hatte für mich eine meditative Dimension; sie erlaubte mir eine Art von Introspektion, die ich sonst nicht erlebe. Aber letztlich haben während des Lockdowns alle diese Introspektion, und einen neuen Lebensrhythmus, erlebt.

Werden Sie wieder in die Stadt zurückkehren?
Ja sicherlich, immer wieder! Wir alle brauchen soziale Stimulation und Inspiration. Es geht um die richtige Balance.

Beatrice Trussardi
Beatrice Trussardi wurde 1971 in Mailand als Tochter des Modeunternehmers Nicola Trussardi geboren. Von 1999 bis 2014 hatte sie verschiedene Positionen innerhalb der Trussardi-Gruppe inne, darunter auch die des CEO und der Verwaltungsratspräsidentin. Seit 2003 hat sie die Fondazione Nicola Trussardi zu einem in der Kunstwelt renommierten nomadisierenden Produktions- und Ausstellungsmodell entwickelt. Zu den Künstlern, die von der Stiftung präsentiert wurden, gehört die Crème der internationalen Kunstszene, u. a. Maurizio Cattelan, Tacita Dean, Urs Fischer, Fischli und Weiss, Paul McCarthy, Pipilotti Rist, Tino Sehgal und Allora & Calzadilla. Im Sommer 2021 hat sie nun die Beatrice Trussardi Stiftung gegründet, um die philanthropische Tätigkeit auch ausserhalb Italiens zu verfolgen. Für ihre kulturelle Arbeit wurde sie mit verschiedenen Preisen geehrt, u.a. dem Montblanc Arts Patronage Award und dem Piazza Mercanti Award der Mailänder Handelskammer für kulturelle Philanthropie. Trussardi ist ausserdem Mitglied des Vorstands des Comitato Fondazioni Italiane Arte Contemporanea. Sie ist Präsidentin der Friends of Aspen am Aspen Institute Italy, deren Ziel es ist, wichtige wirtschaftliche, soziale und kulturelle Themen zu analysieren, ausserdem Mitglied des Women’s Leadership Board der John F. Kennedy School of Government an der Harvard University in Cambridge, Massachusetts, das sich dafür einsetzt, die Rolle der Frauen auf allen Ebenen der Gesellschaft durch den Beitrag internationaler Führungskräfte zu stärken. Beatrice Trussardi ist mit einem Medtech-Unternehmer verheiratet und hat zwei Söhne.

 

«Sustainable Business or out of Business»

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Renata Jungo Brüngger gehört als Mitglied der Konzernleitung der Daimler AG und der Mercedes-Benz AG zu den einflussreichsten Frauen der Automobilbranche. Im Interview spricht die gebürtige Schweizerin über die Bedeutung von Nachhaltigkeit, wie sie von ihrem Hobby im Geschäftsalltag profitiert und inwiefern Schwaben und Schweizer ähnlich ticken.

WOMEN IN BUSINESS: Als Vorstandsmitglied der Daimler AG sind Sie für den Bereich Integrität und Recht verantwortlich. Inwiefern zählt auch das Thema Nachhaltigkeit zu Ihrem Bereich?
Renata Jungo Brüngger: Für mich zu 100 Prozent. Eine unserer wichtigsten Aufgaben ist es, die nachhaltige Transformation von Mercedes-Benz und Daimler voranzutreiben und andere Fachbereiche zu unterstützen. Unsere Juristen, Compliance-Manager und Integritätsbeauftragten verstehen sich als «Enabler» für Nachhaltigkeit im Unternehmen. Für dieses Mindset setze ich mich persönlich ein. Es ist mir ein Herzensanliegen, und das nicht nur, weil ich oberste Risikomanagerin des Unternehmens und Co Vorsitzende des Nachhaltigkeitsboards bin. Denn zum nachhaltigen Wirtschaften gibt es aus meiner Sicht keine Alternative. Zugespitzt gilt: «Sustainable Business or out of Business».

Welche Massnahmen verfolgen Sie und Ihr Team konkret, um Nachhaltigkeit im Unternehmen voranzutreiben?
Ein prägnantes Beispiel: Unser Einsatz für Menschenrechte. Für die Elektromobilität benötigen wir viele Rohstoffe aus kritischen Ländern. Schon vor einigen Jahren haben wir auch deswegen unser Human Rights Respect System aufgesetzt. Das sind konkrete Regelungen und Prozesse, die uns dabei helfen, mögliche negative Auswirkungen unseres Geschäfts auf die Achtung der Menschenrechte frühzeitig zu erkennen und zu vermeiden. Unsere Liefernetzwerke sind hochkomplex, wir haben alleine 60 000 direkte Lieferanten. 100-prozentige Sicherheit wird es daher nie geben, aber wir arbeiten hart daran, die Risiken so gut wie möglich zu minimieren. Das hilft nicht nur den Menschen vor Ort, sondern ist auch ein Mehrwert für das Unternehmen und Investoren. Ein anderes Beispiel: Mit unserem Data Compliance Management haben wir den verantwortlichen Umgang mit Daten im Blick. Software ist für uns ein zentraler Erfolgsfaktor, und wir begleiten technische Neuerungen mit unseren Grundsätzen Transparenz, Selbstbestimmung und Datensicherheit. An den Beispielen sehen Sie, dass wir eine ganzheitliche nachhaltige Geschäftsstrategie entlang der gesamten Wertschöpfungskette verfolgen. Wir orientieren uns dabei an den 17 Sustainable Development Goals der Vereinten Nationen.

Wo liegen die Herausforderungen, ein gesamtes Unternehmen mit dieser Thematik abzuholen?
Es wäre mittel- und langfristig eine deutlich grössere Herausforderung, jetzt nicht konsequent auf Nachhaltigkeit zu setzen. Damit sichern wir auch zukünftig unsere «Licence to Operate», die gesellschaftliche Akzeptanz für unser Geschäft. Unsere Ziele sind sehr ambitioniert, natürlich vor allem beim Klimaschutz. Wir setzen auf «electric only»: Bis zum Ende des Jahrzehnts wird Mercedes-Benz bereit sein, vollelektrisch zu werden – überall dort, wo es die Marktbedingungen zulassen. Diesen fundamentalen Kurswechsel unterstützen auch unsere Stakeholder, unsere Kunden, unsere Beschäftigten, die Politik und der Kapitalmarkt. Aber diese tiefgreifende Transformation hin zur Elektromobilität verlangt auch viel von uns allen, und es wird nicht immer konfliktfrei abgehen. Der Schlüssel ist, intensiv mit allen relevanten Stakeholdern im Dialog zu bleiben, um gute Lösungen zu finden.

Wenn wir auf Ihre beeindruckende Karriere blicken, was war auf Ihrem Weg an die Spitze eines Weltkonzerns wie Daimler entscheidend?
Erfahrungen in unterschiedlichen Terrains und Wetterlagen helfen, sich sicher zu bewegen, auch wenn es mal schwierig wird. Sie merken schon: Eins meiner liebsten Hobbys sind die Berge. Im Ernst: Es hilft, Risiken gut kalkulieren und managen zu können. Noch wichtiger ist es aber, die Chancen bei vielen Themen zu erkennen und in den Mittelpunkt des eigenen Handelns zu stellen. Und man muss auch einmal mutig und selbstbewusst aus seiner Komfortzone herausgehen, um neue Ziele zu erreichen. Wie den Gipfel sollte man diese Ziele immer im Blick haben. Das rate ich auch Kolleginnen, die ihre Karriere vorantreiben wollen. Über allem steht für mich jedoch, mit einem Weltklasse-Team unterwegs zu sein. Als Führungskraft ist das am Ende entscheidend für den Erfolg – auch für den eigenen.

Mussten Sie sich als Frau in der männerdominierten Branche besonders behaupten?
Der Umgang mit meinen Kollegen war von Anfang an auf Augenhöhe. Inzwischen habe ich auch zwei Kolleginnen im Vorstand der Mercedes-Benz AG, was mich natürlich sehr freut. Insgesamt ist unsere Branche traditionell eher männlich geprägt. Bei Daimler liegen wir derzeit bei einem Frauenanteil von 20,5 Prozent in Führungspositionen – das ist schon gut. Wir engagieren uns aber sehr stark, um diesen Anteil weiter zu steigern. In meinem Ressort sind sogar über 40 Prozent der Führungskräfte Frauen. Ich ermutige jede kompetente und motivierte Kollegin, einen Karriereschritt zu wagen und unterstütze sie entsprechend.

Worauf legen Sie bei der Führung Ihrer Mitarbeitenden Wert, insbesondere mit Blick auf das Thema Diversity?
Bei uns arbeiten rund 280 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus 160 Nationen. Alle bringen ihre Erfahrungen, Perspektiven und Kompetenzen mit ein. Das Wichtigste für mich als Führungskraft ist, sich auf diese Vielfalt einzulassen und sie aktiv zu fördern. Das setzt enorme Kreativität frei, die Grundlage für unseren sprichwörtlichen Pionier- und Erfindergeist ist.

Spüren Sie einen Unterschied in der Unternehmenskultur zwischen Deutschland und der Schweiz?
Ich habe in internationalen Unternehmen gearbeitet, da ist der Unterschied in der Unternehmenskultur nicht so gross. Schweizer und Schwaben sind gar nicht so verschieden: Beide sind sehr pflichtbewusst, umtriebig und arbeiten gern und viel. Dazu kommt Kreativität – eine wirklich gute Mischung. Auf beiden Seiten haben wir also Teams, die in der höchsten Liga spielen. Das gibt auch viel Freude an der Arbeit, das gefällt mir hier und dort.

  Die Initiative She’s Mercedes steht für die Idee, dass Inspiration Aussergewöhnliches bewirken kann. Sie bietet Frauen in über 70 Ländern die Möglichkeit, in Kontakt zu kommen und sich gegenseitig zu stärken. In der Schweiz finden regelmässig Events zu den Themen Mind, Move, Body und Nutrition statt. Mehr zur Initiative, zum Magazin und zu den Events von She’s Mercedes in der Schweiz finden Sie im Newsletter mercedes-benz.ch/shesnewsletter-de sowie unter mercedes-benz.ch/shes.

Lange Tradition mit Zukunft

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Kind und Karriere: Die Zweifel moderner Mütter

Posted by corinne.broennimann

Weltmarktführerin für Naturkosmetik

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Weleda feiert in diesem Jahr sein 100-jähriges Bestehen. Die Ärztin Nataliya Yarmolenko, Mitglied der Geschäftsleitung, über das Erfolgsgeheimnis von Weleda, den Frauenanteil und den anthroposophischen Ansatz.

WOMAN IN BUSINESS: Wie sind Sie als Ärztin zu Weleda gekommen? Was haben Sie davor gemacht?
Nataliya Yarmolenko: Ich habe in Odessa, Ukraine, Medizin studiert. Während des Studiums habe ich die anthroposophische Medizin kennengelernt und nach meinem Examen ein Therapeutikum mit Schwerpunkt Naturheilkunde aufgebaut. Um mich in anthroposophischer Medizin fortzubilden, bin ich dann nach Dornach gegangen. Dort wurde die Geschäftsleitung der Weleda auf mich aufmerksam und fragte mich im Jahr 2000, ob ich ins Unternehmen einsteigen wolle, um die osteuropäischen Märkte zu entwickeln.

Wie verlief dann Ihr Karriereweg bei Weleda?
Ich war lange Jahre als Regionaldirektorin für die osteuropäischen und skandinavischen Märkte zuständig. Gemeinsam mit meinem Team haben wir Weleda vor allem in Russland, Tschechien und Schweden erfolgreich aufgebaut und viele neue Märkte erschlossen. Anfang 2019 wurde mir vom Verwaltungsrat die Stelle als Mitglied der Geschäftsleitung mit Zuständigkeit für die Märkte angeboten, die ich seither innehabe. Das war eine tolle Entwicklungsmöglichkeit und hat viele neue spannende, globale Aufgaben mit sich gebracht.

Wie beurteilen Sie die Rolle und die Stellung der Frauen im Berufsleben?
Ich sehe es in unserer Gesellschaft noch als Nachteil, weil Frauen mit grösseren Hürden und anderen Erwartungen zu tun haben. Wir leben weiter in einer von Männern dominierten Berufswelt. Gerade auch beim Thema Familie zeigt sich oft, dass es Frauen schwerer haben, Kinder und Job zu vereinbaren. Dabei sind Frauen heutzutage top ausgebildet und bringen viel Potenzial und Kompetenz mit in die Arbeitswelt – es ist schade, wenn Unternehmen das nicht erkennen. Zum Glück hat sich aber auch viel in unserer Gesellschaft weiterentwickelt und verbessert.

Hatten Sie jemals das Gefühl, im Berufsleben als Frau bevorzugt oder benachteiligt gewesen zu sein?
Ich selbst habe bei Weleda grosses Vertrauen in meine Entwicklungsmöglichkeiten erfahren. Es ist bei uns im Unternehmen sehr wichtig, dass Mitarbeitende ihr Potenzial entfalten können. Sie werden in unserem Unternehmen unabhängig vom Geschlecht nicht nur als Funktionsträgerinnen, sondern als Menschen gesehen, die in den Lebensfeldern Beruf und Privatleben Verantwortung tragen. Wir schaffen mit geeigneten Angeboten Rahmenbedingungen, damit der individuelle Balance-Akt gelingen kann. So ist die Weleda AG auch mit dem «audit beruf und familie» zertifiziert.

Welchen Stellenwert hat die Frauenförderung bei Weleda?
Die Ärztin und Pionierin Dr. Ita Wegmann war die treibende Kraft bei der Gründung der Weleda in Arlesheim. Ich finde es toll und inspirierend, wie sie bereits vor 100 Jahren bei Weleda ihre Ideen und Fähigkeiten zur Geltung brachte. 1921 baute sie die erste Klinik für anthroposophische Medizin auf. Sie traf auf Rudolf Steiner und gründete mit ihm zusammen die Weleda. Ihre Persönlichkeit zeichnete sich durch Mut, Begeisterung und Entscheidungsfreude aus. Mit ihrem Lebensstil – sie war unverheiratet, hat viele leitende Rollen gehabt, war Ärztin und Unternehmerin – entsprach sie nicht dem Bild der Frau zu Beginn des letzten Jahrhunderts. Sie war unangepasst und visionär, und sie hat das Unternehmen Weleda, die anthroposophische Medizin sowie das Rollenverständnis der Frauen mit ihrem Werdegang massgeblich geprägt. Bis heute ist Weleda eine sehr weiblich geprägte Marke. Wenn wir heute über die Qualitäten von Weleda sprechen, wie z.B. Ehrlichkeit, Aufrichtigkeit, den Mut, unkonventionell zu sein, da finden wir den historischen Fussabdruck von Ita Wegman wieder. Heute sind viele unserer Werte sehr gefragt und finden hohe Akzeptanz.

Wie präsentiert sich die Lage heute?
Interessant ist, dass Weleda lange hierarchisch geführt wurde und somit weniger Frauen in Führungsrollen waren. Ich erinnere mich gut an meine ersten Meetings vor 20 Jahren. Es gab zwei Frauen in einer Gruppe von 30 Männern. Heutzutage sieht es anders aus. In 20 Tochtergesellschaften haben wir fünf geschäftsführende Direktorinnen. Das ist immer noch zu wenig. Aber es ändert sich weiter. Auf der zweiten Führungsebene der zentralen Funktionen ist der Frauenanteil schon wesentlich höher, dort sind es knapp 40 Prozent. Es gab bis jetzt kein offizielles Programm für Frauen-Förderung. Viele Veränderungen bei Weleda geschahen organisch. Kulturelle Vielfalt sehen wir als inspirierende Kraft. Ich vergleiche das gerne mit einem bunten Garten, der aus sich heraus die Kraft hat, immer vielfältiger und kräftiger zu werden. Ich bin überzeugt, dass «female Leadership» absolut in ist und ich erlebe, dass Achtsamkeit und Empathie in der Führungskultur bei Weleda von allen gelebt werden.

Wie hoch ist der Frauenanteil bei Weleda insgesamt?
Von 2500 Mitarbeitenden weltweit sind 1700 weiblich, das sind fast 70 Prozent. Der Frauenanteil unter den Führungskräften liegt weltweit bei etwa 40 Prozent.

Wie geht Weleda mit den Themen Inklusion und Diversität um?
In unserem HR-Bereich haben wir das Thema Diversitätsmanagement als Aufgabenbereich in unserem HR Competence Center angesiedelt. Nachhaltige Erfolge können nur durch gemeinsames Anpacken aus vielfältigen Blickwinkeln entstehen. So sind wir in der Lage, gemeinsam voneinander zu lernen und uns weiterzuentwickeln. Die Weleda-Gruppe beschäftigt derzeit Menschen aus über 50 Ländern in ihren 24 Niederlassungen auf der ganzen Welt. An unseren grössten Standorten in Deutschland und der Schweiz, wo die Mehrheit der Mitarbeitenden des Unternehmens arbeitet, sind jeweils über 31 Nationalitäten angestellt.

Was ist Ihre genaue Funktion und was sind Ihre Aufgaben bei Weleda?
Ich bin Mitglied der vierköpfigen Geschäftsleitung der Weleda Gruppe und innerhalb dieses kollegial geführten Teams für die Märkte zuständig.

Wie ist Weleda heute international positioniert, und wie ist die Firma in den letzten 100 Jahren gewachsen?
Wir sind Weltmarktführerin für zertifizierte Naturkosmetik und die Nr. 1 auf dem Gebiet der Pharmazie für anthroposophische Medizin. Weleda Produkte gibt es heute in über 50 Ländern. 2020 haben wir einen globalen Umsatz von 424 Millionen Euro erzielt. Bis in die 70er Jahre des letzten Jahrhunderts war der grössere Geschäftszweig die Pharmazie. Mit dem wachsenden Umweltbewusstsein stieg die Nachfrage nach Naturkosmetik. Den grössten Teil des Umsatzes erzielen wir immer noch in Europa, vor allem in Deutschland, der Schweiz und Frankreich. Aber Märkte in Asien, den USA, Süd- und Osteuropa holen seit einiger Zeit stark auf. Hier gibt es noch viel Potenzial – auch diese Aufgabe macht meine Rolle so spannend.

Was ist das Geheimnis des Erfolgs von Weleda?
Eine der Hauptursachen unseres Erfolgs dürfte das grosse Vertrauen der Kundinnen und Kunden in die Qualität unserer Produkte und in unsere Aktivitäten zum Schutz der Natur sein. Dieses Vertrauen ist während der Jahrzehnte gewachsen. Die Konsumenten spüren, dass wir uns treu geblieben sind. Hinzu kommt, dass Nachhaltigkeit heute kein Nischenthema mehr ist, sondern in der Breite der Gesellschaft und der Wirtschaft zunehmend zum Massstab des individuellen und kollektiven Handelns wird. Weleda hat als Pionierin mitgewirkt, dass Naturkosmetik heute voll im Trend ist, und unsere Werte sind aktueller denn je: Natürliche Rohstoffe, höchste Qualität, nachhaltiges, ressourcenschonendes Wirtschaften und fairer Umgang mit allen an der Wertschöpfung beteiligten
Menschen. Auch nach 100 Jahren ist es unser Unternehmenszweck, Gesundheit und Schönheit im Einklang von Mensch und Natur zu entfalten. Wir wollen dazu beitragen, dass die Menschen sich ihrer Verbindung mit der Natur bewusstwerden und dadurch ihr Konsumverhalten nachhaltiger gestalten.

Nachhaltigkeit und Natur gehören zur DNA von Weleda und sind heute globale Trends. Wie erklären Sie das?
Als Weleda 1921 gegründet wurde, waren Nachhaltigkeit und Klimawandel noch keine Themen – achtsames Wirtschaften im Einklang mit der Natur aber schon. Bei Weleda war es von Anfangan das Ziel, Produkte für Gesundheit und Schönheit von Mensch und Natur auf natürlicher Basis herzustellen. Als die Begriffe Nachhaltigkeit und Umweltschutz immer zentralere Anliegen für breite Bevölkerungsschichten wurden, waren wir schon lange am Thema dran. Der gesellschaftliche Wandel und ein steigendes Bewusstsein für Nachhaltigkeit haben dazu geführt, dass sich Konsumentinnen kritischer mit Produkten des täglichen Bedarfs auseinandersetzen. Damit sprechen wir eine breitere Käuferschaft an als noch vor 50 Jahren.

Das hat auch die Konkurrenz gemerkt und entsprechend reagiert. Wie will sich Weleda in Zukunft positionieren, um die Marktstellung zu halten und sogar noch zu wachsen?
Wir haben das Privileg, auf 100 Jahre Erfahrung zurückgreifen zu dürfen und diesen Erfahrungsschatz mit den Technologien von morgen zu bereichern. Dabei wollen wir unserem Unternehmenszweck, unserem Purpose, treu bleiben. Das heisst, wir setzen mehr denn je darauf, einen positiven Beitrag für die Menschen und die Natur zu leisten. Und wir begrüssen es, dass auch die Beauty Branche insgesamt nachhaltiger wird oder werden will – es ist gut, wenn alle an einem Strang ziehen. Doch Transparenz und ehrliche Kommunikation dürfen dabei nicht auf der Strecke bleiben.

Was bedeutet das genau?
Mit vertrauenswürdigen, anerkannten Zertifizierungen wollen wir Konsumenten Orientierung und Sicherheit geben, wenn es um soziale und ökologische Massstäbe sowie um Corporate Governance geht. Wir freuen uns sehr, dass wir die internationale B-Corp Zertifizierung erreicht haben. Zertifizierte Firmen belegen transparent, dass sie sehr hohe Sozial- und Umweltstandards erfüllen, um die finanzielle und ethische Wertschöpfung in Einklang zu bringen.

Welche Kunden greifen zu Weleda-Produkten?
Unsere Kundinnen und Kunden sind mehrheitlich weiblich. Viele kommen als junge Eltern mit Weleda in Kontakt, denn in dieser Lebensphase wird die Bedeutung der Natur sowie qualitativ hochwertige, natürliche Inhaltsstoffe für viele Menschen wichtiger, und wir sind in der Babypflege sehr stark. Für sich selbst greifen die Verbraucher ab 30 stärker zu Weleda-Produkten.

Was sind die absatzstärksten Produkte?
Unser stärkstes Produkt ist die Weleda Babycreme. Ein weiterer Dauerrenner sind die Produkte der Skinfood-Serie.

Woher kommen die Rohstoffe, mit denen Weleda arbeitet?
Damals wie heute setzt Weleda Massstäbe in Bezug auf die Rohstoffbeschaffung. Besonderen Wert legen wir auf ökologisch und sozial ausgerichtete Lieferketten. Seit 2011 ist Weleda Mitglied der Union for Ethical Biotrade (UEBT) und hat seit 2018 als eines der ersten Unternehmen weltweit das UEBT-Zertifikat «Sourcing with respect». Wir sorgen dafür, dass alle Lieferanten unserer Rohstoffe angemessen bezahlt und dass unsere ökologischen Standards eingehalten werden. 80 Prozent unserer pflanzlichen Rohstoffe stammen aus biologischem oder biodynamischem Anbau und zertifizierter Wildsammlung. Die Anbaufläche beträgt rund 250 Quadratkilometer. Weltweit führen wir acht eigene Heilpflanzengärten – all das kommt der Artenvielfalt, der Bodengesundheit und dem Klimaschutz zugute. Denn biologisch bewirtschaftete Böden speichern mehr Kohlenstoff als konventionell genutzte.

