Frédérique Hutter ist Galeristin, Kunstberaterin, Kunstvermittlerin, Kulturveranstalterin und Botschafterin der Sanni Foundation. Nach jahrzehnte-langem Mitwirken in der Galerieszene beschreitet sie seit 2018 mit ihrem Unternehmen Frédérique Hutter Art Concept unkonventionelle Wege.
Der Werdegang von Frédérique Hutter wirkt akribisch geplant und geradlinig: Die wichtigen Stationen durchlaufen, auf Du und Du mit allen grossen Namen, kombiniert mit harter Arbeit und dem unbedingten Willen, in dieser Szene eine Rolle zu spielen. Doch war da auch immer etwas Glück mit im Spiel, als Frédérique Hutter öfters zur richtigen Zeit am richtigen Ort war. Und statt einem Karriereplan zu folgen, hörte sie lieber auf ihr Bauchgefühl und machte mehrmals Entscheidungen über prestigeträchtige Anstellungen nach kurzer Zeit rückgängig, die sich für ihr Gefühl als falsch erwiesen. Das Zwischenmenschliche liegt ihr genauso am Herzen wie das Geschäftliche. So lässt sie sich gerne in familiäre Arbeitsverhältnisse einbinden und engagiert sich mit Herzblut, verliert aber auch die Geduld mit Persönlichkeiten, die ihr längerfristig keine Perspektive bieten.
Die gebürtige Zürcherin hatte ursprünglich eine kaufmännische Ausbildung in der Touristikbranche abgeschlossen und das Gymnasium auf dem zweiten Bildungsweg besucht. Die Welt der Kunst eröffnete sich ihr während eines Praktikums bei Christie’s in Genf. Das war ihr Eintrittsticket in die Kunstwelt, in der sich Frédérique Hutter überaus wohl fühlte. So beschloss sie, am Sotheby’s Institut in London Fine and Decorative Art and Design zu studieren, um sich theoretisches und praktisches Wissen anzueignen und später im Auktionshaus einzusteigen. Um die nötigen Mittel für dieses Vorhaben zusammenzubringen, legte sie ein Zwischenjahr ein und arbeitete bei verschiedenen Galerien.
Learning by doing statt Weiterbildung
Ihr erster Arbeitgeber war der Kunstsalon Wolfensberg, gefolgt von der Galerie Bischofberger, Galerie Eva Presenhuber (damals Hauser & Wirth II), Galerie Ars Futura, Galerie Gmurzynska, Haunch of Venison und Galerie Elisabeth Kaufmann. Bei so viel Galerietätigkeit verschob sich die Ausbildung in London Jahr für Jahr und beschränkte sich schlussendlich auf einen Sommerkurs. Eine Weiterbildung als Kulturmanagerin hatte sich erübrigt, wie Frédérique Hutter erklärt: «Das Handwerk hatte ich mir mit Learning by doing angeeignet. Ausserdem hatte ich keine Angst vor Herausforderungen. Es gab für mich keine andere Option, als sie anzunehmen und da durchzugehen. Irgendwie würde das schon klappen. Und so war es dann auch.» Ausserdem hatte sie bereits gelernt, dass sich harte Arbeit und Fleiss auszahlen würden.
Die Dekade Katz Contemporary
Mitte 30 hatte sich Frédérique Hutter einen Namen in der Branche gemacht und verfügte über ein grosses Netzwerk. Das Auftreten eines Investors kam gerade zur richtigen Zeit. Es wurde eine AG gegründet, ein Budget und ideale Räumlichkeiten für eine Galerie gefunden und Frédérique Hutter zur Verfügung gestellt. 2008 eröffnete sie darin die Galerie Katz Contemporary, benannt nach dem Haus zur Katz, in dem sich die Galerie befand und die sie innert kurzer Zeit zu einer wichtigen Adresse in der Zürcher Galerie- und Kulturszene machte. Was gegen aussen mit Startfinanzen im Rücken mühelos wirkte, sah in der Realität ganz anders aus. Frédérique Hutter erinnert sich: «Ich hatte plötzlich eine grosse Hülle, die es zu füllen galt und wahnsinnig hohe Fixkosten. Das Problem von Galerien ist immer der Cash-Flow. In Zürich verschärft sich das zusätzlich mit den hohen Mieten und Personalkosten. Ich schaffte es jedoch stets, alle Rechnungen pünktlich zu bezahlen. Der Preis war allerdings hoch. Ich hatte ein verhältnismässig niedriges Einkommen und war ständig am Kosten einsparen.»
