Der Motorgerätehersteller Stihl findet neue Käufergruppen: Frauen wagen sich immer mehr auch an schweres Gerät. Ein Aushängeschild dafür ist Yolanda Hagmann, eine der wenigen Sportholzfällerinnen Europas. Diesen Sport fördert das Unternehmen seit vielen Jahren.

Hand aufs Herz, woran denken Sie, wenn die Rede vom Sportholzfällen ist? Vor dem geistigen Auge der meisten Menschen entsteht wohl eine Szenerie von muskelbepackten Männern mit Wollmütze und karierten Flanellhemden auf einer Waldlichtung, die schwitzend dicken Baumstämmen mit der Axt den Garaus machen. Ganz so ist es dann aber doch nicht!

Das Sportholzfällen ist mittlerweile auch hierzulande eine ernstzunehmende Sportart, mit nationalen und internationalen Wettkämpfen. Das ist dem Engagement der Firma Stihl, Hersteller von motorbetriebenen Geräten für Forstwirtschaft, Landschaftspflege und Bauwirtschaft, zu verdanken. Dem Familienunternehmen, das mittlerweile in 3. Generation geführt wird, vollzog damit einen cleveren Schachzug, wie Ralph Turke, Geschäftsführer der Stihl Vertriebs AG bestätigt: «Damit gelang uns ein emotionaler Brückenschlag zu unserem Brand. Und wir können mit Stihl Timbersports die nächste Generation ansprechen.» Das Sportholzfällen ist eine Kombination aus historischem Handwerk und sportlichem Wettkampf. Der Sprung in die Moderne ist dabei bereits vollzogen, sagt Turke nicht ohne Stolz. «Was früher nur Mann gegen Mann ausgetragen wurde, findet heute natürlich auch Frau gegen Frau statt.»

Leidenschaft für schweres Gerät

Eine dieser Frauen ist Yolanda Hagmann. Die 34-jährige Landschaftsarchitektin hat ihr Herz an das Sportholzfällen während ihres Studiums in Kanada verloren, wo sie von 2003 bis 2007 am Nova Scotia Agricultural College studierte. Dazu war allerdings einiges an Überredungskunst ihrer Freunde nötig, erinnert sie sich. «Meine Kollegen am College haben jedes Jahr versucht, mich ins Team zu bringen. Sie wollten, dass ich vom Eiskunstlauf zum Sportholzfällen wechsle, denn das war an unserem College eine der Hauptsportarten.» 2006 haben diese Überredungskünste dann Früchte getragen – und Yolanda fand schnell Gefallen an diesem aussergewöhnlichen Sport. «Ich habe mich schon immer für handwerkliche Berufe und grosse Maschinen interessiert. Das Werkzeug, die rasiermesserscharfen Äxte und laute Kettensägen, aber auch der fast schon familiäre Zusammenhalt der Sportler haben mich schnell fasziniert. Und dann hat mich auch die Herausforderung gereizt», sagt sie

Für diese Werte steht auch Stihl gern. Im Jahr 1985 entschied sich das Unternehmen in den USA dazu, das Sportholzfällen zu unterstützen und dessen Professionalisierung zu fördern. Der Motorsägenhersteller rief gemeinsam mit dem amerikanischen Sportkanal ESPN die Stihl Timbersports Series ins Leben und wählte aus der Vielzahl der Disziplinen die sechs attraktivsten aus. In Europa besteht die Wettkampfserie seit 2001, professionelle Standards wurden entwickelt und die Sportler werden aktiv in Trainingscamps und durch verschiedene Programme gefördert. Mittlerweile hat sich die Stihl Timbersports Series als die Königsklasse im Sportholzfällen etabliert. Wettkämpfe finden auf nationaler und internationaler Ebene nach einheitlichem Regelwerk statt. Der Sieger des Mehrkampfs wird aus den Ergebnissen der Einzelwertungen ermittelt. Höhepunkte der Saison sind die nationalen Titelkämpfe in mehr als 25 Ländern sowie die Champions Trophy und die Weltmeisterschaft als Aufeinandertreffen der internationalen Elite.

Exotin im Wettkampf

Yolanda Hagmann nimmt an nationalen und internationalen Wettkämpfen teil und hat sich grosse Ziele gesetzt: «Ich möchte in diesem Jahr möglichst viele Siege erringen.» Doch dafür muss sie weitere Sponsoren finden, denn «der Sport ist sehr teuer wegen dem Equipment, sprich Äxte und Sägen, die wir als unsere Sportgeräte benötigen. Und da die meisten Wettkämpfe im Ausland stattfinden, reisen wir sehr viel.» Für Frauen ist diese Suche wohl noch ein wenig schwieriger als für Männer, denn hierzulande wird die junge Frau vielfach bestaunt. «In Kanada hat sich keiner über meinen Sport gewundert. In der Schweiz tun das alle. <Wie bitte? Was machst Du?> ist meist die erste Reaktion.» Sie nimmt das mit Humor. «Es ist witzig, den verwunderten Gesichtsausdruck des Gegenübers zu sehen. Doch die meisten sind schnell begeistert.» Und auch ihre Familie und Freunde unterstützen Yolanda, wo sie nur können. Ihr bisher grösster Erfolg war das Setzen eines neuen Weltrekords in der Disziplin Stock Saw. Dabei müssen mit einer handelsüblichen Motorsäge von einem Stammstück zwei komplette Scheiben innerhalb einer Markierung geschnitten werden. Yolanda schafft das in 11.51 Sekunden.