Wie unterscheidet sich ein anthroposophisches von einem herkömmlichen Arzneimittel?
Die Natur schenkt uns kostbare Rohstoffe – aus langjähriger Arbeit, Forschung und Erfahrung wissen wir, wie wir daraus Arzneimittel und Naturkosmetika von höchster Qualität herstellen. Bei den anthroposophischen Arzneimitteln spielen die selbstregulierenden, selbstheilenden Kräfte des Organismus und eine ganzheitliche Betrachtungsweise eine zentrale Rolle. Der Mensch besteht nicht nur aus einem Körper, dessen Krankheitssymptome jeweils für sich genommen bekämpft werden müssen, sondern es gilt, das Individuum als Ganzes zu sehen, das aus Körper, Seele und Geist besteht, in einem bestimmten Lebensumfeld lebt und eine individuelle Biografie hat. Da setzt die anthroposophische Medizin mit ihren Therapien und Arzneimitteln an.

Was sind Ihre Lieblingslinien oder -produkte von Weleda?
Dazu zählt zum einen unser Granatapfel Gesichtsöl. Damit ist es uns in der Entwicklung einfach super gelungen, Weleda-Qualität, Natürlichkeit und Wirksamkeit in Einklang zu bringen. Und die Skin Food Light habe ich immer in meiner Tasche, denn sie ist ideal, um sich auch zwischendurch zu pflegen.

Wie begeht Weleda das 100-Jahr-Jubiläum?
Wir hatten viel vor für das Jubiläumsjahr und mussten leider coronabedingt umplanen. So sollte es etwa in Deutschland ein Sommercamp zum Thema gesunde Böden geben, das nun nächstes Jahr stattfinden wird. Für 2021 haben wir dafür mit der «Living Soil Journey» eine digitale Dialog-Reihe mit Project Together umgesetzt. Natürlich möchten wir auch mit allen Mitarbeitenden weltweit feiern, dazu wird es bald ein digitales Fest geben, auf das ich mich sehr freue. Denn wir alle tragen gemeinsam dazu bei, dass Weleda im Jahr dieses stolzen Jubiläums so erfolgreich ist. Unser grosser Dank dafür gilt auch all unseren Mitarbeitenden.

 

Nataliya Yarmolenko
Nataliya Yarmolenko (55) stammt aus der Ukraine und war dort nach ihrem Medizinstudium als Ärztin tätig. Dann lernte sie die anthroposophische Medizin kennen und praktizierte diese in einem von ihr gegründeten Therapeutikum. Ihre Kenntnisse vertiefte sie später am Goetheanum in Dornach. Bei Weleda arbeitet sie seit 2002 und hat als Regionaldirektorin erfolgreich die Märkte der Regionen Ost- und Nordeuropa sowie Mittlerer Osten entwickelt. Seit 1. Januar 2020 gehört sie der Geschäftsleitung an und ist als CCO für die Märkte und die Kommunikation verantwortlich.

«Wir sind da, wo das Essen ist»

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Vom Doktorat zum erfolgreichen Foodtech-Start-up mit zwölf Mitarbeitenden. Das ist der bisherige Karriereverlauf von Olga Dubey, CEO von AgroSustain. Im Interview spricht die Biochemikerin über Foodwaste und wie wir diesen in Zukunft vermeiden können.

Wir verschwenden jährlich 2,8 Millionen Tonnen Lebensmittel in der Schweiz. Ein Grossteil davon entsteht durch den Import von Lebensmitteln, die unterwegs verderben. Damit soll bald Schluss sein – dank natürlichen Alternativen, die Lebensmittel länger haltbar machen.

WOMEN IN BUSINESS: Wie kamen Sie auf die Idee, ein Unternehmen zu gründen, das sich zur Aufgabe macht, Foodwaste zu reduzieren?
Olga Dubey: Das hängt sicher mit meiner Kindheit zusammen, wir haben viel gegärtnert. Wenn man sieht, wie viel es braucht, um später eine Kartoffel zu ernten, möchte man sie auf keinen Fall verschwenden. Ich entschloss mich, meinem Interesse zu folgen und studierte an der Uni Lausanne Pflanzenbiochemie. Im Rahmen meiner Doktorarbeit entwickelte ich erste natürliche Fungizide für Gemüse und Früchte, um sie auf nachhaltige Weise zu schützen.

Auf Basis Ihrer Forschung gründeten Sie später ein Start-up?
Ja genau. Ich sah grosses Potenzial und wollte mehr als eine Dissertation veröffentlichen, die irgendwo verstauben wird. Ich wollte etwas aus meiner Idee machen, sie weiterentwickeln. Da ich von Unternehmertum zu diesem Zeitpunkt aber nicht viel Ahnung hatte, beschloss ich, einige Kurse an der EPFL in Lausanne im Bereich Unternehmensgründung und -entwicklung zu besuchen. Diese haben mein Interesse endgültig entfacht.

Warum lässt sich Foodwaste nur schwer reduzieren?
Foodwaste ist ein globales Problem. Es existiert über die gesamte Wertschöpfungskette und nicht nur beim Endkonsumenten. Es ist deshalb entscheidend, wenn auch anspruchsvoll, das Problem in kleinere Einheiten herunterzubrechen und an verschiedenen Stellen in der Wertschöpfungskette anzusetzen – vor der Ernte, beim Transport bis hin zur Lagerung.

Wie trägt AgroSustain konkret zur Vermeidung von Foodwaste bei?
Wir entwickeln zwei Produkte: zum einen biologische Fungizide, die Früchte und Gemüse ohne chemische Zusätze bis zur Ernte vor Pilzbefall und Ähnlichem bewahren. Zum anderen stellen wir eine biologische Beschichtung her, die nach der Ernte beim Transport und der Lagerung schützt. Sie ersetzt Plastikverpackungen, wie man sie beispielsweise von Gurken kennt. Wären diese nicht straff in Plastik verpackt, würden sie aufgrund des Wasserverlusts bereits nach wenigen Tagen wabbelig. Mit unserer Beschichtung braucht es kein Plastik mehr, sie hält die Nahrungsmittel so frisch.

Ist AgroSustain damit Pionierin auf dem Markt?
Es gibt zwar andere Unternehmen, die bereits mit Beschichtungen arbeiten, allerdings kommen diese nicht ohne Chemie aus. Wir sind in der Tat die ersten, die eine natürliche Lösung anbieten und hoffen, damit nachhaltig etwas zu verändern.

  Die Initiative She’s Mercedes steht für die Idee, dass Inspiration Aussergewöhnliches bewirken kann. Sie bietet Frauen in über 70 Ländern die Möglichkeit, in Kontakt zu kommen und sich gegenseitig zu stärken. In der Schweiz finden regelmässig Events zu den Themen Mind, Move, Body und Nutrition statt. Mehr zur Initiative, zum Magazin und zu den Events von She’s Mercedes in der Schweiz finden Sie im Newsletter mercedes-benz.ch/shesnewsletter-de sowie unter mercedes-benz.ch/shes.

«Ich will, dass wir dynamisch bleiben – wie die Kunst selbst»

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Die Magierin des Lichts

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Lucie Koldova ist Art-Direktorin bei Brokis, einem tschechischen Glasleuchtenhersteller. Mit ihren Entwürfen rückt die tschechische Produkt- und Möbeldesignerin die Tradition der böhmischen Glasbläserkunst in ein ganz neues Licht.

Lucie Koldova liebt Licht und den Werkstoff Glas. Ihre Arbeiten sind sinnlich und höchst poetisch, ihr Antrieb ist die Freude am Ausloten und Experimentieren. Die hochtalentierte 38-jährige tschechische Designerin ist seit 2014 Art-Direktorin des Familienunternehmens Brokis. Das Leuchtenunternehmen kann auf eine jahrhundertealte Tradition des Glasbläserhandwerks zurückblicken. 1997 kaufte Brokis-Gründer Jan Raball die mehr als eineinhalb Jahrhunderte alte Glashütte Janštejn, zu einer Zeit, als sich die Glasindustrie in einer tiefen Krise befand. 2006 gründete er die Marke Brokis. Lucie Koldova hat dabei ganz entscheidend zum Erfolg der Marke beigetragen. Und sie ist sehr stolz darauf, mit ihrer Arbeit auch einen Teil zur Fortführung der tschechischen Glasbläsertradition beizutragen. «Ich stamme aus einem Land, dessen Menschen dieses Material bereits im Blut haben», sagt Koldova.

WOMEN IN BUSINESS: Lucie Koldova, wo sind Sie aufgewachsen, und wie hat dies Ihre Arbeit beeinflusst?
Lucie Koldova: Ich bin im Norden Böhmens in der Tschechischen Republik aufgewachsen. Wir hatten einen Maler in unserer Familie, und ich fühlte mich zur Kunst hingezogen. Meine Eltern unterstützten mich, während ich mein kreatives Talent in verschiedenen Kunst- und Grafiktechniken auslebte. Später zog ich nach Prag, um an der Akademie der Künste, Architektur und Design zu studieren. Während des Studiums begriff ich, was uns so besonders macht. Langsam wurde ich vertraut mit der einzigartigen Tradition in der Glasherstellung und im Holzbiegen – die beiden Handwerke, die unser Designerbe ausmachen.

Was war damals Ihr Berufsziel?
Mein Ziel? Nun, ich wollte herausfinden, was es braucht, um ein Designer zu sein! Ich verliebte mich in Design und spürte, dass ich jemand bin, der vielseitig sein kann, wenn es um die Gestaltung geht. Ich hatte eine gute dreidimensionale Vorstellungskraft, arbeitete mit allen Arten von Materialien und hatte ständig neue Ideen… Als ich noch sehr jung war, war ich von Philippe Starcks Arbeit fasziniert. Er als Persönlichkeit war für mich im wahrsten Sinne des Wortes inspirierend.

Warum gingen Sie 2009 nach Paris?
Ich traf den israelischen Designer Arik Levy nach meinem Abschluss an der Akademie, und wir unterhielten uns lange. Ich bekam eine Einladung, in sein Studio in Paris zu kommen und mit ihm zu arbeiten. Das konnte ich nicht ausschlagen. Ich wusste, dass es eine tolle Gelegenheit war, um Praxis zu bekommen, um echte Erfahrungen zu sammeln. Und so habe ich mich für Paris entschieden. Das war eine gute Idee – Paris ist immer eine gute Wahl, eine wunderbare, aber auch schwierige Stadt. Meine Zeit dort gab mir einen sehr guten Start für meinen Weg.

Sie haben es mit Ihrem eigenen Atelier in Paris zu etwas gebracht, aber anfangs wollten Sie unbedingt nach London, oder?
Das Londoner Royal College of Art war immer ein Level, das ich erreichen wollte. Ich war verliebt in Londons inspirierende Kulturszene, in der ich eine Zeit lang eintauchen wollte. Zudem sprach ich sehr gut Englisch, was im Vergleich zu meinem
Französisch nicht zu vernachlässigen war. Alle Indizien wiesen mir den Weg nach London, doch schliesslich ging ich stattdessen nach Paris. Es war nicht einfach, aber lohnenswert. Paris wurde zu meiner geliebten «Stadt der Lichter».

Es gibt eindeutig einen Einfluss Ihrer Pariser Jahre auf Ihre Arbeit. Was schätzen Sie am französischen Stil?
Er ist vielleicht verträumter und skulpturaler, zumindest nach dem zu urteilen, was ich erlebt habe. Ich möchte nicht charakterisieren, ich bin kein Historiker. Ich bin eine Designerin, die versucht, zuzuhören und ein Konzept zu entwerfen, das für eine bestimmte Marke richtig ist. Sie haben dort nicht nur Lampen, sondern auch Möbel und Accessoires entworfen.

Was war Ihr erstes Möbelstück?
Eine extravagante Stuhlkollektion aus Metallblechen, noch eine Hochschularbeit, aber ich habe einen Preis dafür gewonnen. Und dann noch einen Arbeitstisch namens «Treasury table» mit durchsichtigem, mattem Glas für einen organisierten Chaos-Arbeitsstil.

Warum sind Sie dann wieder nach Tschechien zurückgekehrt?
In Paris ergab sich die Gelegenheit mit Brokis, einem tschechischen Unternehmen, zusammenzuarbeiten und meine Entwürfe umzusetzen. Es war 2012 ein logischer nächster Schritt. Ich wusste, mein Pariser Kapitel war vorbei. Ich hatte erreicht, wofür ich gekommen war. Aber ich wusste auch, dass ich jederzeit zurückkehren kann, wenn ich das Bedürfnis haben sollte. Europa ist so einfach zu erreichen von Prag aus.

Was schätzen Sie an der tschechischen Designszene?
Sie ist sehr jung, viel kleiner und freundlicher. Und sie hat sehr viel Energie und einen guten Vibe – viel künstlerischer als technisch. Die Designer sind sehr motiviert und wollen die Nase ganz vorne haben.

Ihre Liebe zum Detail bringt die Tschechin durch die Auswahl von edlen Materialien wie Holz, Messing und Kupfer und deren hochwertiger Verarbeitung zum Ausdruck. Licht und Glas vereinen sich in klaren Formen, sinnlich, aber ohne Anklänge von Nostalgie. Ihr erster Entwurf für Brokis, die Leuchte «Muffins» – entstanden 2010 in Koproduktion mit Dan Yeffet – ist heute eine der Ikonen des Labels: Meisterhaft wurden in dem Entwurf geformtes Glas und massives Holz kombiniert. Zur gleichen Zeit entstand die Leuchtenfamilie «Balloons», die in der Form einem grossen Heissluftballon nachempfunden ist. Die Leuchten der Designerin sind nicht leicht herzustellen, ganz im Gegenteil: Nur technisch besonders versierte Glasbläser sind in der Lage, die auffallend grossen Glasballons der «Muffins» zu realisieren.

Auch Arbeiten wie die Hängeleuchte «Capsula» von 2017 erfordern das ganze Know-how der böhmischen Glasexperten. Der Entwurf, wie alle Arbeiten aus mundgeblasenem Glas in Kleinserien hergestellt, erinnert in seiner Gestalt an Pflanzensamen: Den Kern bildet ein rohrförmiges LED-Leuchtmittel aus Triplexglas. Nicht zuletzt wegen ihres virtuosen Umgangs mit Glas wurde Koldova schon zum «Czech Designer of the Year» und zum «Elle Decoration Talent» gekürt. Auch mit ihrer Tischleuchte «Macaron» (2017) sorgte sie für Aufsehen. Auch hier setzte sie auf einen Materialmix. Die Leuchte zollt der Schönheit von kristallinem Gestein Tribut, indem sie es in zwei einander gegenüberliegenden Kuppeln aus filigranem, mundgeblasenem Glas zur Schau stellt. Koldova dachte dabei an französisches Meringue-Gebäck. Verborgen in einem eleganten Marmorfuss, wirft die Lichtquelle ihr Licht aufwärts auf die zentrale Onyx-Platte und lässt die darin enthaltenen geschwungenen Chalzedon-Adern erstrahlen. Natürliche Unregelmässigkeiten im Glas und die Vielfalt der Strukturen im Stein machen jede Leuchte zu einem einzigartigen Original.

Das Unternehmen Brokis setzt die lange Tradition der böhmischen Glaskunst fort. Wie sehen Sie die Zukunft?
Strahlend!

Wie beeinflusst die jahrhundertealte Glasbläsertradition Ihre Arbeit?
Sie ist mein Background. Wir sind das Königreich des Glases. Ich respektiere die Glasbläsertechniken, das endgültige Aussehen wirkt vielleicht traditionell und zeitlos, was aber richtig ist, weil die Formen und Techniken beibehalten und bis an die Grenzen getrieben werden. Vor einigen Jahren habe ich begonnen, überdimensionierte Glaskörper in Kombination mit anderen Materialien zu entwerfen. Viele andere Unternehmen ziehen nun nach.

Ihr erster Entwurf für Brokis, «Muffins», ist bereits heute eine Ikone des Labels. Was macht diese Leuchte so besonders?
Die Proportionen und die Masse des Glases, die schön mit dem Holz ausbalanciert sind. Basic und smart zugleich.

Was ist Ihre Leitlinie als Art Director bei Brokis?
Meine Aufgabe ist hauptsächlich der Designentwurf und die visuelle Identität von Brokis.

Was macht für Sie gutes Design aus?
Kommt drauf an. Manchmal eine gute Idee, manchmal eine neue Art der Materialverwendung, oder auch einfach ein starker visueller Ausdruck. Es muss meine Aufmerksamkeit und Begehren wecken. Sie arbeiten mit ganz unterschiedlichen Materialien in Ihren Entwürfen – mit Holz, Kupfer, Marmor oder auch Kork.

Aber Glas ist wohl ihr Lieblingsmaterial?
Ja, Glas ist mein Universum. Aber alle anderen Materialien sind auch sehr wichtig. Meine Vision für Brokis ist, Glas mit anderen Materialien zu kombinieren und dadurch eine völlig neue sinnliche Sprache zu entwickeln.

Wie schaffen Sie es, authentisch zu bleiben, sich nicht zu kopieren und Ihren eigenen Stil zu behalten?
Das ist tendenziell eine Herausforderung für jeden Designer in dieser globalen Welt, würde ich sagen. Ich habe meine eigene
Art zu denken, ganz in meinem eigenen Kontext, der einzigartig ist. Ich vertraue ganz auf meine Intuition. In ihrem Studio in Prag arbeitet sie mit einem kleinen Team. Sie will die Dinge selbst machen können, den Überblick haben und flexibel sein. Und selbst die Geburt ihrer beiden Kinder nahm die energiegeladene Koldova nicht als Anlass für eine Pause – im Gegenteil: «Mit der Mutterschaft entsteht eine neue Betrachtung im Leben einer Frau. Pure Instinkte und endlose Liebe», heisst es zur Kinderwiege «Nut», die
Lucie Koldova gestaltet hat. Der sanft geschwungene Entwurf ist inspiriert von der Form einer Nussschale. Weicher Stoff und glatte Linien vermitteln ein Gefühl von Ruhe und Geborgenheit, mit einem Touch Verspieltheit.

Welche Rolle spielt Licht in Ihrem Leben? 
Licht ist Teil meiner Identität. Es ist meine Leidenschaft und manchmal auch meine Obsession.

Sie haben einmal gesagt, dass die Arbeit mit Licht für Sie der Inbegriff von Freiheit ist. Was bedeutet das für den Designprozess?
Licht spielt mit Energie und Schwingungen. Es ist pure Spannung.

Wie man Licht inszeniert, demonstrierte Lucie Koldova auch 2018 an der Kölner Möbelmesse. Dort zeigte sie im Rahmen der experimentellen Reihe «Das Haus» ihre Vision vom Wohnen. Zentral dabei – ganz klar – war das Licht, in verschiedensten Formen und Programmierungen. «Hier spielt das Licht die Hauptrolle, die Möblierung komplettiert die Räume, und nicht umgekehrt», so Koldova. Ob Licht zum Entspannen, Licht zum Sichpflegen oder Licht für die kreative Arbeit – das Haus der Produktdesignerin brachte viele Facetten des Wohnens zum Strahlen. Ihr ging es dabei auch um die Energie, die mit dem Licht in unsere Wohnungen kommt. Gleich vier neue Entwürfe integrierte sie in ihr Projekt, darunter die Leuchte «Jack O’Lantern», bei der sich die Designerin von einer ausgehöhlten Kürbis-Laterne inspirieren liess.

Was ist der beste Teil Ihrer Arbeit?
Die Zeit, wenn sich das Design im Prozess der Prototypenerstellung befindet … der letzte Schliff. Wenn ich es nicht erwarten kann, den ersten Prototypen fertig zu sehen.

Wovon lassen Sie sich bei Ihrer Arbeit inspirieren?
Von Freude und Freiheit.

Wann sind Sie am kreativsten? Brauchen Sie dafür feste Rituale?
Ich schätze, ich habe unbewusste Rituale, auf jeden Fall ist mein Leben sehr dynamisch … es liegt noch viel vor mir in
meiner Arbeit, das werde ich herausfinden, wenn sich mein Leben ein wenig beruhigt hat.

Im März hat Brokis erstmals mobile und wiederaufladbare Leuchten vorgestellt, die sowohl im Innen- als auch im Aussenbereich eingesetzt werden können. So ergänzt die mobile Tischleuchte «Ivy» d ie b ereits u mfangreiche Ivy-Kollektion, die von der Natur und ihrer Schönheit inspiriert ist. So wie die Efeupflanze wächst, eine Hauswand hinauf rankt und dabei viele wunderbare Formen annimmt, bietet die Leuchte ein besonderes System modularer Komponenten. Die neue akkubetriebene Tischleuchte ist kleiner als die klassische Tischleuchte, wodurch sie leicht von einem Ort zum anderen transportiert werden kann. Ihr jüngstes Produkt sind mobile Leuchten.

Was reizt Sie an mobilen Objekten?
Tragbare Leuchten sind einfach zu installieren und zu transportieren, es hat natürlich seine Grenzen, aber es ist sehr nützlich, sie im Portfolio zu haben. Wir spürten eine Lücke, in der wir Lichtobjekte für Restaurantprojekte anbieten konnten.

Woran arbeiten Sie im Moment?
Überraschenderweise an einer neuen Kollektion von Leuchten. Ausserdem werden wir ein neu gestaltetes Restaurant für ein Kunsthotel in Čeladná, in der Tschechischen Republik, enthüllen. Das gesamte Interieur wird von meinem Studio zusammen mit Labor13 Architekten konzipiert.

 

Aktive Vorbildrolle

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Im vergangenen Oktober wurde sie zur neuen FMH-Präsidentin gewählt. Die Hausärztin und ehemalige Nationalrätin Yvonne Gilli ist die erste Frau an der Spitze des Ärztinnen- und Ärzteverbands.