In den zehn Jahren als Direktorin der Galerie kuratierte Frédérique Hutter mehr als 50 Ausstellungen – jedes Jahr deren fünf – und organisierte zahlreiche Kunstprojekte und Events. Oft konzipierte sie Doppel-Ausstellungen mit etablierten und jungen Künstlern und baute so etliche Künstlerkarrieren auf. «Fünf Ausstellungen im Jahr sind viel. Kaum ist eine vorbei, kommt die nächste. Ich habe Tag und Nacht gearbeitet und keine Ferien gemacht», erinnert sich die Galeristin. Nach zehn Jahren lief der Mietvertrag ab und Frédérique Hutter ging über die Bücher. Damals Mitte 40, stellte sie sich die Frage, ob sie weitere zehn Jahre so weitermachen oder ihren eigenen Konzepten nachgehen wollte. Schlussendlich war der Moment gekommen, um ein neues Kapitel aufzuschlagen.
Ein neues Kapitel mit eigenem Konzept
Nachdem Frédérique Hutter mit der Galerie Katz Contemporary sauber abgeschlossen hatte, brauchte sie erst einmal Ruhe. Diese fand sie in Indien, wo sie bei einem Ayurveda-Aufenthalt Kerala und die Sanni Foundation für sich entdeckte. «Kerala ist ein Ort, der mich beruhigt und mir Sicherheit gibt. Wenn in der Schweiz alle Stricke reissen, dann gibt es immer diesen Ort, wo ich hingehen kann», beschreibt Frédérique Hutter ihre Beziehung zu Kerala. Mit diesem Gefühl der Sicherheit kehrte sie in die Schweiz zurück, wo sie ihr eigenes Unternehmen Frédérique Hutter Art Concept gründete, das auf ein erweitertes Dienstleistungsangebot, auf temporäre Ausstellungsprojekte ohne fixe Ausstellungsräume sowie auf erweiterte Projekte im In- und Ausland fokussiert. Zudem widmet sie sich weiterhin der Betreuung und Förderung ihrer jungen Talente wie Florian Bühler, Patrick Graf, Andrea Heller und Martina von Meyenburg, um nur einige zu nennen, die Hutter entdeckt hat. Dazu braucht sie nichts weiter als einen Büroraum und ein kleines Schaulager. «Endlich habe ich die finanzielle Freiheit, neue Projekte zu realisieren, die meine Leidenschaft wecken», freut sich Frédérique Hutter und fügt an: «Ausserdem möchte ich nur noch mit Künstlern und Leuten zusammenarbeiten, die mich inspirieren und die ich mag.»
Win-win mit unkonventionellen
Um ihre Künstler regelmässig ausstellen zu können, mietet sie sich sowohl in traditionelle Galerien als auch in Räumlichkeiten in unkonventionellen Liegenschaften ein. Das sind aktuell die Büroräumlichkeiten der Immobilienfirma Walde, die mit ihrer 80er-Jahre Backstein-Optik interessante Kontraste zu den bei- spielsweise grossflächigen Arbeiten von Elger Esser schafft. Solche Kooperations-Ausstellungen bieten ausserdem einen interessanten Mix an Kundschaft, da sowohl die Inhaber der Räumlichkeiten als auch die Künstler und deren Galerien ihre Leute zur Vernissage einladen. Frédérique Hutter bezeichnet sie als echte Win-win-Situationen: «Ich gebe meinen Namen her und bespiele die Wände der Firmen mit Kunst. Zusätzlich organisieren wir gemeinsam Vernissagen und Events. Somit haben die Firmen Kunstwerke an den Wänden und eine Gelegenheit, ihre Kunden zu einem speziellen Anlass einzuladen, und ich habe zu günstigen Konditionen einen externen Showroom, wo ich meinen Kunden die Werke zeigen kann.»Das Konzept ist eher ungewöhnlich in der traditionellen Galerieszene und sehr erfolgreich. Man wisse wohl nicht so recht, wie man sie einschätzen solle, lacht Frédérique Hutter und erläutert ihre Position in der Branche: «In der Galerieszene bin ich eine Aussenseiterin, obwohl ich die Szene in- und auswendig kenne. Man unterschätzt mich gerne. Aber ich habe den Ruf, dass ich gut verkaufen kann, und das öffnet viele Türen.»