Frauen auf dem Vormarsch

Die Unterstützung einer weiblichen Athletin wie Yolanda Hagmann geschieht bei Stihl natürlich im Hinblick auf eine neue, weibliche Zielgruppe. Noch sind Frauen als Stihl-Kundinnen in der Minderheit – doch das ändert sich, weiss Ralph Turke: «Frauen erledigen immer mehr handwerkliche Arbeiten selbst. Bei ihnen sind akkubetriebene Geräte sehr beliebt und genau in diesem Segment steigt der Absatz.» In den Bereich der Produktforschung und -entwicklung, wie etwa leistungsfähigere Akkus wird konsequenterweise viel investiert. Selbst ist die Frau – auch der Handel reagiert gern auf den gesellschaftlichen Wandel, kann so doch eine völlig neue Käuferschicht erschlossen werden. «Die Ladenlokale setzen ihren Fokus zunehmend auf weibliche Kundschaft. Diese legt gesteigerten Wert auf Qualität, Komfort, Funktionalität, Beratung und Kundendienst.»

Eine grosse Herausforderung für Unternehmen mit hoch technisierten Produkten ist die Aufladung des Brands mit Emotionalität. Das Engagement von Stihl für das Sportholzfällen soll diesen Brückenschlag leisten, sagt Turke: «Wir können damit unseren Bekanntheitsgrad steigern, was sich auch in wirtschaftlicher Hinsicht niederschlägt. Zudem arbeiten wir damit an der Beziehungspflege zu einer weltweit motivierten und engagierten Fangemeinde.» In der Schweiz ist diese Fangemeinde noch recht überschaubar, wie Yolanda Hagmann weiss. Dem Sportholzfällen blieb sie auch nach ihrer Rückkehr in die Schweiz treu. Doch die Voraussetzungen unterscheiden sich in beiden Ländern stark, stellte sie schnell fest. «In Kanada im College haben fast genauso viele Frauen wie Männer diesen Sport betrieben. Wir hatten auch unsere eigene Bewertung.» In der Schweiz oder generell in Europa sehe das anders aus, erzählt sie. «Hier bin ich eine von wenigen Sportlerinnen in Europa, deshalb muss ich meistens gegen die Männer antreten.» Kein Hinderungsgrund für die toughe junge Frau.«Wir sind eigentlich wie eine grosse Familie, alle sind sehr hilfsbereit.» Diese Freude will sie auch anderen vermitteln.«Es wäre schön, wenn sich mehr junge Frauen für diesen Sport interessieren würden. Ich mache auf jeden Fall fleissig Werbung dafür!»

Das tun, was einem gefällt

Mut zu unkonventionellen Vorlieben hat Yolanda Hagmann auch im Berufsumfeld schon mehrfach bewiesen. Nach ihrem Studium absolvierte sie eine Ausbildung als Lastwagenchauffeurin und trat in Kanada ihre erste Stelle im staatlichen Wildtierpark an. 2008 kehrte sie jedoch aus familiären Gründen in die Schweiz zurück. Sie orientierte sich neu, begann ein Studium der Landschaftsarchitektur. Nach ihrem erfolgreichen Abschluss arbeitete Yolanda dann in einem Planungsbüro. Doch immer nur im Büro sitzen war nichts für die Naturliebhaberin. Aktuell arbeitet Yolanda Hagmann in einem Gartenbauunternehmen, wo sie teils draussen als Gärtnerin, teils im Büro als Landschaftsarchitektin tätig sein kann. Und auch hier – ebenso wie beim Sport – spielt für sie das Geschlecht keine Rolle:«Wenn jemand gut in dem ist, was er tut, ist es völlig egal, ob Mann oder Frau. Ich finde, dass jede und jeder das tun sollte, was ihr oder ihm gefällt.»

Über Stihl

Seine erste Motorsäge entwickelte der Firmengründer Andreas Stihl im Jahr 1926. Sein Antrieb: «Den Menschen die Arbeit mit und in der Natur erleichtern.» In den vergangenen 90 Jahren hat sich das Unternehmen von einem Einmann-Betrieb zu einem international tätigen Motorsägen- und Motorgerätehersteller entwickelt. Seit 1971 ist Stihl die meistverkaufte Motorsägenmarke der Welt.

1950 übernahm die Einzelfirma Max Müller in Zürich die Vertretung der Stihl-Produkte in der Schweiz und dem Fürstentum Liechtenstein. Am 1. Januar 1990 wurde die Firma der Max Müller Maschinen AG in die Stihl Vertriebs AG umgewandelt. Per 31.12.2015 verkaufte Werner Müller sein Aktienpaket zu 100 Prozent an die STIHL International GmbH in Waiblingen. Ralph Turke übernahm 2015 die Geschäftsführung. Aktuell sind 39 Personen bei der STIHL Vertriebs AG angestellt.

Bilder Onkel Jürgens

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