Das gute Beispiel ist nicht eine Möglichkeit, andere Menschen zu beeinflussen, es ist die einzige», sagte einst der Arzt und Philosoph Albert Schweitzer. Yvonne Gilli unterstützt besagtes Zitat, indem sie bei öffentlichen Auftritten darauf hinweist, dass mehr Anwärterinnen in Führungsgremien berücksichtigt werden sollten, im Sinne der Diversität. Wenn eine Chance vorhanden sei, müssten die Frauen Mut zeigen und zupacken, sagt sie – obwohl sie neben ihrem Beruf als Allgemeinmedizinerin und im Anschluss an ihre Tätigkeit als Nationalrätin keine neue politische Aufgabe gesucht hat. Nun amtet Yvonne Gilli seit Februar dieses Jahres als Präsidentin der Ärzteverbindung FMH in einer Zeit, in der die Pandemie das Gesundheitssystem vor grosse Herausforderungen stellt. Die Krise habe sowohl Schwachstellen als auch Stärken akzentuiert, sagt sie. «Wir verfügen in der Schweiz über eine gute Akutversorgung, doch in Bezug auf das digitale Meldewesen ist Verbesserungspotenzial erkennbar. Telekonsultationen sollten vermehrt durchgeführt werden können, sofern diese sinnvoll und angebracht sind. Ebenso wird man sich mit dem Fachkräftemangel, der Feminisierung des Berufs sowie Ausbildungsfragen auseinandersetzen müssen.»

Yvonne Gill ist in einem eher bildungsfernen Haushalt aufgewachsen. «Meine Mutter musste stets zum Familienerwerb beitragen, was damals eher atypisch war.» Ihre Kindheit hat Yvonne Gilli insofern geprägt, als dass sie früh auf eigenen Beinen stehen und den bescheidenen ökonomischen Verhältnissen entfliehen wollte. Dies schien ihr am ehesten durch einen Zugang zu Bildung möglich zu sein, ein Vorhaben, das sie mit Beharrlichkeit verfolgt und umgesetzt hat.

WOMEN IN BUSINESS: Yvonne Gilli, Sie sind Hausärztin geworden, obwohl Ihre familiären Voraussetzungen für ein solches Studium nicht unbedingt gegeben waren. Wie ist Ihnen das gelungen?
Yvonne Gilli: Als Arbeitertochter musste ich mein Geld mehrheitlich selbst verdienen, was dazu geführt hat, dass ich zunächst eine Ausbildung als Pflegefachfrau absolviert habe. Auf dem zweiten Bildungsweg nahm ich die Matura in Angriff und schwankte längere Zeit zwischen einer Weiterbildung im Gesundheitsberuf sowie einem Medizin- oder einem anderen Hochschulstudium. Mein naturwissenschaftliches Interesse war stark ausgeprägt. Ich habe eine Bauchentscheidung gefällt und sozusagen einen inneren Kuhhandel mit mir selbst abgeschlossen mit folgendem Gedanken: Wenn ich die Prüfungen im ersten Medizinstudienjahr nicht auf Anhieb bestehe, werde ich an die ETH wechseln.

Sie haben in den frühen achtziger Jahren mit Ihrem Studium begonnen, als sich bereits mehr Frauen der Medizin zuwandten.
Das trifft zu, aber im Rahmen der Weiterbildung zum Facharzttitel sind bereits einige Kolleginnen ausgestiegen. Nach meinem Eintritt ins Berufsleben bewegte ich mich mehrheitlich in einer Männerwelt. Allerdings empfand ich diesen Umstand nicht als problematisch. Die Allgemeine In-nere Medizin ist eine Fachrichtung, die bei Frauen beliebt ist. Diese Spezialisierung lässt sich eher mit Beruf und Familie vereinbaren als eine chirurgische Tätigkeit. Für meinen Lebenspartner und mich war klar, dass beide einen Teil der Familienarbeit übernehmen, was mir ermöglichte, meine Weiterbildung in Ruhe zu absolvieren.

Stichwort Teilzeit: Neben der Lohngleichheit ist die Flexibilisierung der Arbeits- und Karrieremodelle zentral. Wie lässt sich dies realisieren?
Wir müssen verschiedene Optionen diskutieren, insbesondere, wenn wir die beruflichen Chancen der Frauen erhöhen wollen. Die Herausforderung lässt sich meistern, indem man die Weiterbildung von Ärztinnen und Ärzten in Teilzeit anerkennt, auch wenn es dadurch länger dauert bis zur Erlangung des Facharzttitels. Zudem müssen Kaderstellen im Jobsharing ermöglicht werden, ein Bedürfnis, das nicht nur Medizinerinnen, sondern auch männliche Berufskollegen haben.

Nicht wenige Medizinerinnen und Mediziner laufen Gefahr, in eine Erschöpfungsspirale zu geraten. Sind Teilzeitmodelle deshalb umso wichtiger?
Eine 100-Prozent-Stelle entspricht nicht einer 42-Stunden- Woche, denn manche arbeiten 65 Stunden und mehr. Es handelt sich um einen anstrengenden Beruf und um Menschen, die bereit sind, anderen zu helfen. Manche laufen Gefahr, über das Limit hinauszugehen. Darauf muss man in der Ausbildung bewusst hinweisen, um die Selbstreflexion zu fördern. Es gilt, die eigenen Ressourcen zu stärken und die Arbeitsbedingungen weiter zu verbessern.

Auch Ihre neue Tätigkeit ist mit Herausforderungen verbunden. Erstmals in der Geschichte wird Ihr Verband von einer Frau präsidiert. Ist das auch mit einem gewissen Erwartungsdruck verbunden?
Bislang nicht. Aber ich habe schon den Eindruck bekommen, dass man sich gesagt hat: «Jetzt schauen wir einmal, wie sie sich in ihrer Funktion bewährt.» In erster Linie habe ich mich darüber gefreut, dass eine Anwärterin an die Spitze gewählt worden ist. Es ist an der Zeit, dass mehr Frauen in der Medizin Kaderpositionen besetzen. In den letzten vier Jahren war ich das einzige weibliche Mitglied im FMH-Zentralvorstand, und mittlerweile sind wir schon zu zweit. In diesem Sinne wurde der Anteil erhöht, aber noch immer sind wir nicht zeitgemäss repräsentiert. Wenn ich als Frau eine Führungsposition übernehme, fühle ich mich auch verpflichtet, meine Geschlechtsgenossinnen zu fördern.

Weshalb hat es so lange gedauert, bis eine Frau in Ihrem Berufsverband berücksichtigt wurde?
Ich glaube, das ist ein allgemeines Problem in der Arbeitswelt – auch international gesehen. Frauen in Führungspositionen sind immer noch in der Minderheit und das hat mit historisch bedingten Rollenbildern zu tun. In vielen Entscheidungsgremien sind nur wenige Frauen vertreten, was sich auf die Selektionskriterien auswirkt. Es dauert noch, bis der Generationenwechsel hin zu einem feminisierten Beruf in den Führungsetagen definitiv angekommen ist.

Wie wurden Sie aufgenommen?
Ich bin als Quereinsteigerin bei der FMH gelandet. Dadurch, dass ich keine standespolitische Laufbahn geplant habe, sondern parteipolitisch unterwegs war, wurde ich erst nach Beendigung meiner Tätigkeit als Nationalrätin in die Entscheidungsgremien der FMH gewählt und bekam dabei zu hören: «Deine Bewerbung ist nicht allein dadurch gerechtfertigt, dass man dringend mehr Frauen benötigt.» Diese Aussage hat mich erstaunt, zumal ich früher nie eine Diskriminierung in Bezug auf die Geschlechterrollen erlebt habe und für mich die fachliche Qualifikation als selbstverständliche Voraussetzung galt. Mittlerweile gehören solche Bemerkungen glücklicherweise der Vergangenheit an.

Vor Ihrem Antritt als FMH-Präsidentin waren Sie als Zentralvorstandsmitglied der FMH für das Departement Digitalisierung verantwortlich. Inwiefern zeigt sich diesbezüglich der Geschlechterunterschied?
Innerhalb der FMH sind sämtliche Beteiligte der Meinung, dass die Digitalisierung unterstützt werden muss. Wie in anderen Bereichen ist auch in der Medizin noch zu wenig Bewusstsein vorhanden, dass die digitalen Werkzeuge in der Regel vorwiegend von Männern entwickelt werden und damit viele genderspezifischen Aspekte nicht berücksichtigt werden. Frauen und Männer reagieren beispielsweise unterschiedlich auf gewisse Medikamente und zeigen andere Symptome bei gleichen Krankheiten beispielsweise bei einem Herzinfarkt. Deshalb müssen auch digitale Hilfsmittel für die medizinische Versorgung entwickelt werden, welche beide Geschlechter berücksichtigen. Es gibt noch viel zu tun.

Welche weiteren Ziele möchten Sie als FMH-Präsidentin umsetzen?
Es müssen zeitgemässe berufliche Rahmenbedingungen für die gesamte Ärzteschaft geschaffen werden. Ein Beispiel: Auch Kaderpositionen bedingen Arbeitszeitmodelle, welche es ermöglichen, Familie und Beruf zu vereinen, zumal sich viele Frauen während der Karriereentwicklung von der Assistenz- zur Kaderärztin entscheiden, Kinder zu haben. Auch die junge männliche Generation legt mehr Gewicht auf ihre Vaterrolle. Es ist aber nicht nur die Familienzeit, sondern grundsätzlich die Balance zwischen Freizeit und Arbeit, welche Verbesserungspotenzial beinhaltet. Nicht lediglich die Frauenförderung steht im Fokus.

Braucht es ein besonderes Selbstbewusstsein, wenn man erste FMH-Präsidentin ist?
Ich denke nicht. Frauen und Männer reagieren jedoch oft unterschiedlich in Situationen, in denen sie der Konkurrenz ausgesetzt sind. So stelle ich auch bei mir fest, dass ich in einem ersten Reflex ein wenig an mir selbst zweifle oder mich zurücknehme, was einer typischen weiblichen Reaktion entspricht. Hin und wieder muss ich mir meine Erfahrung und meine Qualifikationen bewusst vergegenwärtigen, um nicht in ein traditionelles Rollenklischee hineinzurutschen.

Sie vertreten die Interessen von über 420 000 Ärztinnen und Ärzten. Führungspersonen können es nie allen recht machen. Vertragen Sie Kritik?
Wenn ich damit konfrontiert werde, bin ich mir bewusst, dass meist ein Körnchen Wahrheit darin steckt. Das bedeutet, Kritik regt mich zur Selbstreflexion an und zeigt mir Veränderungsmöglichkeiten auf. Wenn diese jedoch hinter meinem Rücken ausgesprochen wird, prüfe ich diese auf deren Gehalt und Wichtigkeit. Bewegt sich die kritische Bemerkung lediglich auf der Befindlichkeitsebene, ignoriere ich sie.

Zwischen 2007 und 2015 sassen Sie für die Grünen im Nationalrat. Inwiefern beeinflusst Sie dieser Erfahrungshintergrund in Ihrem aktuellen Alltag?
Ich verstehe mich als politische Person. Das heisst für mich nichts anderes, als die Möglichkeit zu haben, das Arbeitsumfeld und die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen mitzugestalten. Meine Erfahrungen als Nationalrätin bringen grosse Vorteile mit sich, was meine aktuelle Tätigkeit betrifft, weil ich die politischen Abläufe gut kenne. Als FMH-Präsidentin bringe ich die berufsspezifische Expertise ein – unabhängig von parteipolitischen Interessen.

Sie wehren sich dagegen, dass sich die FMH zu konkreten Umweltvorlagen äussert. Die Aussage
erstaunt, da Sie sich früher in Bundesbern dafür eingesetzt haben.
Ich anerkenne, dass der Klimawandel für die Gesundheit der Menschen von erheblicher Bedeutung ist, und mir ist bewusst, dass auch die Gesundheitsversorgung dazu gehört. Die Rolle der FMH ist jedoch nicht diejenige einer Umweltorganisation, sondern vielmehr besteht unsere Aufgabe darin, diesbezüglich eine medizinische Expertise einzubringen. Grundsätzlich vertrete ich die Haltung, dass sich der Verband diesbezüglich durchaus engagieren soll, wenn aufgezeigt aufgezeigt wird, inwiefern sich Umweltveränderungen konkret auch auf die Gesundheit der Bevölkerung auswirken.

Ihre Haltung ist nicht nur auf Wohlwollen gestossen. Wie gehen Sie mit Widerstand um?
Ich bin vielmehr gespannt, in welche Richtung sich die Diskussion bewegt. Die junge Ärzteschaft hat die FMH beauftragt, sich mit der Klimaveränderung auseinanderzusetzen. Wir werden deshalb ein strategisches Positionspapier erarbeiten, welches unseren Mitgliedorganisationen zur Abstimmung vorgelegt wird. Ein klimabewusstes Verhalten zeigt sich unter anderem in Form von betrieblichen Anpassungen, welche vom Papierverbrauch bis zur Gebäudenutzung reichen. Es gehört dazu, darüber nachzudenken, wie man eine Praxis im Hinblick auf die Klimaziele ökologischer gestalten kann und welche Arbeitsbedingungen benötigt werden. Als ehemalige grüne Politikerin ist mir bewusst, dass in dieser Hinsicht viele Erwartungen in mich gesetzt werden. Solange wir unseren medizinischen Auftrag ins Zentrum stellen, sehe ich aber keine Probleme, was klimapolitische Fragen betrifft.

Sie sind stets auf Trab. Finden Sie noch genügend Ruhe?
In der Natur tanke ich die nötige Energie, sei dies nun beim Wandern oder Bergsteigen. Oftmals sitze ich auch nur auf einer Wiese, lasse die Umgebung auf mich wirken oder geniesse einen gemütlichen Abend mit meiner Familie. Einer meiner Söhne ist von Beruf Agronom und lebt in Sambia. Kürzlich habe ich ihn dort besucht und viele Elefanten beobachten können. Nun habe ich das Buch «Frühstück mit Elefanten» gelesen, um meine Eindrücke noch etwas nachwirken zu lassen – ein Leseerlebnis der anderen Art – ganz abseits der Medizin.

 

Yvonne Gilli
Yvonne Gilli wurde am 7. März 1957 in Baar ZG geboren. Sie absolvierte eine Ausbildung zur Pflegefachfrau und holte die Matura auf dem zweiten Bildungsweg nach. Parallel zu ihrem Medizinstudium bildete sie sich in klassischer Homöopathie und Traditioneller Chinesischer Medizin weiter. Ab 1996 arbeitete sie in ihrer eigenen Praxis als Fachärztin für Allgemeine Innere Medizin mit den Schwerpunkten Komplementärmedizin und Gynäkologie. Sie ist zudem Mitglied der Grünen des Kantons St. Gallen und war als Gemeinde- und Kantonsrätin aktiv. Von 2007 bis 2015 sass sie im Nationalrat. Im Februar dieses Jahres übernahm sie das Präsidium der Verbindung der Schweizer Ärztinnen und Ärzte (FMH). Yvonne Gilli ist verheiratet, Mutter dreier erwachsener Söhne und lebt in Wil SG.

«Der stille Kampf der Gedanken»

Posted by corinne.broennimann

Ghazal Hakimifard liebt und übt das Schachspiel seit Kindesjahren. Im Interview spricht die Grossmeisterin der Frauen, die Mitglied im Damen-Nationalkader des Schweizerischen Schachbundes ist, über ihre Faszination und die Rolle der Frauen im Schachzirkus.

Nichts ist beim Schachspiel so gefragt wie der Geist: Es braucht Nervenstärke, Vorstellungskraft und Kreativität vereint. Die gebürtige Iranerin, Ghazal Hakimifard, nutzt diese Fähigkeiten auch beruflich: 2020 schloss sie ihren Master in Computer Science an der ETH Zürich ab und arbeitet seither als Software-Ingenieurin in Basel.

WOMEN IN BUSINESS: Wie Sind Sie zum Schachspiel gekommen?
Ghazal Hakimifard: In meiner Kindheit hatten wir zu Hause ein Schachbrett. Ich bat meine Eltern immer und immer wieder, mir zu zeigen, wie das Spiel funktioniert. Mein erstes wichtiges Turnier waren die iranischen Jugendschachmeisterschaften U10, die ich sogleich gewann. Spätestens da war klar, dass ich dem Schachspiel treu bleiben würde.

Was fasziniert Sie daran?
Es gibt ein Zitat des ehemaligen Schachweltmeisters Anatoly Karpov, das besagt: «Schach ist alles: Kunst, Wissenschaft und Sport.» Schach steckt voller Möglichkeiten und versteckter Ideen, jede Partie ist ein neues Rätsel, das es zu lösen gilt. Es ist ein stiller Kampf der Gedanken, der sich auf dem Brett spiegelt.

Was ist beim Schachspiel entscheidend, um erfolgreich zu sein?
Wissen, Techniken und Psychologie gehören zu den wichtigsten Faktoren im Schach. Es gilt die Vorstellungskraft und das strategische Denken zu schulen. Wichtig ist aber auch, Spitzenschachpartien zu analysieren, um das Verständnis der Schachpositionen zu fördern. Zu guter Letzt braucht es Spielpraxis: Das Gelernte umsetzen, Partien spielen und aus den Fehlern lernen – und dabei stets Nervenstärke und Belastbarkeit beweisen.

Das Schachspiel ist nach wie vor stark männerdominiert. Spüren Sie das als Spielerin, wie gehen Sie damit um?
Im Schweizerischen Schachverband beträgt das Verhältnis von registrierten männlichen und weiblichen Schachspielern 4942 zu 346. Schach wird also in der Tat von Männern dominiert, das bedeutet aber nicht, dass sie klüger wären als Frauen. Für die Differenz sind vielmehr soziale und kulturelle Gründe verantwortlich. Für mich persönlich spielt das Geschlecht des Gegners keine Rolle, denn der Erfolg ist letztlich eine Frage der Zeit und Übung und nicht des Geschlechts.

Wie könnte man aus Ihrer Sicht mehr junge Frauen zum Schachspiel motivieren?
Ich denke, dass Medien und Werbung einen grossen Beitrag leisten könnten. Es braucht Inspirationsquellen, wie beispielsweise die kürzlich erschienene Netflix-Serie «Queen‘s Gambit», welche die Attraktivität des Spiels aufzeigen und junge Menschen, vor allem Frauen, ansprechen können.

  Die Initiative She’s Mercedes steht für die Idee, dass Inspiration Aussergewöhnliches bewirken kann. Sie bietet Frauen in über 70 Ländern die Möglichkeit, in Kontakt zu kommen und sich gegenseitig zu stärken. In der Schweiz finden regelmässig Events zu den Themen Mind, Move, Body und Nutrition statt. Mehr zur Initiative, zum Magazin und zu den Events von She’s Mercedes in der Schweiz finden Sie im Newsletter mercedes-benz.ch/shesnewsletter-de sowie unter mercedes-benz.ch/shes.

«Die Gesellschaft braucht einen Ruck»

Posted by WOMEN IN BUSINESS

Anmeldung Manufakturbesuch Carl F. Bucherer

Posted by WOMEN IN BUSINESS

Die Manufaktur von Carl F. Bucherer befindet sich an der Gewerbestrasse 1, 2543 Lengnau.

«Als Galeristin möchte ich mit den Künstlern Kunstgeschichte schreiben»

Posted by WOMEN IN BUSINESS

Eva Presenhuber ist promovierte Künstlerin und die Königsmacherin des internationalen Kunstmarkts. Als Mastermind auch der Art Basel beobachtet sie, dass der Einfluss von Sammlerinnen weltweit zunimmt. Im Interview erzählt sie von ihren Erfahrungen mit männlicher Überheblichkeit und über das Interesse junger Künstlerinnen am nackten Frauenkörper.

WOMEN IN BUSINESS: Frau Presenhuber, Sie gehören zum kleinen Zirkel der weltweit massgebenden Galeristinnen. Was ist ihr Erfolgsgeheimnis?
Eva Presenhuber: Ich habe keines (lacht)! Ich habe einfach Lust und den Ehrgeiz, Künstlerkarrieren mitzugestalten. Das ist aber keine einfache Sache, ich glaube sogar, es ist einer der schwierigsten Berufe, Galerist zu sein.

Weshalb nehmen Sie die Schwierigkeiten auf sich, was treibt Sie an?
Ich möchte eine Galerie haben, die Bedeutung kreiert. Nur zu verkaufen, das befriedigt nicht. Natürlich ist der Verkauf das Wichtigste, aber man muss die richtigen Ideen und die interessantesten Künstlerposition zeigen, die später vielleicht auch noch historische Bedeutung haben werden. Als Galeristin möchte ich zusammen mit den Künstlern Kunstgeschichte schreiben.

Welchen Anteil hat Ihrer Erfahrung gemäss das Kunstschaffen von Künstlerinnen am Umsatz des Kunstmarktes insgesamt?
Bis in den siebziger Jahren war der Markt sehr männerdominant. Wenn man bedenkt, dass in der Schweiz erst 1971 das Stimm- und Wahlrecht eingeführt wurde, ist das natürlich auch ein Thema. Seit den achtziger Jahren ist die Position der Frauen sehr viel stärker geworden. Ich denke, dass der Anteil der Frauen inzwischen um die dreissig Prozent sein wird, wenn nicht noch mehr. Auch die Einstellung der Händler und Galeristen hat sich geändert, man schaut sich heute bewusst um, dass man Frauen in der Galerie hat.

Ist das auch eine Folge von # MeToo?
Umgekehrt. Diese Bewegung war möglich, weil das Selbstbewusstsein der Frauen gewachsen ist. MeToo war wichtig. Ich kenne natürlich auch sehr angenehme Männer, aber es gibt auch Arschlöcher. Man erinnert sich ja selber, wie man behandelt wurde oder immer noch behandelt wird, von älteren Männern … Es gibt Kollegen, und ich finde es unmöglich, die reden ständig doppelt so viel wie Frauen und wiederholen das, was man selber gesagt hat. Ich finde diese heterosexuelle massive Ladung schrecklich! Es ist zwar besser geworden, aber es muss noch sehr viel besser werden.

Sehen Sie einem Kunstwerk eigentlich an, ob es von einem Mann oder einer Frau gemacht ist?
Nur wenn es offensichtlich ist. Bei den Künstlerinnen, die ich zeige, würde ich das jedenfalls nicht sehen können. Wenn die junge Tschabalala Self aus Harlem Frauenkörper malt, kann man davon ausgehen, dass so kein Mann mehr malen wird. Ich bereite im Augenblick übrigens eine Gruppenausstellung vor mit ausschliesslich weiblichen Positionen.

Sie haben sich in den letzten Monaten mit den zeitgenössischen Frauenpositionen auseinandergesetzt. Hat Sie da eine Feststellung überrascht, die Ihnen so nicht bekannt war?
Überrascht nicht, aber aufgefallen ist mir: Die neue Generation von Frauen, die effizient an einem neuen Feminismus arbeiten, zeigt sehr viel Nacktheit und explizite Körperdarstellungen, Sexualorgane. Sie nehmen sich das Recht, das Bild der Frau und die eigene Sexualität zu okkupieren. Interessant ist aber: Wenn diese Frauen erfolgreich sind, ist ihr Selbstbewusstsein grösser als das erfolgreicher Männer. Und teilweise sind sie auch etwas komplizierter.

Sie vertreten in Ihrem Programm auch Schweizer Künstlerinnen?
Ich muss Ihnen sagen, ohne jammern zu wollen: Irgendwie kommuniziert sich das schlecht hier. Ich würde gerne jüngere Schweizer Künstlerinnen zeigen. Aber vielleicht bin ich zu alt, und die Jungen gehen lieber zu einer jüngeren Galerie.

