Stéphanie Borge ist Co-Gründerin und Mitinhaberin der neuen Bäckerei Juliette – pain d’amour, die im März in Zürich eröffnet wird. Mit zwei Filialen wagen sie und ihre Geschäftspartner Nicolao Colombo und Rolf Lüthy den Sprung in die Selbstständigkeit.

WOMEN IN BUSINESS: Stéphanie Borge, nach der Tourismus-, Möbel- und Automobilbranche geht es für Sie nun ans traditionelle Handwerk. Weshalb eröffnen Sie in Zürich eine französische Bäckerei?

Stéphanie Borge: Ich bin Französin, habe meine Heimat aber mit 28 Jahren verlassen. Ich habe als Marketing-Chefin für Frankreich Tourismus in New York gearbeitet, bis ich meinen Mann kennenlernte und wir zusammen in die Schweiz kamen. Ich habe das traditionelle Baguette und die Pâtisserie aus Frankreich immer sehr vermisst. Und ich wunderte mich schon lange, dass es in Zürich keine französische Bäckerei gibt, obwohl 40 000 Französinnen und Franzosen hier leben und die Zürcher Bevölkerung grundsätzlich ein Faible für die französische Gastronomie hat. Mein Mann und mein Sohn halfen mir dabei, die Idee zu konkretisieren.

Wie ging es dann weiter?
Ich habe mich mit zwei Kollegen zusammengesetzt, um das Projekt gemeinsam zu besprechen. Die Eröffnung eines Ladenlokals birgt eine grosse Komplexität und ist nichts, was man allein bewältigen kann, wenn man es gut machen möchte. Zu dritt haben wir die Firma gegründet, einen Businessplan erarbeitet, gerechnet, analysiert und viel Zeit und Energie in die Vorbereitung gesteckt.

Was verbindet Ihre Businesspartner und Sie?
Wir teilen die Liebe zum Handwerk. Wir finden es sehr bedauerlich, dass traditionelle Handwerksbetriebe aus den Stadtzentren verschwinden und industriell gefertigten Produkten weichen müssen. Wir möchten mit hervorragenden Produkten und gutem Marketing diesem Trend entgegenwirken. Mit unseren Fähigkeiten und unserer Erfahrung ergänzen wir uns bestens. Ausserdem sind wir drei gleichermassen grosse Fans der französischen Backtradition. Baguette ist ein Kulturgut. Es ist ein Klassiker, den wir perfektionieren wollen. Doch wir bieten noch mehr als das: Bei uns soll es das beste Pâtisserie- und Brotangebot der Stadt geben. Wir durften unsere Produkte schon bei einigen Experten testen lassen und haben sehr gute Kritik erhalten. Diese Qualitätsprüfung ist uns sehr wichtig.

Weshalb war es Ihnen wichtig, nicht allein zu gründen?

Die Firmengründung gleicht einer Achterbahnfahrt. Es gibt viele Ups und Downs – Tage, die super Neuigkeiten bereithalten und solche, an denen man sich sagt: Oh nein! Gerade da sind die richtigen Partner wichtig. Sie fangen auf und motivieren, wenn man verunsichert ist.Gibt es Ängste, die Sie begleiten?
Selbstverständlich. Beispielsweise, dass wir im Hinblick auf unsere Liquidität unter Druck geraten und all das, was wir investiert haben, verloren geht. Ich sage mir aber auch: La peur n’évite pas le danger. Wir können nur unser Bestes geben und positiv bleiben. Das ist der einzige Weg, um gute Ergebnisse zu erzielen. Und selbst wenn wir am Ende nicht erfolgreich sein sollten, haben wir so viel gelernt. Es gibt keine bessere Schule als die Selbstständigkeit.Was bedeutet für Sie Erfolg?
Jeden Tag zur Arbeit gehen zu können mit Freude und Leidenschaft. Das ist die Grundlage für Erfolg.Was reizt Sie am Unternehmertum?
Ich hatte die Möglichkeit, für viele spannende Firmen zu arbeiten – in unterschiedlichen Branchen und Unternehmensformen. Das Unternehmertum war bisher noch nicht dabei, war aber immer im Hinterkopf. Ich finde es spannend, etwas für unser Team, die Gemeinschaft und mich selbst zu tun.

