Am She’s Mercedes-Event vom 15. September 2022 berichten die beiden Zürcher Yoga-Lehrerinnen Aylin Karadayi und Mirjam Haymann von ihrem Weg zu ihrem Selbstverständnis von Selfcare.

Sie wissen viel und verkörpern, wofür sie sich stark machen: Aylin Karadayi und Mirjam Haymann haben auf unterschiedlichen Wegen und aus unterschiedlichen Gründen zu Yoga gefunden. Daraus entstanden ist die Überzeugung, dass es nicht Luxus ist, sich um sich selbst zu kümmern wie um jeden anderen Menschen, der einem wichtig ist, sondern Teil der Eigenverantwortung. Damit wird Selbstfürsorge zu einem Task wie Sitzungen oder Zähneputzen. Zusammen haben die beiden Frauen «Everyday Hero Yoga» entwickelt. Es ist, was es heisst: ein Programm für Alltagsheldinnen wie Sie.

WOMEN IN BUSINESS: Gebe ich bei Google das Schlagwort Selfcare ein, erhalte ich 491 Millionen Ergebnisse in 0,73 Sekunden. Ihr Kommentar?
Aylin
: Ein Trend in unserer Selbstoptimierer-Gesellschaft, der erzählt, alles sei möglich. Selfcare wird somit zum Imperativ erklärt.
Mirjam: Andererseits ist Selfcare ja effektiv unerlässlich – wenn wir gesund bleiben wollen. Das Angebot ist erschlagend, die Realität hat mit den Hochglanzbroschüren oft nichts zu tun. Das Suggerieren von Selfcare als Hobby, gar Luxus, führt häufig zu Be- anstatt Entlastung.

Was heisst Selfcare für Sie?
Mirjam
: So zu leben, dass ich gut atmen kann, mein Körper Beachtung bekommt und mein Geist Freude erlebt.
Aylin: Für mich einzustehen. Kompromisse eingehen. Platz schaffen.

Was sind die grössten Herausforderungen dabei?
Aylin
: Die Disziplin, die Eigenverantwortung, Zeit, vielleicht sogar das Überangebot.
Mirjam: Selfcare ist nichts für «obendrauf», quasi als Sahnehäubchen, sondern gehört fix eingeplant. Dafür müssen wir Strukturen ändern, Platz machen – was Disziplin und Mut braucht, nicht zuletzt wegen den Anforderungen der Gesellschaft. Konkretes Beispiel: Ich als Mutter soll alles lieben und von Herzen machen – und da kann es ja nicht sein, dass ich Pausen brauche oder andere Interessen habe, als Znüniboxen vorzubereiten.

Welches ist Ihr effektivstes Selfcare-Tool?
Aylin
: Meditation.
Mirjam: Yoga-Asana.

Welches das schönste?
Aylin
: Musik.
Mirjam: Singen.

Wie finde ich das Passende für mich?
Aylin
: Versuch und Irrtum. Probieren geht über studieren.
Mirjam: Genau das ist es, einfach mal machen und dann aussortieren, ändern, anpassen.

Ihr gemeinsames Ding ist Yoga. Wie haben Sie dazu gefunden?
Aylin: Auf ziemlich tragische Weise: Ich hatte vor zehn Jahren Brustkrebs. Und Yoga, das davor kein Thema war für mich, hat mir erst auf physischer und dann auch geistiger Ebene geholfen.
Mirjam: Ich habe als junge Frau über eine Angststörung zu Yoga gefunden: Für mich war es damals sehr beruhigend, auf dem Boden zu sitzen, liegen oder gar zu essen. Mein Therapeut riet mir zu einer Bewegungsform am Boden. Et voilà.

Wie sieht für Sie ein perfekter Morgen/Tag aus?
Aylin
: Mein Freund oder mein Hund wecken mich, dann trinke ich einen Kaffee und gehe danach entweder mit dem Hund spazieren oder meditiere.
Mirjam: Bei mir ist es laut, die Stunde zwischen 7 und 8 Uhr am Morgen ist die anstrengendste des Tages. Danach kehrt Ruhe ein, weil die Mädchen in der Schule sind und das Au-pair übernimmt. Wenn ich dann ein bisschen Zeit für mich habe, gibt mir das sehr viel.

Sie sind die Macherinnen von «Everyday Hero Yoga» – ein Online-Programm – und Kind von Corona?
Aylin
: Ja, und es läuft, immer wieder, in Wellen.
Mirjam: Die ganze Yogabranche hat sehr unter Covid gelitten. Die Situation ist spannend und interessant, aber auch herausfordernd. Wo der Normalzustand endet, fängt etwas Neues an, Studios schliessen, Lehrer unterrichten online.

Was braucht es zum Everyday Hero?
Mirjam
: Nichts Besonderes, das sind wir alle bereits. Denn was anderes ist das Leben als eine Heldenreise, eine emotionale, spirituelle und mitunter auch höchst weltliche Odyssee. Deshalb haben wir uns bei unserem Programm auch für den Archetypen «Hero» entschieden…
Aylin: … und schlagen die Brücke zwischen den Welten, damit etwas Neues entsteht.

Ihre Philosophie?
Aylin
: Wir machen uns dafür stark, dass es für jede und jeden möglich ist, eine bessere Beziehung zum eigenen Körper und somit zu sich selbst zu haben …
Mirjam: … und da geht es uns nicht einfach darum, seine Beine, Brust und Bauch zu mögen, sondern uns aufs Ganze einzulassen und gesamthafter danach zu forschen, wie es uns geht und uns so kennenzulernen: In welcher Beziehung stehen wir zu unserem Hüftgelenk, Atem, Magen und so weiter.