Laut Statistiken sind Werke von Künstlerinnen vielfach Ladenhüter und werden auch von Galeristinnen seltener verkauft. Wieso?
Ich habe ja mit Schrecken festgestellt, dass wir zu wenig Frauen ausstellen. Von 42 Künstlern sind leider nur sechs Frauen. Aber immer wenn wir sie zeigen, haben wir überhaupt keine Verkaufsprobleme. Wie gesagt, es gibt einen Trend, Frauen zu zeigen; seit zehn Jahren besteht ein enormer Run auf Künstlerinnen.

Es scheint tatsächlich, dass Aufbruchsstimmung herrscht …
… die sieht man deutlich bei Biennalen, die Geschlechter sind hier fast ausgeglichen. Auch in den Museen und Institutionen gibt es den alten Geschlechterdünkel kaum mehr, was zählt, sind Kenntnisse und Professionalität. Zudem, es wäre ja auch mal schön, wenn das Kunsthaus Zürich eine Direktorin bekommen würde! (Anmerkung der Redaktion: Am 1. Juli wurde die Niederländerin Ann Demeester als erste Frau in der Geschichte des Museums auf den Direktorinnenstuhl gewählt.)

Wieso ist das so wichtig, was würde sich mit einer Frau an der Spitze ändern?
Es würde sehr stark die Sicht auf die Positionen der Frauen ändern. Und man nimmt ja doch an, dass das Kunsthaus dann auch den Künstlerinnen gerecht wird, die sich durchgerungen haben, Erfolg haben zu wollen.

Wie sieht die Position der Frau auf den neuen boomenden Kunstmärkten im asiatischen Raum aus?
Besonders im asiatischen Raum gibt es viele einflussreiche Sammlerinnen. Wir beobachten aber grundsätzlich, dass immer mehr Frauen selber einkaufen und nicht mehr für sich einkaufen lassen.

Haben denn Frauen einen anderen Fokus als Männer?
Nicht unbedingt, es ist logisch, dass auch sie das kaufen, was Erfolg hat. Sammlerinnen wie die polnische Unternehmerin Grażyna Kulczyk, die in Susch ein tolles Museum hat und ausschliesslich Künstlerinnen kauft, sind wahrscheinlich die Ausnahme. Leider bin ich mit ihr nicht im Geschäft, vielleicht ärgert sie sich ja, dass wir so wenige Frauen vertreten.

Ein Thema kann nicht unerwähnt bleiben, Corona. Welches sind und waren für Sie als Unternehmerin die grössten Herausforderungen in dieser Hinsicht?
Das ist der Umsatz, er sinkt natürlich. Der Einbruch beträgt rund 30 Prozent. Aber im Grunde genommen war das letzte Jahr kein so schlechtes. Dadurch, dass wir keine Messen gemacht haben und keine teuren Reisen und so weiter, haben wir sehr viel gespart. So haben wir das Jahr ganz gut über die Runden gebracht: Das, was wir gespart haben, haben wir halt auch nicht verdient. Sehr schlecht war allerdings, dass die Künstler nicht anreisen und ihre Ausstellungen nicht einrichten und eröffnen konnten. Wir konnten nicht reisen, die Sammler konnten nicht reisen, die Messen fanden nicht statt, das waren und sind unsere grössten Schwierigkeiten.

Die Lage der Künstler muss gleichfalls sehr anspruchsvoll gewesen sein, und sie ist es wohl immer noch …
Natürlich, diese Lockdowns immer wieder. Die Ausstellung wird zwar eröffnet, doch sogleich wieder geschlossen. Dass das für einen Künstler nicht lustig ist, der sich ein Jahr oder noch mehr für seine Ausstellung vorbereitet, ist klar. Die Ausstellung wird vielleicht gut verkauft oder sogar ganz verkauft, aber sie wird nicht gesehen. Und das ist für den Künstler sehr schmerzhaft. Und es schmerzt auch uns. Der Künstler ist eines der letzten Wesen, das für Humanität stehen sollte.

Wird das Wegbrechen der grossen internationalen Messen als Marktreiber des Kunstmarkts den Markt längerfristig beschädigt haben?
Mir scheint, alle leiden zwar, aber alle sind ja noch da. Sicher haben auch Galerien geschlossen, aber die hätten früher oder später wahrscheinlich sowieso schliessen müssen. Ich denke, durch die Corona-Einschränkungen hat man positiverweise wieder ein engeres Verhältnis zu den Ausstellungen in Galerien entwickelt.

Wie erklären Sie sich das?
Sehr viele Leute sahen oder sehen sich Kunst ja online an, und ich meine nicht die Online-Messen. Man kann Galerien-Ausstellungen auf dem Netz besuchen. Doch ich glaube, man schätzt jetzt wieder reale Ausstellungen mehr. Das ist ein Phänomen.
Wenn es so bleiben würde, würde es mich natürlich freuen. Vielleicht ist das Interesse an den Ausstellungen bei uns aber auch so gross, weil es noch immer wenige andere Veranstaltungen gibt. Es gibt noch keine Messen, doch es gibt uns. Und wer an Messen fährt oder an Biennalen, wendet dafür sehr viel Zeit und Energie auf. Und die widmet man jetzt eher uns.

Beobachten Sie, dass Galeristen, die sonst um den Globus jetten, jetzt vermehrt mit nationalen Kunden und Sammlern arbeiten?
Das ist durchaus so. Ich bin der Meinung, und viele Kollegen, egal, wo sie herkommen, sehen das auch so: Man hat sich in der Vergangenheit, in den letzten zehn Jahren, um den regionalen und den nationalen Markt viel zu wenig gekümmert. Man war ja ständig unterwegs. Wenn man Künstler vertritt, die sehr international bekannt sind, dann hat man hier einen Kunden und dort einen Kunden … Man will zwar möglichst viel im eigenen Land verkaufen, aber man hat sich teilweise um diese Interessenten zu wenig gekümmert. Wir haben einige Sammler auf dem heimatlichen Markt, aber wir könnten hier viel mehr haben. In den letzten Monaten haben wir uns um die Schweizer Kontakte, vor allem zu Museen und zu Kuratoren, etwas mehr bemüht als früher.

Man schätzt wert, was vor der Haustüre ist. Nicht nur die Galeristin, sondern offensichtlich auch der Kunde. Das ist etwas Positives.
Das ist sogar etwas sehr Positives! Man fühlt sich seit Corona und dem Versuch, sich national zu engagieren, auch wieder mehr mit dem Land verbunden. Lange hatte ich das Gefühl, dass es eigentlich egal ist, wo die Galerie steht, denn ich bin ja sowieso nur unterwegs. Man ist eine Schweizer Galerie, aber man ist, wie die Franzosen oder die Deutschen, ständig auf Reisen, und eigentlich ist man nur noch zum kurzen Ausruhen hier. Doch wenn man sich nicht sieht, kennt man sich auch nicht.

Könnte es sein, dass in kontaktarmen Zeiten, in denen man sich vor allem digital austauscht, die Kunst von der Krise profitiert? Man könnte sich ja beispielsweise vorstellen, dass jetzt wieder vermehrt die Aura des Originals und die Aura der Kunst überhaupt entdeckt und wertgeschätzt wird.
Das glaube ich auf jeden Fall! Ich denke, dass wir uns wieder bewusst machen müssen, welche Dinge bleiben. Was bleibt übrig von einer Zeit? Das war ja auch die grosse Diskussion um alle Lockdowns und die Bedeutung von Kunst und Kultur. Ich finde, man hätte die Museen und die Galerien sicher nicht schliessen müssen! Der Entscheid war sehr, sehr falsch! Die Leute, die im Land waren und ein Museum oder eine Galerie besuchen wollten, waren ja keine Massen.

Wie hat Ihr Publikum auf die Lockdowns reagiert?
Wir haben es so gemerkt: Immer wenn nicht geschlossen war, hatten wir sehr viel Besucher. Als wir im letzten Juni beispielsweise ein Weekend machten, kamen sehr viele Schweizer, nicht nur aus Zürich und der näheren Umgebung, sondern von überallher. Doch dann kam wieder ein Lockdown, und das war falsch: Die Museen und die Galerien können die Sicherheit des Publikums am allerbesten garantieren, bei uns steckt sich keiner an. Corona hat jedenfalls sicher dazu geführt, dass man seine eigenen Institutionen wieder reflektiert hat.

Wie wird es Ihrer Meinung nach auf den grossen Kunstmessen in Shanghai oder Hongkong weitergehen?
Soviel ich weiss, ist man dort bereits wieder am Werkeln. Und in Asien wird sicher gut verkauft, ich mache mir da keine Sorgen. In Shanghai und Hongkong braucht man die Europäer und die Amerikaner nicht, es gibt dort genügend Sammler. Sie haben ein eigenes System. In New York beispielsweise wird die Messe auch stattfinden, aber nur in einem geringen Umfang. Wir werden nicht dabei sein, wir können auf keine Messe gehen, wo man weiss, dass kein internationales  Publikum kommen kann. Wir haben beschlossen, dass wir dieses Jahr nur die Art Basel machen, wenn sie im September denn stattfindet. Alle anderen Messen lassen wir aus, die Gesundheitslage
ist mir noch immer zu gefährlich.

Fachleute meinen, dass die neuen dominanten Sammler der Zukunft weiblich sind, da sie in den letzten zwei Jahrzehnten wirtschaftlich unabhängiger und potenter geworden seien. Wird diese Entwicklung den Blick für die Wertschätzung von Künstlerinnen ändern?
Ich denke schon. Das wird einen positiven Einfluss haben. Frauen bringen einen anderen Drive in die Art des Sammelns. Und sie werden sich von vornherein sagen, dass sie mehr Künstlerinnen in ihrer Sammlung haben wollen, das ist ja natürlich. Darüber hinaus wird sich überhaupt sehr vieles grundsätzlich ändern: Die Rolle der Frau ist eine der tragenden Fragen, die jetzt geklärt werden müssen. Und das wird politisch einiges verändern: Ich finde ja, diese alten Männer müssen alle mal weg! Es müssen junge Frauen und junge Männer hin. Die Alten können konsultiert werden, aber sie sollen nicht mehr so viel Operatives leisten.

Eva Presenhuber: im Auge der Macht
Seit Eva Presenhuber 1989 als Pionierin der Zürcher Kunstszene ihre erste Galerie eröffnet hat, haben ihre Ausstellungen Museumsqualität. Die promovierte Künstlerin und heutige Kunsthändlerin und Galeristin zählt zu den internationalen Königsmacherinnen der Branche. Das Portefeuille der 60-jährigen Österreicherin ist exquisit. Nebst Peter Fischli und David Weiss zählen dazu Blue-Chip-Künstler wie Joe Bradley oder Trisha Donnelly und junge Akquisitionen wie Wyatt Kahn, Sam Falls, Josh Smith und vor allem Oscar Tuazon, die sie systematisch aufbaut. Sie übt ihren Einfluss in der Auswahlkommission der Art Basel aus und hat 1996 massgeblich die Gründung der Liste Art Fair Basel angeregt, die internationale Entdeckermesse für zeitgenössische Kunst. Eva Presenhubers Hauptgalerie befindet sich an spektakulärer Lage direkt im Prime Tower in Zürich-West; zudem führt sie seit Kurzem im Herzen der Stadt, an der Zürcher Waldmannstrasse, eine Dépendance. Ihr Umsatz bewegt sich laut Angaben der Galerie in einem «höheren zweistelligen Millionenbereich». In der Szene schätzt man ihren Jahresumsatz auf rund 25 Millionen Schweizer Franken.

«Die Welt ist wie ein Buch, und Reisen eine Gelegenheit, darin zu blättern»

Posted by corinne.broennimann

Die Landschaftsarchitektin Dr. Hosna Pourhashemi kennt den Iran seit Kindesjahren und vermag die Lage im Land und die Situation der Frauen vielschichtig zu beurteilen. Im Interview spricht sie über Ihre Passion, über Frauen im Iran und ihren Lieblingsort in Teheran.

Wie sind Sie zur Landschaftsarchitektur gekommen? Was fasziniert Sie daran?

Schon als Kind haben mich Pflanzen und Gärten sehr interessiert. Während meiner Schulzeit bin ich viel im Iran herumgereist und habe die persischen Städte und Gärten kennengelernt. An der Universität habe ich das Studium der Umweltwissenschaften angefangen. Während dieses ersten Studiums in Teheran stellte ich mir die Frage, was das ursprüngliche Konzept persischer Gärten sein könnte und warum diese Gärten auch nach hunderten von Jahren immer noch Bestand haben. Da ich andere Kulturen und Sprachen kennenlernen wollte, habe ich mich an Universitäten in Österreich, Kanada und Australien beworben. Ich begann also mein Studium der Kulturtechnik und Wasserwirtschaft am Institut für Bodenkultur der Universität Wien. Nach einem Semester habe ich gemerkt, dass mich das Thema der sinnlichen Wahrnehmung in der Landschaftsplanung und Landschaftspflege stärker interessiert. Dabei ist es geblieben. Nach Abschluss des Bachelorstudiums folgte der Master in Landschaftsplanung und Landschaftsarchitektur. Meine Faszination für dieses Gebiet ist nach wie vor gross, und das Lernen geht jeden Tag weiter.

Sie führen ihr eigenes Landschaftsarchitekturbüro in Teheran, das Sie 2013 gegründet haben. Wie steht es um die Situation im Iran?

Grundsätzlich sehe ich zwei Herausforderungen im Iran. Zum einen gibt es nach wie vor keine eigenständigen Projekte und Wettbewerbe für Landschaftsarchitekten. Die Landschaftsarchitektur wird noch nicht als eigenständiger Berufsbereich angesehen. Oft wird die Landschaftsgestaltung also direkt durch den Architekten übernommen. Zum anderen sind meist nur Männer beschäftigt. Eine kurze Anekdote dazu: Als ich vor fünf Jahren bei einem Grünplanungsunternehmen ein Vorstellungsgespräch hatte, betonte der Chef gleich zu Beginn, dass in seiner Firma nur Männer arbeiten würden und ich die erste Frau in dieser patriarchalen Welt sei. Seine Angestellten seien sich den Umgang mit weiblichen Berufskolleginnen nicht gewohnt, weshalb er Probleme befürchtete.

Was müsste sich im Iran aus Ihrer Sicht ändern?

Projekte, Wettbewerbe und Preise müssten speziell im Bereich Landschaftsarchitektur ausgeschrieben werden. Zudem müsste es mehr Frauen ermöglicht werden, Gärten und Parkanlagen zu gestalten, zu planen und zu pflegen. Als drittes wäre es für historische Gärten wichtig, denkmalpflegerische Konzepte zu definieren.

Warum sind Ihnen die geführten Reisen in den Iran, die Sie organisieren, so wichtig? Was möchten Sie zeigen und vermitteln?

Meine Reisen in den Iran verfolgen aktuelle Themen, über die ich geforscht habe. Die Rolle der Frauen im sozialen, politischen, wirtschaftlichen, kulturellen und religiösen Bereich ist in jeder Stadt und an jedem Ort ein zentrales Thema. Ich möchte den Reisenden die Schönheit meines Landes zeigen, möchte meine Welt darlegen und sie so begleiten, dass sie in ihren Herzen die iranischen Städte, deren Landschaft und Architektur wahrnehmen. Bis zum Ende der Reise, sollen die Reisenden dann selbst die Städte “lesen” und über sie nachdenken können. Die Welt ist wie ein Buch, und Reisen bieten eine Gelegenheit, darin zu blättern, zu entdecken und zu lernen.

Was ist ihr Lieblingsplatz / -Ort in Teheran?

Mein Lieblingsort in Teheran ist die Khiyaban-e Pahlavi, die heutige Vali-Asr-Strasse. Sie erstreckt sich über 19 km und führt vom Bahnhof Teheran im Süden bis nach Meydan Tajrish im Norden der Stadt. Die von Bäumen gesäumte Strasse teilt die Metropole in einen westlichen und einen östlichen Teil. Im Regierungsviertel befinden sich der Marmar-Palast, das Senatsgebäude und die Militärschule Imam Ali. Der Marmorpalast als königliche Residenz der Familie Pahlavi wurde in den 1930er Jahren erbaut. Nach einem Attentatsversuch wurde dieser in den Niavaran-Palast verlegt. Seine Architektur ist eine Mischung aus Ost und West und eine einzigartige Kombination aus Moschee und Palast.

 

Über Dr. Hosna Pourhashemi Die gebürtige Iranerin ist in Teheran geboren und beschäftigt sich seit ihrem Studium an der BOKU in Wien und ETH in Zürich mit Landschaftsarchitektur. Ihre Erstausbildung hat sie im Bereich Umweltingenieur- wissenschaften absolviert. Seit 2013 führt sie ihr eigenes Architektur- und Landschaftsarchitekturbüro XO-Studio in Teheran und organisiert regelmässig Architekturreisen und Konferenzen. Von 2014 bis 2016 unterrichtete sie zudem Theorie- und Entwurfsklassen am Institut für Landschaftsarchitektur an der Azad Universität in Teheran.

Weitere Informationen zur kommenden Reise im Mai 2022 mit Dr. Hosna Pourashemi in den Iran finden Sie hier.

«Das Beste aus jeder Situation machen»

Posted by corinne.broennimann

Vier Mal in Folge hat Daniela Ryf den Ironman auf Hawaii gewonnen, das wohl härteste Rennen der Welt. Im Interview spricht sie über Geduld mit sich selbst und was sie wirklich antreibt.

Der Ironman, die härteste Eintagesprüfung, die der Sport zu bieten hat: 3,86 km Schwimmen, 180,2 km Fahrradfahren und eine Marathondistanz von 42,195 km laufen. Was für die meisten von uns eine unvorstellbare Leistung darstellt, meistert Daniela Ryf in etwas mehr als acht Stunden. Ihr Körper ist dabei der Motor, noch wichtiger ist aber der Geist.

WOMEN IN BUSINESS: Sie sind eine Ausnahmeathletin. Was macht für Sie den entscheidenden Unterschied, dass Sie erfolgreicher sind als manch andere Triathletin?
Daniela Ryf: Mein Durchhaltewille ist sicher entscheidend. Dieser ist mir zu einem gewissen Mass angeboren. Ich glaube aber, dass man lernen kann, mit schwierigen Situationen umzugehen. Vor drei Jahren wurde ich kurz vor dem Start an der Ironman-WM in Hawaii von einer Qualle erwischt, konnte das Rennen trotz anfänglich extremer Schmerzen aber noch gewinnen. Ohne die Erfahrung über die letzten Jahre hätte ich das wohl nicht geschafft. Sie hat mich gelehrt, mit mir selbst geduldig zu sein, denn manchmal zählt nur, nicht aufzugeben.

Wie bleiben Sie langfristig motiviert?
Ich konzentriere mich auf mich und will mich stetig verbessern. Natürlich ist es schön, wenn auch die Resultate stimmen. Doch es gibt immer wieder neue Ziele. 2020 gab es auf der Langstrecke keine Wettkämpfe. Da habe ich mich entschieden, meinen Bachelor in Food Science & Management an der HAFL abzuschliessen. Damit hatte ich ein neues Ziel und eine Ergänzung zum Training. Diese Balance ist wichtig, um langfristig motiviert zu bleiben.

Die Differenz zwischen Frauen und Männern im Ausdauersport wird kleiner. Glauben Sie, dass Frauen die Männer einmal hinter sich lassen können?
Nein, das glaube ich nicht. Die Unterschiede zwischen Frau und Mann sind nach wie vor sehr gross. Ich denke aber, dass die Körper der Frauen besser für Langdistanzen geeignet sind.

Wie haben Sie die Jahre und Erfahrungen im Spitzensport in persönlicher Hinsicht geprägt?
Ironman ist wie ein Leben: lange. Es gibt Hochs und Tiefs mit
verschiedenen Abschnitten. Wenn man etwas erreichen will,
darf man nicht aufgeben – egal, ob im Beruf oder im Sport. Es
geht nichts von heute auf morgen, es braucht Geduld, vor allem Geduld mit sich selbst.

Sie haben sich schon einige Male für die Initiative She’s Mercedes engagiert. Warum sind Ihnen solche Veranstaltungen wichtig?
Mir gefällt der Austausch an den verschiedenen Anlässen. Zum Beispiel im Februar habe ich am letzten She’s Mercedes-Event teilgenommen – einem Winterfahrtraining. 40 Frauen in tollen Autos auf Eis und Schnee: Das war ein Erlebnis. Und die Gespräche untereinander haben uns allen unglaublich gutgetan.

  Die Initiative She’s Mercedes steht für die Idee, dass Inspiration Aussergewöhnliches bewirken kann. Sie bietet Frauen in über 70 Ländern die Möglichkeit, in Kontakt zu kommen und sich gegenseitig zu stärken. Mehr zur Initiative, zum Magazin und zu den Events von She’s Mercedes in der Schweiz finden Sie im Newsletter mercedes-benz.ch/shesnewsletter-de sowie unter mercedes-benz.ch/shes.

 

«Wir kriegen alle»

Posted by corinne.broennimann

Als Intendantin lenkt Ilona Schmiel seit 2014 die Geschicke der Tonhalle-Gesellschaft Zürich. Sie mag den Umbruch und schätzt gerade die Herausforderungen, vor denen andere zurückschrecken.

«Auf Sie haben wir nicht gewartet!», tönt es aus dem Telefonhörer, als Ilona Schmiel sich in den späten 1990ern erkundigt, ob die ausgeschriebene Stelle eines Geschäftsführ-Ers noch zu haben sei, auch wenn sie erst 30 und eine Sie sei. «Erzählen Sie doch mal!», tönt es wieder aus dem Hörer. Schmiel, die nach ihrem Studium Berlin verlassen hat, um Erfahrungen zu sammeln, und unter anderem als Projektleiterin mit «Arena di Verona»-Opernproduktionen auf Tournee geht, erzählt – und wird bald darauf die neue Geschäftsführerin des Bremer Konzerthauses «Die Glocke». Es sei eine Verkettung glücklicher Umstände gewesen, erinnert sie sich. Sie habe Lust gehabt, herauszufinden, ob sie das packe. Diese Schuhe seien schon gross gewesen, aber dann habe sie an einen ihrer Mentoren gedacht, der ihr sagte, es sei besser, die Fehler jung zu machen und aus einer Position wieder herauszufallen, als erst mit 50. Diesen Gedanken gibt Ilona Schmiel heute ihren Mentees weiter.

