In der Jugend liegt die Zukunft eines Landes, heisst es oft. Doch was, wenn die wirtschaftliche Lage jungen Menschen kaum eine Perspektive bietet? Die NGO «Generation» möchte diese Perspektiven schaffen.
Weltweit sind 70,9 Millionen junge Menschen zwischen 15 und 24 Jahren arbeitslos. Zu diesem Ergebnis kam 2017 eine Analyse der UNO. Das entspricht einer Quote von 13,1 Prozent. Und die Situation wird sich auch in Zukunft nicht entspannen: Bis 2030 drängen gemäss der Studie zusätzliche 25,6 Millionen Menschen zwischen 15 und 29 auf den Arbeitsmarkt – die meisten von ihnen in Afrika. Am höchsten ist die Jugendarbeitslosigkeit in arabischen Ländern mit rund 30 Prozent.
Gerade schwächer entwickelte Länder brauchen junge Talente dringend, um ihren kriselnden Volkswirtschaften neuen Schub zu geben. Doch was, wenn es in der Heimat keine Perspektive gibt? Viele suchen den Weg in die hoch entwickelten Staaten – und riskieren dabei nicht selten ihr Leben für eine ebenso ungewisse Zukunft. Hier setzt «Generation» an, eine globale Initiative der Unternehmensberatung McKinsey. Gründerin und CEO dieses weltweit grössten Programms gegen Jugendarbeitslosigkeit ist Mona Mourshed. Die Amerikanerin mit ägyptischen Wurzeln hat einen besonderen Bezug zur Problematik. «Mir ist sehr bewusst, wie gross der Zufall ist, in einem Land geboren zu werden, in dem man alle Chancen hat – oder eben keine.» Ist ihre Herkunft dabei ein Vorteil? «Ich weiss ja nicht, wie es anders wäre! Aber klar, man hat mehr Verständnis für kulturelle Unterschiede. Das versuche ich bereits meiner sechsjährigen Tochter zu vermitteln.»
Partnerschaft für bessere Chancen
Das erste Programm von «Generation» wurde 2015 ins Leben gerufen – in Partnerschaft mit gemeinnützigen Organisationen, Regierungen und Arbeitgebern auf der ganzen Welt. Heute ist «Generation» mit mehr als 170 Standorten in über 65 Städten die grösste globale Initiative, in der Jugendliche und junge Erwachsene im Alter zwischen 18 und 29 Jahren ausgebildet und angestellt werden. «Wir starteten in den USA, Indien, Spanien, Mexiko und Kenia», erzählt Mona Mourshed. «Doch wir expandieren stetig; Hongkong, Pakistan und Grossbritannien sind bereits hinzugekommen. Und in den nächsten Jahren werden wir das noch ausbauen.»
Um die Kluft zwischen Jugendarbeitslosigkeit und Einstiegsjobs zu überbrücken, bietet «Generation» eine schnelle Ausbildung für anspruchsvolle Berufe, soziale Unterstützungsdienste und garantiert Interviews mit potenziellen Arbeitgebern. «Generation» führt eine umfassende Ergebniskontrolle durch, um den Return on Investment für die jungen Menschen und die Arbeitgeber, aber auch die Financiers wie Philanthropen und Regierungsinstitutionen zu demonstrieren. Ein wichtiger Punkt, denn die Initiative arbeitet als unabhängiges Non-Profit-Unternehmen und ist auf diese Sponsoren angewiesen. Der Aufwand ist immens, wie Mona Mourshed sagt: «Wir haben rund 100 Vollzeitangestellte, hinzu kommen etwa 20 Mitarbeiter, die von McKinsey gestellt werden und das Projekt unterstützen.» Die Bilanz der ersten drei Jahre, in denen «Generation» nun aktiv ist, ist beeindruckend: «Wir haben von mittlerweile 20 000 Absolventen 85 Prozent vermitteln können. Nach einem Jahr sind 68 Prozent noch im Job.» Für die jungen Menschen bedeutet das zum einen eine Perspektive für die Zukunft zu haben – aber in vielen Fällen geht es auch ums blanke Über- leben, weiss die Gründerin: «In manchen Ländern hängen von diesen Einkommen ganze Familien ab.»
