Sie ist Mitbesitzerin und Co-Präsidentin von Fusalp: Sophie Lacoste spricht über femininen Führungsstil, das Stahlbad Schauspielerei, ihren Umgang mit Angst und ihre Freude darüber, den richtigen Riecher gehabt zu haben.
WOMEN IN BUSINESS: Frau Lacoste, Sie sind die Enkelin des Gründers der berühmten Marke mit dem Krokodil und stehen heute nicht an der Spitze des Unternehmens?
Sophie Lacoste: Mein Vater hat das Unternehmen 2012 an Manor verkauft. Zusammen mit meinem Bruder Philippe habe ich dann 2014 die französische Skibekleidungsmarke Fusalp übernommen – und die Marke entstaubt und neu positioniert. Aus den damals 6,3 Millionen Euro Umsatz sind 40 Millionen geworden, mit Läden von Aspen bis Zürich.
Was erzählen Sie am liebsten aus Ihrem CV?
Bevor wir anfangen: Haben Sie die neueste Studie von McKinsey gesehen über Frauen und Management?
Nein. Erzählen Sie!
Sie kommt zum Schluss, dass Firmen, die von Frauen geführt werden, sehr gut performen und wissen Sie auch warum? Frauen sind viel anpassungsfähiger als Männer.
Das hat Sie überrascht?
Nein, nein, das ist natürlich wahr. Frauen mit Managementfunktion geht es vor allem darum, Leute dabei zu unterstützen, das Beste aus sich herauszuholen und nicht um ihre eigene Profilierung. Es gibt natürlich auch Männer, die so funktionieren.
Was meinen Sie mit «so»?
Der Unterschied besteht weniger zwischen Männern und Frauen, sondern zwischen einem eher femininen und eher maskulinen Führungsstil. Zweiterer, davon bin ich überzeugt, funktioniert nicht mehr für die Generationen, die nun nachrücken. Weil sie nicht mehr die gleichen Ziele haben im Leben.
Das heisst?
Es ist nun an uns, dafür zu sorgen, dass sie sich willkommen fühlen und wohl mit den Aufgaben, die sie übernehmen, und sie wollen Impact.
Fusalp macht Kleider, die die Welt nicht braucht.
Genau. Das ist eine der Herausforderungen, denen sich viele Unternehmen heute stellen müssen. Man muss die Erfahrung der Mitarbeitenden bereichern, Sinn geben, sie auf die Art bei uns halten. Ich höre so oft von Leuten um die 25, dass sie ihren Job gekündigt haben, weil sie darin keinen Sinn sahen. Ihnen scheinen Geld und materielle Sicherheit weniger wichtig als uns.
Was tun Sie als Arbeitgeberin?
Sinn, Inspiration und Ermächtigung geben – und über den Tellerrand hinaus blicken. Wir haben zum Beispiel die philanthropische Initiative «Fusalp s’engage». Mitarbeiter können Projekte pitchen, die sie unterstützen wollen, die Belegschaft stimmt dann ab. Dabei geht es nicht einfach um Geld, sondern auch um persönliches Engagement – auch während der Arbeitszeit. Das wird sehr geschätzt.
Können Sie das Bedürfnis nach mehr als Job und Geld verstehen?
Ja. Als ich so alt war wie mein 14-jähriger Sohn heute, fiel die Berliner Mauer. Ich bin aufgewachsen in einer Welt der Entspannung und Zuversicht. Er aber wächst auf in einem Riesendurcheinander mit offenem Ausgang. Da denkt man doch ganz anders über Arbeit nach, will, wenn man schon arbeitet, auch etwas bewirken, in der Welt, in der man lebt. Wir als Entrepreneurs müssen auf dieses Bedürfnis der Mitarbeitenden reagieren, etwas geben. Sie sollen happy sein.
Sind Sie denn happy?
Ich selbst mag unsere Produkte sehr und auch die Marke Fusalp. Aber das Wichtigste und Erfüllendste für mich ist es, die Firma zu führen. Es ist spannend, und ich liebe Herausforderungen und vor allem habe ich keine Angst davor.
Wovor?
Ich rede nicht von Waghalsigem, Hochriskantem – lebensmüde bin ich nicht. Ich habe grundsätzlich vor nichts Angst. Und wenn doch, weiss ich, dass ich genau das tun muss, wovor ich Angst habe – für mein eigenes Fortkommen.
Und Sie getrauen sich das dann auch?
Ich versuche es immer und schaffe es meistens.
Grossartig –wer verlässt schon freiwillig seine Komfortzone.
Ich! Ich bin nicht gern in der Komfortzone. Da habe ich immer das Gefühl, dass ich etwas verpasse, dass das Leben an mir vorbeizieht.
Was haben Sie für Leadership-Prinzipien?
Ich bin in einer sportlichen Familie aufgewachsen und Teamgeist ist wirklich etwas, wovon ich eine Ahnung habe. Alle zusammen und viele kleine Dinge machen die grosse Geschichte.
Was war Ihr härtestes Learning, als Sie Unternehmerin wurden?
Ich glaube, die Herausforderung ist wirklich, dass jeder seinen Platz findet. Ich als Co-Präsidentin muss mir bewusst sein, was meine Verantwortung ist und was nicht. Dafür muss ich sensibel sein, wer ich bin, und daher kann ich das auch immer besser.