Die Chuzpe der jungen Jahre
«Ich bin der Meinung, dass einen die Chuzpe der jungen Jahre dazu bringt, Dinge umsetzen zu wollen und zu können. Man muss sich diese Fähigkeit erhalten und sich immer wieder sagen, du kannst nicht alles 100 Prozent können, du musst nur wissen, wo du das Nötige herbekommst.» Als Künstlerische Leiterin und Geschäftsführerin der «Glocke» kann Schmiel ihren Gestaltungswillen ausleben. Bis zum Punkt, wo sie daran scheitert, innert eines Jahres eine Million mehr öffentliche Gelder für die Kunst zu erhalten. Sie hat sich vorgenommen – und das auch publik gemacht –, die «Glocke» zu verlassen, wenn ihr das nicht gelinge. Sie zieht ihren Entscheid durch. «Das war der schwierigste Schritt in meinem Leben; viele meiner männlichen Kollegen haben das überhaupt nicht verstanden. Sie haben ständig mit Rücktritt gedroht, wenn sie Druck ausüben wollten, und sind auch bei Nichterfolg in ihren Positionen geblieben. Ich war sehr klar in meiner Haltung und auch im Nachhinein überzeugt, dass es richtig war.» Nach diesem Sprung aus dem Fenster im Jahr 2002 landet Schmiel aber gleich wieder auf den Füssen. Wieder ein Telefonanruf, diesmal wird sie angerufen, es ist der Kulturdezernent aus Bonn, der wissen möchte, ob sie als Intendantin für das Beethovenfest Bonn einsteigen will. Sie will. Bis viele Jahre später wieder das Telefon klingelt. Diesmal ist die Tonhalle-Gesellschaft Zürich am Apparat.

WOMEN IN BUSINESS: lona Schmiel – womit konnte die Tonhalle-Gesellschaft Sie überzeugen?
Ilona Schmiel: Als ich 2012 angefragt wurde, war ich bereits seit neun Jahren beim Beethovenfest in Bonn, wo ich sehr viel erreichen konnte, ausser den Neubau eines Beethovenfestspielhauses, mit dem ich die internationale Strahlkraft des Beethovenfests hätte verstetigen wollen.

Dann haben Sie in Zürich einen Umbau bekommen …
Es war aber nicht der Umbau, mich hat vielmehr die Frage gereizt, wie man ein Provisorium baut. Dieses Provisorium hat andere wohl abgeschreckt, das Maag-Areal stand damals noch nicht fest. Es war eine Phase des totalen Umbruchs. Ich bin jemand, der sich gerne an Aufgaben macht, wo der nächste gravierende Schritt ansteht.

In Zürich war die Kruste des Althergebrachten aufgebrochen.
Genau. Wenn jemand zu mir sagt, wir möchten Routine, dann ist das nichts für mich. Es muss künstlerischen Aufbruch geben; hier war sehr viel im Umbruch, es gab einen Generationenwechsel sowohl im Dirigenten- als auch im Managementbereich; ich war die erste Frau in einer solchen Position.

Sind Sie auch geschlechterstereotypen Vorurteilen begegnet?
In all meinen Leitungspositionen war ich immer die Erste, insofern habe ich das in Zürich nicht empfunden. Hier war das Thema eher «deutsche Frau an der Spitze». Es ging mehr um die Mentalität als um das Geschlecht.

Wieso gibt es nur so wenige Intendantinnen?
Im Sprechtheater gibt es schon einige, in der klassischen Musikbranche sind es aber bis heute erschreckend wenige. Ich habe dafür keine Erklärung, jede von uns hat ihren eigenen Weg an die Spitze gemacht. Aber wir müssen dafür sorgen, dass es mehr werden.

Dirigentinnen sind auch noch eher rar …
… aber im Kommen!

Holly Choe ist Assistant Conductor in der Tonhalle. Ein Zufall, dass es nun eine Frau ist?
Erstens ist sie wahnsinnig gut, zweitens herrscht zwischen dem Chefdirigenten Paavo Järvi und mir zu diesem Thema Einigkeit: Das erste Kriterium ist die Qualität, aber wir möchten auch junge Frauen fördern. Holly kann von Paavo sehr viel übers Dirigieren lernen; bei mir wird sie immer wieder mit Fragen konfrontiert, die ihr späteres Leben als (Chef)-Dirigentin betreffen. Ich finde es wichtig, dass sie sich gerade im jetzigen Zeitpunkt ihrer Karriere auch mit Themen beschäftigt, die den ganzen Kulturbetrieb betreffen.

Was treibt Sie generell um beim Thema Frauen in Führungspositionen?
Es gibt immer noch zu viele Frauen, die nicht den Mut haben, an die Spitze zu gehen. Je älter ich werde, desto mehr tritt bei mir das Zurückgebenwollen in den Vordergrund. Am Anfang will man noch selbst lospowern, jetzt drehen sich die Gedanken eher um das Gesamtbild, das Glück, das ich gehabt habe, all diese Chancen, die ich packen durfte. Ich bin die erste Frau in meiner Familie, die studiert hat. Heute sehe ich immer wieder sehr junge, sehr gute Frauen, die sagen, ach, ich warte noch – wozu? Anfangs hat mich das wütend gemacht, weil ich dachte, so schaffen wir das nie! Dieser Glaube, man müsse immer noch etwas dazulernen, bevor man sich mehr zutraut – das stimmt nicht! Auch Inhalte nicht durchsetzen zu können, zu versagen, richtige Flops zu landen, ist wichtig. Das sind die Erlebnisse, an die man sich eines Tages erinnert und über die man dann lachen kann. Humor ist einer der wichtigsten Faktoren in einer Führungsposition.

Was unterscheidet Sie von einer «normalen» CEO?
Wir sind nicht kommerziell. Und wir sind proaktiv, der Zeit voraus und müssen die Chancen im 21. Jahrhundert begreifen und ausreizen. Das neue Schaffen von Kunst, von Musik, unterstützen, damit nicht nur interpretiert wird, sondern auch Neues entsteht. Wenn von 20 Auftragswerken, die an Komponistinnen und Komponisten gehen, in 20 Jahren noch ein bis zwei existieren, dann halte ich das für normal. Ein CEO von einem anderen Unternehmen würde hier vielleicht sagen, dieses Risiko ist zu gross. Aber Kunst muss Risiko sein, jeden Abend. Genau darum sind wir subventioniert, um auch im 21. Jahrhundert Neues voranzutreiben.

Eine Intendanz geht mit Macht einher. Gehen Frauen damit anders um als Männer?
Kann ich schwer sagen. Ich glaube, dass wir in mancher Hinsicht viel direkter führen. Mir ist aufgefallen, dass sich in den letzten 20 Jahren das Verhalten der Männer in den Gremien, in denen ich dabei war, geändert hat. Es gibt mehr Durchlässigkeit, was nicht nur Kulturinstitutionen, sondern auch jeder anderen Unternehmensform guttut. Ich war lange gegen Quoten, weil ich fand, dass diejenigen, die sich entwickeln wollen, das auch schaffen. Mittlerweile bin ich bei bestimmten Themen eine starke Verfechterin der Quote, in Jurys zum Beispiel bin ich für 50/50. Erst wenn es in den Toppositionen auch Frauen gibt, die nicht ständig reüssieren, wie das bei Männern ja auch der Fall ist, haben wir Gleichberechtigung.

Welche Pläne haben Sie für die Tonhalle?
Die Messlatte liegt hoch: Wir wollen weltweit unter die fünf Toporchester kommen. Das bedeutet zunächst, eine stringente programmatische Entwicklung und Fokussierung darauf voranzutreiben. Um mit unserem ganz eigenen Orchesterklang des Tonhalle Orchesters Zürich weiter zu reüssieren, müssen wir mehr Visibilität für diesen Klangkörper schaffen.

Wie machen Sie das?
Indem wir darauf achten, wie wir uns als Marke positionieren. Dazu müssen wir alle unsere Stärken sichtbar machen – durch Aufnahmen, durch Streamings, aber auch durch die ganze Art und Weise, wie wir auftreten. Wir haben ein Rebranding vorgenommen zum Wiedereinzug in die Tonhalle am See. Ebenso geht es darum, wie wir als Botschafter für dieses Land wahrgenommen werden, wenn wir auf Tournee gehen. Dieser Markt wird sich künftig sehr verändern. Es werden vermehrt Residenzen sein, mehrere Konzerte an einem Ort. Das macht Sinn, weil man eine Beziehung zu diesen Orten knüpft. Und auch unter Klimaaspekten ist es nachhaltiger. Wir wollen die nächsten Publikumsgenerationen erreichen, ein ganz wichtiges Ziel. Die Tonhalle soll wieder der Treffpunkt für die klassische Musik nicht nur in Zürich werden, sondern auch darüber hinaus ausstrahlen.

Wie stellen Sie sicher, dass Ihr Publikum nicht ausstirbt?
Alle grossen Kulturinstitutionen stehen dieser Frage gegenüber. Wir setzen auf ein facettenreiches Musikvermittlungsangebot, das im Alter von vier Jahren beginnt. Wir arbeiten mit den Zürcher Gemeinschaftszentren zusammen, versuchen auch die Menschen, die wir neu in Zürich West erreicht haben, als Publikum zu behalten. Aber am Schluss muss das, was auf der Bühne passiert, so faszinieren, dass die Zuschauer immer wieder kommen, weil wir in ihnen eine Leidenschaft entfachen konnten. Auch das Digitale ist wichtig, gerade in der Coronazeit hat sich gezeigt, wie bedeutend dieser Bereich ist. Er muss aber gut gestaltet, inhaltlich durchdacht und sehr ausdifferenziert sein.

Bei den digitalen Möglichkeiten – wieso überhaupt noch in die Tonhalle gehen?
Ein Konzert ist eine phänomenale Situation, man bekommt ein Liveerlebnis, etwas ganz Individuelles, das jeder anders wahrnimmt, aber es passiert trotzdem in einer Gemeinschaft. In einer Zeit der Hektik, der ständigen Verfügbarkeit, ist das eine kostbare Auszeit. Und das ist aus meiner Sicht ein Geschenk.

Zum Schluss haben Sie einen Wunsch frei: Welche musikalische
Persönlichkeit möchten Sie in der Tonhalle spielen
sehen?
Also ich würde jetzt einfach mal sagen: Wir kriegen alle! Der neue Saal ist so fantastisch, ich schliesse niemanden mehr aus. Das können Sie so schreiben! (lacht)

Drei Konzerttipps von Ilona Schmiel für die neue Saison

23.09.2021 – Die neue Orgel in der Tonhalle erklingt zum ersten Mal: Paavo Järvi, Music Director, Tonhalle-Orchester Zürich, Christian Schmitt, Orgel; Werke von Dubugnon, Connesson, Saint-Saëns
07.11.2021 – Familienkonzert mit Assistant Conductor Holly Choe: Holly Choe, Leitung, Tonhalle-Orchester Zürich; Korngold: «Robin Hood»
30./31.12.2021 – Eine Zeitreise von 1895 bis 2021 zu Silvester: Alondra de la Parra, Leitung, Tonhalle-Orchester Zürich, Julian Pregardien, Tenor; Werke von Brahms, Schubert/Strauss, Ravel, Gershwin, Ginastera

Die Freude an Statistik und Datenanalyse

Posted by WOMEN IN BUSINESS

Esther begann vor mehr als 12 Jahren nach ihrem Studium der Betriebswirtschaftslehre und einem Master-Abschluss in Marketing an der Vrije Universiteit Amsterdam. Nachdem sie in  einer anderen Rolle angefangen hatte, kehrte sie zu einer alten Liebe zurück, der Datenanalyse. Sie war seit sechs Jahren die Leiterin des Data Analytics Teams in EY Niederlande und baut nun ein neues Team in der Schweiz auf.

“Selbst als ich mich für ein Studium entschied, hatte ich meine Zweifel zwischen Ökonometrie und Wirtschaftswissenschaften. Es wurde dann Wirtschaftswissenschaft – mit Statistik als mein Lieblingsfach. Angefangen habe ich dann bei EY als Programmmanagmentberater, aber das Blut kriecht dahin, wo es hingehen muss; Durch ein Projekt, an dem ich innerhalb von EY gearbeitet habe, bin ich mit der Datenanalyse in Kontakt gekommen. Und dort entpuppt sich mein Herz.” ergänzt Ester.

Sie liebt es einfach, Entscheidungen basierend auf den Fakten zu treffen.Wenn die Daten von guter Qualität sind, kann kein Bauchgefühl das übertreffen. Sie mag es, wenn Ihr Team auf der Grund lage von Fakten (Daten) zur Entscheidungsfindung beitragen kann. Analytics, Data Science und AI sind heutzutage ebenfalls ein heisses Thema. Deshalb ist ihr Team in der Niederlande auch in kürzste Zeit stark gewachsen. Sie hatte mehr als 30 Mitarbeitende bei EY Niederlande geführt.

In der Schweiz arbeitet sie nun auf ein ähnliches Ziel hin. Es besteht in jedem Fall ein ausreichendes Wachstumspotenzial. Was sie heutzutage für einen grossen Teil unseres Berufs halte, ist die Predictive Analytics, mit der man sehen könnte, ob man beispielsweise anhand historischer Daten Verhalten oder Interesse vorhersagen können.

“Reisen ist meine grosse Leidenschaft. In meinem Leben habe ich nun 60 Länder auf sechs Kontinenten besucht; Ich vermisse noch die Antarktis. Aktives Reisen mag ich mehr als nur “Urlaub machen” –  ich möchte wirklich die Welt sehen und andere Kulturen besser kennenlernen.”

Suchen Sie eine neue Herausforderung?
https://www.ey.com/en_ch/careers
recruitment.switzerland@ey.com

Kooperation powered by Ernst & Young AG

«Hürden als Chance sehen»

Posted by corinne.broennimann

Eine zufällige Entdeckung in ihrer Tätigkeit als Ernährungsberaterin hat Simone Wietlisbach auf eine Geschäftsidee gebracht: Ein Produkt gegen Haarausfall. Im Interview erzählt sie, wie es dazu kam, welche Herausforderungen sie bewältigen musste und was sie anderen Unternehmerinnen rät.

Wie kamen Sie auf die Idee, ein Produkt gegen Haarausfall zu entwickeln?

Als Ernährungsberaterin in eigener Praxis bin ich es seit 2002 gewohnt, mit den Mikronährstoffen nach dem HCK®-Baukastensystem zu arbeiten. Im Jahr 2009 hatte ich dann ein Schlüsselerlebnis, von dem mittlerweile viele Menschen profitiert haben: Eine circa 40-jährige Dame ist mit dem Wunsch zu mir in die Praxis gekommen, 15 Kilogramm abzunehmen. Um ihr Wohlfühlgewicht zu erreichen, haben wir mit der Kundin einen persönlichen Ernährungsplan erstellt, der neben einer Ernährungsumstellung auch die ausgewogene Zufuhr von lebenswichtigen Nähr- und Vitalstoffen beinhaltete. Auf ihre Frage, ob HCK® nicht nur das gesunde Abnehmen unterstütze, sondern gleichzeitig auch gegen ihr extrem schütteres Haar helfe, konnte und wollte ich zunächst kein Versprechen abgeben. Ich habe mich zwei Wochen lang hinter Fachbüchern vergraben, um Antworten zu finden und erstellte eine personalisierte Mischung für sie. Mit einem komplexen Gedankenkonstrukt und einem Schuss Intuition konnte ich meiner Kundin helfen. Bereits nach neun Monaten hatte diese Frau wieder volles und ungefähr 7 Zentimeter langes Haar. Daraufhin sprach sich das Erfolgserlebnis herum und es folgten immer mehr Kunden mit ähnlichen Fällen. Nach mehreren Jahren etlicher positiver Kundenrezensionen und Verfeinerungen der Rezepturen, war 2015 die originale Powerhair Kur geboren und online erhältlich.

Von der Idee zum Geschäftsmodell. Was waren die nächsten Schritte?

Neben meiner Tätigkeit als Ernährungsberaterin habe ich an meinen Wochenenden und nach dem Feierabend angefangen, die Marke Powerhair zu entwickeln. Ich suchte einen passenden Markennamen, gründete eine Firma, designte das Logo, sicherte die weltweiten Markenrechte, meldete das internationale Patent an, setzte den Online-Shop auf und stellte Mitarbeitende ein. Mittlerweile ist die Rezeptur und die Technik dahinter in allen Ländern patentiert.

Die ersten Jahre habe ich Powerhair eigenständig aufgebaut und alle Investorenangebote abgelehnt. Dann lernte ich meinen heutigen Ehemann, Urs Wietlisbach, kennen. Er selbst hatte zwei Freunde, die mit Powerhair Erfolg hatten. 2020 stieg er als Investor und Berater mit ein.

Mit welchen Herausforderungen sahen / sehen Sie sich beim Auf- und Ausbau Ihres Unternehmens konfrontiert?

Die grösste Herausforderung ist die Vielzahl von herkömmlichen Haarwuchsmitteln, welche keine Ergebnisse erzielen und das Vertrauen der Kunden schwinden lassen. Wie gibt man den Menschen, die jahrelang unter Haarwuchsproblemen gelitten und bereits etliche Franken ausgegeben haben, die Hoffnung auf Erfolg zurück? Powerhair ist von Grund auf einzigartig und musste daher auf der ganzen Welt patentiert werden. Dennoch wird es fälschlicherweise mit herkömmlichen Haarwuchsmitteln in Verbindung gebracht.

Welches sind Ihre nächsten Ziele mit Powerhair?

Nachdem wir bereits viele zufriedene Kundinnen und Kunden überzeugen durften, sind wir momentan dabei das Produktdesign zu optimieren und alle Abläufe effizienter zu gestalten. Bald wird es eine Powerhair App geben. Diese soll es den Kunden beispielsweise ermöglichen, online eine Beratung zu buchen, Zugang zu einem persönlichen Bereich mit Dashboard zu haben oder auf ein individuelles Personal-Tracking zuzugreifen. Zusätzlich streben wir mit unseren Kontakten aus den Arabischen Emiraten die Produktlancierung vor Ort an. Aufgrund der positiven Resonanz in Vietnam, beginnt Powerhair auch dort mit der Produktvermarktung.

Was raten Sie anderen Frauen mit einer brennenden Geschäftsidee?

Ich finde es grossartig, wenn Frauen Geschäftsideen haben und alles daransetzen, diese zu verwirklichen. Sich die wahre Absicht seines Produktes klarzumachen, ist einer der wesentlichsten Bauteile des Erfolges. Welchen Mehrwert hat es? Wie kann es von Nutzen sein und etwas Gutes bewirken? Was ist meine Vision? Dies sollten die essenziellen Fragen einer jeden Unternehmerin sein. Danach heisst es, alle Ressourcen zu überprüfen, die finanzielle Seite durchzurechnen und mit einem wohlüberlegten Kopf und weiblicher Intuition Schritt für Schritt an die Sache ranzugehen. Am allerwichtigsten ist es, Hürden in Kauf zu nehmen und sich auf die Lösung zu konzentrieren. Ich wünsche allen Frauen mit einer brennenden Geschäftsidee viel Ausdauer, den Blick dafür, Hürden als Chancen zu nutzen, ein unerschütterlicher Glaube an das Ziel und sich selbst – und insgesamt ein hohes Commitment an die eigene Vision.

Über Simone Wietlisbach Die Gründerin von Powerhair® ist diplomierte Ernährungs- und Gesundheitsberaterin. In ihrer mehr als 15-jährigen Praxistätigkeit hat sie weltweit über 3’000 Kundinnen und Kunden erfolgreich in Sachen Haar, Ernährung und Gesundheit beraten. Heute führt sie das Unternehmen Powerhair als CEO und Verwaltungsratspräsidentin.

«Habt ihr Spass an dem, was ihr tut?»

Posted by corinne.broennimann

«Frauen müssen endlich lernen, nicht immer nur nett zu sein!»

Posted by WOMEN IN BUSINESS

Vor 50 Jahren war Alice Schwarzer eine führende Mitinitiantin der deutschen Frauenbewegung. Heute sieht sie deren Entwicklung kritisch. Auch von der Zukunft hat sie eine klare Vorstellung. Ein Gespräch über ihren Werdegang und die heissen Frauenfragen der Gegenwart, von der Kanzlerinnen-Wahl bis zum Sonderfall Schweiz.

WOMEN IN BUSINESS: Alice Schwarzer, zu Beginn bin ich hoffentlich nicht indiskret: In Ihrem neuen Buch «Lebenswerk», dem zweiten Teil der Autobiografie, habe ich von Ihnen das Bild einer Frau, der das Gefühl von Angst fremd ist. Ist das ein charakterliches Privileg, oder haben Sie sich diese Angstfreiheit im Nahkampf mit dem Leben antrainiert?

Alice Schwarzer: Ja, Sie haben Recht. Angst ist mir völlig fremd. Das ist das Privileg meiner Kindheit. Meine Grosseltern, bei denen ich aufgewachsen bin, waren von der Stadt in ein fränkisches Dorf evakuiert worden, wo ich recht frei in der Scheune und in den Wiesen aufwuchs. Ausserdem wurde ich von ihnen für Mut und Klugheit gelobt. Sie haben ganz einfach versäumt, mich zum ängstlichen Mädchen zu dressieren. Später habe ich dann in Wuppertal am Waldrand gewohnt, der Wald war mein Kinderzimmer, und ich spielte mit Jungen wie Mädchen – ehrlich gesagt lieber mit Jungen. Puppen haben mich gelangweilt, ich machte lieber Schnitzeljagden im Wald oder baute Baumhütten. Aber ich bin trotzdem kein garçon manqué, nur ein starkes, etwas wildes Mädchen gewesen. Und so ist es geblieben. Die Angst habe ich später erst mühsam lernen müssen: Die berechtigte Angst, durch einen dunklen Park zu gehen oder nervös zu werden, wenn ich nachts auf der Strasse schnelle Schritte hinter mir höre.

Ist meine Sorge, «indiskret» zu sein, ein typisch weiblicher Mangel an Selbstbewusstsein? Ich frage das, weil man sich ja denken könnte, dass aus Ihrer Sicht weibliche und typisch männliche Zuschreibungen gar nicht existieren. Die aktuellen feministischen Debatten könnten einem glauben machen: Frauen gibt es gar nicht mehr – oder es hat sie nie gegeben. Sie sind eine Erfindung des Patriachats. Die Feministin denkt vielleicht, dass es in Wahrheit bloss Menschen gibt.

Aber selbstverständlich existieren diese typisch «männlich»- und «weiblich»-Zuschreibungen! Seit Jahrtausenden! Und darauf basieren ja auch Rollenzuschreibungen und Arbeitsteilung: Frauen für die Gratisarbeit im Haus und «familienkompatible» Teilzeitarbeit im Beruf – und Männer für die Karriere; den Rücken hält ihnen die Frau frei. Nur, dass ich als Feministin diese Zuschreibungen nicht für angeboren, sondern anerzogen halte, für kulturell, nicht biologisch. «Konstruiert», wie man heute sagen würde. Dass wir in nur 50 Jahren diese mindestens 5000 Jahre währende Rollenteilung nicht abschaffen können, ist klar – auch wenn wir in den westlichen Demokratien mit Siebenmeilenstiefeln vorangekommen sind. Aber in weiten Teilen der Welt sieht es heute für Frauen dunkler aus denn je zuvor. Stichwort Zwangsverschleierung und Entrechtung in den islamischen Ländern. Und auch bei uns gibt es noch einiges zu tun.

