«Motivation bedeutet, nicht immer nur das zu tun, was einem auch Freude macht, sondern das Ziel, das einen fasziniert, hartnäckig zu verfolgen.» Diplom-Bergführerin, Helikopterpilotin, Extrem-Bergsteigerin und Bestseller-Autorin:
Evelyne Binsack ist Abenteurerin aus Leidenschaft.

Sie war erste Schweizerin auf den «drei geografischen Polen»: dem Gipfel des Mount Everest, dem Süd- und dem Nordpol. «Jahrelanges Training ist die Voraussetzung, um zur Physis und zum Know-how für Abenteuer dieser Formate zu gelangen», sagt Evelyne Binsack dazu. Sie gehört international zu gerade mal einer Handvoll Frauen, die im Bereich Abenteuer durch physische Leistungen herausragt.

Nach dem Schulabschluss startete sie ihren Weg mit einer Ausbildung als Sportartikel-Verkäuferin und verfolgte gleichzeitig eine sportliche Laufbahn in der Leichtathletik. Doch dann faszinierte sie das Zusammenspiel als Team am Berg, welches völlig im Kontrast zum Gegeneinander bei Einzelwettkämpfen im Laufsport stand. Sie verstand sehr schnell, dass es für das Überleben in der Steilwand essenziell wichtig ist, die Gesetze der Natur zu respektieren und die physischen sowie mentalen Fähigkeiten unermüdlich zu trainieren.

Eine weibliche Pionierin

1991 absolvierte Evelyne Binsack als eine der ersten Frauen Europas die Ausbildung zur diplomierten Bergführerin. Alleine und abermals als erste Schweizer Frau erreichte sie am 23. Mai 2001 den höchsten Punkt der Erde, den Gipfel des 8848 Meter hohen Mount Everest. Die Eiger-Nordwand durchstieg sie insgesamt dreimal: zuerst mit 22 Jahren im Winter bei minus 17° Celsius durch die Heckmair-Route, dann seilfrei und im Alleingang durch die Lauper-Route und letztlich erneut durch die Heckmair-Route, im Team für einen Dokumentarfilm, der den Fernsehpreis erhielt («Eiger-Nordwand live»).

Doch ihre grösste Herausforderung war das Extrem-Abenteuer, das sie zwischen 2006 und 2008 bewältigte: Als einziger Mensch der Welt erreichte sie den Südpol in purem Stil: zuerst per Fahrrad von der Schweiz aus bis zum Südzipfel Chiles. Dann weiter zu Fuss und ohne Aussenunterstützung mit Ski und Schlitten durch den kältesten Kontinent der Welt, die Antarktis, bis zum Südpol. Diese «Expedition Antarctica» führte sie durch 16 Länder auf vier verschiedenen Kontinenten, bis sie nach 484 Tagen und 25‘000 Kilometern am Südpol ankam.

Einschneidende Erlebnisse verarbeiten

Zwei Jahre danach dann der Einbruch. Als sie 2010 abermals einen Achttausender besteigen wollte, musste sie feststellen, dass zwei Jahre nach der kräfteraubenden Expedition ihr Körper plötzlich nicht mehr bereit war, diese Extremleistung zu vollbringen. Die Freude daran war verschwunden. Evelyne Binsack beschloss, eine Dokumentation über die Willenskraft des Menschen zu realisieren. 2013 brach sie zum Mount Everest auf, um vor Ort herauszufinden, was den Menschen antreibt, dieses hohe Ziel, das Besteigen des höchsten Gipfels der Welt, zu erreichen.

Das Projekt wurde zur Tragödie: Evelyne Binsack verlor einen guten Freund, der abstürzte, und geriet selber in eine Eislawine. Sie überlebte, erlitt aber infolgedessen eine schwere Entzündung der Bronchien durch den Eisstaub. Den Gipfel erreichte sie deshalb nicht, doch die Alpinistin kam zu der Erkenntnis, dass trotz ihrer Willenskraft der Überlebenswille stärker gewesen war. Das scheinbare Scheitern hat so also auch eine gute Seite.

2016 startete die diplomierte Bergführerin zu ihrem dritten Pol, dem Nordpol. Am 12. April 2017 erreichte sie ihr Ziel nach 105-tägiger Expedition. «Gesund. Erschöpft. Glücklich», wie es auf ihrer Website heisst. Evelyne Binsack ist damit zu einer der erfolgreichsten Extremsportlerinnen und Abenteurerinnen der Welt geworden. Die Grenzgängerin gibt ihre Erfahrung weiter in vielen Vorträgen zum Thema Motivation, Willenskraft, Risikomanagement und Grenzen sprengen. ★

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