Humor ist für Harriet Beveridge eine ernsthafte Sache. Nach ihrem Abschluss an der Oxford University hat sie als Unternehmensberaterin bei EY angefangen zu arbeiten – und dort zu ihrer Berufung gefunden: Seit bald 20 Jahren ist sie Stand-up-Comedian, coacht Führungskräfte und teilt ihre Erkenntnisse als Keynote-Speakerin an Happenings wie dem Event «Reset & Recharge» von She’s Mercedes.

Ihr Steckenpferd: Gedankenkonstrukte und Verhaltensmuster im Sinn des eigenen Gedeihens verändern, indem sie sie erst einmal freischaufelt. Ihre Karriere als Stand-up-Comedian hat Harriet Beveridge mit Kursen gestartet und dabei erst einmal selbst erfahren, wie transformativ Humor sein kann. Und wie hilfreich, um mit den Herausforderungen und Veränderungen im Leben umzugehen. Wie heisst es so schön: Humor ist, wenn man trotzdem lacht.

Wir treffen die Mutter von zwei Jungs im Teenageralter online. Sie sitzt in Bath (UK), wo die Sonne an diesem Nachmittag auf ihr Pult scheint. Auch sie selbst strahlt, ist in ihrem Element: erzählt, lacht, reagiert – manchmal wie aus der Kanone geschossen, manchmal nach einer Denkpause.

WOMEN IN BUSINESS: Harriet, was haben Sie Karrieremenschen zu bieten? 
Harriet Beveridge: Ich kann helfen, aussergewöhnliche Leistungen zu erzielen und Erfolg zu haben, mit Betonung auf UND.

Warum betonen Sie das?
Weil sehr viele Menschen das als entweder oder erleben, weil sie das Beste aus ihrem Leben machen wollen und sich dabei ruinieren, weil sie sich zu sehr anstrengen. Es ist effizienter, sich standardmässig um das eigene Wohlbefinden zu kümmern, anstatt zu versuchen, die Balance zwischen Arbeit und Privatleben an den Rand zu drängen. Mit dem verbunden zu sein, was einem wirklich wichtig ist, macht resilient.

Kann man das lernen?
Natürlich, das ist ja das Gute daran.

Was haben Sie für Tipps auf Lager?
Ganz viele, sehr verschiedene. Ich bin kein Guru mit perfekten Rezepten und Antworten, aber ich bin eine, die selbst unterwegs ist und in ihrem Rucksack Erfahrungen und Tipps von zwei Jahrzehnten, die ich damit verbracht habe, zu forschen, zu experimentieren und zu üben, wie man Glauben und Selbstvertrauen aufbaut, wie man Gewohnheiten ändert und installiert und wie man ein Netzwerk knüpft, in dem man gedeihen kann.

Ein konkreter Tipp?
Einer ist zum Beispiel die Zehn-Minuten-Regel: Beginnen Sie eine unangenehme Aufgabe mit der Erlaubnis, nach zehn Minuten wieder aufzuhören. Untersuchungen zeigen, dass das Gehirn dann weiterarbeitet. Und wenn Sie sich dann wieder an die Aufgabe setzen, fällt es schon leichter, sich damit zu beschäftigen. Oder aber Sie stellen nach zehn Minuten sogar fest, dass Sie problemlos dranbleiben können – weil die Aufgabe gar nicht so unangenehm ist, wie gedacht.

Wie gehen Sie vor?
Ich bin eine leidenschaftliche Verfechterin der Komödie als Kraft des Guten. Ich kombiniere meine vielfältigen Learnings aus Einzelcoachings und auf der Bühne mit meiner Expertise als Unternehmenscoach. Die Strategien aus der Stand-up-Comedy helfen, Resilienz und nachhaltige Leistung aufzubauen.

Wie haben Sie zur Stand-up-Comedy gefunden?
Es war ein Prozess. Ich ging an einen Standup-Comedy-Kurs. Coaching und Comedy ist irgendwie das gleiche. Es geht darum, auszusprechen, was aktuell geschieht und nicht, was wir annehmen oder sehen wollen. Und dann geht es darum, neugierig zu sein und zu fragen, warum mache ich, was ich mache? Die Komik funktioniert ziemlich ähnlich.