Was denn ganz konkret, Frau Schwarzer? Was treibt Sie aktuell am meisten um?

Mich bedrückt und empört sehr, dass in unseren Ländern, in Deutschland wie der Schweiz, die Prostitution salonfähig geworden ist. Das ist nicht nur ein Vergehen an den hunderttausenden Elendsprostituierten aus Osteuropa und Afrika, die als «Frischfleisch» von Bordell zu Bordell gekarrt werden, oft kein Wort Deutsch können und denen die Menschenhändler und Zuhälter die Pässe abgenommen haben. Denn die Prostitution ist ja schon lange überwiegend in der Faust der Organisierten Kriminalität, und Menschenhandel und Zuhälterei sind unlösbar miteinander verknüpft. In den angelsächsischen Ländern nennt man die Prostitution «weisse Sklaverei». Das trifft es. Hinzu kommt, dass es in einer Gesellschaft, in der Frauen das potenziell käufliche Geschlecht und Männer die potenziellen Käufer sind, niemals eine wirkliche Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern geben kann.

Was ist aus Ihrer Sicht der wichtigste gesellschaftliche Fortschritt in der Frauensache der letzten 50 Jahre?

Die Erschütterung der Arbeitsteilung. Auch Frauen können Spitzenpolitiker oder Spitzenforscher sein, wie wir inzwischen wissen. Und auch Männer können Babys wickeln und Geschirr spülen. Und das Öffentlichmachen der, oft sexualisierten, Gewalt gegen Frauen und Kinder. Die ist ja kein individueller Ausrutscher, sondern hat System. Gewalt ist immer der dunkle Kern von Herrschaft. Das ist zwischen Völkern so, zwischen Stämmen, Klassen und eben auch zwischen den Geschlechtern. Ohne Gewalt lassen sich keine erniedrigenden und ausbeuterischen Verhältnisse aufrechterhalten. Und dieses Tabu ist jetzt gebrochen. Früher mussten sich die Opfer schämen – und schwiegen. Heute reden die Opfer – und die Täter müssen sich schämen. Endlich.

Was hat aus Ihrer Sicht die Mee-too-Bewegung dazu beigetragen? War sie denn nicht ein Strohfeuer? Und, bewegt sich denn eigentlich auch etwas in Ländern wie Algerien, das Sie gut kennen? Oder in Indien, in Afrika?

Die Me-too-Bewegung hat ganz entscheidend dazu beigetragen, dass endlich von den Opfern die Rede ist! Und Täter sich nicht mehr sicher sein können! Und sie hat durchaus auch die Dritte Welt erreicht. In Indien gibt es seit Jahren vehemente Proteste gegen die Rape-Culture. In Marokko haben Frauen vor zwei Jahren gewagt, eine freie Sexualität zu fordern und ein Manifest für das Recht auf Abtreibung zu veröffentlichen – «Ich habe abgetrieben» – und sie fordern das Recht für jede Frau dazu ein. In Algerien allerdings gilt das Private immer noch als «privat». Das heisst, die Ausbeutung der Frauen im Haus und die unterdrückte Sexualität beider Geschlechter sind weiterhin ein Tabu. Da muss noch viel passieren!

Wie kann es sein, dass in der Schweiz sage und schreibe sieben Kantone ohne Frauenbeteiligung regiert werden? Sie kennen unser Land sehr gut: Wieso tut man sich hier mit der Gleichstellung offensichtlich so viel schwerer als in Deutschland?

Nun ja. Manches scheint ein wenig langsamer zu gehen in der Schweiz. Siehe Frauenwahlrecht. Das liegt wohl nicht zuletzt an etwas eigentlich sehr Sympathischem: an der Basisdemokratie. Da steht vor strukturellen Änderungen der Geschlechterkampf Auge in Auge, von Frau zu Mann. Das will ausgefochten werden. Und das dauert. Aber keine Sorge: Auch in Deutschland ist nicht alles Gold, was glänzt. Bei Antritt der Kanzlerin im Jahr 2005 zum Beispiel waren 35 Prozent aller CDU/CSU-Abgeordneten im Bundestag weiblich – heute sind es nur noch 20 Prozent. Das heisst, die Eine an der Spitze verdeckt die Abwesenheit der Anderen hinter ihr.

Die Machtverhältnisse zwischen den Geschlechtern sind heute nicht egalisiert, doch zumindest erschüttert. Nach einem Jahr Corona weiss man allerdings, den Preis bezahlen vor allem Frauen, man spricht bereits von einer «Retraditionalisierung». In welchen Bereichen sehen Sie diesen Backlash am klarsten?

In den entscheidenden Bereichen. Bei der steigenden Gewalt in der Familie und der Wiederverfestigung der Rollenzuteilung: der vorrangigen Zuständigkeit von Frauen für Haushalt und Kinder. Wir lassen ja auch gerade in der aktuellen EMMA die Frauen selber ausführlich über ihre Erfahrungen berichten. Und was die so sagen, ist wirklich beunruhigend.

Was soll dagegen getan werden? Und wer steht dabei in der Verantwortung? Und wie sehen Sie das mit der Selbstverantwortung der Frauen für ihre Chancen und ihr eigenes Glück?

Daran müssen natürlich auch die Frauen – und Männer! – selber arbeiten. Aber der Staat kann eine Entwicklung zu mehr Gleichberechtigung fördern. Durch die Abschaffung des Steuersplittings in Deutschland zum Beispiel, das nicht etwa Familien mit Kindern, sondern die Ehegattin fördert, die dem Mann den Rücken freihält. Oder durch systematische Aufklärung zur Geschlechtergerechtigkeit schon in den Schulen und gezielte Gleichbehandlung von Mädchen und Jungen. Und durch ausreichende Ganztagskrippen und -schulen. Natürlich müssen auch die Frauen selbst endlich lernen, nicht immer nur nett zu sein. Sie dürfen nicht alles akzeptieren, um des lieben Friedens willen. Sie müssen wagen, sich auch mal unbeliebt zu machen.

Seit 50 Jahren wollen Sie nicht die Frauen, sondern sogar die Menschheit befreien. Hand aufs Herz, sind Sie als Aufklärerin nicht manchmal auch müde und sagen sich: «Nun sollen mal die Jüngeren ran!»

Ich denke, dass politisches Engagement keine Frage des Alters ist. Ausserdem wäre es ja eigenartig, wenn ich mich als Verlegerin und Chefredakteurin von EMMA nicht mehr für die Lage der Frauen interessieren würde. Dass «die Jüngeren» schon lange ebenfalls dran sind, sehe ich nicht nur im eigenen Haus, in EMMA, wo alle meine Kolleginnen natürlich bedeutend jünger sind als ich. Ich sehe es überall: in den Medien, in der Öffentlichkeit und in der Politik. Ich halte übrigens dieses penetrante Gerede in den Medien von den «Jüngeren» und den «Altfeministinnen» für Spaltungsmanöver. Viele feminismusinterne Kontroversen sind keine Generationenfragen, sondern ideologische Streitfragen. Ich zum Beispiel halte die Akzeptanz von Prostitution und Frauenhandel, die ja unlösbar miteinander verknüpft sind, für einen schweren Verstoss gegen die Menschenwürde und ein enormes Hindernis auf dem Weg zur Gleichberechtigung. Solange Frauen das (potenziell) käufliche Geschlecht sind, und Männer (potenzielle) Käufer, kann von einer Begegnung auf Augenhöhe ja nicht die Rede sein. Oder der politische Islam, der die frauenentrechtende Scharia über das Gesetz stellt und dessen Flagge das Kopftuch ist. Den bekämpfe ich natürlich. Aber es gibt Feministinnen an den Universitäten und in den Medien, die halten das Kopftuch, ja sogar die Burka, für reine Privatsache und Prostitution für cool. Na, da bleiben Kontroversen natürlich nicht aus, und das ist keine Frage des Alters.

Die Schweiz hat kürzlich das Burka-Verbot mit einem knappen Volksmehr angenommen. Also eine richtige Entscheidung aus Ihrer Sicht?

Ja, uneingeschränkt richtig! Die Burka ist ein schwerer Verstoss nicht nur gegen die Bewegungsfreiheit und Gesundheit dieser Frauen, sondern auch gegen ihre Menschenwürde. So wie der ganze radikale Islam, der die nicht nur die Frauen entmündigende Scharia über das Gesetz stellt. Ich habe aus der Schweiz von fortschrittlichen Frauen vielfach das Argument gehört, dieses Burka-Verbot sei leider von den Falschen gefordert worden, nämlich von Rechten. Darüber wundere ich mich. Das Richtige wird ja noch nicht falsch, nur weil es «die Falschen» fordern. Ausserdem würde ich sagen: Diese Frauen sollten sich lieber sorgen, dass die in ihren Augen «Richtigen», die Linken und Liberalen, kein Burka-Verbot fordern.

Für mich sind Sie, ich gebe es gerne zu, eine Institution. Doch unsterblich sind auch Sie nicht. Also: Wer ist Ihnen gewachsen, wer wird Ihre Nachfolgerin sein?

Auf meinem Platz gibt es keine Nachfolgerin. Ich bin Ich. Ich bin weder gewählt noch ernannt, ich bin ein autonomes, selbstverantwortlich handelndes Individuum, das schreibt und eine öffentliche Stimme hat. Das haben viele. Gottseidank. Wer angstfrei ist, kann auch dazu stehen, dass er Fehler hat und macht.

Wo haben Sie sich rückblickend in der Frauenfrage geirrt, Alice Schwarzer? Ich weiss das nach der Lektüre Ihres Buches leider nicht. Ihr öffentliches Bild
hat keinen Kratzer, so perfekt und heroisch wirkt es.

Heroisch? Da bin ich ja fast erleichtert. Ich hatte schon befürchtet, meine Lebenserinnerungen hätten Tendenz zum Selbstmitleid.

«EMMA»
EMMA, gegründet von der Journalistin Alice Schwarzer 1977, ist eine feministische Zeitschrift, die sich bereits sehr früh mit Schwerpunktthemen und Aktionen gegen sexuellen Missbrauch, Pornografie und für Frauen im Islam einsetzte. Sie versteht sich als unabhängige öffentliche Stimme von und für Frauen. EMMA wird von einem Team geleitet, erscheint zweimonatlich und befasst sich regelmässig mit Themen wie Ausbildung, Familie, Politik und Arbeitswelt sowie Kultur, Medien, Religion und Pornografie. Zudem thematisiert sie immer wieder selbstkritisch die Kontroversen innerhalb der modernen Frauenbewegung und Themen wie «Missbrauch mit dem Missbrauch» und die Wehrpflicht für Frauen.

Im Fokus: Gleichstellung

Posted by corinne.broennimann

Sie engagiert sich im Initiativkomitee für die Individualbesteuerung: Alt-Bundesrätin Ruth Metzler-Arnold unterstützt das Begehren, Frauen und Männer unabhängig von ihrem Zivilstand zu besteuern – mit dem Ziel, positive Anreize für berufstätige Frauen zu schaffen.

Am 28. Februar 2016 wurde die Volksinitiative der CVP für die Abschaffung der Heiratsstrafe knapp abgelehnt. Die steuerliche Benachteiligung von Doppelverdiener-Ehepaaren war somit noch nicht vom Tisch. Seitdem scheint das Thema in Vergessenheit geraten zu sein, doch Tatsache bleibt, dass sich die Familienmodelle sowie die Erwerbstätigkeit der Frauen in den letzten Jahrzehnten massgeblich verändert haben. «Das heutige Steuersystem reflektiert diese Entwicklung keineswegs. Bereits in den 90er Jahren hat der Bundesrat dies erkannt, weshalb er die Expertenkommission ‹Familienbesteuerung› eingesetzt hat», sagt die ehemalige Bundesrätin Ruth Metzler-Arnold. Zu jener Zeit war sie als Vertreterin der kantonalen Finanzdirektoren Mitglied dieser Kommission, welche bestrebt war, auch die Individualbesteuerung als geeignete Alternative darzustellen. Nachdem nun aber sämtliche Projekte zur Reform der Familien- und Ehepaarbesteuerung gescheitert sind, wagt die ehemalige Magistratin zusammen mit den FDP-Frauen einen neuen Anlauf in Form einer Volksinitiative zur Einführung der Individualbesteuerung, die zum 50-Jahr-Jubiläum des Frauenstimmrechts am 8. März dieses Jahres lanciert wurde.

WOMEN IN BUSINESS: Ruth Metzler-Arnold, wie kam es zu Ihrem Engagement, was die erwähnte Initiative betrifft?
Ruth Metzler-Arnold: Das heutige System der Besteuerung von Doppelverdiener Ehepaaren führt nicht nur zu starken Benachteiligungen, sondern hat vor allem zur Folge, dass Frauen und Männer ihre steuerliche Unabhängigkeit verlieren. Auf eigenen Füssen stehen zu können, war mir persönlich immer ein wichtiges Anliegen und motiviert mich zusätzlich, die Individualbesteuerung ins Zentrum zu rücken. Dadurch kann die Rollenverteilung innerhalb der Familie auf einer neuen Grundlage diskutiert werden. Unser aktuelles Steuersystem auf Bundesebene erschwert die vollständige Gleichstellung von Mann und Frau.

Die Frauen sollen also durch eine Heirat nicht zum Anhängsel des Mannes in Bezug auf die gemeinsame Steuererklärung werden?
Genau. Ich betrachte die Ehe nicht als Versicherung für sämtliche Lebenslagen. Es ist sinnvoll, das Leben selbst in die Hand zu nehmen, zumal man nie wissen kann, in welche Richtung sich eine Partnerschaft entwickelt. Frauen sollten auch bewusst eine eigene berufliche Vorsorge aufbauen und sich nicht darauf verlassen, dass bei einer allfälligen Scheidung das hauptsächlich vom Ehemann angehäufte Vorsorgekapital aufgeteilt wird.

Die Mitte will das Problem mit einer eigenen Heiratsstrafe-Initiative beheben. Wie gehen Sie mit dem Vorwurf um, Ihrer eigenen Partei in den Rücken zu fallen?
Ich habe auch seitens meiner Partei sowie von Menschen unterschiedlicher Generationen viel Zuspruch erhalten. Allerdings nehme ich an, dass sich nicht alle Parteikolleginnen und -kollegen über mein Engagement freuen. Ob die Mitte eine entsprechende Initiative lancieren wird, ist noch offen. Diese engagiert sich für die Abschaffung der Heiratsstrafe im Zusammenhang mit Sozialversicherungen. Ausserdem unterstütze ich kein Konkurrenzprojekt. Vielmehr existiert derzeit nur die Initiative der FDP-Frauen.

Ist die Beseitigung steuerlicher Fehlanreize das wirksamste Mittel, um die Gleichstellung voranzutreiben?
Diese stellt ein wesentliches Element dar, doch weitere Fortschritte insbesondere in Bezug auf die Vereinbarkeit von Familie und Beruf müssen erzielt werden. Die Individualbesteuerung ist der zielführendste Weg, um die steuerliche Ungleichbehandlung endlich aus der Welt zu schaffen. Dadurch kann das Vertrauen in das Steuersystem wieder gestärkt werden.

Die Politik scheint sich diesbezüglich in Zurückhaltung zu üben. Ein erster parlamentarischer Vorstoss zur steuerlichen Gleichbehandlung von Ehe- und Konkubinats-Paaren scheiterte bereits 1984. Wie ist dieser Widerstand zu erklären?
Die zu erwartenden Steuerausfälle und andere politische Prioritäten sind sicherlich wesentliche Gründe, dass bisher keine mehrheitsfähige Vorlage zustande gekommen ist. Auch der Bundesrat hat schon in den 90er Jahren den Handlungsbedarf erkannt und die Expertenkommission «Familienbesteuerung» eingesetzt, um die Benachteiligung von Konkubinats- und Doppelverdiener-Ehepaaren gegenüber Alleinverdiener-Ehepaaren auszugleichen.

Stellen insbesondere die gesetzliche Umsetzung sowie der administrative Aufwand eine Schwierigkeit dar?
Der Umstellungsaufwand ist bestimmt nicht zu unterschätzen, aber dieser ist einmalig und nicht wiederkehrend. Fakt ist: Frauen und Männer, die ins Erwerbsleben eintreten, werden individuell besteuert, solange kein Trauschein oder keine eingetragene Partnerschaft vorhanden ist. Die Individualbesteuerung führt zwar zu mehr Steuererklärungen, weil Ehepaare deren zwei einreichen müssen. Aber die Inhalte, unter anderem die Löhne und Abzüge, bleiben dieselben. Die grosse Arbeit besteht ja darin, die notwendigen Steuerunterlagen zusammenzutragen und zu prüfen. Ich bin überzeugt, dass die Digitalisierung immer mehr dazu beitragen wird, die Administration zu vereinfachen.

Können die bislang nicht berufstätigen Akademikerinnen dadurch ermutigt werden?
Mit Sicherheit. Es gibt heute negative Anreize. Verschiedene Studien kommen zum Schluss, dass mehrere zehntausend Personen, darunter vorwiegend Frauen, zusätzlich in den Arbeitsmarkt integriert werden könnten. Wie viele es tatsächlich sein werden, hängt von der Ausgestaltung des künftigen Steuersystems ab. Bei einer gemeinsamen Veranlagung mit Vollsplitting wäre der steuerliche Anreiz geringer als bei der Individualbesteuerung. Wird diese eingeführt, dürften die besser Verdienenden und damit die besser Ausgebildeten profitieren, zumal diese meist frei entscheiden können, wie viel sie arbeiten möchten. Wir benötigen aber auch mehr Tagesschulen, Kitas, flexiblere Arbeitszeiten und bessere Teilzeitarbeit-Möglichkeiten.

Die weniger gut qualifizierten Frauen haben demnach das Nachsehen.
Das kann man so nicht sagen. Die direkte Bundessteuer ist für Menschen mit tieferen Löhnen kaum ein Thema. Insbesondere Personen mit einem guten Zweiteinkommen müssen oft finanziell «bluten». Ich stamme aus einer CVP-Familie. Meine Mutter war immer teilzeiterwerbstätig, und entsprechend war ich für dieses Thema früh sensibilisiert. Mein Vater hatte sich immer für eine Veränderung der Familienbesteuerung ausgesprochen. Da aber bisher auf Bundesebene schlicht nichts passiert ist, unterstützt auch er die Initiative zur Individualbesteuerung.

Die Gegner befürchten, dass die Reform das traditionelle Familienmodell benachteiligt. Was sagen Sie dazu?
Ich finde es seltsam, dass man die Ehe in Gefahr sieht, wenn steuerliche Privilegien im Vergleich zu unverheirateten Paaren abgeschafft werden sollen. Ich habe auch geheiratet, obwohl mein Mann und ich uns der steuerlichen Folgen sehr bewusst waren. Wer das traditionelle Familienmodell der Alleinverdiener leben möchte, soll mit oder ohne Trauschein gleichbehandelt werden. Bezüglich Thema Unterhaltszahlungen hat das Bundesgericht übrigens durch eine Praxisänderung einen grossen Schritt in dieselbe Richtung gemacht, indem geschiedenen Frauen vermehrt zugemutet wird, wieder selber für ihren Unterhalt aufzukommen – auch wenn sie während der Ehe nicht erwerbstätig waren. Schwierig finde ich allerdings, dass dieser an sich begrüssenswerte Schritt kommt, bevor die Rahmenbedingungen für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie klar gegeben sind.

Apropos Veränderungen: Sie setzen sich auch für mehr Frauen in Führungspositionen ein. Wie kann dieses Vorhaben erfolgreich umgesetzt werden?
Diversität ist nicht Selbstzweck, sondern fördert Exzellenz, Leistungsfähigkeit und Entscheidungsqualität. Die Evaluation der Kandidatinnen und Kandidaten sollte stärker auf Expertise und Potential für die Zukunft basieren, das heisst auch auf Werte, Kultur und Verhaltensweisen ausgerichtet sein. Die bisherige Erfahrung steht nicht mehr alleine im Vordergrund. Neben den grundlegenden Fähigkeiten müssen die für die Zukunft massgebenden Kriterien ein stärkeres Gewicht in der Beurteilung erhalten, was auch dazu führen würde, dass sich der Kandidatinnenkreis öffnen könnte.

Müssten sich die Frauen entschiedener zu Wort melden?
Sie sollten sich mehr zutrauen. Aber vor allem benötigen wir in diversen Organisationen und Unternehmen einen Kulturwandel, indem nicht nur Frauen, sondern auch Andersdenkende ausreichend berücksichtigt werden. Die unbewusste Voreingenommenheit existiert nach wie vor. Auch ist ein internes Talentmanagement notwendig, welches Frauen fördert. Es kann nicht sein, dass die weiblichen Führungskräfte nur auswärts gesucht werden.

Lautet das Zauberwort in diesem Zusammenhang auch: bessere Vernetzung?
Im Rahmen von Veranstaltungen beispielsweise treffe ich nach wie vor eher wenige Frauen an. Auch habe ich oft den Eindruck, dass kurze Kontakte und das Verteilen von Visitenkarten bei möglichst vielen Anwesenden wichtiger erscheint als gute Gespräche mit weniger Personen.

Werden Sie aufgrund Ihrer politischen Vergangenheit im männerdominierten Verwaltungsrat besonders geachtet oder kann diese auch erschwerend sein?
Ich kenne beide Seiten: Einerseits grossen Respekt, auch, was meine Aussagen betrifft, sowie andererseits Menschen, die nicht sonderlich begeistert sind, wenn sich eine ehemalige Politikerin in der Wirtschaftswelt bewegt, weil sie davon ausgehen, dass diese keine Ahnung hat. In den ersten Jahren nach meiner Bundesratszeit habe ich manchmal gemerkt, dass mein Name mehr im Vordergrund stand als meine Fähigkeiten. Ich wollte jedoch nicht für den Rest meines Lebens nur auf mein ehemaliges Magistratenamt reduziert werden, sondern aufgrund meiner anderen und vielfältigen Kompetenzen Beachtung finden. Zwar bin ich Teil der politischen Geschichte der Schweiz, aber eben nicht nur. Ich sehe mich auch als Brückenbauerin zwischen Politik und Wirtschaft, da mir beide Bereiche sehr vertraut sind.

Sie waren die jüngste Bundesrätin aller Zeiten. Welche Bilanz ziehen Sie mittlerweile?
Inzwischen bewegen sich immer mehr jüngere Minister auf dem internationalen Parkett. Wenn sich frühzeitig eine berufliche Herausforderung ergibt und man den Eindruck hat, eine grosse Hürde meistern zu können, sollte man zupacken. Es besteht kaum die Chance, in zehn Jahren noch einmal gefragt zu werden. Zwar gehörte ich seinerzeit auch zu den unerfahrenen Regierungs- und Bundesrätinnen, doch reizte mich gleichzeitig das berufliche Neuland. Deshalb sage ich jungen Menschen immer: «Ihr könnt euer Leben zwar ein Stück weit vorausplanen, aber ihr müsst darauf achten, dass ihr die Chancen nicht verpasst. Es braucht Mut, sich neuen Situationen zu stellen und aus der Komfortzone herauszutreten. Aber es lohnt sich, etwas zu wagen.

