Zusammen mit ihrem Mann, ihrem Schwager und ihren Schwiegereltern führt Claudia Wellendorff die Manufaktur Wellendorff, die seit 127 Jahren für höchste Goldschmiedekunst steht. Im Interview spricht sie über das Erfolgsrezept, Familiensinn und Nachhaltigkeit.

Frau Wellendorff, Ihr Familienunternehmen wurde vor 127 Jahren gegründet. Was bedeutet Tradition im Hause Wellendorff und was zeichnet Ihren Schmuck aus?

Das Credo unseres Firmengründers Ernst Alexander Wellendorff 1893 war: «Nimm von allem nur das Beste,
Gold und Diamanten, die besten Goldschmiede, die besten Werkzeuge, und du erschaffst den besten Schmuck für die feinsten Schmuckliebhaber der Welt.» Diese Werte bestimmen noch heute unsere Philosophie und sind Richtschnur für all unsere Handlungen. Und darauf vertrauen unsere Schmuckliebhaber. Basierend auf diesem reichen Erfahrungsschatz in der Goldschmiedekunst haben wir uns auf zwei Schmuckstücke konzentriert, die mittlerweile zu Ikonen geworden sind: die Wellendorff-Kordel aus 18k Gold wird unter Schmuck-Connaisseurs als das weichste Collier der Welt bezeichnet. Der drehbare Wünsch-Dir-Was-Ring aus 18k Gold ist durch seine samtweiche Drehbarkeit, die besondere Brillantfassung und die alltagstaugliche Kaltemaille ein begehrtes Sammler- und Liebhaberschmuck-stück geworden.

Ihre Schmuckmanufaktur wird mittlerweile in der vierten Generation geführt und ist bis heute eine reine Familienangelegenheit geblieben. Wie geht das gut?

Wir haben in der Familie zwei Grundgedanken, die Basis unserer Diskussionen und Familienrunden sind: Die Familie ist die Spielwiese des Lebens, und Familiensinn geht vor Eigensinn. Wenn wir uns daran halten, sind wir unschlagbar.

Geduld, Ruhe und Beständigkeit sind wichtige Tugenden im Goldschmiedehandwerk. Doch blosses Beharren und Stolz genügen nicht, um ein Unternehmen heute erfolgreich in die Zukunft zu führen. Welches Erfolgsrezept haben Sie, um sich international gegen Schmuckriesen wie Cartier und Bulgari zu behaupten?

Als Familienunternehmen führen wir auch unsere Firma familiär und persönlich. Dabei stehen unsere Schmuckliebhaber stets im Mittelpunkt unseres Tuns. Ihre Meinung und Wünsche sind Massstab und Orientierung für uns. Ich glaube, dass der Konsument ganz schnell spürt, ob etwas authentisch gelebt wird und aus dem Inneren kommt oder ob es Teil einer Marketingstrategie ist. Unsere Mission ist es, dass wir Menschen inspirieren, Liebe, Dankbarkeit und Erfolg für ein Leben festzuhalten. Grundvoraussetzung für ebendiese lebenslange Freude am Schmuck ist Perfektion. Und da sind wir an einem weiteren wichtigen Punkt: Unsere internationalen Juwelierpartner sagen uns, dass wir mit unseren raffinierten Entwicklungen ein Niveau in der Goldschmiedekunst erreicht haben, welches technisch wie handwerklich weltweit seinesgleichen sucht. Als Beispiel nenne ich einmal die Entwicklung einer Faltschliesse für ein Armband, das mittlerweile patentiert wurde und lebenslangen Tragekomfort garantiert. Mit einem schwebenden Brillanten, gefasst in ein Amulett, haben wir den Traum jedes Goldschmieds wahr gemacht. Unsere neueste Entwicklung, für die wir gerade ein Patent erhalten haben, kommt auch in diesem Jahr auf den Markt: der erste drehbare Solitärring der Welt, eigentlich etwas scheinbar Unmögliches. Die Kombination aus etwas, das sich nicht drehen soll, dem lupenreinen Solitär, und etwas Drehbarem, dem Wellendorff-Ring. Es sind also Innovationen wie diese, die immer wieder unseren Spitzenplatz in der Goldschmiedetechnik bestätigen und uns abheben von anderen Schmuckherstellern.

