Wer von Beginn der Erwerbstätigkeit monatlich kleine Beträge spart und anlegt, baut über die Jahre durch Zins und Zinseszins ein Vermögen auf. Das Risiko, dabei Geld zu verlieren, ist gering. Wer das Vermögen jedoch auf dem Sparkonto liegen lässt, verliert mit Sicherheit Geld.
Noch bis Anfang der 1980er Jahre sah das Gesetz vor, dass der Mann als Familienoberhaupt zuständig für den Unterhalt der Familie war. Bei einer Scheidung war er weiterhin in der Pflicht, zumindest teilweise für den Unterhalt der Frau zu sorgen. Heutzutage zeigt sich ein anderes Bild: Beide Ehepartner müssen nach der Scheidung selbst für den eigenen Unterhalt aufkommen. Deshalb sollte eine Zukunftsplanung mit Ehepartner und Kindern für Frauen eine Erwerbstätigkeit nicht ausschliessen. Es ist zwar unpopulär, vor der Eheschliessung bereits an den Fall einer Scheidung zu denken, doch lohnt es sich auf alle Fälle und verschafft Sicherheit. Andrea Klein ist Vorsorgeexpertin und Leiterin Fachzentrum Finanzplanung bei Raiffeisen Schweiz.
Sie rät jeder Frau zu einer umsichtigen Karriere- und Finanzplanung, die sämtliche Eventualitäten einschliesst. «Dies reduziert den sogenannten Gender Pension Gap, der belegt, dass Männer momentan 30 Prozent mehr Rente erhalten als Frauen. Gründe dafür sind Teilzeitarbeit, Erwerbsunterbruch und lückenhaftes Finanzwissen der Frauen», weiss sie.
Reden wir über Geld
Mangelndes Finanzwissen hat oft mit fehlendem Interesse zu tun. Finanz- und Vorsorgethemen sind nicht nur für Männer gemacht, sie sind genderneutral und betreffen alle. Konservative Rollenverteilungen haben sich zugunsten der Gleichberechtigung von Mann und Frau gewandelt, weshalb sich auch Frauen für diese Themen interessieren und diese selbstbewusst angehen sollten.
«Wer nicht weiss, wo anfangen, spricht am besten mit der Familie, Bekannten und Freundinnen über Geld», rät Klein und fügt an: «Es ist zwar üblich, dass man über das Ausgeben von Geld redet, über Einnahmen und längerfristige Themen wie Vorsorge, Scheidung oder gar die Konsequenzen von Krankheit und Tod wird hingegen kaum offen geredet.» Diese Themen betreffen und beeinflussen die Lebensqualität stark. Der Austausch von Finanzwissen unter Frauen baue Unsicherheiten ab, stärke das Selbstbewusstsein und fördere eine weibliche Sprache und Sichtweise, die im Finanzsektor dringend benötigt werden, meint Klein.
Wer im eigenen Umfeld keine Ansprechpartner oder keine Ansprechpartnerinnen zur Verfügung hat, wird in einem Finanzinstitut fündig. Die Beraterinnen und Berater bemühen sich in der Regel darum, das Fachwissen in verständliche Informationen zu verpacken und die geeigneten Strategien für das Risikoprofil, das Vermögen und die Ziele der jeweiligen Person zu eruieren. Wichtig ist dabei, dass ein Vertrauensverhältnis entsteht, in dem man ungeniert nachfragen kann, wenn man etwas nicht versteht. «Es ist ein Prozess, der mit der gesundheitlichen Vorsorge vergleichbar ist. Man sucht sich dafür den passenden Arzt oder die passende Gesundheitsexpertin. Falls sich gesundheitliche Änderungen ergeben, konsultiert man diese Fachperson des Vertrauens und lässt sich beraten. So sollten auch die eigenen Finanzen behandelt werden», sagt Klein.
Auch Kleinbeträge zahlen sich aus
Vorsorgen beginnt idealerweise mit dem ersten Lohn. Ein monatlicher Sparbetrag, den man entbehren kann, genügt bereits. Das können zum Beispiel 30 bis 100 Franken sein. «Auch Kleinbeträge können investiert werden. Wer über 40 Jahre monatlich 100 Franken in ein Aktienportfolio mit einer durchschnittlichen Rendite von fünf Prozent investiert, baut ein Vermögen von über 152 000 Franken auf. Dafür bezahlt man insgesamt 48 000 Franken ein, der Rest wird über die Finanzmärkte verdient», rechnet Klein vor und gibt zu bedenken: «Lässt man das Geld auf dem Sparkonto liegen, wähnt man sich in einer falschen Sicherheit. Denn die Inflation lässt den Wert des Geldes über die Jahre schrumpfen, man verliert also faktisch Geld.» Die Notwendigkeit, das Geld für sich arbeiten zu lassen, ist dringend gegeben, will man im Alter über ein Vermögen verfügen und nicht nur über einen Restbetrag.
