Frauen erobern langsam, aber stetig die Führungsetagen und übernehmen in der Businesswelt immer mehr Verantwortung. Doch wenn es darum geht, ihr eigenes Geld zu investieren, herrscht vielerorts weibliche Zurückhaltung. Die beiden ehemaligen Bankerinnen Clara Creitz und Caroline-Lucie Ulbrich wollen das ändern.
WOMEN IN BUSINESS: Wie sind Sie auf das Thema Finanzen für Frauen gekommen?
Clara Creitz: Wir haben uns bei einer Bank kennengelernt und festgestellt, dass sich selbst dort viele Frauen, obwohl sie vielmehr Zugriff auf entsprechende Informationen haben, wenig oder gar nicht mit dem Thema Finanzen auseinandersetzen. Das wollten wir näher ergründen. Im Dezember 2017 haben wir eine Online-Umfrage durchgeführt. Das Resultat: Viele Frauen wollen investieren, sie wissen aber nicht, wo sie starten sollen. Und da Frauen tendenziell risikoaverser sind als Männer, führt dies dazu, dass sie weniger investieren. Aber in Studien hat man festgestellt, dass Frauen meist langfristiger und besser investieren.
War diese Umfrage der Startpunkt für Finelles? Haben Sie sofort Ihre bisherigen Jobs gekündigt? Wenn man Ihre Geschichte liest, hat man den Eindruck, das alles geschah innert weniger Wochen. Nicht ganz. Ich hatte schon gekündigt, da ich mir eine Auszeit nehmen und mich im Anschluss umorientieren wollte. Caroline hingegen war auf einem Projekt und hat dieses noch ein Stück begleitet. Daher haben wir ungefähr drei, vier Monate die ersten Ideen und Recherchen nebenbei gemacht. Und als wir dann beide die Zeit hatten, uns dem Thema Vollzeit zu widmen, haben wir einige Konzepte – wie etwa die Online-Kurse – ins Leben gerufen. Das war natürlich auch Glück, dass wir uns für ein paar Monate komplett dem Projekt widmen konnten. Da eine neue Selbständigkeit sehr viel Durchhaltevermögen und Zeit braucht, arbeiten wir derzeit beide wieder auf einem Projektmandat, während wir uns parallel um Finelles kümmern.
Gab es keine Möglichkeiten, diese Ideen innerhalb Ihres bisherigen Unternehmens im Rahmen des Stellenprofils zu realisieren?
Durchaus haben einige Banken, wie die UBS oder die Bank CLER, Initiativen, die auf Frauen fokussiert sind. Allerdings haben wir die Erfahrung gemacht, dass die Frauen eine unabhängige Einschätzung oft bevorzugen, weil sie den Angeboten nicht immer vertrauen. Hinzu kommt aber, dass unser Fokus vielmehr auf dem Bildungsgedanken liegt und eben nicht auf der Produktebene oder dem Verkaufszweck. Unsere Vision ist es, das Thema Finanzen salonfähig und für Frauen attraktiver zu machen – damit es ein Alltagsthema wird, über welches sie gerne sprechen. Dafür haben wir einige neue Ideen.
Und wie genau soll das funktionieren? Für uns ist der Community-Gedanke sehr wichtig. Frauen sind mindestens genauso gut wie Männer in der Lage, zu investieren. In der Community können Frauen ihre entsprechenden Erfahrungen teilen, und das motiviert andere Frauen. Zudem bieten wir Online-Kurse zu diversen Finanzthemen an wie «Persönliche Finanzen» oder «Investieren», die jede Frau in ihrem Tempo bearbeiten kann.
Warum ist es für Frauen so wichtig, sich um die eigenen Finanzen zu kümmern?
Da gibt es mehrere Gründe. Erstens können sich Frauen bei einer Scheidungsrate von rund 40 Prozent nicht darauf verlassen, dass der Lebenspartner beim Thema Finanzen den Durchblick hat und diese Rolle auf ewig weiterführt. Zweitens gehört es dazu, für sich selber Verantwortung zu übernehmen, aber auch gewisse Lebensziele zu verwirklichen, sei es zum Beispiel für die Rente oder auch, um möglichen Engpässen vorzubeugen. Und schliesslich sind wir der Überzeugung, dass man bei sorgfältigem Umgang mit den eigenen Finanzen seine Lebensziele besser und sicherer erreicht.
Kommen wir zum Thema Investieren zurück. Wo soll man beginnen, wenn man sich dem Thema nähern möchte, aber eben noch nicht über fundiertes Wissen darüber verfügt? Das A und O ist natürlich, sich des Themas anzunehmen und dafür zu interessieren. Welche Anlageklassen gibt es? Da gibt es Aktien, Anleihen, Fonds oder auch Rohstoffe. Wir sind der Ansicht, dass Investieren keine Hexerei ist, es wird meist komplizierter dargestellt, als es tatsächlich ist. Daher ist unser Rat: einfach mal anfangen. Das nötige Grundwissen kann man sich durch Bücher, wie zum Beispiel «Worth it» von Amanda Steinberg, oder auch durch Trainings aneignen. Was das Investieren selbst angeht, so muss man entgegen aller Vorurteile keine hohen Summen anlegen oder ein hochkomplexes Portfolio entwickeln. Beispielsweise kann man mit ETFs (Exchange Traded Funds), das sind an der Börse gehandelte Fonds, die meist auf einem Aktienindex basieren, kostengünstig beginnen. Viele Banken bieten ETFs nicht unbedingt aktiv an, da sie im Vergleich zu aktiv betreuten Fonds weniger Umsatz bringen beziehungsweise teurer sind. Dafür bieten Online-Broker wie Swissquote ETFs mittlerweile sogar mit einem Sparplan an. Damit kann man monatlich einen gewissen Betrag sofort anlegen. Wem das zu viel Arbeit ist, der kann alternativ auch zu einem Robo Advisor (z.B. Swissquote, True Wealth oder Scalable Capital) gehen, hier wird das Geld auch mit ETFs investiert, was das Angebot günstiger macht. Robo Advisor sind Vermögensberater, die mit einem Algorithmus das Geld, basierend auf dem eigenen Risikoprofil, bestimmen und investieren. Marktschwankungen werden vom Algorithmus aufgenommen und dieser passt das Portfolio dann entsprechend an. Wer mit ETFs investiert, sollte sich natürlich bewusst sein, dass dies eine langfristige (min. 10–15 Jahre) Anlagestrategie mit sich bringt. Und wenn es noch etwas Mut braucht, einfach mit kleineren Beträgen anfangen.