Zur Person
Ruth Metzler-Arnold wurde am 23. Mai 1964 in Sursee LU geboren und wuchs in Willisau im Kanton Luzern auf, wo sie die Schulen besuchte. Anschliessend studierte sie Rechtswissenschaften an der Universität Freiburg i. Ue. Die diplomierte Wirtschaftsprüferin und frühere Finanzdirektorin des Kantons Appenzell wurde 1999 als jüngste Bundesrätin gewählt. 2003 wurde sie von Christoph Blocher aus der Landesregierung verdrängt, wo sie das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement führte. Später übernahm sie Führungsfunktionen bei Novartis und ist derzeit Präsidentin bzw. Mitglied verschiedener Verwaltungs und Stiftungsräte sowie Inhaberin von METZLER Strategie, Führung und Kommunikation AG. Die 56-jährige ist in zweiter Ehe verheiratet und lebt in Appenzell.

«Schwerkraft der Träume»

Posted by corinne.broennimann

Lavinia Heisenberg ist theoretische Physikerin, arbeitet und forscht an der Verbesserung von Einsteins Relativitätstheorie. Ein grosser Brocken, an den sich die 37-Jährige wagt. Und sie will noch höher hinaus: Ende März hat sie bei der Europäischen Weltraumorganisation ESA ihre Unterlagen eingereicht, um sich als ESA-Astronautin zu bewerben.

Nach über einem Jahrzehnt hat die ESA im März ein neues Rekrutierungsverfahren für künftige Astronautinnen und Astronauten gestartet. Die Stellen sind begehrt und die zu erfüllenden Anforderungen taff. Beim letzten Rekrutierungsverfahren gab es 10 000 Kandidaten – für gerade einmal vier Stellen. Doch genau auf diese Gelegenheit hat Lavinia Heisenberg gewartet. Ins All zu fliegen, war schon immer ihr Traum. Träumerei allein liegt der 37-Jährigen aber nicht. Heisenberg ist Professorin an der ETH in Zürich. Die junge Forscherin hat bereits eine beeindruckende Liste an Publikationen veröffentlicht. Mit ihrer Forschungsgruppe versucht Heisenberg, Einsteins bekannte Relativitätstheorie zu verbessern. Damit wagt sie sich auf heikles Terrain. Schliesslich geht es um die Theorie von Albert Einstein persönlich. Als Frau in der Wissenschaft weiss sie aber, wie mit Widerständen umgehen und möchte anderen Frauen umso mehr ein Vorbild sein.

WOMEN IN BUSINESS: Frauen sind in der Wissenschaft in führenden Positionen nach wie vor in der Minderheit. Woran liegt das und wie schwierig ist es, sich als Frau in der Wissenschaft durchzusetzen?
Lavinia Heisenberg: Leider gleichen sich die gesellschaftlichen Geschlechterunterschiede nur langsam aus. In den meisten Köpfen gibt es nach wie vor versteckte, teils unbewusste Vorurteile über die Fähigkeiten der Frauen – vor allem in den Bereichen Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik. Selbst heutzutage ist eine wissenschaftliche Karriere für Frauen schwierig – oder zumindest härter als für Männer. Hinzu kommt, dass Frauen sich oftmals schlechter verkaufen als Männer. Da schliesse ich mich mit ein. Ich merke selbst, in einer grossen Diskussionsrunde mit lauten, selbstbewussten Männern werde ich automatisch leiser, beobachte lieber und ziehe mich zurück. Daran können und müssen wir arbeiten. Doch dass das Selbstvertrauen von Frauen oftmals schwächer ist als das von Männern, kommt nicht von Ungefähr. Es hängt stark von der Gesellschaft und der Erziehung ab. Es braucht noch etwas Zeit und Vorbilder, bis sich das in den Köpfen ändert.

Und doch haben Sie einen eindrücklichen Werdegang hingelegt.
Heute bin ich überzeugt, dass es ohne meinen starken Willen nicht immer möglich gewesen wäre, nach vorne zu blicken und weiterzumachen. Ich musste mich oft wieder auf die Füsse hieven. Doch wo ein Wille ist, ist auch ein Weg.

Was ist Ihr grösster Antrieb zu forschen?
Seit meiner Kindheit bin ich von Neugier und Wissbegierde getrieben. Soweit ich mich erinnern kann, wollte ich immer verborgene Ursachen entdecken. Die Vielfalt der Natur, ihre Farben und Strukturen haben mich fasziniert, ich wollte sie verstehen und analysieren. Ganz besonders haben es mir die Vielfalt astrophysikalischer Phänomene und die Dynamik des gesamten Universums angetan. Heute forsche ich täglich in diesem Bereich.

Was können Sie anderen Frauen aus Ihren Erfahrungen mit auf den Weg geben?
Sie müssen an sich glauben und nicht so leicht aufgeben. Selbstzweifel ist der grösste Feind. Sie sollen verschiedene Dinge ausprobieren, neue Fähigkeiten entwickeln und so Selbstbewusstsein aufbauen. Ein starker Wille ist wichtig. Und noch wichtiger ist es, träumen zu dürfen. Natürlich spielen Vorbilder eine wichtige Rolle. So, wie ich zu meiner Doktormutter aufschauen konnte oder heute von der Rektorin der ETH, Sarah Springman, profitiere, versuche ich, jungen Studentinnen denselben Rückhalt zu geben. Ich möchte sie gerade zu Beginn an der Hand nehmen, weil es für die ersten Schritte immer am meisten Mut braucht.

Sie forschen zur Schwerkraft, zu den fundamentalen Gesetzen der Bewegung in der Natur. Können Sie eine Brücke schlagen zur profanen Alltagsmobilität?
Im Vergleich zu unserer Alltagsmobilität sind die kosmischen Entfernungen so gross, dass wir sie uns schwer vorstellen können. Das nächste Sonnensystem ist 4,3 Lichtjahre entfernt. Mit unseren momentan schnellsten Raketen würden wir 650 Jahre brauchen. Wenn wir Lichtgeschwindigkeit erreichen könnten, dann würden wir nur 4,3 Jahre brauchen. Wer weiss, ob wir einmal solche Geschwindigkeiten erreichen können. Dafür müssten die Fahrzeuge den Raum selbst verändern können. Das mag im ersten Moment abstrakt klingen, aber genau darum geht es vereinfacht gesagt in Einsteins Relativitätstheorie – um die Veränderung des Raum-Zeit-Kontinuums.

Können Sie sagen, inwiefern Ihre Ergebnisse zu einer verbesserten oder neuen Art von Mobilität beitragen?
Es ist leider so, dass Grundlagenforschung in der Regel nicht sofort eine Anwendung für die Menschheit hat. Als Einstein damals seine Theorie der Schwerkraft entwickelte, war kein Bedarf oder keine direkte Anwendung vorhanden. Heute, 100 Jahre später, könnten wir ohne seine Theorie und GPS-Geräte kaum mehr auskommen. Könnten wir Einsteins Theorie weiter verbessern, würde das sicher Einsichten auf neue Energieformen oder Transportmöglichkeiten geben. Man kann sich die Veränderung des Raum-Zeit-Kontinuums mit einem Luftballon mit Punkten vorstellen. Wenn man diesen aufbläst, werden die Abstände zwischen den Punkten grösser, obwohl die Punkte am selben Ort bleiben. Ändern sich also Raum und Zeit selbst – so wie beim Luftballon – können sich Objekte schneller bewegen, ohne sich in der Tat schneller fortbewegen zu müssen. Würden wir also eine Technologie entwickeln, die dieses Raum-Zeit-Kontinuum beeinflussen könnte, würden wir andere und vor allem schnellere Transportmittel entwickeln. Das ist aber Zukunftsmusik.

Abschliessend von der Alltagsmobilität zur Raumfahrt: Ihr Traum ist es, Astronautin zu werden und ins All zu fliegen. Was fasziniert Sie so sehr daran?
Der Wunsch ins Weltall zu fliegen, hat meinen gesamten Werdegang geprägt. Natürlich wäre es sehr schön und bereichernd, die Schwerelosigkeit zu erleben. Aber es steckt viel mehr dahinter. Als Wissenschaftlerin sehe ich mich in der Pflicht, die Grenzen des menschlichen Wissens voranzutreiben. Darüber hinaus würde ich damit gerne junge Menschen inspirieren und vor allem junge Frauen motivieren, eine naturwissenschaftliche Laufbahn einzuschlagen.

  Women in Business-Community
und She’s Mercedes

Ob im Raumschiff oder doch etwas alltäglicher im Auto unterwegs: Mobilität prägt unser Leben. Die Frage, wie wir uns in Zukunft sicher, effizient und umweltfreundlich fortbewegen, beschäftigt viele von uns – auch die Initiative She’s Mercedes von Mercedes-Benz. Sie ermöglicht es Frauen in über 70 Ländern, in Kontakt zu kommen, voneinander zu lernen und sich gegenseitig zu stärken. In der Schweiz widmet sich She’s Mercedes in der Eventreihe «The Holistic Lifestyle Experience» den vier Kernthemen Move, Mind, Body und Nutrition. Als Partnerin von She’s Mercedes stellt WOMEN IN BUSINESS künftig in jeder Ausgabe eine Pionierin aus einem dieser vier Themenbereiche vor. Ganz im Sinne unseres Anliegens spannende Frauen und ihre herausragenden Werdegänge zu würdigen, ihre Erfahrungen aufzuzeigen und sie gleichzeitig als Inspirationsquelle zu nutzen.

Mehr zum Magazin und zu den Events von She’s Mercedes in der Schweiz finden Sie im Newsletter mercedes-benz.ch/shesnewsletter-de sowie unter mercedes-benz.ch/shes.

 

Männersicht André Lüthi

Posted by corinne.broennimann

Die grüne Mode Revolutionärin

Posted by WOMEN IN BUSINESS

Stella McCartney hat das Thema Nachhaltigkeit in die Modebranche gebracht, als ihre Kollegen zwischen London, Paris und Mailand darüber noch die Nase rümpften. Mit einer Mischung aus Forscher- und Kreativgeist beschreitet die britische Designerin seit fast 20 Jahren konsequent Neuland.

Jeden Frühling, Sommer, Herbst und Winter bereitet Mode von Neuem Lust; Lust auf sinnliche Materialien, auf neue Schnitte und Farben. Sie kommuniziert über Codes und Chiffren, was wir ausstrahlen wollen. Doch in den letzten Jahren sorgt das sich immer schneller drehende Modekarussell auch für ein schlechtes Gewissen. Gebrandmarkt als einer der Hauptfaktoren für umweltschädliches Wirtschaften, hat die Industrie ein Reputationsproblem. Selbst Stella McCartney, mit ihrem Designlabel in Sachen umweltbewusste Mode eine Vorreiterin, hielt kürzlich in einem Interview mit der britischen Vogue fest: «Wir haben einen Produktionsrhythmus, den wir viel zu lange nicht hinterfragt haben.»

Ein Report der Ellen MacArthur Foundation zeigt auf, dass jedes Jahr von den 53 Millionen Tonnen neu produzierten Textilfasern 73 Prozent auf der Müllkippe landen – jede Sekunde ein ganzer Müllwagen voll. Die Zukunft sieht noch düsterer aus: Angetrieben durch eine rasant wachsende Mittelschicht in Asien, werden sich die Kleiderberge bis zum Jahr 2050 sogar noch mehr als verdreifachen – und damit entfallen dann rund ein Viertel des jährlichen Kohlenstoffbudgets der Welt allein auf Kleider.

Stella McCartney war der erste vegetarische Luxusbrand der Welt, der Umweltverantwortung ins Zentrum ihres Wirkens stellte. Nach der Gründung ihres eigenen Labels 2001 begann McCartney, in kleinen Schritten Mode zu kreieren, die nachhaltigen, ethischen Prinzipien folgte. Für Natur, für Tierschutz, gegen Pelz stand die britische Mode-Kreateurin schon ein, als andere dies in der Modebranche für nicht durchsetzbar hielten. Die Suche nach Alternativen zu Leder war der Beginn ihres forschenden Ansatzes. Zusammen mit ihrem Produktentwicklungsteam ist sie ständig auf der Suche nach neuen Materialien, arbeitet etwa mit einer Firma aus San Francisco, die Seidenfäden im Labor züchtet, anstatt Seidenwürmer zu töten. Sie verwendet Kunststoffe, die aus Plastikabfällen aus dem Meer zurückgewonnen und zu neuen Materialien verarbeitet werden. Stella McCartney rühmt sich, das einzige Luxusmodehaus zu sein, das Viskose aus nachhaltiger Forstwirtschaft verwendet.

Als sie 2004 ihre langjährige Kollaboration mit Adidas begann, verzichtete sie auf Leder. Sie setzte erneuerbare Energien ein, das erste Parfum STELLA wurde ohne Tierversuche hergestellt. 2007 war Stella McCartney der erste grosse Luxusbrand, der überschüssiges Inventar auf der Plattform The RealReal verkaufte. Von Gleichgesinnten innerhalb der Luxusmodebranche waren solche hehren Ziele lange als unerreichbar abgestempelt. Doch heute kann Stella McCartney auf eine 18-jährige Erfolgsgeschichte an Innovationen zurückblicken.

Weil die Mode auch von der Show lebt, versteht sie es aber auch, ihr umweltpolitisches Credo immer wieder medienwirksam in Modeshootings und Modeschauen einzuspeisen, etwa, als sie vor ein paar Jahren ihre Models auf einer dampfenden, übelriechenden Mülldeponie in Irland posieren liess. Ihre Ready-toWear-Collection 2021 sendet aktuell ihre grüne Message inmitten der Pandemie. Per Video aus den Gärten von Houghton Hall in Norfolk übertragen, sah man Models in luftig-leuchtenden pinkfarbigen Kapuzenkleidern, mit Muscheln bedruckten Kleidern, schlichten crèmefarbenen Hosenanzügen und smarten Safari-Deux-Piece im Uniform-Look zu wilder Musik um die kreisrunde Installation aus Schiefergestein – einer Installation namens «Full Moon Circle» von Richard Long – stampfen und über das üppige Grün paradieren. Das alles wirkte wie ein heidnisches Ritual, in welchem wieder in die Freiheit entlassene, post-pandemische Wesen ein neues Verhältnis Mensch, Mutter Natur und Kosmos beschworen. Aber es hatte auch die Edgyness, die sonst Ökolabels fehlt.

Tatsächlich ist es McCartney zuzuschreiben, das Thema Nachhaltigkeit nicht nur mit Verantwortung, sondern auch mit Kreativität und Sex-Appeal aufgeladen zu haben. Der populären Verbreitung ihres Brands war gewiss nicht hinderlich, dass sie mit Kate Moss, Madonna und Gwyneth Paltrow befreundet ist und ihr Vater der Beatles-Musiker Paul McCartney ist. Während einige Modehäuser in den letzten Jahren ebenfalls auf den Nachhaltigkeits-Zug aufgesprungen sind, gilt McCartney als die ernsthafteste und konsequenteste Verfechterin in der Industrie. Caroline Rush, Chief Executive des British Fashion Council, bezeichnet sie als «eine wahre Innovatorin». Sie habe innerhalb der gesamten Modeindustrie ein Bewusstsein für Nachhaltigkeit geschaffen und sei eine Inspiration für die Branche und für zukünftige Generationen.

Die Zeit der Pandemie hat aber auch Stella McCartney nochmals zur vertieften Reflexion veranlasst. Sie stellte ein ABC ihres Wertesystem auf und lud Künstler dazu ein, die Begriffe zu visualisieren. Daraus entstand ein Manifest, dem ihre neue Kollektion, ihr Team, ihr Haus treu sein sollen. Von A für accountable, also verantwortlich, C für conscious, bewusst, o für organisch bis zu t für timeless, zeitlos und v wie vegan. Das alles könnte auch als kreativer Marketing-Gag abgetan werden, stünde dahinter nicht das über viele Jahre gewachsene Credo, dem die Arbeitsweise des Labels folgt. Für Transparenz sorgt der im letzten Herbst veröffentlichte Stella McCartney Eco Impact Report, der die Umweltkosten und Lieferketten des Brands in Grafiken und Karten darstellt. Stella McCartney hat sich auf die Fahne geschrieben, langsamer in den Produktionszyklen zu werden, und sich rascher und dezidierter in Richtung Zirkularwirtschaft und erneuerbarer, naturbasierter Materialien hinzubewegen. Das Ganze liest sich wie ein öko-politisches Manifest: «Wir glauben, dass es unsere Pflicht ist, unsere Stimme und unsere Plattform einzusetzen, um kritische Themen ins Blickfeld zu rücken und unseren Fortschritt zu teilen», heisst es da. Es wurden neue Compliance-Standards für Lieferanten festgelegt und zudem eine Absichtserklärung gemacht, die Rechte der Arbeiter zu schützen. Erneuerbare Landwirtschaft, Abbau von CO2, Unterstützung lokaler Gemeinschaften, Meiden von stark belasteten Materialien: Das tönt alles gut, aber wie sieht das in die Praxis umgesetzt aus?

Mit der Berechnung der Umweltkosten zeigte sich etwa, dass Kaschmir, obwohl er nur 0,1 Prozent aller verwendeten Materialien ausmachte, für 42 Prozent der gesamten Umweltauswirkungen verantwortlich war. Diese Erkenntnis führte zum Entscheid, kein reines Kaschmir mehr zu verwenden, sondern stattdessen rezikliertes Kaschmirgarn. Die Menge an recyceltem Polyester wurden in den letzten Jahren um 40 Prozent erhöht, da es einen 75 Prozent geringeren CO2-Fussabdruck aufweist als neues Polyester und bis zu 90 Prozent weniger Wasser verbraucht. Und in ihrer neuen Kollektion sind einige der neuen Designs tatsächlich komplett rezykliert aus Überbeständen von Textilien. Während des ersten Lockdowns in London ging die Designerin nämlich mit ihrem Team in ihr Lager. Da lagerten Textilien und Spitzen früherer Kollektionen, die sie aussuchten, um daraus neue Kleider zu fertigen. Sie werden jetzt in limitierter Edition verkauft.

Upcycling ist gemäss der britischen Vogue der grösste Frühling-/Sommer-Trend 2021. Hatten einige trendige Jungdesigner alte Textilien schon vorher zu neuen Designs verarbeitet, lancieren jetzt auch – der Not gehorchend – Luxus-Brands wie Balenciaga, Marni, JW Anderson und Miu Miu Upcycling-Kollektionen, darunter Patchwork-Mäntel, Gewebe aus Schuhbändeln, neu geschneiderte Kleider aus Vintage-Stücken. Kein Wunder: Mit der Pandemie gibt es einen Inventarüberschuss der Frühling-/Sommer-Kollektionen des Jahres 2020 im Wert von rund 150 Milliarden Euro – dem Doppelten der Vorjahre. Gewöhnlich wurde bisher unverkaufte Ware verbrannt oder von Luxusbrands weggeworfen, um ihren Brandwert zu erhalten. Dies ist seit letztem Jahr in Frankreich verboten.

Für Stella McCartney ist das alles nur Bestätigung, dass sie seit Jahren auf dem richtigen Weg ist. Früh nahm sie auch Kunstpelze aus komplett organischen Fasern in ihre Kollektionen auf. In der Kollaboration mit Adidas legte sie 2019 den Kult-Sneaker von Stan Smith aus veganem Leder auf, wobei alle Klebstoffe durch tierfreie Alternativen ersetzt wurden. Sämtliche Denim- und Jerseyteile der Frühjahrskollektion 2021 sind zu 100 Prozent organisch, ohne giftige Chemikalien hergestellt und mit bis zu 70 Prozent weniger Wasser als gewöhnliche Baumwolle. Schwimmund Unterwäsche sind aus dem neuartigen Material Econyl produziert, das aus rezyklierten Fischernetzen besteht. Es wird ohne Abfall hergestellt, weil das Material ohne Nähte geformt werden kann. Damit wird verhindert, dass tonnenweise neues Nylon in die Industrie gefüttert wird. Und weil die Stücke multifunktional sind, sollen sie Konsumentinnen dazu anregen, weniger zu kaufen.

Flip-Flops sind zu 50 Prozent aus Abfallmaterialien produziert. Biotechnisch hergestellte Spinnenseide, veganes Leder aus Pilzen, rezykliertes Plastik aus den Ozeanen sind weitere Beispiele. Anstatt erdölbasierter Kunststoffe, giftiger Farbstoffe, chemischer Bleichmittel und Stoffausrüstungen sowie durstige, käferliebende Pflanzen wie Baumwolle will man die Modefans auf einen weniger giftigen Weg bringen.

Zentral für McCartney ist Finden und Zusammenarbeiten mit Lieferanten, meistens Start-ups, die auf neuartige, grüne Technologien setzen. Sie seien für ihre Mode mindestens so wichtig wie das Design selbst. Aber auch das ABC des Handwerks ist wichtig: Sie hat es schliesslich bei den Schneidern der Savile Row von der Pike auf gelernt. Der Fokus auf Zeitlosigkeit und die gute Qualität der Materialien ist ihr seither als Credo geblieben.

Sie liebe die forschende Seite, die mit dem Suchen nach neuen Materialien und Prozessen einhergehe, sagt McCartney. Und es gehe schliesslich dabei nicht nur um die Zukunft der Mode, sondern um die Zukunft von uns allen. Trotz allem: Stella McCartney will ihre Kundinnen nie über das schlechte Gewissen erreichen, sondern über smartes, entspanntes, feminines Design. «Es geht nicht um Schuld, es geht um Genuss».

Über Stella McCartney

Stella McCartney wurde 1971 geboren, ihre Eltern sind der Beatles-Musiker Paul McCartney und die Fotografin und Tierrechtsaktivistin Linda McCartney. Nach einem Praktikum bei Christian Lacroix in Paris studierte sie am Central Saint Martins College of Art and Design in London. An ihrer Abschlussshow lief ihre Freundin, das Supermodel Kate Moss. 1997 wurde sie Chefdesignerin bei Chloé in Paris. 2001 gründete sie ihr Label Stella McCartney in einem 50/50 Joint Venture mit der Gucci-Gruppe, seit 2004 kooperiert sie mit Adidas. 2007 wurde sie an den British Fashion Awards zum Designer des Jahres gekürt. 2012 stattete sie die gesamte britische Olympia-Mannschaft aus. Die überzeugte Vegetarierin propagierte 2009 die McCartney Meat Free Mondays, um die Gesundheit zu fördern und den CO2-Ausstoss zu vermindern. Sie wurde mit vielen Preisen geehrt, u.a. dem der Natural Resources Defense Council. Sie hat weltweit 51 Boutiquen, nebst London u.a. in New York, Los Angeles und Tokio; ihre Kollektionen werden in über
77 Länder exportiert. 2018 designte sie Meghan Markles Hochzeitskleid. Stella McCartney ist mit dem Design-Unternehmer und Kreativdirektor von Hunter Bood, Alasdhair Willis, verheiratet und hat vier Kinder zwischen 9 und 15.