Jedes Land ist anders
Doch wie kommen die Jugendlichen überhaupt in das Programm? «Am Anfang war es eine grosse Herausforderung, die Teilnehmer zu finden», erzählt Mourshed. «Keiner glaubteuns, dass das tatsächlich gratis wäre. Das war für uns zunächst sehr schwierig. Wir suchen in den Bevölkerungsgruppen, in denen wir den grössten Bedarf verorten. In den USA zum Beispiel sind das diejenigen mit niedrigen Bildungsabschlüssen, rund 85 Prozent der Teilnehmenden hier sind afroamerikanischen oder hispanischen Ursprungs.» Doch das variiert sehr stark von Land zu Land. In Spanien etwa sei die Situation eine ganz andere. «Dort haben wir sehr viele Universitätsabsolventen, die in unser Programm kommen. Und in Indien und Kenia sind wir in Slumvierteln aktiv.» Angesprochen werden die jungen Frauen und Männer über verschiedenste Kanäle. «In den USA, Spanien oder Mexiko läuft sehr viel über Social Media. In anderen Ländern wiederum setzen wir auch auf die Kooperation mit staatlichen Stellen oder Schulbehörden.»
Für die jungen Menschen werden dann freie Stellen gesucht. Aktuell hat «Generation» Unternehmen aus vier Branchen – Gesundheitswesen, Handwerksberufe, Detailhandel / Verkauf und Technologie – in 23 Berufen im Programm. Was ist deren Motivation für die Teilnahme, warum brauchen sie «Generation»? «In vielen Branchen herrscht Fachkräftemangel, nehmen Sie zum Beispiel den Bereich Robotics. Andere wiederum haben Probleme, die passenden Arbeitskräfte zu finden, die produktiv genug sind.» Es geht also auch darum, den passenden Match zu finden. Am Anfang steht ein vierwöchiges Bootcamp, in dem die Kenntnisse und potenziellen Fähigkeitender Bewerberinnen und Bewerber identifiziert und beurteiltwerden. «So können wir deren Eignung bewerten und sehen, für welche Berufe sie infrage kommen. Wir müssen hier die unterschiedlichen Ansprüche zusammenbringen. Für die Absolventen zählt das persönliche und finanzielle Wohlbefinden, für die Unternehmen hingegen natürlich auch deren Produktivität, die Qualität und Nachhaltigkeit ihrer Arbeit.» Diese wird dann, wenn Arbeitgeber und -nehmer zusammengefunden haben, auch weiter von «Generation» überwacht. Das geschieht über Mentoren, später über die Netzwerke, welche die Teilnehmenden geknüpft haben. «Die ersten sechs Monate sind dabei die schwierigsten», sagt Mona Mourshed.
Über «Generation»
«Generation» wurde 2014 gegründet als globale Plattform, die junge Menschen befähigt, nachhaltige Karrieren aufzubauen, und den Arbeitgebern gleichzeitig die jungen, leistungsbereiten Talente vermittelt, die sie benötigen. Initiiert wurde «Generation» von der global agierenden Unternehmensberatung McKinsey. Das Programm bildet junge Arbeitssuchende in berufsspezifischen Fähigkeiten aus, vermittelt sie in entsprechende Jobs und überwacht deren Leistung. «Generation» ist aktuell in acht Ländern aktiv und spezialisiert sich darauf, junge Leute nahe an den Bedürfnissen des Arbeitsmarktes auszubilden und sie dann zu vermitteln. Mit der hohen Erfolgsquote hat die Initiative bisher weltweit grosses Echo erhalten.
Die Herausforderungen variieren
Gibt es denn auch internationalen Austausch von Arbeitskräften? «Nein, noch nicht. Für uns steht bis jetzt die Förderung der lokalen Strukturen im Vordergrund. Niemand soll weiter als 45 Minuten von seinem Wohnort entfernt arbeiten. Wenn man jemand aus seinem sozialen Netzwerk herausnimmt, kann das fatale Folgen haben.» Wo ist es besonders schwierig? «Es ist immer schwierig. Wir müssen so vieles richtig machen, und nur wenn man die ganze Kette befolgt, funktioniert alles so, wie es sein soll. Wir arbeiten mit lokalen Institutionen, um da den Druck zu mildern und Probleme frühzeitig zu erkennen.»