Was braucht es für den Schritt in die Selbstständigkeit?
Essenziell ist eine gute Idee, an die man glaubt. Details müssen geprüft und die Vorbereitung mit grosser Präzision angegangen werden. Wir haben unseren Businessplan sicher 20 mal umgeschrieben, bis die Zahlen verlässlich waren. Ausserdem muss es gelingen, andere täglich für das eigene Projekt zu begeistern, die Finanzierung zu sichern, mental stark zu bleiben und selbstverständlich Freude an der Arbeit zu haben.

Weshalb ist die mentale Stärke ein elementares Element?
Weil der Weg in die Selbstständigkeit Hürden birgt. Selbst dann, wenn alle Gründerinnen und Gründer finanziell beteiligt sind, müssen Investoren und Banken überzeugt werden, um eine solide Finanzierung zu ermöglichen. Ein weiteres Thema ist die Komplexität und die Langwierigkeit der Prozesse. Es gibt Spielregeln – insbesondere jene der Stadt. An diese muss man sich natürlich halten, auch wenn man das Gefühl hat, dass sie nicht unternehmerfreundlich sind. Wir waren überrascht, wie lange es gedauert hat, Rückmeldungen von den Ämtern zu erhalten.

Hat es bei der Suche nach Investoren eine Rolle gespielt, dass Sie eine Frau sind? Es heisst immer wieder, dass die Kapitalbeschaffung bei der Gründung für Männer leichter ist.
In unserem Fall habe ich es nie als nachteilig empfunden, eine Frau zu sein. Ich habe gemerkt: Es geht vor allem um die berufliche Erfahrung und das bestehende Netzwerk – das schafft Vertrauen. Ich würde sagen, es war bei uns sogar einfacher für mich als Frau. Auf der Suche nach Gründungssubventionen stiessen wir auf vier Genossenschaften, die für neue Projekte bürgen. Eine dieser Genossenschaften unterstützt Projekte, die von Frauen lanciert werden. Dies war für die Bankfinanzierung entscheidend.

Sie haben am 27. Februar zwei Standorte in Zürich eröffnet. Weshalb gleich zwei?
Es war für uns nicht möglich, zentral eine wirtschaftlich sinnvolle Lokalität zu finden, die gross genug ist, um die Bäckerei- und Pâtisserieproduktion unter einem Dach zu vereinen. Am Bleicherweg, mitten in Zürich, eröffnen wir unsere Boulangerie- Pâtisserie und ein Café mit 24 Plätzen. Am Vulkanplatz in Altstetten befindet sich unser Pâtisserie-Atelier. An beiden Stand- orten haben Kundinnen und Kunden die Möglichkeit, unsere Produkte zu kaufen.

Mit wie vielen Mitarbeitenden starten Sie?
Aktuell freuen wir uns über zehn Mitarbeitende. Unser Chef-Boulanger und unser Chef-Pâtissier kommen aus Frankreich und sind absolute Spezialisten. Die beiden haben wir zuerst rekrutiert. Es ist uns wichtig, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ihre Ideen und ihre Expertise einbringen und mitgestalten können. Wir möchten volle Transparenz bieten und das Gefühl vermitteln: Hier können alle anpacken und mitgestalten! Mit dieser Start-up-Philosophie hatten wir keinerlei Schwierigkeiten, in diesen doch angespannten Zeiten motiviertes Personal zu rekrutieren.

Worauf freuen Sie sich am meisten?
Selbstverständlich auf frisches Baguette mit Beurre salé. ★


Mehr über Stéphanie Borge
Stéphanie Borge ist 48 Jahre alt und lebt mit ihrem Mann und ihrem 15-jährigen Sohn in Rüschlikon. In Frankreich geboren und aufgewachsen, führte sie ihre Karriere im Bereich Sales und Marketing international zu renommierten Unternehmen aus unterschiedlichen Branchen. Zuletzt war Stéphanie Borge als Director Brand Management für das Automobilunternehmen BMW Group Switzerland tätig, verliess die Firma nach sechs Jahren und macht sich nun zusammen mit ihren beiden Partnern Nicolao Colombo und Rolf Lüthy mit einer französischen Bäckerei in Zürich selbstständig.

Mehr Infos unter: www.juliette-boulangerie.ch

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Die nächste WOMEN IN BUSINESS Ausgabe wird am 13.03.2025 lanciert

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