Welche beruflichen Erfahrungen und Expertisen bringen Sie beide mit?
Caroline hat rund 15 Jahre primär in der Organisationsberatung bei Banken oder Unternehmensberatungen gearbeitet. Ihre Erfahrung im Bereich Finanzen und Investieren hat sie in der praktischen Umsetzung entwickelt wie auch dadurch, dass sie häufig mit Freunden oder Bekannten ein Depotkonto und ein Portfolio für sie aufsetzt. Meine Kernkompetenzen liegen in der Personalentwicklung. Ich habe unter anderem als Trainerin für Kundenberater bei einer Grossbank gearbeitet und dort Verkaufs- oder Produkttrainings durchgeführt. Vertieften Einblick in die Welt der Produkte habe ich in der internen Beratung bei der Optimierung von Bankprozessen erhalten. Und ich beschäftige mich auch privat gern mit dem Thema Finanzallgemeinbildung (Financial Literacy) und hoffe, dass sich auch die Schulen zukünftig vermehrt dem Thema Finanzen widmen und dies zu einem festen Bestandteil des Unterrichts machen.
Damit haben Sie ja dann den Schritt in die Selbstständigkeit gewagt. Was war das Schwierigste beim Aufbau von Finelles? Für uns war es sicherlich das Umdenken, dass wir nicht mehr in einem grossen Unternehmen arbeiten. Wir waren auf uns selbst gestellt und eigneten uns sehr schnell neue Expertise an, etwa im Aufbau einer starken Marke, Online Marketing, Pitchen und so weiter. Zum anderen war der Fokus auf die Strategie nicht einfach. Am Anfang haben wir uns manchmal verzettelt, weil wir beide eher leicht zu begeistern sind. Doch wir haben gelernt, uns Schritt für Schritt nach vorne zu arbeiten. Uns hilft dabei, dass wir lange als Beraterinnen tätig waren.
Warum ist der Frauenanteil bei den Unternehmensgründungen immer noch geringer als der der Männer? Ähnlich wie beim Investieren sind Frauen risikoaverser und müssen sich absolut sicher sein, bevor sie etwas anfangen. Beim Gründen geht es aber nicht immer darum, alles zu wissen, sondern um das Doing. Einfach starten, nicht zu perfektionistisch sein. Das ist übrigens beim Investieren auch so. Wir sehen, dass mehr und mehr Frauen sich trauen. Das ist super! Und es ist toll, wenn mehr Frauen darüber berichten.
Was würden Sie anderen Frauen raten, die mit der Idee spielen, ein Startup zu gründen?
Erst einmal sollte man damit beginnen, die Idee genauer zu definieren. Dann mit vielen anderen darüber reden. Da kommen noch viel mehr Ideen und Feedbacks zusammen. Man darf dabei keine Angst haben, dass einem jemand die Idee klaut, denn am Ende geht es nicht primär um die Idee, sondern um deren Umsetzung. Und ganz wichtig: eine gute Mitgründerin finden!
Über Finelles und die Gründerinnen
Clara Creitz und Caroline-Lucie Ulbrich lernten sich über ihren Job kennen: Beide arbeiteten bei einer Grossbank. Sie freundeten sich an und ihre Gespräche drehten sich immer öfter um Frauen und ihr Verhalten in Bezug auf Finanzen. Dabei hatten sie in ihrem jeweiligen Umfeld sehr ähnliche Erfahrungen gemacht: Die meisten ihrer weiblichen Bekannten und Freunde waren sehr moderne und engagierte Frauen, die ihr Leben erfolgreich managen und hervorragende Arbeit leisten, die aber ihre Finanzen und ihre Investitionen leider keineswegs mit derselben Selbstverständlichkeit zu meistern scheinen.
Eine Online-Umfrage, welche die beiden Frauen Ende 2017 initiierten, bestätigte diesen Eindruck: Frauen sparen zwar, aber sie scheuen sich, dieses Geld dann zu investieren. Der Knackpunkt liegt jedoch weniger darin, dass Frauen eine Aversion dagegen hätten, ihr Geld für sich arbeiten zu lassen – vielmehr fehlt das Wissen, wo man anfangen sollte. Die beiden Expertinnen suchten nach Lösungen und gründeten Finelles, eine Online-Lerngemeinschaft zu persönlichen Finanzen, zu den Grundlagen des Investierens und zu Karrierethemen. Ihre Vision ist es, Frauen dabei zu unterstützen, die Dinge selbst in die Hand zu nehmen, indem sie sich das erforderliche finanzielle Know-how aneignen.
Mit interessanten und verständlichen Artikeln zu diversen Finanzthemen und einer Online-Lerngemeinschaft, aber auch Veranstaltungen wie Finanz-Bootcamps und Workshops möchte Finelles Frauen den Zugang zur Finanzwelt erleichtern und sie ermutigen, richtig zu investieren.
Bild Finelles