Eine grosse Herausforderung sind die unterschiedlichen Kulturen. Besonders stolz ist Mona Mourshed auf den hohen Frauenanteil: Er liegt heute bei fast 60 Prozent. «Unser Ziel war es eigentlich, eine Geschlechterparität herzustellen. Dass wir heute so viele junge Frauen fördern können, ist ein grosser Erfolg.» Finanzielle Unabhängigkeit heisst in vielen Ländern auch, nicht nur sich, sondern die ganze Familie zu ernähren. Die Bereitschaft, junge Frauen zu fördern, wird so auch bei eher patriarchalischen Gesellschaften grösser. Doch die Angst vor Unbekanntem ist vielfach noch sehr gross: «Viele Familien haben Angst um ihre Tochter oder Schwester, sie sind besorgt, wenn sie etwa Nachtdienst haben. Deshalb versuchen wir, die Familien so weit wie möglich zu involvieren, um ihnen verständlich zu machen, welche Vorteile das beinhaltet und welche Chancen darin liegen.» Doch was, wenn Familien ihre Töchter bewusst von solchen Chancen fernhalten wollen? Mona Mourshed weicht an dieser Stelle aus. «Die Problematik ist mir sehr bewusst, aber in dem Bereich sind wir nicht aktiv. Diejenigen, die an ‹Generation› teilnehmen, haben diese Offenheit, weil sie sich ja bewerben mussten.» Sie setzt aber auf die Kraft positiver Vorbilder: «Rollenmodelle sind sehr wichtig. Wenn jemand Erfolg hat, der aus deinem Land, deiner Stadt, deiner Strasse stammt und so wie du aussieht, dann motiviert dich das natürlich noch viel mehr.»
Es gibt noch viel zu tun
Mona Mourshed hat mit «Generation» schon viel erreicht. Doch das ist für sie kein Grund, innezuhalten: «Wir haben sehr ehrgeizige Pläne. Wir wollen noch mehr Arbeitsplätze in mehr Berufen erschliessen, wir wollen an mehr Orten präsent sein. Und in Zukunft möchten wir auch vermehrt Menschen, die ihre Jobs etwa aufgrund Automatisierung verloren haben, wieder beschäftigen.» Ihr Ziel ist es, in den nächsten beiden Jahren «Generation» zu 100 Prozent profitabel zu machen. Doch die Herausforderungen sind gewachsen. Es müssen immer mehr Unternehmen motiviert werden, sich für die jungen Arbeitskräfte zu öffnen. «Wir können ihnen nur dabei helfen, dass sie ihre Beschäftigungsprofile in den Jobs flexibler gestalten und so mehr Zugang zu jungen Arbeitskräften haben.» Denn darin liegen Chancen für ein ganzes Land.
Über Mona Mourshed
Mona Mourshed ist Gründerin und CEO der NGO «Generation», des weltweit grössten Programms gegen Jugendarbeitslosigkeit. Sie ist seit 1999 bei McKinsey tätig, sie war Mitgründerin des Büros in Dubai. 2005 wurde sie die erste weibliche Partnerin von McKinsey in der arabischen Welt. Zwischen 2011 und 2017 leitete sie die weltweite Bildungspraxis des Unternehmens. Ihr Einfluss ist weitreichend: Die Forschung, die sie 2010 zum Zusammenhang von Jugendbeschäftigung und Bildung in der arabischen Welt begonnen hat, nahm im Arabischen Frühling eine gesteigerte Bedeutung an. Ihre Arbeit erstreckt sich über den Nahen Osten hinaus; sie beschäftigt sich mit Themen von der Schulsystemreform bis zur Berufsausbildung in Lateinamerika und Asien. Mona Mourshed hat am renommierten MIT im Bereich «Economic Development» promoviert.
2011 wurde Mona Mourshed in die «40 under 40» der Zeitschrift «Fortune» gewählt, sie ist Mitglied des Vorstands der International Baccalaureate Organization, Vorstandsmitglied der New America Foundation und Mitglied des globalen Beirats von Teach for All sowie des Council on Foreign Relations. Zuvor war sie Mitglied des Gouverneursrats von Junior Achievement Worldwide und Mitglied des Global Agenda Council on Education des World Economic Forum.
Die amerikanisch-ägyptische Doppelbürgerin lebt mit ihrer Familie in den USA.
Text Irene M. Wrabel Bilder «Generation» | McKinsey