NEUTRALITÄT als Chance

Posted by corinne.broennimann

Die ehemalige Bundesrätin und Aussenministerin Micheline Calmy-Rey befürwortet eine moderne Interpretation der Schweizer Neutralität. In ihrem neuen Buch stellt sie die Frage, wie sich diese zukunftsträchtig gestalten liesse und inwiefern sie auch als Inspiration für die Europäische Union dienen könnte.

Neutralität dürfe keine Abkapselung von der Weltpolitik bedeuten, sagt Micheline CalmyRey, Alt-Bundesrätin und heutige Professorin am Global Studies Institute der Universität Genf: «Vielmehr sollte die Schweiz den Nutzen der Neutralität immer wieder unter Beweis stellen.» Während acht Jahren vertrat die gebürtige Walliserin als erste weibliche Vorsteherin des Eidgenössischen Departements des Äusseren (EDA) die Schweizer Interessen und galt als engagierte Kämpferin für ein offenes Land, das sich als Teil Europas versteht. Mit ihrem Eintreten für eine so genannte aktive Neutralität versuchte sie, die Schweiz in eine neue Richtung zu bewegen, indem sie auf die Möglichkeit hinwies, einen nicht ständigen Sitz im UNO-Sicherheitsrat zu beantragen. Eine entsprechende Kandidatur, welche im Juni nächsten Jahres stattfinden soll, betrachtet die ehemalige Magistratin als reelle Chance, die Handlungsmöglichkeiten zu erweitern und noch aktiver zur zivilen Friedensförderung beizutragen.

WOMEN IN BUSINESS: Micheline Calmy-Rey, Sie haben ein neues Buch mit dem Titel «Die Neutralität» veröffentlicht. Wie kam es dazu?
Micheline Calmy-Rey: Seit 2012 lehre ich Internationale Beziehungen und Schweizer Aussenpolitik am Global Studies Institute der Universität Genf. Seit geraumer Zeit habe ich mir überlegt, wie ich meinen Studentinnen und Studenten das Prinzip der Neutralität noch ausführlicher erklären könnte. Da es sich um komplexes Thema handelt und mein Terminkalender prall gefüllt ist, stellte der Schreibprozess eine zeitliche Herausforderung dar. Die Neutralität liegt mir sehr am Herzen, und umso wichtiger war es für mich zu zeigen, dass diese nicht überholt ist.

In der Tat wird die Neutralität hin und wieder mit Feigheit und Gleichgültigkeit gleichgesetzt. Wie kann diese gewinnbringend umgesetzt werden?
Die Neutralität dient dem inneren Zusammenhalt und verleiht der Schweiz durch ihr humanitäres Engagement, einer Politik des Dialogs, der Friedensförderung und der Verteidigung des Völkerrechts eine besondere Rolle. Allerdings hat sich diese weiterentwickelt, um den globalen Herausforderungen begegnen zu können. Die Schweiz hat nicht den Schritt einer Nation vollzogen, und das war auch gar nicht möglich, weil sie zu vielfältig ist. Unser Modell lässt sich nicht vollständig auf die Europäische Union übertragen. Die Grundlagen und Prinzipien könnten jedoch ein Stück weit inspirierend sein.

Inwiefern?
Denken Sie nur an die Schlacht bei Marignano im Jahr 1515, eine bedeutsame Schlacht zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und dem Herzogtum Mailand einerseits, dem Königreich Frankreich und der Republik Venedig andererseits. Diese beendete eine Periode der schweizerischen Expansionspolitik und wird im historischen Rückblick als Beginn der Neutralitätspolitik betrachtet. Die Unstimmigkeiten zwischen den Verbündeten, die Schwäche der übergeordneten Instanzen, hatten eine Einigung über die Anzahl Söldner, die von jedem Bündnis zu stellen gewesen wären, verhindert. Stattdessen wurden auf freiwilliger Basis Truppen angeordnet und vor allem zu wenige. Hinzu kommt, dass nicht alle einen Krieg befürwortet hatten. Die damalige Situation der mehrsprachigen Schweiz lässt sich mit jener der EU vergleichen, respektive mit deren Clinch zwischen internen Führungsaufgaben und geopolitischer Positionierung.

Die Welt steht vor immer grösseren Herausforderungen. Armut ist ein ständiges Thema, und der Terrorismus stellt eine Bedrohung dar. Wie kann die ungenügend gerüstete internationale Gemeinschaft diese explosive Mischung entschärfen?
Die Lösung globaler Probleme ist ein Bestandteil der internationalen Sicherheitspolitik der Schweiz und deren Interessenwahrung. Diesbezüglich nehmen die Vereinten Nationen einen wichtigen Platz ein. Tatsache ist, dass die veränderten Kräfteverhältnisse zwischen den Grossmächten die Ausgangslage erschweren, aber das Fazit lautet trotzdem: Wir brauchen einen globalen und wirkungsvollen Ansatz, und dazu gehört der Multilateralismus, welcher meiner Meinung nach keine Gefahr für die Schweiz darstellt. Wir sind keine Grossmacht und deshalb an allgemeingültigen Regeln interessiert. Deshalb bin ich überzeugt, dass unsere Glaubwürdigkeit als neutrales Land zentral ist, was den Einfluss auf der Weltbühne betrifft.

Die Cyberattacken stellen ebenfalls eine bedrohliche Entwicklung dar. Lässt sich die schweizerische Neutralität auch in dieser Hinsicht einsetzen?
Die Fähigkeit, das digitale Ökosystem zu kontrollieren, hängt auch davon ab, wie es um die politische, militärische und wirtschaftliche Unabhängigkeit eines Landes bestellt ist. Alle Merkmale des Cyberspace sind gleichzeitig auch Herrschaftsmittel und Angriffsziele. Die digitale Revolution bringt die gängige Kriegsdefinition ins Wanken. Massive Cyberattacken wurden von der NATO als kriegerische Handlungen eingestuft, aber die internationale Rechtsordnung eignet sich nicht für solche Fälle. In dieser Hinsicht verfügen wir nicht über ein Völkerrecht. Demnach sind die politischen Instanzen gefragt, welche selbst entscheiden müssen, wie sie Krieg definieren und wie die Neutralität berücksichtigt werden soll.

Welchen Stellenwert hat die digitale Entwicklung in Ihrem Alltag?
Die sozialen Medien dienen mir in der Pandemiezeit dazu, Vorlesungen und Konferenzen durchzuführen. Die digitalen Entwicklungen bringen Chancen mit sich, aber die Tatsache, dass Cyberspace als Angriffsfläche benutzt wird, ist mehr als gefährlich.

Ist Macht heutzutage insbesondere mit der Fähigkeit verbunden, sich zu vernetzen?
Auf jeden Fall. Die Schweiz ist Kandidatin für einen nicht ständigen Sitz im UNO-Sicherheitsrat, welcher über Krieg und Frieden beschliesst. In diesem Gremium könnte sich die Schweiz besser vernetzen und eine globale Verantwortung übernehmen, die ihre Glaubwürdigkeit stärken würde. Das neutrale Schweden hat bewiesen, dass man im Sicherheitsrat Einfluss ausüben kann. Das ist auch in unserem Interesse, denn dadurch bekommen wir Zugang zu den Grossen dieser Welt.

Wie stehen die Chancen für unser Land?
Ich bin zuversichtlich. Natürlich existieren auch Gegenargumente. Beispielsweise wird immer wieder gesagt, dass die Schweiz nicht viel beitragen könne, weil die ständigen Mitglieder die wichtigen Entscheidungen durch ihr Veto ohnehin blockieren würden und sich die Schweiz aufgrund ihrer Unparteilichkeit immer wieder der Stimme enthalten müsse. Auch die Spaltung des UNO-Sicherheitsrats bei Krisen wie beispielweise in Syrien sind ein Thema. Es wird auch oft behauptet, die Neutralität müsse aufgegeben werden, weil der Sicherheitsrat über Krieg und Frieden beschliesst, aber bis Ende 2019 hat dieser rund 2500 Resolutionen verabschiedet und in lediglich vier Fällen bewaffnete Gewalt angeordnet. Der Rat handelt in überwiegender Anzahl nicht militärisch, sondern politisch im Auftrag der Weltgemeinschaft. Genau das macht den Unterschied zum klassischen zwischenstaatlichen Konflikt aus. Der Einsitz im Sicherheitsrat würde das Neutralitätsprinzip in keiner Weise beschädigen.

In Ihrem Buch äussert sich auch der Soziologe und Politiker Jean Ziegler, der unser Land als schizophren einstuft. Einerseits gäbe es den Staat, der mit unterschiedlichem Erfolg für aktive Neutralität einstehe und andererseits seien da die Oligarchien des globalisierten Finanzkapitals, die ausschliesslich Profitmaximierung betreiben würden. Lässt sich dieser Widerspruch auflösen?
Ein Beispiel: Wir sollten auf Waffenexporte an kriegerische Staaten verzichten, da sie mit unserer humanitären Tradition nicht vereinbar sind. Die Schweiz sieht sich mit Zielkonflikten zwischen ökonomischen Interessen und den Prinzipien des Neutralitätskonzepts konfrontiert. Eigentlich geht es hier um die moralische Autorität der Schweiz, um ihre Glaubwürdigkeit und Überzeugungskraft.

In der Coronakrise wurde der Schweiz immer wieder vorgeworfen, die Wirtschaft vor die Gesundheit der Bevölkerung zu stellen. Wie schätzen Sie den ökonomischen Aspekt ein?
Dieser nimmt einen wichtigen Platz ein und schafft Arbeitsplätze. In unserer Verfassung sind die aussenpolitischen Ziele beschrieben, und dazu gehören die Wirtschaft und die Menschenrechte. Die verschiedenen Ziele sollten jedoch nicht gegeneinander ausgespielt werden. Vielmehr sollte man bestrebt sein, eine Aussenpolitikstrategie zu entwickeln, die unsere Interessen wahrt und Lösungen im Zusammenhang mit schwer vereinbaren Zielen ermöglicht.

Nebst Ihrem Einsatz für eine friedliche Konfliktlösung haben Sie sich auch für die Rechte der Frauen eingesetzt. In der Schweiz ist die Gleichberechtigung in manchen Bereichen noch heute nur auf dem Papier vorhanden. Was müsste sich konkret ändern?
Es ist an der Zeit, Männern und Frauen dieselben Gehälter auszuzahlen, denn die Lohngleichheit ist seit 1981 in der Verfassung verankert. Damit diese Ungerechtigkeit ein Ende finden kann, fordert die SP Lohnanalysen. Auch tragen Frauen immer noch den grössten Anteil an der Verantwortung für die Familie. Wir benötigen unter anderem auch bezahlbare Kita-Plätze für alle. Frauen sind auf dem Arbeitsmarkt dringend gefragt und verfügen über eine gute Ausbildung. Entsprechend sollten sie ihre Fähigkeiten einbringen können. Ebenso müssen sie Selbstvertrauen entwickeln und Lohnverhandlungen nicht scheuen. Ich ermutige meine Enkelinnen stets, an sich zu glauben. Sie können sich auch an meiner Tochter orientieren, die sich als Professorin an der Medizinischen Fakultät in Genf etabliert hat. Mit der Schwierigkeit, alle Bereiche unter einen Hut zu bringen, wurde ich auch konfrontiert.

Wie haben Sie das damals erlebt?
Als ich abends nach politischen Treffen nach Hause kam, spielten meine Kinder Fussball im Wohnzimmer und hatten manchmal kaum gegessen. Mein Sohn erinnert mich noch heute daran, dass ich ihm nichts zubereitet habe und nur Karotten im Kühlschrank zu finden waren. Das war sicherlich keine ideale Situation, weder für mich noch für meine Kinder.

Und wie begegnen Ihnen Ihre Studentinnen und Studenten an der Universität Genf?
Der Kontakt mit jungen Menschen bedeutet mir sehr viel. Auch habe ich kürzlich ein Seminar mit Studenten aus Russland geleitet, und der internationale Austausch war sehr anregend. Heutzutage sorgt sich die Jugend mehr um ihre berufliche Zukunft als früher. Ich vertrete die Generation der Babyboomer und des Aufschwungs, eine Zeit, in der es etwas einfacher war, eine Anstellung zu finden. Heute bin ich zwar immer noch ein engagierter Mensch, trage jedoch die grosse Verantwortung für die Sicherheit und den Wohlstand der Schweizerinnen und Schweizer nicht mehr.

Ist die Demokratie nach wie vor ein gutes Volksmodell?
Nicht wenige Menschen auf der Welt wünschen sich eine direkte Demokratie, und der Vorteil besteht auch darin, dass jede und jeder ein Wort zu sagen hat und eine Volksnähe garantiert ist. In der Schweiz treffen Sie ab und zu gar Bundesräte beim Einkaufen an, die sich genauso verhalten wie die anderen Bürgerinnen und Bürger auch. Könnten Sie sich den französischen Staatspräsidenten Emmanuel Macron in einem Supermarkt vorstellen? Die Schweiz hat grundsätzlich einen Trumpf in der Hand, was die direkte Demokratie betrifft, und das gilt es zu nutzen. ★

Über Micheline Calmy-Rey

Micheline Calmy-Rey, 75, wurde in Sitten geboren und studierte Politikwissenschaft an der Universität Genf.Sie war viele Jahre kantonale Politikerin für die Sozialdemokratische Partei (SP), bevor sie sich auch auf nationaler Ebene etablierte. Von 2003 bis 2011 war sie als Bundesrätin Vorsteherin des Eidgenössischen Parlaments für auswärtige Angelegenheiten (EDA). 2007 und 2011 amtete sie als Bundespräsidentin und war 2010 auch Präsidentin des Europäischen Rats. Seit 2012 ist Calmy-Rey Professorin am Global Studies Institute an der Universität Genf.

Geschichte der Schweizer Neutralität

Die Neutralität der Schweiz geht auf die Niederlage der Eidgenossen im Jahr 1515 in Marignano zurück, wurde aber erst 1815 am Wiener Kongress von der internationalen Staatengemeinschaft anerkannt. Als neutraler Staat beteiligt sich die Schweiz nicht an Konflikten anderer Staaten, leistet keine bewaffnete Hilfe und tritt keinen militärischen Bündnissen bei. Das Ende des Kalten Krieges hat die Schweiz veranlasst, ihr Neutralitätskonzept zu überprüfen. So beteiligte sie sich an den Wirtschaftssanktionen gegen den Irak während des ersten Golfkrieges 1991. Sie engagierte sich 1996 in der «Partnerschaft für den Frieden» der NATO und entsandte 1999 freiwillige unbewaffnete Armeeangehörige zur Unterstützung der Friedensbemühungen in den Kosovo. 2001 bejahten die Schweizer Stimmberechtigten anlässlich einer Volksabstimmung die Bewaffnung schweizerischer Kräfte bei Einsätzen der Friedenssicherung. 2002 unternahm die Schweiz einen weiteren Schritt in die Richtung einer aktiveren Neutralitätspolitik, als sie Mitglied der UNO wurde. Die Schweiz kandidiert für einen nicht ständigen Sitz im UNO-Sicherheitsrat in den Jahren 2023/24. Bei einer grossen Mehrheit der Bevölkerung wird die Neutralität mitgetragen und gilt als wichtiger Teil des helvetischen Bewusstseins.

Im Gespräch – Gigi Kracht

Posted by corinne.broennimann

Generation Töchter – eine Studie von PwC

Posted by WOMEN IN BUSINESS

Bedeutung, Rollenverständnis, Meinungen und Erfahrungen von Nachfolgerinnen in Schweizer Familienunternehmen.

Schweizer Familienunternehmen schöpfen das Potenzial an Fachwissen, Themenvielfalt und Motivation ihrer Nachfolgerinnen bei Weitem nicht aus. Das zeigt unsere jüngste Studie «Generation Töchter». Alte Rollenmodelle halten sich hartnäckig und weibliche Vorbilder fehlen. Und: Klischees und mangelnde externe Akzeptanz nagen am weiblichen Selbstvertrauen.

Wir möchten Nachfolgerinnen ermutigen, ihre Aufgaben im Familienbetrieb selbstbewusst anzupacken und nicht in die zweite Reihe zu treten. An die Seniorgeneration appellieren wir, keine Nachfolgeressourcen brach liegen zu lassen. Der Nachfolgeprozess erfordert Zeit – je früher und vielseitiger er beginnt, umso erfolgversprechender wird er.

Laden Sie die Studie hier herunter

Chur, Olten und Schaffhausen werden trendy

Posted by corinne.broennimann

Seit den 90er Jahren nimmt die Bevölkerung in den wichtigen Schweizer Wirtschaftszentren konstant zu. Die Corona-Pandemie könnte nun zu einer Trendumkehr führen. Am stärksten wachsen zurzeit Nachfrage und Preise für Wohneigentum in kleinen und mittelgrossen Städten, was auch Anleger hellhörig macht.

Der Wunsch, Wohneigentum zu besitzen, sich in den eigenen vier Wänden einzunisten, einen glückseligen Ort des Rückzugs und der Zuflucht zu haben, treibt Schweizerinnen und Schweizer seit jeher um. In der Nation der Mieterinnen und Mieter ist der Haus- oder Wohnungskauf eine ständige Vision, Sehnsucht, eine Art Zielstrich von jahrelangen Bemühungen und Entbehrungen. Aber Wohneigentum in der Schweiz ist – teuer!

Und das dürfte sich so schnell nicht ändern. Ganz im Gegenteil: Die Corona-Pandemie treibt die Preise für Wohneigentum noch einmal nach oben, wie der Ende Oktober erschienene «Immobilien-Report» der Beratungsfirma Wüest Partner nachweist. Der Report dokumentiert, wie die Nachfragekurve nach Wohneigentum ab den Sommermonaten 2020 eine markante Delle nach oben gezeichnet hat. Laut Wüest Partner lag die Nachfrage schweizweit im zweiten Quartal sogar über dem Niveau des bereits sehr starken Vorjahresquartals.

Was dabei auffällt und neu ist: Besonders Einfamilienhäuser sind so begehrt wie schon lange nicht mehr. Über viele Jahre interessierten sich Käuferinnen und Käufer besonders stark für Etageneigentum in urbanen Regionen, allen voran in Zürich und Genf, aber auch Basel, Bern oder Lausanne. Jetzt sind es andere, mittelgrosse bis kleine Städte, die von Kaufinteressenten ins Visier genommen werden. Olten, Solothurn, Schaffhausen, Chur, Uster oder Burgdorf heissen die aktuellen Trendziele. Genug städtisch, um über alle notwendigen Infrastrukturen zu verfügen. Genug ländlich oder provinziell, um gegenüber Zürich oder Genf viel günstigeren Wohnraum zu bieten.

Kreis der potenziellen Käufer wird kleiner

Allerding muss die Bezeichnung «günstig» auch in solchen Kleinstädten immer stärker relativiert werden. Der Markt spielt, und die Preise ziehen parallel zur Nachfrage markant an. Im zweiten Quartal 2020 sind beispielsweise für Einfamilienhäuser in Olten gegenüber der Vorjahresperiode um 3,8 Prozent höhere Tarife bezahlt worden, wie Wüest Partner errechnet hat. In Solothurn sind es sogar 4,2 Prozent. Der Schweizer Durchschnittspreis für Einfamilienhäuser erhöhte sich bis Mitte 2020 im Vorjahresvergleich um 3,3 Prozent.

Für Wüest Partner lautet die Konsequenz dieser Entwicklung, dass der Traum von den eigenen vier Wänden für viele Schweizerinnen in Schweizer in weite Ferne rücken könnte, da nicht erschwinglich. Denn in Zentren wie Zürich, Genf, Basel oder Bern sind die Preise für Einfamilienhäuser oder auch Stockwerkeigentum ohnehin nur für die wenigsten erschwinglich. Es tut sich also ein Graben auf zwischen der wohlhabenderen Schicht, die sich immer mehr in Richtung Wohneigentum orientiert und der unteren Mittelschicht, die sich mangels Kapital vorläufig nur die Mietvariante leisten kann. Befeuert wird diese Entwicklung nicht unwesentlich von der Corona-Pandemie und dem Trend zum Homeoffice. Ausserdem wurde das Tiefzinsumfeld im Zuge der Bekämpfung der wirtschaftlichen Auswirkungen durch die Pandemie nochmals verlängert. «Finanzierungskosten von Wohneigentum werden auf absehbare Zeit vielerorts tiefer bleiben als die Mieten», heisst es bei Wüest Partner.

Es herrscht «Stadtflucht»

Für Martin Neff, Chefökonom der Raiffeisengruppe und einer der pointiertesten Immobilienexperten im Land, kann man im Häuser- und Wohnungsmarkt sogar von einer Art Zeitenwende sprechen. «Landflucht war hierzulande lange Zeit das dominierende Thema, wenn man räumliche Bevölkerungsbewegungen näher betrachtete. Landflucht herrscht auch, wenn man Migrationsströme in einem globalen Kontext betrachtet. Da schreitet die Urbanisierung schnell voran. In der Schweiz hingegen, man glaubt es kaum, herrscht heute Stadtflucht», schreibt er auf dem Bankportal Raiffeisen Casa.

Doch wovor fliehen die Leute? Vereinfacht ausgedrückt, fehle es in den Zentren an Alternativen, so Neff. Wer heute in der Stadt lebe und zum Umzug «gezwungen» sei, weil sich zum Beispiel private oder berufliche Umstände ändern, der werde in der Stadt kaum wieder fündig, ohne deutlich mehr zu be- zahlen oder Abstriche der Wohnqualität in Kauf zu nehmen. «Und so kommt, wenn auch oft nicht erste Wahl, die Agglomeration oder Peripherie der Stadt ins Spiel.» Dort sei das Angebot flüssiger, weil in den letzten Jahren deutlich mehr Neubauten entstanden sind als in den grösseren Städten. «Und so entscheiden sich letztlich viele, der Stadt den Rücken zuzukehren, so gern auch noch sie dortgeblieben wären», so Neff.

Chance für Anleger

Eindeutig hat die Corona-Krise zu einer markanten Häufung genau solcher Fälle geführt – und dürfte dies wieder tun. Das zurzeit nicht absehbare Ende des Ausnahmezustands nährt die Sehnsucht nach schützenden Mauern, einem gemütlichen Homeoffice und der Vermeidung von Menschenmassen. Dies dürfte im Immobilienmarkt auch 2021 den stadtnahen Agglomerationen, Klein- und mittelgrossen Städten mit soliden Infrastrukturen Auftrieb geben und die Preisspirale weiter nach oben drehen. Für gewiefte Anleger vermutlich auch eine Chance, sich ein Objekt mit voraussichtlich anhaltender Wertsteigerung zu sichern.

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