Erinnern Sie sich an den ersten Kurs?
Der erste Kurs wurde von einem sehr, sehr chaotischen Stand-up-Komiker geführt. Es war sehr gut, denn es war so ganz anders als alles, was ich bis dahin gemacht habe. Wir haben daran gearbeitet, sehr klar zu sein in Bezug auf das, was wir fühlen, bei allem, was wir tun. Bist du genervt? Das ist interessant. Bist du aufgeregt? Das ist interessant.

Wo haben Sie Ihre Wurzeln als Berufsfrau?
Ich habe an der Universität in Oxford studiert und verschiedene Abschlüsse gemacht. Aber das, was mich am meisten interessiert, sind menschliche Connections. Ich bin gerade an meiner Masterarbeit in Neurowissenschaften. Meine Karriere habe ich als Unternehmensberaterin bei Ernst & Young gestartet. Ich habe schnell gemerkt, dass die Leute sehr heiss darauf waren, ihre Performance ständig zu verbessern.

Für die Firma?
Und für sich selbst. Das gehört für mich zueinander und zusammen. Die grosse Frage dabei ist: Wie kann man eine gute Karriere machen und gleichzeitig aufblühen.

Sind Sie sehr busy?
Ja. Aber ich habe die Kontrolle darüber. Es ist ja sehr einfach, in die Falle zu treten, oh, ich bin so busy, oh, ich bin so ausgelastet. Das höre ich so oft bei meinen Klienten. Ich sage dann immer, okay, was von all dem, was dich so busy macht, kannst du kontrollieren? Was ist nur lärmig?

Sie haben Kinder?
Ja, zwei Jungs im Teenage-Alter.

Wie kommen Sie mit denen klar?
Es ist eine besondere Situation. Auf einmal habe ich noch zwei Männer im Haus. Sie sind gross. Und grossartig.

Sie sind seit 20 Jahren im Geschäft. Wie hat es sich entwickelt?
Was ich sehe bei Frauen: Es lastet mehr Druck auf ihnen als früher. Und ich habe oft mit Frauen zu tun, die daran arbeiten, was Führen für sie heisst. Ist es copy-paste dessen, was Männer machen, damit sie die Beförderung bekommen? Die Möglichkeiten und Optionen werden besser, aber der Druck auch grösser. Er ist riesengross – in allem super zu sein.

Ist das überhaupt manageable oder brennt einen das zwangsläufig aus?
Es klingt vielleicht etwas simpel, aber vieles lässt sich regeln mit «wählen». Welche Games spielen wir mit, welche nicht? Es ist so schnell passiert, dass man in der Falle sitzt, in der die Gesellschaft sagt, was man zu tun und zu lassen hat.

Ihre Wahl?
Ich wollte immer etwas machen, das mir erstens Spass macht, was mich mit Menschen verbindet und mit dem ich einen Unterschied machen kann und nicht einfach das Naheliegende, Offensichtliche. Zum einen Ja zu sagen, heisst auch zum anderen Nein zu sagen. Man muss aufrichtig und ehrlich sein mit sich selbst.

Was sind denn so die Themen ihrer Klientinnen?
Ich höre oft, ich will mich nicht in Politik verstricken und mich damit aufhalten. Als Coach muss ich das aufschlüsseln. Politik kann ätzend sein, das kann man nicht kontrollieren, aber was man sehr wohl in der Hand hat, ist der Umgang damit. Das gilt ganz generell. Das ist wohl einfacher gesagt
als getan. Wer der Star in seiner Show sein will, braucht ein Supportteam aus herzlichen, gleichgesinnten Seelen. Als ich vor 20 Jahren angefangen habe, war das für Männer alles viel einfacher als für Frauen. Sie hatten den Golfclub, den Stripclub, den Gentlemen’s Club.

Was haben Sie für ein Supportteam?
Ich habe einen Coach, ich habe Sponsoren, ein Soundingboard und Freunde, um mich auszutauschen und zu reflektieren. Und eine Putzfrau. Ich stelle fest, dass viele Frauen sich davor scheuen, sich
unterstützen zu lassen, nicht aus finanziellen Gründen, sondern wegen einer inneren Blockade von der Art «ich sollte doch in der Lage sein, das allein zu schaffen».