Und das kann Yoga?
Aylin
: Zu Yoga geistert so viel durch Medien, Internet und Soziale Medien, dass der Eindruck entsteht, es handle sich um etwas Religiöses, fast Klösterliches, das nur etwas ist für ganz bestimmte Menschen, zum Beispiel selbstversorgende Vegetarier in Hippiehosen.
Mirjam: Das sind alles Klischees und wir die wandelnden Beispiele dafür. Wir selbst leben in chaotischen, lustigen und überaus weltlichen Umständen. Zugleich schöpfen wir immer wieder viel aus dem Kosmos des uralten Systems, das uns Yoga zu bieten hat.

Braucht halt Zeit.
Mirjam
: Yoga ist kein Quickfix, sondern eine Praxis, die von Regelmässigkeit lebt. Sicher. Ich höre immer wieder, ich würde schon mehr machen, aber ich habe keine Zeit. Meine Antwort: Du hast keine Zeit? Dann nimm dir Zeit.

Und die Reaktion, die folgt, ist «das ist einfacher gesagt als getan». Right?
Mirjam
: Ja. Aber man beginnt darüber nachzudenken. Ein Tag hat 24 Stunden für jede und jeden. Zeit kann man nicht besitzen, nur nutzen und die Art und Weise, wie wir sie nutzen, ist eine Frage der Prioritäten. Und da tun sich mitunter innere Gräben auf: Ich habe drei kleinere Kinder, um Zeit für mich zu haben, mache ich manchmal Abstriche bei meinen Erwartungen an mich als gute Mutter – und setze sie für ein Weilchen vor den TV.

Und das schlechte Gewissen praktizieren Sie auf der Matte weg?
Mirjam
: Ein schlechtes Gewissen habe ich nicht, im Gegenteil, ich schätze es, dass ich mir diese Zeit-Räume nehme trotz dem Vielen, das ich und andere von mir erwarten. Unser Credo: Jeden Tag ein bisschen Yoga hält die inneren Dämonen im Zaum und gibt uns mehr Raum zum Durchatmen.
Aylin: Chop wood, carry water. Ob es einem gut geht oder nicht, die Praxen sollten dieselben sein, das führt zu weniger Gefühlschaos im Sinne von: hab ich Lust oder nicht. Denn Selfcare bedingt Scheduling: Wenn ich einen Zahnarzttermin habe, frage ich mich dann auch nicht, ob ich Lust hab oder nicht, ich gehe einfach, zum Wohle meiner Zähne.

Wie ist Ihr Selbstverständnis als Selfcare-Spezialistinnen und Yogalehrerinnen?
Aylin
: Wir verstehen uns als Mediatoren zwischen Leben und Matte. Und selbst beziehen wir in unsere Praxis auch Aspekte aus anderen Lehren ein, zum Beispiel aus dem Daoismus mit seinem Wissen um die fünf Elemente. Wir arbeiten zudem mit Bildern, sprechen vom Körper als «das Haus», in welchem wir leben. Und dieses gilt es sauber zu halten, zu pflegen und hin und wieder zu entrümpeln.
Mirjam: Wir vermitteln Yoga für Alltagsmenschen und folgen dabei nicht Mann/Frau, dick/dünn, jung/alt sondern zum Beispiel Hitze/Kälte, Leichtigkeit/Schwere und Feuchtigkeit/ Trockenheit – alles Aspekte mit einem engen Bezug zu unseren Organen. Es gibt dafür sehr simple und praktikable Übungen, die man am Schreibtisch, auf dem Bett oder in der Küche anwenden kann.

Klingt easy.
Aylin
: Und das ist gewollt, aber hart erarbeitet und hat sehr viel Disziplin gebraucht. Was wir vermitteln, ist weder ein Geschenk des Zufalls noch des Glücks.
Mirjam: Die Wörter Disziplin und harte Arbeit sind natürlich nicht Selbstzweck, sondern einfach wichtig, um Veränderungen herbeizuführen. Am Schluss, das garantieren wir, wirken diese Tools befreiend.

Und erleuchtend?
Mirjam
: Yoga macht nicht selig, im Gegenteil: Yoga legt Schwächen und Gebrechlichkeiten offen, bringt das Schwierige an die Oberfläche. Dann liegt es an jedem einzelnen zu entscheiden, wie damit umgehen – eine Möglichkeit, Verantwortung zu übernehmen. Eine gute Übung geht für mich nicht runter wie Honig, sondern fordert mich heraus, den Honig im Innern zu finden.
Aylin: Man lernt sich kennen, begegnet sich selbst, realisiert, woraus man seine Kraft schöpft. Ich habe selbst erfahren, dass Yoga insbesondere in schwierigen Zeiten ein guter Helfer sein kann.


 

Event-Empfehlung der Redaktion
Seien Sie beim nächsten She’s Mercedes Event dabei und lernen Sie Aylin und Mirjam persönlich kennen.

«The Essence of Self-Care»

Eine Veranstaltung der She’s Mercedes Initiative.
Datum und Uhrzeit: Donnerstag, 15. September, 17.30–22.00 Uhr
Ort: The Dolder Grand, Zürich
Ticketpreis: CHF 49.–
Der Event findet auf Englisch statt.

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 Die Initiative She’s Mercedes steht für die Idee, dass Inspiration Aussergewöhnliches bewirken kann. Mehr zur Initiative und zu den Events von She’s Mercedes in der Schweiz finden Sie im Newsletter mercedes-benz.ch/shesnewsletter-de sowie unter mercedes-benz.ch/shes


Fotos: Lauretta Suter

 

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