Die Arbeitsbedingungen in vielen Goldminen sind heute ein nicht ganz unwesentlicher Aspekt. Wie setzen Sie auf eine nachhaltige Produktion?

Wir sind froh über die derzeit aufkommende Diskussion über Nachhaltigkeit. Nachhaltigkeit bedeutet für uns, Verantwortung zu übernehmen. Ein Prinzip, das in unserem Familien- unternehmen in vielerlei Dimensionen fest verankert ist. Angefangen von den Schmuckstücken, die alle ausschliesslich bei uns in der Manufaktur in Pforzheim hergestellt werden und für die wir eine lebenslange Garantie auf Material- und Fabrikationsfehler geben. Das bezieht sich auch auf die Herstellung der Schmuckstücke unter definierten Standards und die ausgewählten Materialien. Wir verwenden ausschliesslich recyceltes Gold aus Pforzheimer Scheideanstalten, die den Zertifizierungsprozess des Responsible Jewellery Council (RJC) durchlaufen und sich verpflichtet haben, kein Konfliktgold aus zweifelhaften Quellen zu beziehen, zu verarbeiten oder zu verkaufen. Die verwendeten Brillanten unterliegen dem «Kimberley Process», der in jeder Handelsstufe die Einhaltung ethischer Regeln fordert, praktiziert und kontrolliert – vom Schürfen in der Ursprungsmine bis zum Schleifen und Polieren. Ich glaube, dass ein Familienunternehmen in der vierten Generation automatisch gelernt hat, dass Nachhaltigkeit ein wichtiger Schritt für ein langfristiges Vertrauensverhältnis zwischen Unternehmen, Mitarbeitern und Kunden ist. Es sind Grundlagen der «Wahren Werte» der Schmuckmanufak- tur, die als Schriftzug über dem Logo der Marke Wellendorff festgehalten sind. Die «Wahren Werte» stehen als DNA der Marke jedoch noch für vieles mehr.

Seit 2019 finanziert Wellendorff eine Stiftungsprofessur für Luxus an der Hochschule Pforzheim, die in Deutschland einzigartig ist und in dieser Form nur noch in Paris und Monaco existiert. Was hat Ihre Familie dazu bewegt und welche Intention steckt dahinter?

Wellendorff ist Initiator und Mitförderer bei der Gründung dieses Lehrstuhls. Auslöser war das Jubiläum 2017, welches die Stadt Pforzheim anlässlich des 250. Geburtstags der Uhren- und Schmuckindustrie gefeiert hat. Schon der Markgraf von Baden hat vor mehr als 250 Jahren die erste Berufsschule der Welt in Pforzheim gegründet und damit den Grundstock für die Uhren- und Schmuckbranche gelegt, indem er die Waisenkinder der Stadt von einem Uhrmacher aus der Schweiz und einen Goldschmied aus Paris unterrichten lies. Wir haben uns damals gefragt: Was würde dieser visionäre Markgraf von Baden heute tun? Pforzheim hat sich im Laufe der Zeit zum Luxuszentrum nördlich der Alpen entwickelt und sich damit auch international bekannt gemacht. Auch heute noch kommen rund 80 Prozent des aus Deutschland exportierten Schmucks aus Pforzheim. Das heisst, seit mehr als 250 Jahren beschäftigen sich die Pforzheimer mit Luxus. Um die führende Position und die Wettbewerbsfähigkeit dieser Industrie weiterhin zu erhalten und Fortschritte zu erzielen, ist die Professur und die damit verbundene wissenschaftliche Lehre, etwa wie man Luxusmarken auf einen erfolgreichen Weg bringt oder welche besonderen Anforderungen Luxus-Unternehmen haben, ein grossartiger Motor. Übrigens wurde der Professor nach einem langen Auswahlverfahren nun berufen, sodass der Start des Studiengangs kurz bevorsteht.

Eine letzte Frage: Welche Rolle spielen Sie bei den Schmuckinnovationen?

Oft als erste Testperson von neuen Kollektionen und Schmuckentwicklungen und manchmal als Einflüsterin meines Mannes, der für die Manufaktur zuständig ist, wenn es um die Optimierung des Tragekomforts bei unserem Schmuck geht.

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