Können Sie das ausführen?
Ich bin nicht exekutiv und bin zwar nahe dran, aber stets mit Abstand. Ich sage niemandem, was er oder sie zu tun hat, das ist nicht meine Aufgabe und würde auch wenig Sinn machen, da viele hier schon seit Jahrzehnten im Unternehmen sind und ihren Job verstehen. Ich verfolge aber, was sie machen, weil es meine Verantwortung ist, sicherzustellen, dass sie das Richtige tun – für die Firma, für die Marke, für unsere Strategie.
Und wie machen Sie das?
Mit regem Austausch.
Wohin geht die Reise mit Fusalp?
Als wir hier anfingen, war der Bestseller eine Jacke für 269 Euro. Das war ein Produkt mit einem guten Preis-Leistungs-Verhältnis, war ein Basic ohne Identität. Wir haben uns dann auf das fokussiert, wofür die Marke einst bekannt gewesen ist: Highend-Produkte. Und dann haben wir herausgefunden, dass wir Fusalp sogar als Luxusmarke positionieren können. Heute ist der Topseller eine Jacke für rund 1200 Euro. Diesen Weg haben wir eingeschlagen und sind erfolgreich.
Erfolgreicher als erwartet?
Schon der vorherige Besitzer hatte ein paar Produkte, die sehr highend waren. Aber er konnte sie nicht verkaufen, weil ihm die Kunden fehlten. Es waren aber genau diese Teile, die uns begeistert haben, sehr klassisch, stylish, technisch hoch interessant. Bref: Wir haben sofort gespürt, dass daraus eine weltweit erfolgreiche Marke werden kann.
Wie wird eine Marke weltweit bekannt?
Durch Kollaborationen mit weltweit bekannten Marken zum Beispiel. In Frankreich, wo wir nach wie vor die Hälfte des Umsatzes machen, kennt uns jeder – als Skibekleidungsmarke. Aber: Wir machen auch Mäntel, Hosen, Blusen und so weiter. Dank der Kollaboration, die wir mit Chloé eingegangen sind, wird Fusalp auch mit anderem assoziiert als mit der Skipiste. Wir haben noch einiges Weiteres vor in der Richtung. Alles noch nicht spruchreif.
Haben Sie Rolemodels?
Ja, meine Grosseltern. Für sie war es wichtig, anständig zu sein, sich stets selbst zu verbessern und auch das Geschäft. Zwei grossartige Sportler eben mit dem Geist «man fordert sich heraus, man kämpft, aber immer Respekt vor dem Kontrahenten». Sie waren nicht nur auf sich oder das Business fokussiert, sondern haben immer mitbekommen, was rund um sie herum geschah.
Der andere Co-Präsident ist Ihr Bruder Philippe. Wie arbeiten Sie zusammen?
Wir haben beide unsere Gebiete. Bei mir sind unter anderem die Finanzen und die Kommunikation, er ist eher global ausgerichtet, kümmert sich um die Märkte.
Womit wir auf die erste Frage zurückkommen könnten …
Ich bin in Lacoste, der Firma meiner Grosseltern und Eltern, aufgewachsen und kam mit 23 in den Verwaltungsrat von Lacoste, nachdem ich meinen Master in Finance gemacht hatte. Zudem war ich Schauspielerin, das Theater war lange meine Hauptsache. Aber dieser Beruf, bei dem man viel unterwegs ist, wird anstrengend, wenn man kleine Kinder hat und extrem anstrengend, wenn die Projekte zudem eher ätzend als erfreulich sind. In genau der Situation war ich eines Tages – und habe entschieden, die Schauspielerei sausen zu lassen und bin in die Firma eingestiegen.
Ihre Eltern haben Lacoste schliesslich an Manor verkauft, statt Sie zur Nachfolgerin zu machen, woraufhin Sie ausgeschieden sind. Ressentiments?
Wissen Sie, da hat mich mein Schauspielberuf etwas Zentrales gelehrt. Es gibt Regisseure, die nicht nett mit einem umgehen, was einen hart treffen kann, da die Arbeit, die man auf der Bühne abliefert, man selbst ist. Wenn einem gesagt wird, du machst das schrecklich, ist man selbst schrecklich. Ich habe so gelernt, zu unterscheiden zwischen mir und dem Job. Und das hat mir bei der Geschichte mit meiner Familie, die lieber verkauft hat, als an die nächste Generation zu übergeben, geholfen. Ich war traurig, aber es hat mich nicht im Innersten verletzt.
Der Erfolg mit Fusalp ist Ihre süsse Rache?
Ich muss keine Rache nehmen. Das habe ich zu keinem Zeitpunkt gebraucht, aber ich bin sehr glücklich, dass es so gut läuft und wir so gut zusammenarbeiten und funktionieren. Unser Erfolg gehört uns allen.
Was ist aus dem Theater geworden?
Ich gehe nach wie vor zweimal die Woche ins Theater und würde noch öfter hingehen, wenn ich könnte. Ich liebe es, je öfter desto besser.
Was lieben Sie daran so sehr?
Wenn ich mich in den Stuhl setze, im Dunkeln, da bin ich allein mit mir und die andern um mich zählen nicht mehr. Ich kann das Stück schauen oder etwas ganz anderes denken, habe Zeit dafür und das Recht dazu. ★
Foto: Fusalp