Helen Fricker ist die einzige Frau in der Geschäftsleitung von Raiffeisen Schweiz. In der Finanzwelt fühlt sie sich rundum wohl. Sie mag die Auseinandersetzung in diversen Teams und nennt Glaubwürdigkeit als ihren wichtigsten Wert.
Aufgewachsen in St. Gallen, entschied sich Helen Fricker zuerst für den Beruf der Primarlehrerin. Nach zwei Jahren Schule geben, ging sie zurück an die Universität und studierte Betriebs- und Organisationspsychologie. Eher zufällig kam sie zur Zürcher Kantonalbank, was sich als Glücksfall herausstellte. Die Branche gefiel ihr ausnehmend gut, weshalb sie ihr bis heute treu geblieben ist. Nach 15 Jahren im Bankenberatungszentrum bbz wechselte sie zu Raiffeisen Schweiz, wo sie nun seit 14 Jahren tätig ist, vier davon in der Geschäftsleitung.
WOMEN IN BUSINESS: Wie wird man die einzige Frau in der Geschäftsleitung der zweitgrössten Bankengruppe der Schweiz?
Helen Fricker: Dazu braucht es eine besondere Offenheit, Interesse, Engagement, um sichtbar zu sein und weiter- zukommen. Und auch ein bisschen Mut, um Themen anzugehen, bei denen man nicht genau weiss, ob man diese erfolg- reich bestehen wird. Ausserdem bin ich überzeugt, dass man fortlaufend in Aus und Weiterbildung und in die eigene Entwicklung investieren muss.
Was sind die Verantwortungsbereiche in Ihrer Funktion als Mitglied der Geschäftsleitung?
Ich bin in einem sehr breiten Spektrum tätig. Wir haben bei Raiffeisen in der Gruppe 218 rechtlich eigenständige Banken, mit fast 800 Standorten. Das Departement, das ich führe, ist die zentrale Anlaufstelle für die Raiffeisenbanken in allen strategischen und operativen Fragestellungen. Wir unterstützen die ganze Bankengruppe mit unterschiedlichen Dienstleistungen. Sei das Marketing, Strategieberatung, Vertriebsunterstützung oder HR-Dienstleistungen. Auch das Kundenkontaktzentrum mit Telefonie- und Chatberatung fällt in meinen Verantwortungsbereich. Und wir haben zwei Sitze im Tessin und in der Roman- die, um alle Sprachregionen abzudecken.
Welches sind Ihre Werte als Führungspersönlichkeit?
Glaubwürdigkeit ist für mich der absolut oberste Wert. Und dann die Fähigkeit zum Perspektivenwechsel. Dass man unterschiedliche Sichtweisen sehen, sich mit ihnen auseinandersetzen kann, um eine tragfähige Lösung zu finden. Dazu kommt Respekt und echtes Interesse. Und Menschlichkeit.
Setzen Sie für den Perspektivenwechsel auf diverse Teams?
Ja, ein Team mit sehr vielen unterschiedlichen Persönlichkeiten, die unterschiedlich ticken, ist für mich das Zentralste. Unterschiedlich nicht nur was das Geschlecht angeht, sondern auch Alter, Erfahrungen, Kompetenzen und Hintergründe. Das ist manchmal anstrengend, aber ich mag auch kontroverse Auseinandersetzungen, das macht mich aus. Ich konnte mein Team zum grössten Teil selber zusammenstellen. Wir sind divers, wir sind nicht immer gleicher Meinung, kommen aber trotzdem zu einer Lösung, auf der wir miteinander weiterarbeiten können. Solche gemeinsam erarbeiteten Lösungen erweisen sich meistens auch als sehr tragfähig.
Wie sieht es mit Hierarchien aus?
Ich lasse meinem Führungsteam und meinen Mitarbeitenden gerne Freiräume und vertraue auf ihre Kompetenzen.Auch ich bin jemand, der immer Gestaltungraum gesucht und genutzt hat. Wenn alles gut läuft und wir genug Zeit haben, beziehe ich die Mitarbeitenden gerne in Entscheidungsprozesse ein. Aber wenn es brennt, und schnell gehen muss, dann gehe ich voran und entscheide.
Mit welchen Herausforderungen werden Sie konfrontiert?
Die Marktherausforderungen und die Kundenbedürfnisse, die immer grösser werden. Dort stehen wir vor grossen Investitionen in digitale Angebote. Doch wie bringen wir die beiden Welten zusammen, die Nähe vor Ort und die digitale Welt? Das bedeutet einerseits, die Mitarbeitenden, die im Kundenkontakt stehen, entsprechend auszubilden. Und gute Leute zu finden, die mit uns die Zukunft gestalten wollen.Der Finanzbereich gilt immer noch als männerdominiert.
Wissen Sie, wieso das so ist?
Diese Frage habe ich mir auch schon gestellt, und ich verstehe es nicht. Wir machen immer wieder Umfragen, die zei- gen, dass Frauen in finanziellen Belangen weniger Wissen und Interesse haben. Das ist leider ein Fakt. Ich leiste einen kleinen Beitrag, indem ich vielen jungen Frauen, die bei uns ein Praktikum machen wollen, eine Chance gebe und versuche, ihnen die Themen schmackhaft zu machen.
