Es ist Jahresende und damit Zeit, diverse Bilanzen zu ziehen.
Auch in Geldfragen. Tops und Flops im Anlageportfolio sollten analysiert und richtig interpretiert werden, so dass die Investitionsstrategie 2019 erneut oder endlich pralle Früchte treibt. WOMEN IN BUSINESS hat zwei Profis nach Tipps, Trends und Prognosen befragt.
Es war ein wilder Ritt, den uns die globalen Aktienmärkte 2018 teils vorgeführt haben. Einmal euphorisch in Rekordsphären aufsteigend, dann im Sauseschritt talwärts donnernd und sogleich wieder hoch. In Champagnerlaune stieg etwa die New Yorker Wall Street ins Jahr, wurde dann aber durch aufkeimende Ängste vor rasant steigenden Zinsen noch im Januar in eine Art Schockstarre versetzt. Es folgte nach temporären Kurszusammenbrüchen die Entwarnung der Notenbank, welche den längsten Bullenmarkt in der US-Börsengeschichte, ausgelöst bereits im März 2009, in die Verlängerung schickte.
Wenn die Wall Street Impulse setzt, zuckeln die globalen Aktienmärkte oft hinterher. Gleichzeitig durchlebten 2018 auch die EU-Börsen als Folge von Brexit-Verhandlungen, italienischen Schuldenbergen und Handelskonflikten mit den USA teils heftige Schwankungen. Davon tangiert wurden unweigerlich auch Schweizer Anleger. Vom Hüst-und-Hott-Kurs der vergangenen Monate etwas verunsichert, fragt man sich nun zu Recht: Wie geht es im Jahr 2019 weiter? Was haben wir zu erwarten?
Gezeitenwechsel der globalen Geldpolitik
Laut Finanz- und Anlageexperten gibt es verschiedene Entwicklungen, die das Börsenjahr 2019 prägen dürften. Aus Sicht von Matthias Geissbühler, Chief Investment Officer bei Raiffeisen Schweiz, dürfte das bevorstehende Jahr einen «Gezeitenwechsel in der globalen Geldpolitik» bringen. Seit der Finanzkrise 2008/2009 hätten die Notenbanken die Märkte mit Geld geflutet und die Zinsen auf null oder gar in den negativen Bereich gesenkt. «Als Folge haben praktisch alle Anlageklassen stark zugelegt und zeitweise neue Rekordstände erreicht.»
Dieser Rückenwind durch die Notenbanken werde in den kommenden Monaten nun jedoch nachlassen. Der Raiffeisen-Experte rechnet mit einem schwierigen und deutlich volatileren Börsenjahr. «Nach den bereits sieben erfolgten Zinsanhebungen durch die amerikanische Notenbank – 2019 werden ziemlich sicher weitere folgen – dürften spätestens im Herbst 2019 auch die europäische Zentralbank und die Schweizerische Nationalbank mit den ersten Zinserhöhungen nachziehen», so seine Prognose. «Damit wird eine wichtige Stütze für die Finanzmärkte wegfallen.» Anleger müssen sich laut Geissbühler ohnehin bewusst sein, dass nach einem derart nachhaltigen Konjunkturaufschwung mit massiver Börsenhausse, wie in den letzten Jahren erlebt, irgendwann wieder eine Rezession folgen werde. «Für Investoren ist es ratsam, die Entwicklung aufmerksam zu verfolgen, entsprechende Warnzeichen frühzeitig zu erkennen und danach zu handeln.»
Steigende Zinsen seien grundsätzlich schlecht für Obligationenanleger, weshalb mit dieser Anlageklasse 2019 eher wenig zu holen sei, wird der Raiffeisen-Experte konkret. Auch bei den Aktien zeichnet Geissbühler ein durchzogenes Bild. «Einerseits entwickelt sich die globale Konjunktur zwar noch positiv, was insgesamt auch noch leicht steigende Unternehmensgewinne nach sich ziehen dürfte.» Gegenüber den Vorjahren werde die Dynamik aber spürbar nachlassen. Zudem sei infolge des Zinsanstiegs auch unweigerlich mit einer Bewertungskorrektur zu rechnen. «Vor diesem Hintergrund raten wir zu einer eher defensiven Positionierung.»