Zusammenfassend zählt Andrea Klein die fünf wichtigsten Vorsorgetipps für Frauen auf:
1. Nehmen Sie Ihre Vorsorge selbst in die Hand
Ein regelmässiger Finanzcheck ermöglicht Ihnen, den Status Quo Ihrer finanziellen Situation zu ermitteln und mögliche Optimierungen vorzunehmen. Am besten spielen Sie verschiedene Szenarien durch – und deren Folgen für die Vorsorge. So bauen Sie Ihr Wissen rund um Finanzthemen Schritt für Schritt auf, gewinnen Vertrauen und treffen auch in Zukunft bessere Entscheidungen.
2. Sorgen Sie für eine hohe Lebenserwartung vor
Frauen werden im Schnitt älter als Männer. Dies unterstreicht die Bedeutung einer soliden Vorsorge für Frauen, da die Ersparnisse länger reichen müssen. Ziehen Sie verschiedene Varianten in Erwägung und stellen Sie sich auf Unvorhergesehenes ein, indem Sie – wo immer möglich – entsprechende Reserven aufbauen. Beispielsweise indem Sie Ersparnisse, die erst im Alter benötigt werden, breit diversifiziert anlegen. Um zusätzlich Steuern zu sparen, ist die Säule 3a eine sehr gute Option: Tätigen Sie regelmässige Einzahlungen, beispielsweise durch einen monatlichen Dauerauftrag. Es ist ratsam, die Vorsorgegelder in Vorsorgefonds anzulegen, statt sie nur auf ein 3a-Konto einzuzahlen. So können Sie langfristig von den Renditechancen an den Finanzmärkten profitieren. Machen Sie sich zusätzlich Gedanken, wie und wo Sie im Alter leben wollen.
3. Mildern Sie die Folgen von Teilzeitarbeit ab
Etwa 60 Prozent der erwerbstätigen Frauen in der Schweiz arbeiten Teilzeit. Klar ist: Wenn Sie weniger arbeiten, erhalten Sie weniger Lohn. Vielleicht ist Ihnen nicht ganz klar, dass weniger Lohn zu überproportional weniger Pensionskassenrente führen kann. Der Grund dafür liegt im fixen Koordinationsabzug von 25 725 Franken (Stand 2024), der bei Teilzeitarbeit überproportional zu Buche schlägt und so den für die Pensionskassenleistungen massgebenden versicherten Lohn schmälert. Eine weitere Hürde ist die Eintrittsschwelle: Beträgt der Jahreslohn weniger als 22 050 Franken (Stand 2024), ist der Pensionskassenanschluss nicht obligatorisch. Gut zu wissen: Es gibt «teilzeitfreundliche» Pensionskassen, die im Rahmen von überobligatorischen Leistungen auch tiefere Löhne versichern und/oder den Koordinationsabzug prozentual zum Arbeitspensum reduzieren oder ganz darauf verzichten.. So können Sie mehr fürs Alter ansparen. Berücksichtigen Sie daher bei der Wahl des Arbeitgebers auch die Pensionskassenleistungen für Teilzeitarbeitende.
4. Vermeiden Sie AHV-Beitragslücken durch Erwerbsunterbrüche
Wenn Sie zum Beispiel eine längere Babypause machen und keiner Erwerbsarbeit nachgehen, zahlen Sie auch keine AHV-Beiträge. Falls Sie verheiratet sind und Ihr Ehepartner arbeitet, sind Sie automatisch in der AHV mitversichert und müssen keine eigenen Beiträge leisten. Dies gilt nicht für Konkubinatspaare. Unternehmen Sie als Konkubinatspartnerin nichts, erhalten Sie im Alter weniger Rente. Werden Sie also selbst aktiv und melden Sie sich bei Ihrer Ausgleichskasse. Sie haben fünf Jahre Zeit, um fehlende Beiträge rückwirkend nachzuzahlen.
5. Sichern Sie sich zusätzlich ab
Denken Sie auch an Unvorhergesehenes: Was, wenn Ihrem Partner etwas zustösst? Was, wenn Sie plötzlich erwerbsunfähig werden? Die finanziellen Folgen solcher Schicksalsschläge lassen sich mit passenden Versicherungen eindämmen. Dazu gehören unter anderem die Erwerbsunfähigkeits-Rente, die Todesfall-Versicherung oder die Sparzielabsicherung. ★
Andrea Klein ist Vorsorgeexpertin und bei Raiffeisen Schweiz verantwortlich für das Fachzentrum Finanzplanung. Sie verfügt über eine 20-jährige Beratungserfahrung in den Bereichen Anlage- und Vermögensberatung, Vorsorge sowie Pensions- und Nachlassplanung. Dabei steht für sie die ganzheitliche Beratung in den verschiedenen Lebensphasen im Mittelpunkt.