Was tun Sie betreffend Financial Literacy im Allgemeinen und speziell für Frauen?
Wir stellen Wissensbeiträge zu Finanzthemen auf unserer Webseite zur Verfügung, wo man sich schnell zurechtfindet. Zusätzlich bieten wir Workshops, Referate oder digitale Events mit niederschwelligen Angeboten. Die Raiffeisenbank Zürich hat beispielsweise ein Kompetenzcenter für Anlegerinnen ins Leben gerufen. Es gibt sehr viele Banken, die Anlässe, wie zum Beispiel ein Frauen- Kaffee zu spezifischen Themen wie persönliche Vorsorge veranstalten. So können Frauen mit ihren eigenen Themen kommen und sind unter sich. Wir setzen auch bewusst auf Frauen als Beraterinnen, um Kompetenz von Frau zu Frau zu vermitteln.
Sie haben zwei erwachsene Kinder. Wie haben Sie den Spagat zwischen Familie und Beruf geschafft?
Ich hatte grosse Unterstützung von meinen Eltern. In der Zeit, in der ich gearbeitet habe, haben sie auf die Kinder aufgepasst. Ich wollte Zeit mit meinen Kindern verbringen, deshalb habe ich acht Jahre lang 60 Prozent gearbeitet. Das ist immer eine persönliche Entscheidung und es gibt immer einen Preis, den man zahlen muss.
Was heisst das in Ihrem Fall?
2005 wollte mich ein Finanzinstitut in der Schweiz in die Geschäftsleitung holen. Da waren meine Kinder noch rativ klein. Der Job gefiel mir sehr gut, aber ich entschied mich dagegen. Ich hätte in einer solchen Funktion sehr viel Zeit und Energie investieren müssen. Das wäre auf Kosten der Familie gegangen und das wollte ich zu diesem Zeitpunkt nicht. In solchen Situationen ist es wichtig, dass man ehrlich mit sich selbst ist. In meinem beruflichen Umfeld war ich hingegen nie mit Hindernissen konfrontiert. Ich bekam sehr viele Möglichkeiten und Chancen und konnte immer selber über mich entscheiden.
Sie haben also viel Unterstützung erhalten?
Ja. Ich bekam immer neue Möglichkeiten von meinem Umfeld, von Vorgesetzten, die mir herausfordernde Aufgaben gegeben haben. Aber ich war auch bereit, die Extrameilen zu gehen und Ausbildungen zu machen. Ich bin jemand, der wahnsinnig interessiert ist an unterschiedlichen Themen. Ich will mich engagieren und habe sehr viel Energie. Das wurde immer sehr stark ästimiert.
Was raten Sie jungen Frauen, die am Anfang ihrer Karriere stehen?
Zuerst eine solide Ausbildung und Weiterbildungen zu machen. Schauen, dass man à jour ist. In einer Tätigkeit sein, in der man etwas lernen kann und nie in der Komfortzone bleiben, egal, welchen Lebensentwurf man hat. Und mutig sein.
Raiffeisen feiert das 125-Jahre-Jubiläum. Welche Werte aus diesen 125 Jahren haben heute noch Gültigkeit?
Was uns ausmacht, ist die Nähe zu den Menschen. Mit diesem Wert sind wir gestartet. Etwas pathetisch hiess der Leitsatz damals: «Was einer nicht vermag, das vermögen viele». Mit den 218 Raiffeisenbanken und fast 800 Standorten sind wir wirklich nahe bei den Menschen. Jede Bank hat einen eigenen Verwaltungsrat, eine eigene Bankleitung, und die Mitarbeitenden kennen den Markt, in dem sie sich bewegen, und die Menschen, die dort wohnen, sehr gut. Das Zweite ist das lokale Engagement vor Ort.
Was bedeutet das konkret?
Die Raiffeisenbanken engagieren sich stark mit Sponsoring für lokale Vereine, Veranstaltungen, Projekte und die Gemeinschaft. Zum Beispiel haben einige Raiffeisenbanken während der Corona-Situation eigene «Währungen» eingeführt, die sie an ihre Kundinnen und Kunden abgeben und mit denen das Gewerbe vor Ort unterstützt werden konnte. Oder den Genossenschaftern wurden Gutscheine abgegeben, die sie in der Region einsetzen konnten.
Gibt es einen Ausblick auf Projekte oder Ziele, die Sie mit Raiffeisen Schweiz erreichen wollen?
In den nächsten Jahren wollen wir die Kundennähe weiter ausbauen, vor allem im digitalen Bereich, so dass wir auch dort näher bei den Menschen sind. Das Ziel der hybriden Beratung – also das optimale Zusammenspiel von digitaler und physischer Welt – werden wir noch länger verfolgen, weil es so viele verschiedene Themen beinhaltet. Es werden neue Technologien hinzukommen, wie die künstliche Intelligenz. Auch neue Erwartungen der Kunden. Zudem arbeiten wir immer gemeinsam daran, die Raiffeisen Gruppe weiterzuentwickeln und zukunftsfähig zu halten.
In Zusammenarbeit mit unserer Bankpartnerin
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