Für interessant hält der Raiffeisen-Experte beispielsweise Basiskonsumgüteraktien und Gesundheitswerte, da diese in der Regel über stabile Geschäftsmodelle verfügen würden. «In der Schweiz zählen Aktien wie Nestlé und Novartis zu unseren Favoriten.» Bei der Aktienselektion sollte zudem ein besonderes Augenmerk auf solide Bilanzen und attraktive Dividendenrenditen gelegt werden. Eher Vorsicht ist aus seiner Sicht gegenüber zyklischen Sektoren geboten.
Attraktive Prognosen für 5G und Wandelanleihen
Auch für Petra Schmidli-Tröndle, Partnerin bei der Privus AG Vermögensverwaltung in Zürich, taucht am Anlegerhorizont im Hinblick auf 2019 die eine oder andere graue Wolke auf. Gleichwohl ist aus ihrer Sicht verhaltener Optimismus angezeigt. Auch die Finanz- und Anlageexpertin ist überzeugt, dass sich das Gewinnwachstum der Unternehmen, allen voran in den USA, 2019 verlangsamen werde. Dies spreche aus Sicht der Anleger eher für defensive Branchen und Titel. Dabei hat sie ihre klaren Präferenzen. «In unserer Auswertung der Berichtssaison zum dritten Quartal 2018 ist aufgefallen, dass der Gesundheitssektor in Sachen Gewinnprognosen ganz vorne rangiert.» Dieser Fakt veranlasse deshalb auch sie zu einer zuversichtlichen Prognose für diesen Sektor. «Wir investieren im Hinblick auf 2019 beispielsweise in Novartis, Straumann und Siemens Healthineers. In den USA betrachten wir Pfizer als attraktiven Gesundheitstitel. Eher vorsichtig sind wir derweil gegenüber zyklischen Konsumgütern gestimmt.»
Ganz generell gibt die Vermögensverwalterin Anlegern den Tipp, die Finger zu lassen von Unternehmen, die in Sachen Standards hinsichtlich Ethik und Nachhaltigkeit nicht überzeugen können. «Man sollte bei der Auswahl eines Titels aktiv prüfen, ob er beim ESG-Rating, das für Environmental, Social und Governance steht, ein gewisses Mindestmass einhält.» Für immer mehr institutionelle, aber auch private Anleger seien Ethik und Nachhaltigkeit bei der Zusammensetzung des Portfolios zu einer Vorbedingung geworden. «Unternehmen, die hier nicht überzeugen können, werden tendenziell aus den Anlageuniversen verschwinden, mit entsprechend negativer Auswirkung auf die jeweiligen Aktienkurse.»
Als weiteres höchst interessantes Anlagethema für 2019 nennt Petra Schmidli-Tröndle den aktuellen Aufbau des neuen Mobilfunkstandards 5G. «Autonomes Fahren, neue Anwendungen in der Medizin, Internet der Dinge, Industrie 4.0 etc. machen eine schnellere und stabilere Technologie, welche die Geräte und Applikationen auch direkt verbindet, nötig.» Die 5G-Technologie werde in den kommenden Jahren daher ein wichtiger Wachstumstreiber sein. Unternehmen wie Anbieter von drahtlosen Kommunikationsdienstleistungen, Hardwarelieferanten für Datenkommunikationsnetzwerke, Hersteller von entsprechender Soft- und Hardware und solche, die für den Bau und die Wartung von Telefonmasten besorgt sind, werden laut Schmidli-Tröndle davon profitieren und zahlreiche Anleger anlocken.
Grundsätzlich ist die Vermögensverwalterin überzeugt, dass im aktuellen Umfeld Wandelanleihen für 2019 eine gute Anlagewahl sein dürften. «Sie bieten eine gewisse Sicherheit, enthalten aber auch ein attraktives Gewinnpotenzial.» Denn im Gegensatz zu herkömmlichen Anleihen (Obligationen) können Wandelanleihen selbst bei steigender Inflation positive Erträge abwerfen. «Mit Wandelanleihen können Anlegerinnen und Anleger also gegebenenfalls auch profitieren, sollten sich die Aktienkurse weiterhin positiv entwickeln.»