Sie haben ein Buch mit dem Titel «Will it make the boat go faster» geschrieben – in Kollaboration mit einem Olympioniken. Wie sind Sie auf die Idee gekommen?
Ich bin total unsportlich. Ich bin in eine Firma eingestiegen und am gleichen Tag auch Ben Hunt Davis. Seine Geschichte ist hoch inspirierend: Er hat als ganz gewöhnlicher Kerl mit einem ganz gewöhnlichen Team Aussergewöhnliches erreicht: olympisches Gold. Er hat ein paar sehr interessante Strategien für die Sportler. Das Buch handelt davon, diese Strategien ins tägliche Leben zu transferieren und sie zu nutzen für unser eigenes Fortkommen.

Welches ist die effizienteste Strategie?
Es gibt 13 Kapitel. Für mich persönlich am nutzbringendsten war das Thema rund um den Glauben an sich selbst. Und es hat mich sehr fasziniert, dass selbst das olympische Team mit den besten Ruderern Englands immer noch intensiv an seinem eigenen Selbstvertrauen arbeiten muss.

Was steckt dahinter?
Die Tatsache, dass man nur die Performance kontrollieren kann, nicht die Resultate. Aber genau daran werden wir gemessen, dafür werden wir bezahlt. Man darf seinen Selbstwert deshalb nicht von Resultaten abhängig machen. Im Buch haben wir zahlreiche erprobte Methoden drin, die einem helfen, die eigene Performance auf Gold-Medaillen-Level zu bringen für eine erfüllende Karriere.

Was ist eine erfüllende Karriere?
Für jeden etwas anderes und die Antworten auf Fragen wie, was motiviert einen, was treibt einen an? Mich zum Beispiel motiviert es, mit Leuten in Verbindung zu treten, Spass zu haben und bei ihnen etwas zu bewirken. Ich coache Leute mit sehr verschiedenen Fähigkeiten.

Was haben sie gemeinsam, ausser dass sie sich von Ihnen
coachen lassen?

Die Japaner haben dafür den Ausdruck «hungry ghosts». Er bedeutet, nie zufrieden sein, immer mehr zu wollen, nach etwas zu streben, um glücklich und zufrieden zu sein. Nur: Man wird nicht glücklich und zufrieden, wenn man etwas Bestimmtes erreicht hat. Es geht im Leben aber darum, wie man glücklich sein kann, mit dem, was man ist und was man hat.

Sie halten viele Reden, stehen als Komödiantin auf der
Bühne. Ihre Witze kommen nicht immer an. Wie ist das?

Wie eine grosse Metapher für das Leben: Man bekommt nicht immer, was man sich wünscht und was man will. Wir tun so, als könnten wir Versagen und Fehler verhindern. Können wir aber nicht. Manchmal gehe ich auf die Bühne, und es klappt nicht. Das passiert den besten Comedians. Wir arbeiten, machen Fehler und wir versagen. Hart, aber gehört einfach dazu. Für einen Comedian ist es das Grösste, wenn sein Publikum lacht. Wenn man zusammen lacht, ist man verbunden. Der Preis, den man bezahlt, indem man sich darum bemüht, ist halt einfach, dass es nicht immer klappt.

Ist Humor etwas Individuelles oder Generelles?
Beides. Jeder mag einen individuellen Sinn für Humor haben. Aber es funktioniert oft sehr gut, die Dinge beim Namen zu nennen, auszusprechen, direkt, ungeschönt. Oder zu übertreiben – bis zur Verzerrung der Realität.

Ist es anders in England oder in Deutschland auf der
Bühne zu stehen?

Absolut. Man darf natürlich nicht generalisieren, aber Holländer sind zum Beispiel viel direkter als Briten, die haben dafür ein Feeling für Doppelbödiges. Es gibt klar kulturelle Unterschiede. Davon lasse ich mich nicht leiten, sondern achte vielmehr auf das individuelle Level des Publikums.