Ein Mandat mit Förderprogramm
2022 erhielt Frédérique Hutter das Mandat als externe Beraterin der Baloise Collection mit über 2000 hochkarätigen Kunstwerken. Dies beinhaltet auch, jährlich zwei Ausstellungen mit Werken aus der Sammlung zu kuratieren. «Ich bin keine Kuratorin, da ich keine Kunstgeschichte studiert habe», meint Frédérique Hutter lapidar. Deshalb gründete sie eine Plattform für junge Kuratoren und Kuratorinnen, die das Konzipieren der Ausstellungen übernehmen konnten. Der Baloise gefiel die Idee. «Der Fördergedanke lässt sich von jungen Künstlern auch auf junge Kuratoren und Kuratorinnen übertragen. In diesem Bereich gab es bis heute nichts», gibt Frédérique Hutter zu bedenken und schafft erneut eine Win-win-Situation, was der Erfolg der vier Ausstellungen, die bis jetzt auf dieser Basis stattgefunden haben, bestätigt.
Das nächste interessante Projekt ergab sich per Zufall in den Räumlichkeiten des Recycling-Start-ups Mr. Green, wo sich Frédérique Hutter mit ihrer Freundin Valentina Frutig – eben- falls im Kunstbusiness tätig – verabredet hatte. In den galerie- artigen Büros von Mr. Green erkannte sie sogleich einen Aus- stellungsort für einige ihrer Künstler und Künstlerinnen, wie Martina von Meyenburg, die mit rezyklierten Dingen arbeitet und Patrick Graf, der Objekte aus Karton erschafft. Zusammen mit Bettina Meyer Bickel, ehemals Galerie Rotwand, beschlossen die drei Freundinnen, eine Ausstellung zu kuratieren mit Künstlern, die sich mit einer grossen Bandbreite von Wertstoffen in verschiedenen Medien auseinandersetzen. «Wir machen das nicht wegen des Geldes, sondern aus Freude und Leidenschaft», betont Frédérique Hutter. Das Dreierteam nennt sich Three Janes, in Anlehnung an all die starken Janes dieser Welt und die Glieder einer Kette – englisch chains –, die eine Fortsetzung mit weiteren Gliedern erlaubt.
Indien und die Sanni Foundation
Seit 2017 ist Frédérique Hutter aktive Botschafterin der Sanni Foundation, die sich für die Erziehung und Bildung von Kindern und Jugendlichen, die Bekämpfung extremer Armut, die Gesundheitsförderung sowie Förderung von Frauen in Indien einsetzt. Jährlich reist sie in den Wintermonaten für mehrere Wochen nach Indien und lebt mit 34 HIV-positiven Waisenkinder im St. Johns Health Village zusammen. «In Indien habe ich ein zweites Zuhause und einen Ausgleich zu einem Schweizer Alltag gefunden, der trotz aller Kreativität viel Bürokratie und Papierkram enthält. Hier habe ich die Möglichkeit, kreativ zu sein und Dinge zu produzieren.» So hat sie eine eigene Schmuck- und Kleiderkollektion entworfen, deren Verkäufe zu Gunsten der Sanni Foundation gehen. Dieses Jahr hat sie innerhalb von drei Wochen eine kleine Nähfabrik aufgebaut, in der Taschen genäht werden. Ausserdem gibt sie Kunstworkshops und Englischunterricht für «ihre» Kinder.
Für 2025 plant Frédérique Hutter eine Kunstreise für ihre Sammler zur Cochin Biennale, die an der Küste Keralas stattfindet. Die Hotels seien bereits gebucht, freut sie sich und beschreibt, was ihr neues Konzept für sie bedeutet:
«Solche Projekte sind meine zweite Leidenschaft, die ich mir leisten kann, seit ich nicht mehr im Wettbewerbs-Stress bin. Früher war ich immer dem Druck ausgesetzt, Geld zu verdienen. Jetzt schaffe ich mir Freiräume für meine Nischengeschichten und befinde mich im Flow.» ★
Frédérique Hutter, 1972 geboren, wächst in Bern auf. Nach dem Handelsdiplom und dem Gymna- sium im zweiten Bildungsweg, macht sie ein Praktikum bei Christie’s in Genf. Nach Stationen bei namhaften Galerien wie Kunstsalon Wolfensberg, Galerie Bischofberger, Galerie Eva Presenhuber (damals Hauser & Wirth II), Galerie Ars Futura, Galerie Gmurzynska, Haunch of Venison und Galerie Elisabeth Kaufmann gründet sie 2008 die Galerie Katz Contemporary, die sie zehn Jahre als Direktorin leitet. Seit 2018 widmet sie sich mit ihrer Firma Frédérique Hutter Art Concept eigenen Projekten. Frédérique Hutter ist seit 2017 aktive Botschafterin der Sanni Foundation.