Eher auf Gold und «Cash» statt Immobilien setzen
Auch Matthias Geissbühler sieht für 2019 durchaus attraktive Alternativen für Anleger, die von einer Dominanz der Aktien wegkommen wollen. «Bei uns gehören etwa Hedge Funds, Edelmetalle oder Rohstoffe in diese Kategorie.» Besonders Gold dürfte aus Sicht des Raiffeisen-Experten 2019 durchaus ein heisser Tipp sein. Die wachsenden Unsicherheiten betreffend Konjunkturentwicklung und Entwicklung der globalen Handelsstreitigkeiten würden dem gelben Metall mit Sicherheit Auftrieb geben. «Wir empfehlen deshalb eine Allokation von gut fünf Prozent in einem Portfolio.» Auch ist Geissbühler der Meinung, dass sich im Hinblick auf 2019 zumindest kurzfristig eine etwas höhere Liquidität aufdränge, um sich eröffnende Opportunitäten rasch nutzen zu können.
Was den Schweizer Immobilienmarkt betrifft, mahnt Geissbühler indes eher zur Vorsicht. «Direkt in Renditeliegenschaften zu investieren, halten wir bei den aktuellen Renditeniveaus eher für risikoreich und würden deshalb abraten.» Der Grund: Die Leerwohnungsziffer steigt permanent und hat im laufenden Jahr von 1,45 Prozent auf 1,62 Prozent zugenommen. Aktuell sind etwa 72‘000 Wohnungen leerstehend, nach 64‘000 im Vorjahr. «Die nachlassende Zuwanderung und der Fakt, dass in einigen Agglomerationen mit Neubauten übertrieben wurde, mahnt zur Vorsicht», bestätigt auch Petra Schmidli-Tröndle. Sie geht davon aus, dass sich sowohl im privaten wie auch gewerblichen Immobilienmarkt die Leerstandquoten 2019 weiter erhöhen werden.
Beide Experten sind gleichwohl überzeugt, dass sich das Hypothekarzinsniveau auch im nächsten Jahr auf einem anhaltend tiefen Niveau bewegen wird. Der Traum von Eigenheim dürfte deshalb nach wie vor für viele Schweizerinnen und Schweizer attraktiv und realisierbar bleiben. Immerhin eine Sicherheit im Dschungel der Fragen, Risiken und Ungewissheiten, die das Geld- und Anlagejahr 2019 aus heutiger Sicht prägen. ★
Anlageprognosen: Irrtümer gehören zum Geschäft
Was die Entwicklung der Finanz- und Kapitalmärkte betrifft, sind Prognosen grundsätzlich mit einer gewissen Vorsicht zu geniessen. Die diversen Einflussfaktoren sind extrem komplex und ändern sich laufend. Zudem kommen oft schwer prognostizierbare politische Einflüsse hinzu, welche das anlagepolitische Umfeld stark verändern können. «Ganz wichtig ist, dass Anlageentscheidungen immer auf einer rational beurteilbaren Basis gefällt werden», meint dazu Petra Schmidli-Tröndle. Unbedingt zu vermeiden seien beispielsweise Wetten auf binäre Ereignisse, beispielsweise den Ausgang von Wahlen. Da es nie eine hundertprozentige Sicherheit gebe, könne man bei Prognosen mit prozentuellen Wahrscheinlichkeiten arbeiten.
Welches sind aus Sicht der Vermögensverwalterin nennenswerte Beispiele von Irrtümern und falschen Prognosen? «Nach der Wahl von Donald Trump floss kurzfristig viel Geld in ‹Old-Economy-Aktien› wie Caterpillar oder Fluor, die vom vermeintlichen ‹Wiederaufbau der US-Infrastruktur› profitieren sollten. Daraus ist aus verschiedenen Gründen nichts geworden. Caterpillar notiert in diesem Jahr mit minus 21 Prozent, Fluor mit minus 16 Prozent, während der S&P500 Index ein kleines Plus verzeichnet. Im Gegensatz dazu hat es sich bezahlt gemacht, auf die Steuersenkungsprofiteure, ein weiteres Wahlversprechen von Donald Trump, zu setzen. Zum Beispiel entwickelten sich Apple (+10%), Walt Disney (+7%) und Microsoft (+22%) alle klar besser als der Index.»*
*Stand der im Zitat genannten Kurse: 19.11.2018