Kennen Sie das Publikum denn?
Ich versuche, so viel herauszufinden über das Publikum, wie ich kann. Aber nichts ersetzt schliesslich auf der Bühne zu stehen und dann herauszufinden mit Interaktionen, wo die Leute stehen.

Für Sie als Coach: Was ist der einfachste Fall, was schwierig?
Das lässt sich nicht so einfach beantworten. Coaching ist ein starkes Instrument, weil es dazu dient aufzudecken, wo es klemmt und was dahinter steckt. Kollegen zu finden, ist an sich ja einfach. Und wenn nicht, ist es spannend aufzudecken, warum es schwerfällt. Coaching ist wie eine Schatzsuche – man sucht das Schloss und dann den Schlüssel. Das braucht manchmal Zeit, manchmal hat man beim ersten Versuch den richtigen Schlüssel in der Hand. Manchmal muss man 20 verschiedene Schlüssel ausprobieren, bevor man Zugang erhält.

Wie merken Sie, dass es der richtige ist?
Das macht richtiggehend Klick. Es ist das Schönste für mich als Coach, dabei zu sein, wenn die Truhe aufspringt. Worüber sprechen Sie am liebsten als Keynote-Speaker vor einer weiblichen Zuhörerschaft? Wie können wir einen guten Job machen bei der Arbeit und gleichzeitig gedeihen und nicht ausbrennen.

Was ist der Schlüssel?
Anerkennen, dass man Arbeiten geniesst, Freude daran hat, kann einer sein. Oder sich darüber bewusst zu werden, was einem wichtig ist und worauf man seine Energie verwendet. Hier besteht oft ein Graben. Viele denken, harte Arbeit muss weh tun und schwer sein. Und um weiterzukommen, muss es maximal unbequem sein. Dabei: Man kann sehr gut sein im Job und das, was man tut, geniessen und Freude daran haben.

Können Sie selbst in Ihrem Leben umsetzen, was Sie predigen?
Jedes Mal, wenn ich eine Keynote-Session halte oder eine Einzelsitzung, ist es, als würde ich in den Spiegel schauen. Ich gehe jeden Tag durch mein eigenes Coaching-Programm. Ich glaube, ich bin ziemlich gut darin, Grenzen auszubalancieren.

Das heisst konkret?
Ich tendiere dazu, zu schnell ja zu sagen, zu zu vielen Dingen. Ich habe es mir zur Gewohnheit gemacht, bei einer Anfrage zuerst eine Pause einzulegen, bevor ich antworte.

Haben Sie Role Models?
Einen Menschen auszuwählen, kann gefährlich sein, man idealisiert, vor allem, wenn es Menschen sind, die man nie persönlich treffen kann. Wir haben alle Superkräfte.

Ihre?
Humor.

Haben Sie einen Lieblingswitz?
Ja. Den ersten Witz meiner Kids. Sie waren noch klein und der Witz ist schrecklich, aber sie haben alle so zum Lachen gebracht, deshalb ist es mein Lieblingswitz.
Er geht so: Was ist das, sagt eine Null zu einer anderen Null und
zeigt auf eine Acht. Die Antwort: Schöner Gürtel.

Event-Empfehlung der Redaktion:
Seien Sie beim nächsten She’s Mercedes Event dabei und lernen Sie Harriet Beveridge persönlich kennen.

«Reset & Recharge»
Eine Veranstaltung der She’s Mercedes Initiative.
Datum und Uhrzeit: Donnerstag, 27. April, 18 Uhr
Ort: Grand Hotel Les Trois Rois
Ticketpreis: CHF 59.–

Powered by

Voranmeldungen unter: janina.geiger@mercedes-benz.com

Die Initiative She’s Mercedes steht für die Idee, dass Inspiration Aussergewöhnliches bewirken kann. Mehr zur Initiative und zu den Events von She’s Mercedes in der Schweiz finden Sie im Newsletter mercedes-benz.ch/shesnewsletter-de sowie unter mercedes-benz.ch/shes

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Die nächste WOMEN IN BUSINESS Ausgabe wird am 16.05.2024 lanciert

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