Künstliche Intelligenz (KI) kann immer mehr. Eine, die sich auf dem Gebiet auskennt, ist Paulina Grnarova. Die CEO und Mitgründerin von DeepJudge, einem Start-up im KI-Bereich, will mit der Technologie den juristischen Suchprozess revolutionieren. Wir haben mit ihr über das Vorhaben, ihre Rolle als CEO und die Gunst der Stunde gesprochen.

WOMEN IN BUSINESS: Was genau bietet das Start-up DeepJudge an?
Paulina Grnarova: Wir haben eine Software entwickelt, welche die Effizienz von Anwälten steigert, indem Routinetätigkeiten automatisiert werden. Juristen müssen täglich unzählige Dokumente nach relevanten Informationen durchforsten. Diese Tätigkeit nimmt viel Zeit in Anspruch, die anderweitig genutzt werden könnte. Hier setzt DeepJudge an. Die Software filtert im Nu relevante Informationen aus Dokumenten. Das bringt den juristischen Suchprozess auf ein neues Level.

Wie vermag die Software, Informationen zu filtern?
Sie nutzt Künstliche Intelligenz (KI). Diese ermöglicht es, natürliche Sprache sowie rechtliche Konzepte semantisch zu verstehen. Das heisst, die Software versteht die Bedeutung und den Kontext von Wörtern und Sätzen. Konnte man mit bisherigen Programmen nur nach spezifischen Schlüsselwörtern suchen, erfasst DeepJudge die weiter gefasste Bedeutung eines Suchbegriffs. Es handelt sich damit nicht mehr nur um eine Stichwortsuche. DeepJudge kann komplexe Fragestellungen und den Kontext eines Textes erfassen.

Sie haben ursprünglich Computer Science studiert. Wie kamen Sie von dieser Thematik hin zur Gründung von DeepJudge – einem Start-up, das Dienstleistungen im Rechtsbereich erbringt?
Das hat verschiedene Gründe. Als Doktoranden an der ETH Zürich haben wir uns auf das Verständnis von Texten mit Hilfe von KI spezialisiert. In der Tat gibt es aber zahlreiche Branchen, in denen Text in grossen Mengen verarbeitet werden muss. Der juristische Bereich interessierte uns besonders, weil verschiedene Dokumente, die zusammenhängen, analysiert werden müssen. Hinzu kommt, dass die Sprache in den Rechtswissenschaften sehr nuanciert ist. Die Veränderung eines Wortes kann die Bedeutung eines ganzen Abschnittes verändern. Das Bedürfnis nach Unterstützung und Automatisierung war in diesem gesamten Prozess gross. Hinzu kam, dass die Technologie während unserer Promotion grosse Fortschritte erzielen konnte. Es wurde dank KI ein Verständnis von Text möglich, das zuvor unmöglich schien. Diese Gunst der Stunde haben wir genutzt.

Wie haben Sie den Prozess der Gründung wahrgenommen?
Es ist sehr aufregend, ein eigenes Unternehmen zu gründen. Man hat das Gefühl, etwas Grosses zu bewirken. Es beeindruckt mich, dass eine kleine Gruppe von Menschen einen Arbeitsablauf verändern kann. Und es war eine grosse Befriedigung, endlich alles, was wir während der Promotion gelernt hatten, auf ein praktisches Problem anzuwenden zu können.

Wie haben Sie den Wandel von Ihrer eigentlichen Tätigkeit – dem Codieren – hin zur CEO wahrgenommen?
Ich programmiere zwar nicht mehr direkt, bin aber immer noch an der übergeordneten Weiterentwicklung der Software beteiligt. Ich schätze es, beide Tätigkeiten, das Programmieren und die Rolle der CEO, kombinieren zu können. Ich sehe gerade hier einen grossen Vorteil. Zu meinen Aufgaben als CEO zählen unter anderem die Führung von Gesprächen mit Kunden und potenziellen Investoren. Mein technischer Hintergrund hilft mir dabei sehr. Zum einen erscheine ich glaubwürdig, weil ich das Produkt mitentwickelt habe und weiss, wovon ich spreche. Zum anderen kann ich direkt und individuell Empfehlungen abgeben.

Welchen Rat würden Sie anderen (potenziellen) Gründerinnen mit auf den Weg geben?
Ich würde ihnen sagen «Tu es einfach!». Denn sobald man den Sprung gewagt hat, ergibt sich der Rest. Es ist ein Fehler, abzuwarten, bis man perfekt vorbereitet ist, denn das wird nie der Fall sein. Es geht vielmehr darum, die Ungewissheit von allem, was kommen wird, anzunehmen. Ein weiterer wichtiger Punkt ist das Gründungsteam, all jene Menschen, mit denen man sich umgibt. Man muss Leute finden, welche dieselben Werte teilen und an die Geschäftsidee glauben. Denn gemeinsam geht alles einfacher.


 

Über Dr. Paulina Grnarova Paulina Grnarova ist Co-Founderin und CEO von DeepJudge, einem Spin-off der ETH Zürich. Die Nordmazedonierin promovierte an der ETH in Künstlicher Intelligenz und arbeitete mehrere Jahre als Forschungsberaterin bei Google AI Language und Google Brain, wo sie sich auf das Verständnis natürlicher Sprache spezialisierte. Für ihre Leistungen wurde Paulina unter anderem in die prestigeträchtige «Forbes 30 under 30»-Liste aufgenommen.

Über DeepJudge Das Start-up wurde von vier Doktoranden der ETH Zürich gegründet. Bei der Software handelt es sich um eine KI-gestützte Plattform, welche die Verarbeitung juristischer Dokumente unterstützt. Die Software ist bereits auf dem Markt und befindet sich in der Pilotphase. Mehrere grosse Anwaltskanzleien helfen bei der Entwicklung mit.

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Die nächste WOMEN IN BUSINESS Ausgabe wird am 16.05.2024 lanciert

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